Ein Millionär in meinem Bett

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Erleichtert, dass Micki seiner Schwester geholfen hat, macht Sebastian ihr ein Angebot: eine Woche Erotik pur und die Verwirklichung ihrer geheimsten sexuellen Fantasien! Doch als Micki einwilligt, erkennt Sebastian, dass seine Gefühle weit über Dankbarkeit hinausgehen …


  • Erscheinungstag 19.07.2017
  • ISBN / Artikelnummer 9783733779115
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Verrat mir deine geheimste Fantasie.“

Michaela Carmichael, von den meisten Menschen, die sie kannten, nur Micki genannt, verschüttete fast ihren Orangensaft. Noch nie zuvor hatte sie in einem Flugzeug gesessen, geschweige denn in der Business Class. Kein Wunder, dass sie nervös war. Sie hatte gedacht, ihre Freundin Danielle sei kurz nach dem Start eingeschlafen, und jetzt kam wie aus dem Nichts diese intime Frage.

„Schlaf doch, Danielle. Wir haben noch einen langen Flug vor uns.“

Danielle betätigte einen Knopf an der Armlehne, wodurch eine Fußstütze unter dem Sitz hervorschwang. Dann senkte sie die Rückenlehne ab, bis sie sich völlig entspannen konnte.

Micki war sicher, dass Danielle schon oft geflogen war, bevor sie von zu Hause ausgerissen war. In Mickis Familie dagegen hatte es so etwas Luxuriöses nie gegeben. Selbst wenn sie vor zehn Jahren – damals war sie fünfzehn gewesen – das Heim ihrer Großmutter, ihrer Großtante und ihrer Zwillingsschwester verlassen hätte, hätte sie sich so einen Flug sicher nie leisten können. Der gepolsterte Sitz, in dem sie die nächsten achteinhalb Stunden verbringen würde, war bequemer als die alte, von Motten zerfressene Matratze, auf der sie bis vor kurzem geschlafen hatte.

„Stimmt. So eine Reise ist immer unglaublich anstrengend.“ Danielle gähnte übertrieben und öffnete die Augen erst wieder, als die Stewardess mit Kaffee und Saft kam. „Für mich einen O-Saft mit Wodka.“

Sofort hob Micki abwehrend die Hand. „Keinen Alkohol für meine Freundin.“

Erstaunlicherweise protestierte Danielle nicht, sondern lächelte höflich, nahm der Stewardess den Saft ab und stellte ihn wortlos auf Mickis Tablett. Dann kramte sie aus ihrer Reisetasche ein Bündel Papiere hervor, aus dem sie ein Blatt hervorzog und es neben das Glas Saft legte. „Lies das.“

Micki beugte sich vor. „Das ist deine Geburtsurkunde.“

„Genau. Und wenn du sie aufmerksam durchliest, wirst du feststellen, dass du nicht meine Mutter bist.“

„Und wenn du dir dein Geburtsdatum genauer ansiehst, wird dir auffallen, dass du noch nicht einundzwanzig bist.“

„Blöde Kuh!“

„Miststück!“

Sie mussten beide lachen, als die Stewardess sich entrüstet zu ihnen umdrehte. Ein Außenstehender konnte die enge Verbindung zwischen ihnen sicher nicht nachvollziehen. Als sie sich vor fünf Jahren getroffen hatten, waren sie beide so unterschiedlich gewesen, dass Micki sich selbst nicht hatte erklären können, warum Danielle ihr so viel bedeutete. Sie selbst war damals zwanzig gewesen und Danielle erst fünfzehn. Sie lebten beide in Chicago auf der Straße, doch Micki hatte mit dem Gedanken gespielt, dieses Leben aufzugeben und sich wieder mit ihrer Familie zu versöhnen. Danielle dagegen war gerade erst aus ihrem reichen Elternhaus in Michigan geflüchtet. Micki hatte nicht nachvollziehen können, wieso Danielle ein Zuhause mit zwei Swimmingpools und zahllosen Bediensteten aufgab. Aber sicher hatte Danielle dafür genauso gute Gründe, wie Micki sie gehabt hatte, als sie ausgerissen war.

