Ein Millionär zum Verlieben

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Ein fremder Mann liegt in Varnies Bett! Leon Beaumont hat von ihrem Bruder Johnny den Schlüssel für ihr einsames Cottage bekommen. Hier will er Ruhe vor der Sensationspresse finden. Varnie hat keine Wahl: Sie muss dem vermögenden Unternehmer erlauben zu bleiben, sonst ist Johnnys Job in Gefahr. Dabei weiß sie genau, dass es unmöglich ist, Tag und Nacht mit diesem Traummann zusammen zu sein und sich nicht in ihn zu verlieben...


  • Erscheinungstag 12.08.2017
  • ISBN / Artikelnummer 9783733779351
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Während der ziemlich langen Fahrt von Heathrow nach North Wales gingen Varnie Sutton alle möglichen Gedanken durch den Kopf. Dass der Nebel an diesem Abend immer dichter wurde, passte zu ihrer gedrückten Stimmung.

Sie hatte gehofft, die Strecke nach Denbighshire in neuer Rekordzeit zurücklegen zu können. Doch bei der schlechten Sicht wäre es geradezu Wahnsinn, zu sehr aufs Tempo zu drücken.

Vom Flughafen aus war sie wie aus alter Gewohnheit in Richtung Cheltenham gefahren. Doch unterwegs hatte sie sich daran erinnert, wie viel Stress ihre Eltern in der letzten Zeit gehabt hatten. Jetzt hatten sie endlich wieder mehr Ruhe. Deshalb hatte Varnie sie nicht aufregen und mit ihren eigenen Problemen belasten wollen.

Zuerst hatte Varnies Bruder Johnny, der sowieso immer nur knapp an einer Katastrophe vorbeischlitterte, einen schweren Autounfall gehabt. Er hatte ihn beinah unverletzt überstanden, doch ihre Eltern hatten sich sehr aufgeregt. Dann hatte man bei ihrem Vater zu hohen Blutdruck festgestellt. Und zu allem Überfluss hatte sich ihr Hotel nicht mehr rentiert, und sie hatten sich entschlossen, es zu verkaufen. Schließlich war Varnies Großvater väterlicherseits gestorben, so dass es insgesamt eine ziemlich schwierige Zeit gewesen war.

Glücklicherweise hatten ihre Eltern das Hotel ganz gut verkaufen können, und auch Johnny, der jetzt fünfundzwanzig war, hatte endlich eine Arbeit gefunden, die ihm gefiel. Nachdem alles geregelt war, freuten Varnies Eltern sich auf ein stressfreies Leben. Und das hatten sie auch verdient.

Varnie war klar geworden, dass sie aus all diesen Gründen nicht nach Hause fahren und sich ihren Eltern anvertrauen konnte. Sie war keine gute Schauspielerin. Die beiden hätten sogleich gemerkt, wie verletzt und verzweifelt sie war. Da sie sowieso erst in zwei Wochen zurückerwartet wurde, hatte sie kurz entschlossen die Richtung gewechselt.

Varnie hatte sich sehr darauf gefreut, mit ihrem Freund Martin zwei Wochen in der Schweiz zu verbringen. Er arbeitete viel zu viel und gönnte sich nur selten Urlaub. Diese Reise konnte er sich nur deshalb erlauben, weil er geschäftlich in der Schweiz zu tun hatte. Er hatte Varnie versprochen, seine Freizeit mit ihr zu verbringen, damit sie sich besser kennen lernten.

Jetzt war sie sehr unglücklich. Sie war jedoch froh, dass sie rein zufällig die Schlüssel vom Aldwyn House in das Handschuhfach ihres Autos gelegt hatte, als sie das letzte Mal dort gewesen war.

Wie unglaublich dumm war sie doch gewesen. Wenn sie am Flughafen nicht unruhig geworden wäre, als Martin Walker eine Dreiviertelstunde nach der vereinbarten Zeit immer noch nicht erschienen war, würde sie jetzt mit ihm in dem Flugzeug in die Schweiz sitzen.

Weil es eine halb private Reise hatte werden sollen, hatte sie es gewagt, gegen die Regel zu verstoßen, ihn niemals im Büro anzurufen. Zunächst hatte sie versucht, ihn über sein Handy zu erreichen. Es war jedoch ausgeschaltet gewesen. Dann war sie mit ihrem Gepäck eine Zeit lang unschlüssig umhergewandert und hatte sich eine Zeitung gekauft, um sich abzulenken. Auf der Titelseite war Leon Beaumont, Johnnys Chef, abgebildet gewesen. Leon war dabei fotografiert worden, wie er einen anderen Mann mit der Faust niederschlug.

