Ein Baby zu Weihnachten

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Jodie verbringt heiß verliebte, romantische Weihnachtstage mit Sam. Der attraktive Arzt ist ihr absoluter Traummann - mit ihm will sie eine Familie gründen! Ihr Glück scheint perfekt, bis Sam ihr gesteht: Ihren Wunsch nach einem Baby kann er nicht erfüllen …


  • Erscheinungstag 04.12.2019
  • ISBN / Artikelnummer 9783733728885
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Advent, Advent, ein Lichtlein brennt, erst eins, dann zwei, dann drei, dann …“

Wie vom Donner gerührt, unterbrach Sam Taylor seinen Rundgang durch die Kinderstation. Empört öffnete er die Tür zu dem kleinen Zimmer, lehnte sich an den Pfosten und beobachtete die junge Ärztin, die gerade ein kleines Mädchen mit dem Zeigefinger am Bauch kitzelte. Das Kind jauchzte vor Vergnügen.

Wie konnte sie es wagen, sich hier zu amüsieren, während die Arbeit auf der Station kaum zu schaffen war?

Sam konnte Dr. Jodie Price nur von hinten sehen. Ihre langen blonden Locken fielen über ihre Schultern, während sie sich über das Gitter des Bettchens zu der kleinen Patientin hinunterbeugte.

Jetzt räusperte er sich beherrscht und versuchte, seine Wut zu unterdrücken. „Dr. Price, haben Sie einen Moment Zeit?“

Jodie blickte auf, und ihr fröhlicher Gesichtsausdruck verschwand, als sie seine grimmige Miene sah. „Selbstverständlich, Dr. Taylor.“ Noch einmal wandte sie sich an das kranke Mädchen und tippte ihn zärtlich auf die Nasenspitze. „Bis morgen, Amy. Schenkst du mir noch ein Lächeln?“

„Okay“, sagte Amy und verzog tapfer die Mundwinkel, obwohl sie enttäuscht war, nun wieder allein sein zu müssen.

Sam ließ Jodie den Vortritt und schloss die Tür. „Die Hälfte der Visite ist noch zu machen“, setzte er vorwurfsvoll an.

„Ich weiß“, gab Jodie ruhig zurück.

Seine stahlgrauen Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. „Trotzdem spielen Sie in aller Seelenruhe mit Amy Simcox?“

Sie nickte, scheinbar ungerührt. „Unzählige Untersuchungen haben gezeigt, wie wichtig es ist, dass kranke Kinder auch mal lachen. Und davon abgesehen ist heute mein freier Tag.“

Der Punkt ging an sie. Sam fluchte innerlich. Doch so schnell gab er nicht auf. „Tut mir leid, das wusste ich nicht. Leider weigern Sie sich ja hartnäckig, bei der Arbeit einen weißen Kittel zu tragen. Und deshalb“, fuhr er fort, und seine Stimme war gefährlich sanft, „ist es ziemlich schwierig zu erkennen, ob Sie Dienst haben oder nicht.“

Nun schoss Jodie das Blut in die Wangen. Aber sie ließ sich nicht einschüchtern. „Nach meiner Erfahrung flößt ein weißer Kittel Kindern noch mehr Furcht ein, als die Krankenhausatmosphäre es ohnehin schon tut.“

„Und wie können die Eltern dann sicher sein, dass Sie sich nicht nur als Ärztin ausgeben?“, schoss er zurück. „Mit einem Stethoskop um den Hals und Akten unter dem Arm kann jeder herumlaufen.“

„Zugegeben.“ Sie schenkte ihm ein verschmitztes Lächeln, das ihn nur noch mehr in Rage brachte. „Einen Arztkittel kann sich aber auch jeder besorgen – einen Dienstausweis dagegen nicht.“ Sie fischte die kleine Plastikkarte aus der Tasche ihrer Jeans.

Sam wusste, er müsste die junge Assistenzärztin eigentlich darauf hinweisen, dass sie sich ihm gegenüber im Ton vergriff. Doch der angriffslustige Glanz in ihren Augen sagte ihm, dass sie genau darauf wartete. Er war höchstens sechs oder sieben Jahre älter als sie, doch im Moment fühlte er sich, als läge eine ganze Generation zwischen ihnen.