Einerseits hatte Micki Danielle zuliebe länger auf der Straße gelebt, als sie eigentlich gewollt hatte, andererseits hatte sie durch Danielle Verantwortungsgefühl entwickelt. Bislang hatte sie Danielle davor bewahren können, durch dieses rastlose Leben unter die Räder zu kommen. Ich habe mich in einen Schutzengel verwandelt, dachte sie, obwohl ich vor zehn Jahren genauso war wie Danielle. Ich war jung und ganz auf mich gestellt in dieser rauen Welt, die nur darauf wartet, unerfahrene Teenager zu verschlingen.

Damals hatte sie sich nach Unabhängigkeit gesehnt, doch jetzt sah sie andere Möglichkeiten vor sich, dieses Ziel zu erreichen. Erst vor kurzem hatte Micki den Kontakt zu ihrer Zwillingsschwester Donna wieder aufgenommen. Dank Donnas Hilfe hatte sie jetzt ein eigenes Apartment und einen Job.

Doch so schön die Zukunft ihr nun erschien, sie würde erst die Vergangenheit bewältigen müssen, um die Gegenwart zu genießen. Der erste Schritt in diese Richtung bestand darin, dass Micki Danielle der Obhut ihres Bruders übergab. Sebastian Stone hatte sich durch kluge Investitionen ein Vermögen erarbeitet und für seine jüngere Schwester einen Platz in einer der Kliniken für Drogenentzug arrangiert. Micki hatte den Eindruck, dass er die Verantwortung für seine Schwester sehr ernst nahm.

Laut Danielle war ihr älterer Bruder Sebastian von zu Hause geflüchtet, indem er mit sechzehn aufs College ging und schon mit einundzwanzig Millionär geworden war. Micki begriff nicht ganz, wieso Danielle ihren großen Bruder derart anhimmelte, obwohl sie mit ihm nur zweimal im Jahr ein paar Worte gewechselt hatte. Doch wenn Danielle von Sebastian die dringend benötigte Hilfe annahm, konnte es Micki nur recht sein.

Micki hatte alle Hebel in Bewegung setzen müssen, um sich Sebastians Telefonnummer zu beschaffen. Sie war sogar unangekündigt zu Danielles Eltern gefahren. Mr und Mrs Stone hatten sich schlichtweg geweigert, sich für ihre Tochter einzusetzen. Danielles Kokainsucht bezeichneten sie als „vorübergehende Phase“. Da war Micki ausgerastet und hatte William und Dorothy Stone immer mehr bedrängt, bis die beiden ihr aus Angst vor einem Skandal Sebastians Handynummer gegeben und sie anschließend von einem Butler zur Tür hatten begleiten lassen.

Als Micki ihn angerufen hatte, war Sebastian Stone gerade in China gewesen. Dennoch hatte keine halbe Stunde nach dem Anruf eine große Limousine Micki an der Telefonzelle abgeholt, von der aus sie mit Danielles Bruder gesprochen hatte.

Die Rückfahrt nach Chicago in der Limousine war eindeutig angenehmer gewesen als die Hinfahrt im Bus. Als Micki schließlich beim Apartment ihrer Zwillingsschwester Donna angelangt war, wo Danielle gewartet hatte, hatte sich dort bereits Sebastians Anwalt mit Flugtickets nach Paris eingefunden, um Micki zu erklären, wann und wo Sebastian sich mit ihr und Danielle treffen werde.

Sebastian hatte ihr sogar eine Broschüre der wunderschön angelegten Entzugsklinik nördlich von Paris geschickt und sie mit ausreichend Bargeld versorgt. Das war gar nicht nötig gewesen, denn Micki brauchte nicht viel Geld.

Danielle dagegen war während der Jahre auf der Straße immer wieder unter einem Vorwand in ihr Elternhaus zurückgekehrt. Mr und Mrs Stone hatten sie dann jedes Mal komplett neu eingekleidet und die Probleme ihrer Tochter einfach weiterhin ignoriert.