Sie setzte sich hin und las den dazugehörigen Artikel. Angeblich hatte Leon Beaumont eine Affäre mit Antonia King, einer seiner leitenden Mitarbeiterinnen, gehabt, und ihr Mann hatte Wind von der Sache bekommen.

Warum nicht Leon Beaumont, sondern Neville King zusammengeschlagen worden war, wurde nicht erklärt. Leon hatte so zornig ausgesehen, als wäre er am liebsten noch einmal auf den betrogenen Ehemann losgegangen, wenn es dem Mann gelungen wäre, aufzustehen.

Varnie hatte rasch das Interesse an dieser Geschichte verloren. Von Männern, die körperliche Gewalt gebrauchten, hielt sie sowieso nichts. Wichtig war für sie nur, dass Martin bald auftauchte.

Zum x-ten Mal blickte sie auf die Uhr. Wenn sie Martin im Büro anrufen wollte, durfte sie nicht länger zögern. In zehn Minuten wäre die Telefonzentrale der Firma nicht mehr besetzt. Sie wartete noch drei Minuten, dann zog sie ihr Handy aus der Tasche. Glücklicherweise hatte sie sich einmal Martins Telefonnummer aufgeschrieben, obwohl sie ihn noch nie angerufen hatte. Er hatte eine neue Sekretärin, und Varnie hoffte, dass sie an diesem Freitag nicht früher Feierabend gemacht hatte.

Das hatte sie nicht, denn sie meldete sich sogleich.

„Hallo“, sagte Varnie freundlich. „Sind Sie Becky?“

„Ja“, antwortete die Frau genauso freundlich.

„Ist Martin noch da?“

„Nein. Er ist schon lange weg“, erklärte Becky zu Varnies Erleichterung. Doch ehe sie sich bedanken und das Gespräch beenden konnte, fügte Becky hinzu: „Sind Sie und die Kinder gut in Kenilworth angekommen, Mrs. Walker?“

„Ich bin nicht …“ Varnie verstummte. Wer war Mrs. Walker? Und was für Kinder waren gemeint? „Mrs. Walker?“, wiederholte sie. Da sie fünf Jahre im Hotel ihrer Eltern gearbeitet hatte, verstand sie es glänzend, die Unruhe, die sie erfasste, zu überspielen.

„Oh, es tut mir leid“, entschuldigte Becky sich. „Sie sind wohl nicht Mrs. Walker. Melanie, Martins Frau, und die Kinder waren kurz nach dem Mittagessen hier. Sie wollten zu Melanies Mutter fahren und dort bleiben, solange Martin auf Geschäftsreise ist.“

Varnie war sprachlos. Sie konnte kaum glauben, was Becky ihr da erzählte. „Martin ist … mit Melanie verheiratet?“, stieß sie schließlich hervor, um sich zu vergewissern, dass sie sich nicht verhört hatte.

„Ja“, erwiderte Becky munter. „Sie sind ein glückliches Paar. Martin lässt seine Familie nur ungern allein. Doch Geschäft ist Geschäft und …“

Unvermittelt beendete Varnie das Gespräch, sie unterbrach einfach die Verbindung. Das ist doch gar nicht möglich, Martin hat mir beteuert, dass er mich liebt und wir uns während der zwei Wochen in der Schweiz noch näher kommen können, überlegte sie bestürzt. Sie war so glücklich gewesen über seinen Vorschlag. Er hatte so viel zu tun, dass sie sich nur hatten sehen können, wenn er geschäftlich unterwegs gewesen war und in dem Hotel ihrer Eltern in Cheltenham übernachtet hatte.

Ihre Eltern mochten ihn sehr. Sie hatten sich für sie gefreut, als sie ihnen erzählt hatte, dass Martin sie mit diesem Urlaub für all die Wochenenden entschädigen wollte, an denen er keine Zeit gehabt hatte.

