Eine filmreife Affäre

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Ruby hat eine Regel: Keine Affären bei der Arbeit! Dumm nur, dass der sexy Hollywood-Star Devlin Cooper sich daran nicht im Geringsten stört. Als Ruby bei seinem neuesten Filmdreh als Produktionsassistentin arbeitet, versucht er sie vom ersten Augenblick an zu verführen …


  • Erscheinungstag 21.01.2023
  • ISBN / Artikelnummer 9783751521390
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Ruby Bells Telefon musste etwa eine halbe Sekunde, bevor sie über ein Grasbüschel stolperte, zu klingeln begonnen haben.

Zum Glück hielt sie es geistesgegenwärtig fest, als sie auf den staubigen Boden der eingezäunten Weide flog. Eine Weide, die einmal von vielen Schafen bewohnt gewesen war, auf der sich aber kürzlich eine neunzig Mann starke Filmcrew niedergelassen hatte.

„Paul“, seufzte Ruby nach einem Blick aufs Display und zuckte zusammen. Grashalme stachen durch den dünnen Stoff ihres T-Shirts, der sich langsam mit dem warmen Kaffee aus ihrem halb ausgetrunkenen Pappbecher vollsog. Sie klang ein bisschen atemlos, als sie den Anruf annahm, aber ansonsten so tüchtig wie immer. Gut. Dadurch, dass sie in jeder Situation vernünftig, nicht aus der Ruhe zu bringen und sachlich war, hatte sie Karriere als Produktionsassistentin gemacht und reiste von Job zu Job durch die Welt. Über ihre eigenen Füße zu stolpern und auf dem Bauch im Dreck zu liegen, konnte sie nicht erschüttern.

„Ich brauche Sie im Büro. Wir haben hier ein Problem.“

Und das war’s. Paul hatte schon aufgelegt. Ruby wusste, dass es unmöglich war, den drängenden Ton des Produzenten zu deuten. Es konnte sich sehr wohl um eine echte Katastrophe handeln, doch es war ebenso wahrscheinlich, dass nur wieder irgendeine Hilfskraft seinen Espresso verpatzt hatte. So oder so, sie musste los.

„Bist du okay, Ruby?“

Sie blinzelte in die Mittagssonne. Obwohl größtenteils im Schatten, oder vielleicht deswegen, war die breite, kräftige Figur von Bruno, dem Chefrequisiteur, unverkennbar. Neben ihm standen zwei von den jüngeren Requisiteuren und wirkten so linkisch wie immer, wenn sie nicht gerade schwere Gegenstände und die halbe Maske durch die Gegend schleppten. Ruby war direkt vor ihren Trailern auf den Boden gekracht.

„Natürlich.“ Sie stemmte sich auf die Knie hoch und winkte ab, als Bruno ihr aufhelfen wollte. Der mit Kaffee durchtränkte Stoff ihres T-Shirts klebte ihr an der Brust. Das, was nicht feucht an ihr klebte, war mit Grasflecken und Schmutz verziert.

Aber sie hatte jetzt keine Zeit, sich Gedanken über ihr Outfit zu machen. Oder über ihr Haar. Ruby fuhr sich mit den Fingern durch die kurzen blondes Strähnen. Ja, auch die fühlten sich staubig an.

Einen Moment später war sie aufgestanden, und ihr Tag ging weiter, trotz des unangenehmen Gefühls, von Kopf bis Fuß vor Dreck zu kleben.

„Ruby!“ Ein Schrei irgendwo links von ihr. „Wetter morgen?“

„Schön. Regen unwahrscheinlich“, rief sie, ohne langsamer zu werden. Paul wäre es sicher lieber gewesen, wenn sie sich ins Büro hätte beamen können. Da sie es nicht konnte, musste sie eben noch schneller laufen als sonst.

Das Cottage, in dem das Produktionsbüro untergebracht war, lag nur ein paar Minuten entfernt, versteckt hinter der letzten Gruppe von Trailern und der Zeltstadt für das Catering.