Es hatte nie länger als zwei Wochen gedauert, bis Danielle wieder in Chicago auf der Straße aufgetaucht war. Zuvor hatte sie immer das Bargeld aus dem Tresor ihrer Eltern eingesteckt oder irgendein teures Schmuckstück ihrer Mutter im Pfandhaus zu Geld gemacht. Dieses Geld reichte ihr dann eine Weile zum Leben, wobei immer noch genug übrig blieb, um ihre Sucht zu finanzieren. Und diese Sucht gab sie nicht auf, auch wenn Micki sie immer angefleht hatte, sich davon zu befreien.

Bei der Erinnerung an Danielles letztes Verschwinden wurde es Micki jetzt noch eiskalt vor Angst. Danielle war eine ganze Woche verschwunden gewesen, und es hieß, sie sei einem Kerl in die Hände geraten, der Filme drehte, in denen reale Folterszenen vorkamen. Beim Gedanken daran, dass ihrer Freundin vor laufender Kamera entsetzliche Dinge angetan wurden, war Micki losgestürmt und hatte Danielle halb bewusstlos aus einem halb verfallenen Haus gezerrt, bevor irgendjemand sie aufhalten konnte. Anschließend hatte sie Danielle ins Krankenhaus gebracht. Wieder einmal hatte sie ihre Freundin retten können, doch der diensthabende Arzt hatte ihr versichert, Danielle benötige professionelle Hilfe, wenn sie ihr zwanzigstes Lebensjahr noch erleben wolle.

Hoffentlich ist Sebastian nicht wie seine Eltern, hatte Micki gedacht. Wenn er die Probleme seiner Schwester genauso hartnäckig leugnete wie die Eltern, dann war Danielle verloren. Micki wusste so gut wie nichts über ihn, außer dass er reich und sehr mächtig war. Donna hatte im Internet ein Foto von ihm gefunden, und so wusste Micki immerhin, dass er sehr gut aussah.

„Du hast meine Frage noch nicht beantwortet.“ Danielle griff nach dem Glas, das sie auf Mickis Tablett gestellt hatte.

„Welche Frage?“

„Was deine geheimste Fantasie ist.“

„Ach, das ist doch nicht schwer zu erraten.“ Micki verdrängte das Bild von Sebastian Stone mit seinem eindringlichen Blick, dem kantigen Kinn und dem sorgfältigen Haarschnitt. „Am sehnlichsten wünsche ich mir, dass du während des gesamten Flugs nach Paris schläfst.“

„Mann, bist du gereizt.“ Beruhigend strich Danielle ihr über die Hand. „Ganz ruhig, Micki. Du wirst den Flug genießen. Er würde dir übrigens viel kürzer erscheinen, wenn du meine Frage beantworten würdest.“

„Haben wir dieses Thema nicht schon längst abgehakt?“

Danielle schnaubte. „Wir sprechen nie über Männer, mal abgesehen davon, dass du mir erzählst, wie sehr du sie hasst.“

„Ich hasse die Männer nicht. Ich vertraue ihnen nicht, das ist alles.“

„Wem vertraust du denn?“

„Mir.“

„Dann geht’s in deiner geheimsten Fantasie vielleicht um dich. Oder du stellst dir vor, mit einem Mann zusammen zu sein, ohne dass Vertrauen überhaupt eine Rolle spielt.“

Micki blickte kurz zu ihrem abgenutzten Rucksack unter dem Vordersitz. Darin steckte das Geschenk ihrer Schwester: ein in rotes Leder gebundenes Buch mit dem Titel „Sexcapades“. Micki begriff immer noch nicht ganz, wieso ihre Zwillingsschwester ihr so etwas Lächerliches geschenkt hatte, doch das konnte daran liegen, dass ihre Schwester auf Wolke sieben schwebte, seit sie ein geregeltes Sexleben hatte. Donna war verliebt und wünschte sich für ihre Schwester dasselbe Glück. Obwohl Micki fest davon überzeugt war, mit Leichtigkeit auf Leidenschaft verzichten zu können, empfand sie dennoch eine leise Eifersucht.