„Was machen Sie überhaupt hier, an Ihrem freien Tag?“, wechselte er jetzt das Thema. „So viel Engagement ist doch ziemlich ungewöhnlich. Denken Sie, dass Sie auf diese Weise schneller Karriere machen?“ Er wusste, dass er ihr unrecht tat. Sie war nicht der Typ, der mit unfairen Mitteln die Kollegen ausstach.

„Ich wollte nur ein wenig Zeit mit Amy verbringen.“ Jodie biss sich auf die Lippen. „Sie tut mir leid. Nicht nur, dass die Kleine in einem Alter ist, wo sie eigentlich putzmunter herumlaufen sollte, statt mit dem Hüftgips zur Bewegungslosigkeit verurteilt zu sein. Ihr Vater ist angeblich viel zu beschäftigt, um sie zu besuchen. Und die Mutter bricht jedes Mal in Tränen aus, wenn sie kommt.“

„Warum?“, fragte Sam Taylor verblüfft. Natürlich wusste er, dass einem guten Arzt das Schicksal seiner Patienten nicht gleichgültig war. Aber dennoch erstaunte ihn Jodies große Betroffenheit.

„Amys Mutter ist überzeugt, dass sie schuld ist an dieser Fehlstellung der Hüfte, weil sie während der Schwangerschaft einmal ein Glas Champagner getrunken hat.“ Jodie zuckte die Achseln. „Ich habe ihr unzählige Male erklärt, dass eine Hüftfehlstellung häufig vorkommt, wenn das Baby im Bauch der Mutter nicht richtig liegt. Der Kinderarzt hätte die Fehlentwicklung eigentlich schon bei der Routineuntersuchung mit sechs Wochen erkennen müssen, spätestens aber, als Amy mit anderthalb Jahren noch immer nicht richtig laufen konnte. Aber das Problem ist erst hier im Krankenhaus erkannt worden. Dabei wäre es bei einem Neugeborenen so einfach und schmerzfrei zu behandeln gewesen.“

Sie seufzte und fuhr fort: „Die Krankenschwestern sind sehr lieb zu der Kleinen, aber sie haben wenig Zeit. Deshalb bin ich manchmal in der Mittagspause oder nach Feierabend noch kurz bei Amy.“

„Machen Sie das bei all Ihren Patienten so?“, fragte Sam.

Jodie reckte das Kinn, und zum ersten Mal fiel ihm auf, dass sie kaum kleiner war als er.

„Nur bei denjenigen, die besondere Zuwendung brauchen“, entgegnete sie trotzig.

Ohne nachzudenken, erwiderte Sam: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass Ihr Freund dafür Verständnis hat.“ Im nächsten Moment hätte er sich für diese allzu direkte Frage verfluchen können.

Jodie errötete. „Nein, das hatte er nicht.“ Sie blickte Sam direkt an. „Ich will Sie nicht länger aufhalten, Sie müssen zur Visite.“

Nein, das hatte er nicht. Bedeutete das, dass sie keinen Freund mehr hatte? Plötzlich bemerkte Sam, dass Jodie ihn noch immer ansah und auf eine Antwort wartete. „Oh, ja. Ich muss gehen. Gute Nacht, Dr. Price.“

Sam setzte seine Patientenbesuche fort und machte sich sorgfältig Notizen zu jedem Fall. Doch er konnte das Bild der blonden Assistenzärztin nicht aus seinen Gedanken verdrängen. Verrückt. Nach dem unglücklichen Ausgang seiner Ehe mit Angela hatte er keinerlei Interesse an einer neuen Beziehung. Und wenn doch, dann ganz gewiss nicht mit Jodie. Er wollte nicht, dass die Kollegen im Krankenhaus einen Grund hatten, über ihn zu reden. Als Angela ihn damals wegen eines anderen Mannes verlassen hatte, war das Gerede schon schlimm genug gewesen. So etwas wollte er ganz gewiss nicht noch mal erleben.

Außerdem war Jodie überhaupt nicht sein Typ. Jung, schön und eine Spur zu selbstbewusst für eine Ärztin in ihrer Position. Sie musste noch eine Menge lernen, sowohl im Beruf als auch im Leben. Doch wenn er ehrlich war, faszinierte ihn genau das an ihr.

Energisch rief er sich zur Ordnung. Er wollte nicht einmal mit ihr befreundet sein, geschweige denn mehr. Doch warum hatte er sie dann nach ihrem Freund gefragt?