Varnie zog den Koffer nun näher zu sich heran. Ihr wurde plötzlich bewusst, dass sie und Martin noch kein einziges Wochenende zusammen verbracht hatten. Wenn sie freigehabt hatte, hatte er angeblich immer arbeiten müssen. Nach dem, was sie soeben von seiner Sekretärin erfahren hatte, wurde ihr klar, was wirklich los war: Er war an den Wochenenden mit seiner Frau und seinen Kindern beschäftigt gewesen.

Der Gedanke war ihr unerträglich. Sie stand auf. In dem Moment erblickte sie Martin. „Es tut mir Leid, mein Liebling“, entschuldigte er sich und lächelte charmant. „Bei dem Verkehr war …“ Als er Varnies eisige Miene bemerkte, unterbrach er sich. „Was ist …?“

„Bist du verheiratet?“, fiel sie ihm ins Wort.

„Na ja, ich …“, begann er verlegen. Aber er erholte sich rasch von seiner Verblüffung. „Hör mal, was soll das?“, fragte er und setzte ein verführerisches Lächeln auf, während er sie am Arm packte.

„Bist du verheiratet?“, wiederholte sie. Ich würde ihm allzu gern glauben, wenn er jetzt Nein sagte, gestand sie sich ärgerlich ein.

„Okay, es stimmt, doch wir leben getrennt“, behauptete er. „Wir werden uns scheiden lassen. Ich habe meine Frau schon lange nicht mehr gesehen und mir vorgenommen, nach dem Urlaub mit meinem Rechtsanwalt zu reden.“

Varnie nahm ihren Koffer. „Auf Wiedersehen, Martin“, sagte sie. Mehr wollte sie gar nicht wissen. Sie war unglücklich und fühlte sich sehr elend. Es fiel ihr schwer, damit zurechtzukommen, wie leicht sie sich von ihm hatte täuschen lassen. Nicht nur sie, sondern auch ihre Eltern waren auf seinen Charme hereingefallen.

Er versuchte nicht, sie zurückzuhalten. Offenbar schloss er aus ihrer Miene, dass jedes weitere Wort sinnlos war.

Aufgewühlt ging sie zu ihrem Auto. Martin Walker ist verheiratet, er lebt noch mit seiner Frau zusammen, er hat sogar Kinder, dachte sie immer wieder.

Sie hatten sich nur dann getroffen, wenn er geschäftlich in der Umgebung von Cheltenham zu tun gehabt hatte. Aber er hatte mit ihr in Urlaub fahren wollen. Er hatte sie und ihre Eltern belogen und getäuscht. Ihr war plötzlich kalt. Sie erinnerte sich an die erste Begegnung mit Martin. Er hatte in dem gepflegten Hotel ihrer Eltern übernachtet. Sie hatte ihn an der Bar bedient, und sie waren miteinander ins Gespräch gekommen. Er erzählte ihr, er sei vierunddreißig, habe ein eigenes Unternehmen und arbeite praktisch rund um die Uhr. Da Varnie und ihre Eltern wussten, was es bedeutete, selbstständig tätig zu sein, hatten alle viel Verständnis für ihn gehabt.

Martin Walker hatte danach regelmäßig bei ihnen übernachtet und angefangen, sich für Varnie zu interessieren. Und auch sie hatte Gefallen an ihm gefunden. Ihre Eltern hatten verständnisvoll gelächelt, wenn er in zwei aufeinander folgenden Nächten in ihrem Hotel geblieben war. Sie hatten es Varnie überlassen, sich um ihn zu kümmern.

Beinah jeden Nachmittag rief er sie um drei Uhr an, wenn sie im Büro saß und die Buchführung erledigte. Da sie beide viel und bis in die späten Abendstunden hatten arbeiten müssen, waren sie zunächst nur befreundet gewesen.

Doch eines Tages hatte Mrs. Lloyd, die Haushälterin ihres Großvaters, angerufen und berichtet, der ältere Mann sei im Wohnzimmer zusammengebrochen, und sie hätte den Arzt gerufen. Da er sich geweigert hatte, ins Krankenhaus eingeliefert zu werden, waren Varnie und ihre Mutter zu ihm nach North Wales gefahren.

Es war eine schlimme Zeit gewesen. Varnies Großvater, den sie sehr geliebt hatte, war drei Tage später gestorben. Sie war sein einziges Enkelkind gewesen, und er hatte sich sehr darüber gefreut, dass sie als Kind die Schulferien bei ihm verbrachte. Johnny, Varnies Stiefbruder, war auch oft bei ihm gewesen, und ihr Großvater hatte ihn wie einen eigenen Enkel behandelt.