Donna hatte einen Mann gefunden, der sie respektierte und bewunderte, der ihr kleine vertrauliche Notizen an die Apartmenttür heftete und ihr Pizza bestellte und DVDs auslieh, wenn sie einen besonders anstrengenden Arbeitstag hinter sich hatte. Micki hatte Alec Manning nur kurz kennengelernt, aber sie hatte genug Kröten erlebt, um einen Prinzen zu erkennen. Diesen Prinzen hatte ihre Schwester sich geangelt, indem sie mit ihm erotische Fantasien ausgelebt hatte, die in dem Buch beschrieben waren, das Micki ungelesen in den Rucksack gesteckt hatte.

„Worüber hast du denn mit Donna gesprochen, während ich in Lansing war?“ Auf einmal kam Micki der Verdacht, dass Danielle mehr über ihre erotischen Wünsche wusste, als ihr lieb war.

Danielles Lächeln sprach Bände. „Über Mädchenkram.“

„Make-up und Nagellack?“

„Nicht wirklich.“

„Hat sie dir von dem Buch erzählt?“

In gespielter Unschuld riss Danielle die Augen auf. „Von welchem Buch?“

„Egal.“

„Ach, du meinst das Buch mit den erotischen Fantasien, das jetzt in deinem Rucksack liegt?“

Hastig blickte Micki sich um und begegnete dem fragenden Blick eines Geschäftsmannes, der auf der anderen Gangseite saß. Bestimmt bekam er schon vom Zuhören eine Erektion.

„Ich werde mit dir nicht weiter darüber sprechen.“ Mit einemmal erkannte Micki, dass Danielle die Augen geschlossen hielt. Die Ringe unter ihren Augen wirkten noch dunkler. „Danielle, ist alles okay?“

Sie nickte, doch das überzeugte Micki nicht. Schon seit über einer Woche hatte Danielle keinerlei Drogen mehr zu sich genommen, und jetzt waren sie hier noch stundenlang in dem Flugzeug gefangen. Es gab nicht viele Möglichkeiten, wie Micki ihre Freundin vom Entzug ablenken konnte, also schmiegte sie sich enger an sie und flüsterte ihr zu: „Also gut, hier kommt meine geheimste Fantasie. Zu Anfang ist da ein Mann. Er ist ganz in Schwarz gekleidet und lockt mich in sein imposantes Schloss, das hoch oben auf einer Klippe steht …“

„Was soll das heißen, sie fliegen nach Paris?“, fragte die Frau.

Und dieser Idiot wollte der beste Privatdetektiv der ganzen Stadt sein? Er brauchte doch bloß einen Teenager zu finden, der sich auf den Straßen herumtrieb. Doch nachdem er das Mädchen nach Monaten endlich ausfindig gemacht hatte, war es ihm schon wieder entwischt!

„Sie haben am Flughafen zwei Tickets nach Paris gekauft, und zwar Businessclass. Wie sie sich so eine Reise leisten können, ist mir ein Rätsel.“

Die einzige logische Antwort darauf lautete: Sebastian Stone. Er besaß genug Geld und Einfluss, um seine Schwester und ihre Freundin innerhalb von einer Stunde an jeden beliebigen Ort bringen zu lassen. Verdammt! Wieder einmal hatte er einen wunderbaren Plan ruiniert.

„Wann landen sie?“

Die endlosen Ausflüchte des Privatdetektivs enthielten nichts Brauchbares für die Jagd nach dem, was Sebastian Stone gestohlen hatte. Aber vielleicht hatte ein anderer Privatdetektiv in Paris ja mehr Glück. Es mochte leicht sein, sich auf den Straßen von Chicago zu verstecken, aber in den erstklassigen Hotels von Paris war das nicht so einfach. Und wenn nicht in Paris, dann würde sich eben irgendeine andere Möglichkeit auftun. Es hatte schon eine ganze Reihe von Rückschlägen gegeben, aber jetzt hatte Sebastian seinen wunden Punkt enthüllt. Und durch diese Schwachstelle würde er früher oder später zu Fall kommen.