Sam zwang sich zur Konzentration und beendete die Visite. Doch als er die Station gerade verlassen wollte, hörte er plötzlich Jodies fröhliches Lachen. Ein Lachen, das ihm unter die Haut ging. Einen Moment lang wünschte er, er selbst hätte ein Lächeln auf ihr Gesicht gezaubert.

„Bis später bei Mario, Jodie“, sagte gerade Fiona Ferguson, die Stationsschwester. „Um acht Uhr.“

„Ich werde pünktlich sein“, versprach Jodie, schwang sich auf den Rand des Schreibtisches und ließ die langen Beine baumeln.

„Niemals! Ihr Ärzte seid alle gleich. Ihr glaubt, die Zeit, die Freunde und die Pizza warten nur auf euch“, neckte Fiona sie. „Wenn du zu spät kommst, werden wir dein Dessert aufessen.“

„Das könnt ihr einer armen, hungrigen Assistenzärztin nicht antun“, flehte Jodie theatralisch. „Marios Desserts sind göttlich.“

„Du traust uns das nicht zu?“, fragte Fiona ungläubig und lachte.

„Dr. Price, Sie sind ja immer noch hier“, stellte Sam betont gleichgültig fest, während er schlendernd näher kam.

„Oh, Dr. Taylor.“ Sofort verblasste Jodies Lächeln. „Ich wollte gerade …“, ihre Stimme erstarb. Warum nur fühlte sie sich in Sam Taylors Gegenwart so unwohl? Sie hatte bisher nie Probleme mit ihren Vorgesetzten gehabt, doch er war vollkommen unnahbar. Kein Wunder, dass die Kollegen ihm den Spitznamen „Dr. Frost“ gegeben hatten. Hinter seiner Unnahbarkeit steckte mehr als nur professionelle Distanz.

Man musste ihn aus der Reserve locken, beschloss sie kurzerhand.

„Warum kommen Sie heute Abend nicht einfach mit?“, schlug sie vor.

„Mit Ihnen?“ Er sah sie irritiert an.

„Ja, wir treffen uns bei Mario, dem Italiener am Ende der Straße.“ Er sah sie an, als habe sie ein Dinner zu zweit bei Kerzenschein und romantischer Musik vorgeschlagen, dachte sie bei sich. „Dort gibt es die beste Pizza der Stadt, und donnerstags spielt immer eine Jazzband. Es gibt auch köstliches Risotto, falls Sie keine Pizza mögen“, fügte sie schnell hinzu.

„Ich …“

„Und wir reden auch nicht den ganzen Abend über die Arbeit. Also, um acht Uhr?“

„Ich …“

„Gut“, sagte sie und schenkte ihm ein Lächeln. „Wir sehen uns dann dort.“ Sie verabschiedete sich von Fiona und ging hinaus, während Sam Taylor ihr nachblickte und die Stationsschwester ihr mit hochgezogenen Brauen hinterhersah.

Nachdem Jodie die bequemen Gesundheitsschuhe gegen ihre Sportschuhe getauscht hatte, machte sie sich auf den Weg zum Fahrradschuppen am Rand des Parkplatzes.

Was hatte sie nur getan? fragte sie sich entgeistert, als sie nach Hause radelte. Aus einer Laune heraus hatte sie den attraktivsten Oberarzt des Krankenhauses zu ihrem wöchentlichen Treffen eingeladen. Natürlich glaubte er jetzt, sie wolle sich bei ihm anbiedern. Oder, noch schlimmer, sie sei auf der Suche nach einem erfolgreichen Ehemann.

Dabei mochte sie Sam Taylor nicht einmal besonders.

Obwohl er durchaus anziehend war, ein starker, ruhiger Mann, groß, dunkelhaarig und ehrgeizig. Seine grauen Augen erinnerten sie an einen trüben Himmel voller Regenwolken, und er wirkte einsam. Sie bevorzugte den sportlichen Typ, blond und gebräunt, mit ungezähmten Locken. Männer, die nicht zu ernst waren, sondern auf der Sonnenseite des Lebens standen. Mit Lachfältchen um die meerblauen Augen und einem freundlichen, großzügigen Mund. Taylor aber war blass, vernünftig und strich sein glattes Haar ordentlich aus dem Gesicht.