Ihren leiblichen Vater kannte Varnie nicht. Er war sehr früh gestorben, sie war damals noch ein Baby gewesen. Als sie zwei Jahre alt gewesen war, hatte ihre Mutter Johnnys geschiedenen Vater geheiratet. Johnny war drei Jahre älter als Varnie. Obwohl sie den Familiennamen ihres Vaters trug, fühlte sie sich als vollwertiges Mitglied der Familie Metcalfe. Johnnys Vater liebte sie wie ein eigenes Kind.

Varnie erinnerte sich noch gut daran, wie traurig sie über den Tod ihres Großvaters und wie aufgewühlt sie bei der Beerdigung gewesen war, an der auch Johnny teilgenommen hatte. Nach ihrer Rückkehr aus Wales war Martin Walker im Hotel gewesen. Er hatte sie in die Arme genommen und ihr gesagt, er liebe sie. Allzu gern hatte sie sich von ihm trösten lassen und geglaubt, sie liebe ihn auch.

Doch daran wollte sie sich jetzt nicht erinnern. Stattdessen dachte sie über Johnny nach, ihren intelligenten, aber flatterhaften Stiefbruder. Er hatte sich überhaupt nicht für das Hotel interessiert und war nach London gegangen. Da er sich rasch langweilte, blieb er nie lange bei einer Firma. Wenn er Geld gebraucht hatte, hatte er sich wieder einen neuen Job gesucht.

Bei dem dichten Nebel wurde es immer gefährlicher, weiterzufahren. Varnie hatte das Gefühl, ihre Eltern hätten sich ihr Leben lang Sorgen um Johnny gemacht. Er geriet viel öfter in Schwierigkeiten als andere junge Leute seines Alters. Als er sein Auto zu Schrott gefahren hatte, waren ihre Eltern sogleich nach London gefahren. Doch er hatte das Krankenhaus auf eigenen Wunsch schon wieder verlassen, in seiner Stammkneipe gesessen und Bier getrunken.

Vor kurzem hatten Varnies Eltern das Hotel verkaufen können und ein Haus gekauft. Es war sogar noch Geld für Johnny übrig geblieben, und er hatte beschlossen, einige Wochen in Australien bei Freunden zu verbringen.

Wenig später hatte er seinen Traumjob gefunden, wie er es ausdrückte. Er war begeistert gewesen. Leon Beaumont, ein erfolgreicher Unternehmer, brauchte einen Assistenten, der ihn auf den Geschäftsreisen begleitete. Johnny hatte die Stelle unbedingt haben wollen und war sogar bereit gewesen, seinen Australienurlaub abzusagen. Das war jedoch nicht nötig gewesen, denn Leon Beaumont wollte zur selben Zeit Ferien machen. Johnny war an diesem Vormittag nach Australien geflogen.

Den Flug in die Schweiz hatte sie selbst bezahlt. Martin Walker hatte sowieso nie für sie mitbezahlt. Sie hatte lange darüber nachgedacht, ob sie überhaupt mit ihm in Urlaub fahren sollte, denn immerhin war es für sie das erste Mal. Noch nie zuvor war sie mit einem Mann zusammen gewesen. Aber schließlich hatte sie sich auf die Zeit mit ihm gefreut, denn sie hatte ja geglaubt, ihn zu lieben.

Während sie in dem dichten Nebel langsam und vorsichtig weiterfuhr, fragte sie, ob sie Martin wirklich geliebt hatte. Es war möglich, denn sie hatte sogar daran gedacht, sich in London einen Job zu suchen, um in Martins Nähe zu sein und ihn öfter sehen zu können.

Was empfand sie jetzt? Sie war wütend, weil er sie belogen hatte und weil sie auf ihn hereingefallen war. Momentan fühlte sie sich wie betäubt. Doch der Schmerz und der Kummer über Martins Betrug würden sicher nicht lange auf sich warten lassen.

Es war richtig gewesen, nicht nach Hause zu fahren. Varnie hätte das Mitgefühl ihrer Eltern nicht ertragen, und sie sollten sich ihretwegen auch keine Sorgen machen. Sie hatten genug hinter sich. Vielleicht würde sie die zwei Wochen statt in der Schweiz im Aldwyn House, dem Haus ihres Großvaters, verbringen, das sie gerbt hatte.