2. KAPITEL

Sebastian Stone schlenderte durch die Bernstein-Suite im Hôtel de Crillon in Paris. Als sein Blick auf die Frau fiel, die auf dem Sessel aus der Ära Ludwig des XV. eingeschlafen war, musste er lächeln. Sie trug eine hautenge Hose aus schwarzem Leder und ein schlichtes weißes Top. Trotz ihres Looks sah sie für Sebastian aus wie ein Engel. Ein Engel, der in ihm allerdings sehr sündige Gedanken weckte.

Das leise Knarren seiner frisch polierten Schuhe auf dem Parkett weckte die Freundin seiner Schwester.

„Tut mir leid“, entschuldigte sie sich und rieb sich die Augen. „Ich wollte nicht einschlafen. Wie geht’s Danielle?“

Nach allem, was Micki ihm über den Lebenswandel seiner Schwester erzählt hatte, hatte Sebastian einen sehr wichtigen Geschäftstermin kurzfristig abgesagt, um nach Europa zu fliegen und sich die besten Entzugskliniken anzusehen. Wahrscheinlich hatte er ein paar Millionen Dollar verloren. Trotzdem war er jetzt glücklich. „Sie schläft jetzt endlich, aber sicher nicht lange.“ Prüfend blickte er Micki an. „Du brauchst dich für deine Erschöpfung nicht zu entschuldigen. Schließlich hast du einen weiten Weg auf dich genommen, um Danielle zu mir zu bringen, Michaela.“ Er benutzte nie die Kurzform ihres Namens.

Micki reckte sich genüsslich. „Ein Interkontinentalflug ist ja das Mindeste, was man einer Freundin zuliebe auf sich nehmen kann.“

„Laut Danielle hast du sehr viel mehr für sie getan. Du hast ihr das Leben gerettet.“

Micki schüttelte den Kopf, wobei ihr einige Strähnen ihres blauschwarzen Haars ins Gesicht fielen. „Ich habe getan, was ich für jeden Freund tun würde.“

Er nickte. Seine Schwester hatte bereits vermutet, dass Micki ihre Hilfe herunterspielen würde. Sebastian wusste, wie oft Micki Danielle aus den Klauen irgendwelcher Kerle gerettet hatte, die ihr Drogen verkaufen wollten, um dafür Sex von ihr zu bekommen. Micki war eigens zu seinen Eltern nach Lansing gefahren, um sich von ihnen seine Handynummer zu besorgen. Sie hatte Danielle bei den Entzugserscheinungen zur Seite gestanden, hatte dafür gesorgt, dass Danielle genug aß, und ihr manchmal sogar Suppe mit einem Strohhalm eingeflößt.

Sebastian fand, dass er Micki für das Leben seiner Schwester weit mehr als nur Geld schuldete. Danielle hatte ihm ohnehin versichert, dass Micki keinen Cent von ihm annehmen werde. „In einer Stunde wird Danielle abgeholt und zur Klinik gebracht.“

„In einer Stunde schon?“ Micki sprang auf.

„Der Arzt sagt, wir sollen keine Zeit mehr verlieren.“ Sebastian setzte sich auf einen Ledersessel mit hoher Rückenlehne.

Micki biss sich auf die Unterlippe.

Sebastian fand sie umwerfend schön. Die meisten Frauen in ihrer Situation würden erschöpft sein, aber Micki wirkte nachdenklich und konzentriert.

„Darf ich mich noch von ihr verabschieden?“

„Natürlich. Du kannst mit uns zur Klinik fahren und bei Danielle bleiben, während ich mit den Ärzten rede. Du stehst Danielle näher als meine Eltern oder ich.“

„Danke.“ Sie blickte ihn an.