Hör auf, darüber nachzudenken, sagte sie sich, als sie bei ihrer Wohnung angekommen war. Vermutlich wird er heute Abend gar nicht auftauchen.

2. KAPITEL

Als Jodie um Viertel nach acht das kleine italienische Restaurant betrat, winkte Fiona ihr fröhlich zu. „Du bist zu spät. Danke, dass wir jetzt dein Dessert essen dürfen“, witzelte sie.

Jodie trat an den Tisch und begrüßte die fröhliche Runde ihrer Kollegen. Dann erstarrte sie für einen Moment – Sam Taylor saß am Ende des Tisches und lächelte ihr zu. Er trug schwarze Jeans und ein dunkles Poloshirt und deutete einladend auf den einzigen freien Stuhl ihm gegenüber.

Tagsüber der Halbgott in Weiß, abends schlichtes Schwarz. Widerwillig musste sie zugeben, dass es ihm verdammt gut stand.

Ihr wild pochendes Herz ignorierte sie, setzte sich und schenkte Sam ein höfliches Lächeln. „Sie sind also tatsächlich gekommen.“

Er nickte nur.

„Habt ihr schon bestellt?“, fragte Jodie in die Runde.

„Ja, für dich die gleiche Pizza wie immer“, erwiderte Mick Salmond, einer der wenigen männlichen Krankenpfleger auf der Station. „Margherita mit Muscheln, schwarzen Oliven und Avocado.“

„Avocado? Auf der Pizza?“ Sam runzelte die Stirn.

Zum ersten Mal entdeckte Jodie einen Anflug von Heiterkeit in seinem Blick. Die grauen Regenwolken schienen wie weggeblasen, an ihre Stelle war ein hell glänzender Silberstreif getreten. Das Lächeln, das er ihr schenkte, war zurückhaltend und dennoch faszinierend. Wie es wohl wäre, diese Lippen zu küssen? fragte Jodie sich insgeheim. Doch sofort rief sie sich zur Vernunft. Sie wollte nicht über Sam Taylor in diesem Zusammenhang nachdenken. Niemals.

Ist er umwerfend oder ein Langweiler? würde ihr Bruder fragen. Er ordnete alle Verehrer seiner Schwester in diese beiden Kategorien. Heute Morgen noch hätte Jodie Sam den Langweilern zugeordnet. Mittlerweile war sie nicht mehr so sicher.

Um ihre Verwirrung zu überspielen, griff Jodie nach der Rotweinflasche, schenkte sich ein und nahm einen Schluck. „Mmm, der Wein schmeckt wunderbar“, äußerte sie zufrieden.

„Es ist dieser sizilianische Syrah, den du letztes Mal entdeckt hast“, erklärte Fiona.

„Wenn man eine Frau auswählen lässt, hat man plötzlich einen Wein mit Schokoladenaroma“, brummte Mick und rollte mit den Augen.

„Rotwein und Schokolade ergänzen sich schließlich perfekt“, gab Jodie unbeirrt zurück. „Außerdem ist es erwiesen, dass Menschen, die genießerisch leben, ein besseres Immunsystem haben.“

Mick stöhnte. „Jetzt wirst du uns gleich wieder mit deinem Beitrag zum Thema Spielen langweilen.“

„Spielen?“, fragte Sam irritiert.

„Sie schreibt einen Fachartikel für die Ärztezeitschrift, wie wichtig Spielen für die Genesung von Kindern ist“, erklärte Mark.

„Deshalb also verbringen Sie Ihre freie Zeit auf der Station“, vermutete Sam.

Jodie errötete. „Ja … Nein. Nicht nur deshalb. Ich liebe die Arbeit mit Kindern, das ist alles.“

Die Pizza kam und erlöste sie aus ihrer Verlegenheit. Jodie widmete sich voller Genuss dem Essen, bis sie spürte, dass Sam sie unverwandt ansah. Fragend blickte sie auf.

„Ich kann nicht glauben, dass Sie das essen“, Sam verzog das Gesicht.

„Sie sollten es probieren, es ist wirklich köstlich.“ Ohne zu zögern, schnitt sie ein Stück von ihrer Pizza ab und bot ihm ihre Gabel an.

Als er sich vorbeugte, traf sein Blick den ihren. Jodie spürte, wie ihr Mund trocken wurde. Vermutlich war ihr der Alkohol zu Kopf gestiegen. Wie kam sie dazu, ihn mit ihrer Gabel zu füttern?