Ihre Eltern hatten es verdient, eine Zeit lang allein zu sein und die Ruhe zu genießen, ohne sich um irgendetwas und irgendwen Sorgen machen zu müssen.

Bei der nächsten Autobahnraststätte hielt Varnie an, um einen Kaffee zu trinken. Ihre Augen schmerzten, so sehr hatte sie sich in dem dichten Nebel auf die Fahrbahn konzentriert. Viele andere Autofahrer hatten offenbar dieselbe Idee gehabt wie sie, denn es gab keinen einzigen freien Tisch mehr.

Sie setzte sich zu anderen an den Tisch und trank einen Kaffee. Bei diesen Witterungsverhältnissen über die kurvenreichen Landstraßen zu fahren behagte ihr gar nicht. Sie sehnte sich danach, zu Hause in ihrem Bett zu liegen. Nur weil sie zu vertrauensselig gewesen war, war sie jetzt in dieser Situation.

Männer! dachte sie ärgerlich. Doch sogleich gestand sie sich ein, dass ihr Großvater ein ganz besonders liebevoller Mensch gewesen war. Auch ihr Stiefvater und Johnny waren nette und gutmütige Männer. Ihr Stiefvater hatte ihr sogar denselben Geldbetrag schenken wollen wie seinem Sohn. Sie hatte das großzügige Angebot abgelehnt, weil sie das Aldwyn House geerbt hatte.

Martin Walker hingegen hatte sie belogen und getäuscht. Er hatte behauptet, er liebe sie. Dass er Frau und Kinder hatte, hatte er ihr wohlweislich verschwiegen. Mit solchen Männern wollte sie nichts zu tun haben.

Man brauchte sich doch nur Leon Beaumont anzusehen. In der heutigen Tageszeitung konnte jeder nachlesen, dass er ein Ehebrecher war. Varnie versuchte, sich an alles zu erinnern, was sie über ihn gelesen hatte. Es interessierte sie deshalb, weil ihr Bruder bei diesem Mann angestellt war. War Leon nicht kürzlich in eine Scheidungssache verwickelt gewesen?

Aus irgendeinem Grund gelang es Varnie nicht, die Gedanken an Leon Beaumont loszuwerden. Das fand sie seltsam, denn ehe sie heute sein Bild in der Zeitung entdeckt hatte, hatte sie keine Ahnung gehabt, wie der Mann aussah, den ihr Bruder so sehr bewunderte.

Er schien sehr groß zu sein, hatte dunkles Haar, wirkte athletisch und hatte offenbar sehr viel Geld. Johnny hatte erwähnt, Leon sei einer der begehrtesten Junggesellen. Das konnte Varnie jedoch nicht beeindrucken. Sie hielt nichts mehr von Männern über Mitte dreißig. Leon Beaumont war vermutlich höchstens zwei Jahre älter als Martin Walker.

Aber während Martin noch dabei war, sein Unternehmen aufzubauen – wenn es überhaupt stimmte, was er ihr erzählt hatte –, gehörte Leon Beaumonts Planungs- und Entwicklungsfirma für Kommunikationssysteme schon zu den etablierten Unternehmen. Jedenfalls hatte Johnny das erzählt.

Leon Beaumont hatte eine persönliche Assistentin, die angeblich absolut perfekt war. Nachdem sie vor einem Jahr geheiratet hatte, hatte sie ihren Chef nicht mehr auf den Reisen begleiten wollen. Er hatte sie nicht verlieren wollen und sich bereit erklärt, einen Reisebegleiter einzustellen. Wenn sie nicht unterwegs waren, sollte der neue Mann seiner Assistentin bei der Büroarbeit helfen.

Das war für Johnny kein Problem. Er kannte sich bestens aus mit allen Computersystemen, außerdem war er ein freundlicher, unkomplizierter Mensch und ein guter Autofahrer. „Ich würde drei Monate umsonst für Leon Beaumont arbeiten, wenn er mir eine Chance geben würde“, hatte er nach dem Bewerbungsgespräch erklärt. Und als er dann den Vertrag erhalten hatte, hatte Varnie sich sehr für ihn gefreut.

In Johnnys Augen konnte Leon Beaumont nichts falsch machen. Obwohl Leon ein harter, geschickter Verhandlungspartner war, war er überaus ehrlich und korrekt. Er verließ sich nur auf sich selbst und war völlig unabhängig.