Ihre Augen hatten einen eigenartigen Glanz, zweifellos eine Folge des Schlafmangels. Aber es konnte genauso gut sein, dass es noch andere Gründe gab. Ebenso wie er verstand sie es, ihre Gefühle zu verbergen.

„Bestimmt wacht sie bald auf, denn sie wirkt sehr unruhig. Sie liegt keine Sekunde lang still. Hättest du Lust, nach ihr zu sehen?“

„Verdammt, ich dachte, die Zitteranfälle hätte sie überstanden, aber das dauert wohl doch sehr viel länger. Hast du jemanden vor ihrer Zimmertür postiert? Selbst in einer fremden Stadt könnte sie verzweifelt genug sein, um sich ein letztes Mal Drogen besorgen zu wollen.“

„Ja, ich bin deinem Vorschlag gefolgt.“ Sebastian schämte sich dafür, dass er es so weit hatte kommen lassen. Am liebsten hätte er seine Eltern verklagt, weil sie ihm immer vorgelogen hatten, Danielle sei in einer exklusiven Privatschule untergebracht. Doch das war keine Entschuldigung dafür, dass er sich zu wenig um seine Schwester gekümmert hatte. Wann hatte er Danielle zum letzten Mal mit eigenen Augen gesehen? Hatte er nicht immer den Berichten seiner Eltern geglaubt, ohne nachzuhaken? Im Grunde hatte er sich nur auf den nächsten millionenschweren Geschäftsabschluss konzentriert und dabei den Menschen auf der Welt aus den Augen verloren, der seine Hilfe am dringendsten gebraucht hätte.

„Gut.“ Micki lächelte flüchtig. „Wenn du nichts dagegen hast, bleibe ich bei ihr, bis wir abgeholt werden.“

„Einverstanden. Ich warte hier.“

Auf ihren verschrammten hochhackigen Stiefeln ging sie an Sebastian vorbei, doch an der Tür wandte sie sich noch einmal um. „Du solltest dich wirklich ausruhen. Du siehst ziemlich geschafft aus.“

Er musste lächeln. Außer Victor, der als Pilot und Fahrer für ihn arbeitete, sprach niemand so mit ihm. „Ich ruhe mich aus, sobald Danielle in Sicherheit ist.“

„Verstehe.“ Unruhig verlagerte sie das Gewicht von einem Fuß zum anderen. Ihre strahlend blauen Augen blickten nervös. „Das geht mir genauso.“

Fast lautlos verschwand sie in Danielles Zimmer.

„Eine faszinierende Frau, nicht wahr?“ Victor trat aus einer dunklen Zimmerecke.

Es verblüffte Sebastian immer wieder, wie es Victor gelang, sich mit seinem großen kräftigen Körper selbst in einem offenen Raum wie diesem fast unsichtbar zu machen. Aber schließlich bezahlte Sebastian ihn auch sehr großzügig für seine Arbeit als Bodyguard.

„Ich bin mir noch nicht ganz sicher“, entgegnete er. „Bei Menschen, die wie sie lange auf der Straße gelebt haben, hätte ich eine solche Selbstlosigkeit und Gefühlswärme nicht erwartet. Hast du schon Neuigkeiten für mich?“

Victor reichte ihm einen dünnen Ordner. „Da steht nicht viel drin, Boss. Eine Festnahme wegen Herumlungerns, ein Aufenthalt im Krankenhaus und die Adresse, wo sie und Danielle zuletzt geschlafen haben. Die Miete für dieses Loch hat Danielle mit Geld bezahlt, das sie ihren Eltern gestohlen hat. Ein Foto von der Bruchbude ist auch dabei.“

Mit gerunzelter Stirn betrachtete Sebastian das Foto des winzigen heruntergekommenen Zimmers. Während Danielle mehrmals wegen Diebstahls und versuchter Prostitution festgenommen worden war, hatte Michaela Carmichael es offensichtlich geschafft, während all der Jahre nicht mit dem Gesetz in Konflikt zu geraten, obwohl sie in einem Zimmer gehaust hatte, das man nur als erbärmlich bezeichnen konnte.