Erschrocken zog sie die Hand wieder zurück.

„Schmeckt besser, als ich dachte“, gab er zu.

Sie spürte, wie ihr das Blut in die Wangen schoss, und beugte sich verlegen über ihren Teller.

„Warum haben Sie sich für Kinderheilkunde entschieden?“, fragte Sam interessiert.

„Ich mag Kinder.“

„Aber Sie sind nicht verheiratet. Wollen Sie keine eigenen Kinder?“

Jodie runzelte die Stirn. Warum fragte er? Wollte er wissen, ob es sich lohnte, auf sie als Ärztin zu zählen, oder ob sie sich irgendwann gegen eine Karriere und für Familie entscheiden würde?

Nein, so war er nicht. Vermutlich wollte er nur ein simples Gespräch mit ihr führen, ohne Hintergedanken. Er konnte ja nicht ahnen, dass er ihren wunden Punkt getroffen hatte. Es war nämlich gerade einmal drei Monate her, dass ihr Exfreund Graham ihr eröffnet hatte, sie kümmere sich zu viel um ihren Beruf, und sie deswegen verlassen hatte.

„Nein, ich bin nicht verheiratet, und ich plane auch kein Haus voller Kinder“, erklärte sie kurz. „Nicht alle Frauen träumen davon, eine Familie zu gründen.“

„Nein?“, gab er zurück. Seine Miene war unergründlich.

„Nein“, betonte Jodie energisch. „Ich habe einen kleinen Patensohn, Billy, und ich genieße es sehr, Zeit mit ihm zu verbringen.“ Das war nur ein Teil der Wahrheit. Sie wünschte sich Kinder, nur jetzt noch nicht. Sie wollte einen Weg finden, Mutter zu sein und dennoch ihren Beruf nicht aufzugeben. Und dann war da noch das kleine, aber nicht unwichtige Problem, zunächst den Vater ihrer Kinder zu finden …

„Warum arbeiten Sie auf der Kinderstation?“, wechselte sie das Thema und gab die Frage von vorhin zurück.

„Ich …“, er zögerte. „Nach dem Studium habe ich in der Kardiologie und in der Onkologie gearbeitet, doch die Arbeit mit Kindern liegt mir am meisten.“ Während er sprach, schien es, als wappne er sich gegen einen inneren Schmerz.

„Kardiologie“, wiederholte sie gedankenverloren. „Das wäre fast auch mein Spezialgebiet geworden, wegen Sadie.“

„Sadie?“

„Meine jüngere Schwester.“ Ihre fröhlichen grünen Augen verdüsterten sich. „Sie hatte ein Loch im Herzen. Damals konnte man es noch nicht heilen. Sie starb zwei Wochen nach der Geburt.“

„War sie sehr viel jünger als Sie?“, wollte Sam wissen.

Jodie schüttelte den Kopf. „Ich war damals knapp drei. Mein Bruder Matt war sieben, er kann sich besser an die Zeit damals erinnern. Trotzdem hat gerade er mich überzeugt, nicht nur wegen Sadie Kardiologin zu werden, sondern meinen eigenen Weg zu finden.“

Sie lächelte. „Er hat mir gerade erzählt, dass er sich verloben wird. Annie und er kennen sich schon seit der Schulzeit, doch ihre Liebe füreinander haben sie erst jetzt entdeckt. Und nun wollen sie keine Zeit mehr verlieren. Die Party ist am nächsten Wochenende“, fügte sie wenig begeistert hinzu.

„Und Sie haben Dienst und können nicht dabei sein?“, vermutete Sam.

Jodie nickte.

„Können Sie nicht mit jemandem tauschen?“

„Nein, dafür ist die Station zu schlecht besetzt. Aber wir werden nachfeiern, nur Annie, Matt und ich.“

Also war der Freund endgültig aus dem Rennen, stellte Sam fest und spürte, dass ihn diese Tatsache freute. Warum? Er konnte sich nicht in Jodie verlieben. Schließlich war sie seine Kollegin.