Johnny neigte dazu, flatterhaft zu sein, andererseits war er sehr intelligent. Er war sehr glücklich darüber, dass er den Job bekommen hatte, und entschlossen, alles zu tun, ihn zu behalten.

Da das Hotel jetzt verkauft war und Johnny endlich seinen Traumjob hatte, schienen alle Probleme gelöst zu sein. Varnies Eltern glaubten, auch für sie sei alles in Ordnung, und freuten sich auf ein ruhigeres Leben. Wie konnte sie da nach Hause fahren und die beiden mit ihrem Problem belasten?

Varnie war froh, dass sie sich entschieden hatte, nicht nach Cheltenham, sondern in die walisischen Berge zu fahren. Nachdem sie die Autobahn verlassen hatte, musste sie sich auf die kurvenreiche Strecke konzentrieren und hatte keine Zeit, an etwas anderes zu denken. Erst nach Mitternacht erreichte sie die relativ gerade Landstraße, die zum Aldwyn House führte. Seltsamerweise stieg nicht nur Martin Walkers Bild vor ihr auf, sondern immer wieder auch das von Leon Beaumont.

„Du liebe Zeit, was soll das?“, fragte sie sich laut. Es war schade, dass er sich als Privatmann nicht so korrekt und anständig verhielt wie als Geschäftsmann.

Um ein Uhr in der Nacht hielt sie vor dem Tor zu der Einfahrt an, stieg mit steifen Gliedern aus und öffnete es. Sie war zu müde, es zu schließen, und fuhr weiter.

Sie ließ den Wagen vor der Garage stehen und ging mit dem Schlüssel und der Tasche in der einen Hand und dem Koffer in der anderen um das Haus herum. Während sie sich schon auf ihr Bett freute, schloss sie die Hintertür auf, die in die Küche führte.

Als sie das Licht anknipste, merkte sie sogleich, dass jemand da gewesen war. Es beunruhigte sie nicht, denn Johnny hatte auch einen Schlüssel. Das Geschirr stand noch auf der Spüle. Varnie löschte das Licht und ging die Treppe hinauf in das Zimmer, das sie immer benutzt hatte, wenn sie ihren Großvater besucht hatte. Es war ein gemütlicher, aber relativ kleiner Raum mit einer herrlichen Aussicht.

Sie setzte sich auf das Bett und zog die Schuhe aus. Das war einer der schwärzesten Tage meines Lebens, überlegte sie und stand wieder auf. Glücklicherweise hatte sie bei ihrem letzten Besuch das Bett nicht abgezogen. Vor lauter Müdigkeit fand sie den Kofferschlüssel nicht. Ihre Tasche hatte zu viele Fächer, und sie hatte keine Lust, mitten in der Nacht noch länger zu suchen. Sie beschloss, ausnahmsweise einmal nicht zu duschen, zog sich aus und stieg ins Bett. Und dann war sie innerhalb weniger Sekunden eingeschlafen.

Pünktlich um sechs Uhr wurde sie wach, wie immer. Sie blieb noch eine Zeit lang im Bett liegen und war überrascht, dass sie nach allem, was am Tag zuvor geschehen war, so tief und fest geschlafen hatte.

Auf einmal fiel ihr etwas auf, was sie bei ihrer Ankunft in der Nacht gar nicht bemerkt hatte. Es war warm im Haus. Offenbar hatte Johnny vergessen, die Heizung abzustellen, ehe er weggefahren war. Varnie war froh darüber. Sie knipste die Nachttischlampe an und lächelte. Hoffentlich hat er einen schönen Urlaub in Australien, dachte sie.

Varnie beschloss, nicht in dem relativ kleinen angrenzenden Badezimmer, sondern in dem viel größeren des Elternschlafzimmers zu duschen. Nackt, wie sie war, ging sie über die Galerie und nahm ein Duschtuch aus dem Wäscheschrank. Weshalb sollte sie sich etwas anziehen? Sie war allein in ihrem Haus, keine Menschenseele würde ihr begegnen.

Mit dem Duschtuch in der Hand öffnete sie die Tür zum Elternschlafzimmer. Sie knipste das Licht an und wollte den Raum in Richtung des Badezimmers durchqueren. Plötzlich blieb sie stehen. Sie war keineswegs allein im Haus!