Sie hatten das Camp vor zwei Tagen aufgebaut, und der Pfad im Gras war schon gut ausgetreten. Im Geiste sandte Ruby Stoßgebete gen Himmel. Hoffentlich war es nichts Ernsteres als ein Kaffeenotfall. Bisher war sie bereits mit einer unerwarteten Drehbuchänderung fertiggeworden, mit dem überraschenden Beschluss, eine Szene an einen anderen Drehort zu verlegen, und mit einer jungen Schauspielerin, die unentschuldigt gefehlt hatte. Und es war gerade der erste Drehtag.

„Haben Sie eine Minute Zeit?“, fragte Sarah, eine schlanke Rothaarige, die für die große Zahl der Komparsen verantwortlich war, die Das Land erforderte, eine „epische historische Liebesgeschichte im Herzen des Outback“.

„Nein.“ Aber Ruby ging trotzdem langsamer. „Paul“, sagte sie zur Erklärung.

„Ah.“ Sarah sprang von der obersten Stufe ihres glänzenden schwarzen Trailers und ging neben Ruby her. „Nur ganz schnell. Ein Anruf von einem besorgten Vater. Er und seine Frau machen sich Gedanken darüber, wie wir Samuel in der Szene morgen zum Weinen bringen.“

Als Ruby eine Minute später den letzten Trailer in der Reihe erreicht hatte, war Sarah mit einer Lösung des Problems auf dem Rückweg, und sie hatte ein weiteres Telefongespräch erledigt. Die Assistentin von Arizona Smith wollte wissen, ob es in Lucyville Ashtanga-Yoga-Kurse gab.

Das war in der ländlichen Kleinstadt im Nordwesten von New South Wales, in der sie filmten, eher unwahrscheinlich. Trotzdem versprach Ruby, die Assistentin der Hauptdarstellerin so bald wie möglich zurückzurufen.

Sie fing an zu laufen, als sie um die Ecke bog, den Blick nach unten gerichtet, weil sie nicht noch einmal hinfallen wollte.

Daher sah sie den sehr großen Mann nicht, der aus der anderen Richtung um die Ecke bog, und knallte direkt gegen ihn.

„Uff!“, entfuhr es ihr beim Aufprall auf den muskulösen Körper. Sie nahm kaum wahr, dass sie die Hände über sonnengebräunte Arme nach oben gleiten ließ und sich an seinen Schultern festhielt.

Sie registrierte jedoch sehr wohl seine kräftigen Hände an ihrer Taille, seine Finger an ihrer nackten Haut, wo ihr T-Shirt ein ganzes Stück hochgerutscht war.

Und seinen Duft, sogar durch den Stoff des T-Shirts, wo ihr Gesicht an seine Brust gedrückt war.

Frisch. Sauber. Lecker.

„Sind Sie okay?“, hörte sie ihn fragen.

Jetzt erst wurde sie verlegen. Nein, ihr wurde klar, dass sie verlegen sein sollte. Dass sie sich aus dieser … Umklammerung befreien sollte.

„Mmm-hmm“, sagte Ruby undeutlich und bewegte sich überhaupt nicht.

Sein Griff wurde fester, und nun bewegte sich ihr Körper. Den Rücken an die Wand eines Trailers gedrückt, glitt sie daran hinunter. Ihre Füße hatten in der Luft gebaumelt. Das hatte sie nicht mal gemerkt, bis sie den Boden unter ihren Ballerinas spürte.

Wie hatte er sie nur so mühelos tragen können? Sie war mittelgroß, ganz und gar nicht winzig, und er hatte sie in den Armen gehalten, als wäre sie so leicht wie eine dieser spindeldürren Hollywood-Schauspielerinnen.

Wow.

„Sie machen mir Sorgen“, sagte er. „Sind Sie verletzt?“

Endlich sah Ruby auf. Wer war er? Sein Gesicht lag größtenteils im Schatten, weil die grelle Sonne direkt hinter ihm am Himmel stand.