Sie hatte mittlerweile den Platz gewechselt und trank gemeinsam mit Fiona einen Kaffee an der Bar. Doch er konnte den Blick nicht von ihr abwenden. Er nahm jede ihrer Bewegungen in sich auf – die Art, wie sie die blonden Locken über die Schultern warf, wie ihr Mund sich zu einem Lächeln verzog, wie sie die Hand nach der Tasse ausstreckte. Er stellte sich vor, wie es wäre, ihren schlanken Körper zu berühren, mit den Fingern durch ihr seidiges Haar zu streichen, ihre Lippen zu küssen und ihr danach tief in die lebhaften grünen Augen zu schauen.

Sam atmete tief durch. Was hatte Jodie Price an sich, dass ihm ihr Anblick so sehr unter die Haut ging? Es war ihm immer gelungen, Job und Privatleben strikt zu trennen. Dabei hatte er eigentlich gar kein Privatleben. Es gab nur die Katze, die ihm zugelaufen war, als er nach Norfolk zog. Er hatte sich immer vorgestellt, mit Anfang dreißig Kinder zu haben. Einen Sohn, der auf Bäume kletterte und mit dem Stethoskop seines Vaters dem Klopfen seines Herzens lauschte. Eine kleine Tochter, die auf unsicheren Beinen die ersten wackligen Schritte auf ihn zu machte und „Da-da“ zu ihm sagte.

Doch tatsächlich war sein Leben eine gähnende Leere. Ein Vakuum, das er auch mit noch mehr Arbeit nicht füllen konnte.

Er ertappte sich dabei, dass er Jodie erneut beobachtete. Sie gab jedem Menschen das Gefühl, wichtig zu sein. Er sah, wie sie mit ernster Miene zuhörte, während Mick etwas erzählte. Dann lachte sie unbeschwert und warf dabei den Kopf in den Nacken.

Nach dem Kaffee löste sich die fröhliche Runde auf. Schließlich blieben Sam und Jodie allein vor der Tür der Restaurants.

„Wie kommen Sie nach Hause?“, fragte er.

„Mit dem Fahrrad.“

Er runzelte die Stirn. „Bei diesem Regen?“

Sie zuckte die Achseln. „Es ist nicht weit. Ich brauche höchstens eine Viertelstunde.“

„Aber Sie werden bis auf die Haut nass, wenn Sie bei diesem Wetter aufs Rad steigen.“

„Das wird mich nicht umbringen. Man holt sich nicht gleich eine Grippe, wenn man ein bisschen nass wird, Doktor“, neckte sie ihn und schlang sich ein Tuch um die hellen Locken.

„Wo steht Ihr Rad?“

„Warum?“, fragte sie irritiert.

„Weil wir Ihr Fahrrad in den Kofferraum meines Wagens laden werden und ich Sie heimbringe. Das ist das Mindeste, was ich tun kann“, fügte er hinzu. „Schließlich haben Sie mir zu einem ausgesprochen netten Abend verholfen. Also, wo steht Ihr Fahrrad?“

„Dort, an dem Laternenpfahl“, erklärte sie und zeigte auf ihr uraltes Rennrad.

Sie schloss die Kette auf und schob das Fahrrad bis zu seinem Wagen. Das Auto war groß genug für den Transport, aber es war makellos und ziemlich neu.

„Sind Sie sicher, dass Sie sich Ihren Kofferraum ruinieren wollen?“, vergewisserte Jodie sich.

„Absolut sicher.“ Er öffnete die Heckklappe und verstaute ihr Rad. „Steigen Sie ein.“

Plötzlich fühlte sie sich unwohl dabei, auf engem Raum mit Sam Taylor allein zu sein. Sie müsste nur die Hand ausstrecken, um seine Finger zu berühren. Er ging so behutsam mit den Patienten um. Wie mochte es sein, diese Hände auf ihrer Haut zu spüren?

Hör auf, ermahnte sie sich und stellte erschrocken fest, dass er mit ihr gesprochen hatte.

„Entschuldigung, ich war ganz in Gedanken“, sagte sie.

„Können Sie mir den Weg erklären?“, bat er.

Seine Stimme klang vollkommen ruhig und entspannt. Ganz offensichtlich empfand er nicht das Gleiche für sie wie sie für ihn. Sie musste sich Sam Taylor aus dem Kopf schlagen.

Bei ihrem Haus stellte Sam den Motor ab und hievte das Fahrrad aus dem Kofferraum.

„Vielen Dank, dass Sie mich nach Hause gebracht haben.“

„Kein Problem.“

Sollte sie ihm noch einen Kaffee anbieten? Es wäre höflich, nachdem er sie heimgefahren hatte. Doch sie wollte nicht, dass er das Angebot missverstand.