Aus dem Augenwinkel hatte sie eine Bewegung wahrgenommen und blickte verblüfft auf das Bett. Ehe sie begriff, was los war, richtete sich jemand in dem Bett auf.

„Was ist los?“, ertönte eine männliche Stimme. Offenbar hatte der Mann auch nichts an, denn Varnie konnte seine nackte Brust und seine nackten Hüften erkennen.

„Wer …? Das darf nicht wahr sein!“ Sie stand wie erstarrt da, während sie die grünen Augen weit aufriss und fassungslos den dunkelhaarigen Mann betrachtete.

„Ich glaube nicht, dass wir uns kennen“, stellte der Fremde fest und fügte hinzu: „Möchten Sie mir die Hand schütteln?“ Ungeniert musterte er sie von oben bis unten.

Ihr fiel auf, dass er graue Augen hatte, eine in dieser Situation geradezu lächerliche Feststellung, wie sie sich später eingestand. Er ließ den Blick über ihr langes blondes Haar, das ziemlich zerzaust war, über ihr Gesicht, ihre Brüste, ihren flachen Bauch und die schlanken Hüften gleiten. Dann betrachtete er ihre schönen, langen Beine.

Schließlich erholte sie sich von dem Schock. Während er die Beine aus dem Bett schwang, verließ Varnie fluchtartig den Raum. So kopflos und entsetzt, wie sie war, kam sie gar nicht auf die Idee, dass sie sich in das Duschtuch hätte einhüllen können.

Sie zitterte am ganzen Körper und schlug die Tür ihres Zimmers hinter sich zu. Wenn Johnny nicht in Australien wäre, würde ich ihn jetzt erwürgen, dachte sie. Sie bezweifelte nicht, dass er diesem Fremden erlaubt hatte, in ihrem Haus zu übernachten.

Varnie glaubte zu wissen, wer dieser Mann war, denn sie hatte sein Foto am Tag zuvor in der Zeitung gesehen. Er brauchte sich ihr nicht vorzustellen.

Aber was machte Leon Beaumont hier? Es war ihr entsetzlich peinlich, dass er sie nackt gesehen hatte. Sie wünschte, sie würde ihn nie wiedersehen.

2. KAPITEL

Varnie hüllte sich in das Duschtuch ein und blickte nervös auf die Tür. Hoffentlich kam Leon Beaumont nicht herein, während sie in ihrer Tasche die Kofferschlüssel suchte. Schließlich fand sie sie, schloss den Koffer auf und nahm frische Dessous, eine Hose und ein T-Shirt heraus.

Vor lauter Angst, er würde plötzlich hereinkommen, verzichtete sie darauf, zu duschen, und wusch sich am Waschbecken. Nachdem sie das Haar gebürstet und sich angezogen hatte, ging sie die Treppe hinunter in die Küche – und wartete.

Leon schien es nicht eilig zu haben. Varnie hatte sich etwas beruhigt, obwohl sie keineswegs erfreut war über die Aussicht, mit ihm reden zu müssen. Dass sie nackt vor ihm gestanden hatte, war ihr immer noch schrecklich peinlich.

Vielleicht erspart er sich und mir eine erneute Begegnung, sagte sie sich schließlich. Johnny hatte ihm vermutlich erzählt, dass das Haus ihr gehörte. Aber sicher konnte man bei ihm nie sein. Es war durchaus möglich, dass Leon Beaumont keine Ahnung hatte, wer sie war. Vielleicht wäre es am besten, sie würde rasch wieder verschwinden und zu ihren Eltern fahren.

Nein, das war keine gute Idee. Es war immerhin ihr Haus. Außerdem wollte sie momentan nicht mit ihren Eltern reden. Mit dem Schmerz über Martin Walkers Falschheit musste sie allein fertig werden. Ihre Eltern sollten ihre Ruhe haben und glauben, sie sei in der Schweiz und genieße den Urlaub.

Sie war hierher gekommen, um eine Zeit lang allein zu sein. Deshalb musste sie sich zusammennehmen und handeln. Egal, weshalb Leon Beaumont hier war, er musste das Haus verlassen, und das möglichst rasch.