Konzentriert las er den präzisen Bericht durch. Anscheinend war Micki nicht nur stur, sondern auch einfallsreich. Und äußerst attraktiv. Sie strahlte eine überwältigende Sinnlichkeit aus und wirkte auf eine sehr direkte Art sexy.

Sebastian war wie gebannt.

Er las einen Zeitungsausschnitt, in dem über ihr Verschwinden von zu Hause berichtet wurde. Damals war sie fünfzehn gewesen. Ihre Großmutter bat in dem Artikel um Hinweise und flehte ihre Enkelin an, zu ihr zurückzukehren. Flüchtig betrachtete er ein vergilbtes Foto ihrer Zwillingsschwester Donna. „Ist ihre Schwester auch überprüft worden?“

„Die ist sauber. Hat in ihrem ganzen Leben nicht einmal falsch geparkt. Bis vor einem Monat hat sie noch bei ihrer Großmutter gewohnt. Die alte Lady hatte Krebs, und ihre Enkelin hat sich um sie gekümmert.“

„Ziemlicher Gegensatz, die beiden Schwestern.“ Er überflog Mickis Schulzeugnisse. Durchschnittliche Noten, mehrmals Verweise wegen Aufsässigkeit und immer wieder Bemerkungen ihrer Lehrer, die auf ihre Intelligenz und ihr ungebührliches Verhalten hinwiesen. Nach einer Verhaftung vor drei Monaten hatte die zuständige Polizistin die Einschaltung eines Sozialarbeiters angeregt.

Die letzte Seite zog Sebastian interessiert heraus. Es war ein Empfehlungsschreiben an einen gewissen Shaw Thomas, verfasst vom Leiter eines Heims für Obdachlose, in dem Mickis freiwillige Mitarbeit bei der Betreuung von Kindern geschildert wurde.

Sebastian steckte das Blatt zurück. Michaela Carmichael war anscheinend genau so, wie er von Anfang an vermutet hatte: mitfühlend und großherzig, obwohl sie sich eher abweisend und schroff gab.

Er gab Victor den Ordner zurück. „Das reicht. Diese Informationen passen genau zu Danielles Schilderungen von ihr.“

„Und was wirst du jetzt tun? Sie hat Danielle zu dir gebracht, als niemand sonst dazu bereit war. Sicher war es nicht leicht, sich gegen deinen Vater und deine Mutter durchzusetzen und von ihnen deine Telefonnummer zu erhalten. Sie verdient deinen Dank.“

Wieder runzelte Sebastian die Stirn. Genau dasselbe hatte Danielle gesagt. Ihm war klar, was Micki für seine Schwester getan hatte, und er kannte den Ehrgeiz seiner Eltern, den guten Ruf der Familie zu bewahren. „Ja, sie verdient meinen Dank. Sobald Danielle in dieser Klinik untergebracht ist, schlafen wir uns erst mal aus. Morgen früh fährst du bitte zum Flughafen und machst den Learjet startklar. Wir verlassen Paris.“

„Wir fliegen weg? Wären ein paar erholsame Tage in Frankreich nicht der beste Dank?“

Sebastian ging zu seinem Schlafzimmer. Frankreich war schön, romantisch und hatte eine lange Geschichte, aber es gab bestimmt noch passendere Orte, um Micki Carmichael zu zeigen, wie dankbar er ihr war. Er hatte Danielle versprochen, Micki die Entscheidung über ihre Belohnung zu überlassen, egal wie hoch der Preis war.

Micki atmete tief ein und betrat das dunkle Schlafzimmer. Unwillkürlich erschauerte sie. Noch nie im Leben war sie einem Mann wie Sebastian Stone begegnet. Mit seiner gebräunten Haut und den hellen durchdringenden Augen sah er einfach blendend aus. Der Maßanzug stand ihm perfekt, und er bewegte sich mit der lässigen Sicherheit eines Mannes, der sich seiner Macht bewusst war. Sein dunkelbraunes Haar war perfekt geschnitten, trotzdem wirkte es immer leicht zerzaust. Er machte einen sehr beherrschten Eindruck, sowohl in seinen Worten als auch in seinen Gesten und Bewegungen.