Sam nahm ihr die Entscheidung ab. „Gute Nacht, Jodie.“ Es war das erste Mal, dass er sie beim Vornamen nannte. Ihr Herz klopfte heftig.

„Gute Nacht“, erwiderte sie. Dann schaute sie ihm nach, wie er in den Wagen stieg und davonfuhr. Obwohl sie sich fast den ganzen Abend mit ihm unterhalten hatte, wusste sie nichts von ihm. Er war so rätselhaft und unnahbar. Nur einen Moment lang hatte sie geglaubt, seinen Schutzwall durchbrochen zu haben. Sie hatte einen Blick durch die Wolkendecke erheischt. Und dieser Silberstreif sagte ihr, dass sie nicht aufgeben sollte. Jedenfalls noch nicht.

Auf dem Heimweg machte Sam sich Vorwürfe. Warum hatte er angeboten, sie nach Hause zu bringen? Fast hätte er seine Regel gebrochen, sich nie mit Kolleginnen einzulassen. Wie sie ihn angesehen hatte, als er das Rad aus dem Auto geholt hatte! Ihre Augen hatten geglänzt, ihr Mund so weich und verführerisch … Am liebsten hätte er sie in die Arme geschlossen und geküsst – zur Hölle mit allen Regeln.

Aber er wollte sich nicht wieder auf eine Frau einlassen.

Doch was hatte er eigentlich zu verlieren? Angela war schließlich das genaue Gegenteil von Jodie.

Angela war zierlich, fast mager, und überaus gepflegt. Sie trug grundsätzlich Kostüme mit passenden Designerschuhen und Handtaschen. Jodie dagegen war groß, wohl proportioniert und lässig gekleidet. Angela war stets perfekt geschminkt, während Jodie vermutlich kaum mehr Make-up trug als einen dezenten Lippenstift. Angela hätte sich niemals ihre Frisur im Regen ruinieren lassen, und wenn sie überhaupt jemals auf ein Rad gestiegen wäre, hätte es ein trendiges Mountainbike sein müssen.

Jodie war tatsächlich genau das Gegenteil von Angela – nein, das stimmte nicht. Jodie ähnelte der Angela, in die Sam sich während des Studiums verliebt hatte. Die junge Jurastudentin mit dem Funkeln in den Augen und dem Humor, der ihn aus seiner Ernsthaftigkeit gerissen hatte.

Doch das Leuchten in ihren Augen war verloschen, als Angela merkte, dass er ihr nicht das geben konnte, was sie von einem Ehemann erwartete. Und mit Jodie würde es genauso enden. Er hatte nicht das Recht, jemanden in sein Leben zu lassen. Seine Vergangenheit würde immer präsent sein.

Auch wenn Jodie sagte, sie wäre damit zufrieden, Patentante zu sein, irgendwann würde sie sich eigene Kinder wünschen. Dafür liebte sie Kinder einfach zu sehr.

3. KAPITEL

Jodie sah von der besorgten Mutter zu dem etwa sieben Wochen alten Baby, das diese in den Armen hielt.

„Hallo, ich bin Jodie Price“, stellte sie sich vor. Dann zeigte sie auf Sam. „Mein Kollege Dr. Taylor … Und das ist Harry, nicht wahr?“ Sie strich dem Kleinen behutsam über den Kopf.

Die Mutter, Mrs. Bartlett, nickte kummervoll. „Ich dachte zunächst, es sei nur eine Erkältung. Aber plötzlich bekam er überhaupt keine Luft mehr …“

„Jetzt sind Sie ja hier, und wir werden diesem kleinen Burschen schon helfen“, beruhigte Jodie sie. Dann ging sie in die Hocke und sah sich das Baby an. „Wann haben Sie denn zum ersten Mal bemerkt, dass Harry ernsthaft krank ist?“

Autor

Kate Hardy
Kate Hardy wuchs in einem viktorianischen Haus in Norfolk, England, auf und ist bis heute fest davon überzeugt, dass es darin gespukt hat. Vielleicht ist das der Grund, dass sie am liebsten Liebesromane schreibt, in denen es vor Leidenschaft, Dramatik und Gefahr knistert? Bereits vor ihrem ersten Schultag konnte Kate...
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