Was hatte Johnny sich eigentlich dabei gedacht, seinem Chef den Schlüssel des Hauses zu geben? Warum hatte er es getan? Bei dem Gedanken daran, dass sie nackt vor Leon Beaumont gestanden hatte, errötete sie. Um sich abzulenken, sortierte sie die Post, die sie in der Eingangshalle entdeckt hatte. Ein weißer Briefumschlag ohne Adresse erregte ihr Interesse. Sie öffnete ihn. Offenbar hatte Johnny Mrs. Lloyd, die Haushälterin ihres Großvaters, angerufen. Sie schrieb ihm, es tue ihr leid, dass sie nicht zu Hause gewesen sei bei seinem Anruf. Sie könne leider nicht kommen und sich um seinen Gast kümmern, aber eine Mrs. Roberts wäre gern bereit auszuhelfen. Mrs. Lloyd hatte die Telefonnummer von Mrs. Roberts hinzugefügt.

Varnie stockte der Atem, als ihr bewusst wurde, dass Leon Beaumont vorhatte, länger hier zu bleiben. So ist das also, dachte sie ärgerlich. Leon Beaumont wollte wohl eine Zeit lang untertauchen, und Johnny war offenbar der Meinung gewesen, Aldwyn House sei das ideale Versteck für seinen Chef. Johnny war davon ausgegangen, sie sei zwei Wochen in der Schweiz und er brauche sie nicht zu informieren. Varnie vermutete sogar, dass ihr lieber Stiefbruder diesem Schürzenjäger gegenüber gar nicht erwähnt hatte, wem das Haus gehörte.

In dem Moment hörte sie Schritte und blickte auf. Leon Beaumont kam herein. Er wirkte völlig unbekümmert und schien überhaupt nicht verlegen zu sein. Das ist auch kein Wunder, er ist ja an den Anblick nackter Frauen gewöhnt, dachte sie gereizt.

„Wer sind Sie eigentlich?“, fragte er sogleich.

„Varnie Sutton“, erwiderte sie und beobachtete ihn. Der Name sagte ihm nichts. Demnach hatte Johnny sie mit keiner Silbe erwähnt. „Sie sind Leon Beaumont“, fügte sie steif hinzu. „Ich muss Sie auffordern …“

„Sie wissen, wer ich bin?“, unterbrach er sie. „Woher? Ich hatte Metcalfe die strikte Anweisung erteilt, mir ein Haus zu besorgen, wo ich nicht von … unerwünschten Eindringlingen belästigt werde.“

Von unerwünschten Eindringlingen, wiederholte sie insgeheim. Glaubte er etwa, sie sei seinetwegen hier? Varnie wurde immer zorniger. „Machen Sie sich keine Illusionen. Ich würde Sie noch nicht einmal mit der Kneifzange anfassen“, fuhr sie ihn an. „Außerdem …“

„Ah ja, Sie sind nackt in mein Zimmer gekommen, weil Sie an mir nicht interessiert sind“, fiel er ihr ins Wort. „Wenn ich Sie in irgendeiner Weise ermutigt hätte, wären Sie doch, ohne zu zögern, in mein Bett gestiegen.“

Ungläubig sah sie ihn an. Sie hatte das Gefühl, am ganzen Körper zu erröten. „Lieber würde ich Blausäure schlucken, als zu Ihnen ins Bett steigen. Wenn Sie nicht so sehr damit beschäftigt gewesen wären, mich von oben bis unten zu mustern, wäre Ihnen vielleicht das Duschtuch aufgefallen. Ich habe ihr Zimmer nur betreten, weil ich in dem angrenzenden Badezimmer duschen wollte. Ich hatte keine Ahnung, dass Sie in dem Bett lagen.“

„Weshalb wollten Sie nicht in Ihrem Badezimmer duschen?“

„In meinem Badezimmer?“

„Ich habe nachgesehen, wo Sie geschlafen haben.“

Dieser verdammte Kerl! „Es ist kein Druck in der Leitung. Die Dusche in Ihrem Badezimmer funktioniert besser.“ Warum erkläre ich es ihm überhaupt, das habe ich doch gar nicht nötig, überlegte sie.

Autor

Jessica Steele
Jessica Steele stammt aus der eleganten Stadt Royal Leamington Spa in England. Sie war ein zerbrechliches Kind und verließ die Schule bereits mit 14 Jahren als man Tuberkulose bei ihr diagnostizierte. 1967 zog sie mit ihrem Mann Peter auf jenen bezaubernden Flecken Erde, wo sie bis heute mit ihrer Hündin...
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