Micki traute so mächtigen Menschen nicht. Doch sie konnte sich spielend leicht ausmalen, wie Sebastian ganz in Schwarz gekleidet vor ihr stand und sie zu sich auf sein Schloss lockte.

Sie hatte Danielle nur diese eine Fantasie erzählt, doch die romantische Geschichte von der Prinzessin und dem rätselhaften Schlossherrn hatte die beiden Frauen auf dem Flug mehr als eine ganze Stunde beschäftigt, bis Danielle endlich eingeschlafen war. Dazu war Micki leider nicht in der Lage gewesen. Ihr waren immer wieder die sinnlichen Bilder durch den Kopf gegangen, die sie heraufbeschworen hatte.

In ihrer Version der Geschichte gab sich die Prinzessin nicht der Macht des Mannes hin, sondern verführte ihn und fand dadurch ihre eigene Stärke. Aber was konnte eine Frau wie sie tun, um so einen Mann für sich zu gewinnen?

Als sie Danielle diese Fantasie erzählt hatte, war der Mann gesichtslos gewesen. Nachdem sie jetzt Sebastians unglaubliche Anziehungskraft erlebt hatte, empfand sie große Sehnsucht nach ihm. Micki wollte über ihre körperliche Reaktion auf ihn lachen, doch was aus ihrer Kehle kam, klang eher nach einem Seufzen.

Ich habe viel zu lange auf Sex verzichtet, dachte sie. Sie strich über ihren Körper und spürte ihre warme Haut. Wann hatte sie das letzte Mal einem Mann gestattet, sie zu berühren oder gar zu erregen? Im Gegensatz zu allen anderen Männern schaffte Sebastian Stone es spielend, ihr Verlangen zu wecken.

Micki streifte sich die Stiefel ab und schob sie hinter einen Stuhl. Es kam ihr vor, als seien Stunden vergangen, seit sie diesen Raum betreten hatte, aber es konnten nur wenige Minuten sein. Aus dem Bett erklang ein leises Stöhnen. Nur das Licht der Nachttischlampe erhellte das Zimmer.

Erst als Micki durch den Raum ging, wurde ihr klar, dass dies nicht Danielles Zimmer war. Danielles Zimmer hatte keine hohen Bettpfosten mit langen Gardinen, die sich im Wind bauschten. Das Fenster war offen, doch trotzdem war kein Laut von der geschäftigen Place de la Concorde draußen zu hören.

Micki trat näher.

„Danielle?“

„Michaela?“

Sie eilte zum Bett und entdeckte Sebastian im Bett. Sein nackter Oberkörper ragte unter der dunkelroten Bettdecke hervor. Micki sah seine breiten Schultern und den verträumten Blick seiner Augen.

Nein, das hier war nicht Danielles Zimmer. Das hätte Micki schon beim Eintreten klar sein müssen. Micki kniff sich in den Arm. Es tat nicht weh.

Anscheinend träumte sie.

Gerade als sie sich ohrfeigen wollte, hielt sie inne. Wieso wollte sie aufwachen? Ihr gingen Bilder des vergangenen Nachmittags durch den Sinn. Sie hatten Danielle in die Klinik gefahren und auf dem Rückweg in der Limousine etwas zum Dinner gegessen. Dann hatte sie sich sofort in ihr Zimmer zurückgezogen. Der ganze Tag kam ihr eher wie ein Traum vor als das, was sie jetzt gerade durchlebte. Wann hatte sie das letzte Mal so lebhaft geträumt? Sie atmete den Duft von Sebastians Rasierwasser ein und musste schlucken.

Autor

Julie Leto
Auch als Julie Elizabeth Leto bekannt.
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