„Nur ein bisschen benommen“, brachte sie heraus. Zu spät erkannte sie, dass es stimmte. Der Nebel in ihrem Kopf lichtete sich nur langsam. Aber sie war völlig zufrieden damit, genau hier so zu stehen. „Sind Sie okay?“

„Ich werde es überleben.“

Er lockerte seinen Griff ein bisschen, ließ sie jedoch nicht los. Ruby hatte die Hände noch immer auf seinen Schultern. Auf den Gedanken, sie wegzunehmen, kam sie gar nicht.

Eine Wolke schob sich vor die Sonne, und jetzt sah sie deutlich sein energisches Kinn, den Dreitagebart, die gerade Nase. Seine Augenfarbe konnte sie nicht so recht ausmachen, aber sie wusste, dass sein Blick auf ihr Gesicht gerichtet war, auf ihren Mund … Ruby schloss fest die Augen und versuchte, sich zu sammeln.

Die Benommenheit war verschwunden. Die Realität kehrte zurück. Ihre Realität. Sie war Ruby Bell, die Frau, die Klartext redete. Die sich nicht mit romantischen Tagträumereien aufhielt und keine völlig Fremden umarmte.

Er gehörte nicht zur Crew. Er musste ein Komparse sein, irgendein Typ, der einfach seiner Wege gegangen war, bevor sie sich ihm in die Arme geworfen hatte. Jetzt, zu spät, schämte sie sich.

Sachliche Worte lagen ihr auf der Zunge, als sie die Augen öffnete.

Anstatt etwas zu sagen, atmete sie scharf ein.

Er war näher gerückt. So nah.

Besorgt sah er nicht aus, eher … fast gefährlich. Auf eine sehr, sehr gute Art.

Sie schluckte.

Er lächelte.

Unter ihren Fingern, die sie von seinen Schultern zu seinem Nacken hatte gleiten lassen, fühlte sich sein Haar dicht und kräftig an.

„Sie sind mir ja ein schönes Begrüßungskomitee.“

Ruby war überwältigt von ihm, von seiner Größe, seinem umwerfenden Aussehen, seiner Nähe. Sie begriff nicht, was er meinte. „Wie bitte?“

Er wiederholte sich nicht, blickte sie nur unverwandt an.

Und sie konnte nichts weiter tun, als in seine wundervollen Augen zu schauen … blaue Augen, wie sie nun sah, die ihr merkwürdig bekannt vorkamen.

„Hat Ihnen schon einmal jemand gesagt, dass Sie aussehen wie Devlin Cooper?“ Lallte sie? Vielleicht. Was war bloß mit ihr los?

Er strich ihr mit dem Zeigefinger über die Wange. Ruby erschauerte.

„Ein paarmal“, erwiderte er trocken.

Nein, nicht ganz wie der berühmte Devlin Cooper. Dieser Mann hatte tiefe Schatten unter den Augen, und sein dunkelblondes Haar war viel zu lang. Er war auch zu groß. Sie hatte genug Hauptdarsteller getroffen, um zu wissen, dass die meisten Hollywood-Stars viel kleiner waren, als sie auf der Leinwand wirkten. Und er war zwar muskulös, hatte aber nicht die massige Gestalt des Filmstars. So wie er würde Devlin Cooper möglicherweise aussehen, wenn er für eine Rolle zwanzig Kilo abnahm.

Das konnte sich Ruby bei Devlin Cooper aber nicht vorstellen. Er war eher ein Action-Blockbuster-Star als ein oscarwürdiger Charakterdarsteller.

Als der Mann ihr Kinn anhob, dachte sie nicht mehr an Devlin Cooper. Es gab nur sie und diesen Fremden und die verrückte knisternde Spannung zwischen ihnen. So etwas hatte sie noch nie empfunden. Noch nie war sie so gespannt darauf gewesen, was als Nächstes passieren würde.

Er neigte sich vor, schloss die Lücke zwischen ihnen, bis sein Mund fast ihren berührte …

Ein Geräusch in der Nähe ließ Ruby zusammenfahren. Die schnell vergessene Welle der Scham brandete wieder über sie hinweg, und diesmal konnte sie sie nicht ignorieren. Und mit ihr zusammen rückten andere Eindrücke in den Vordergrund, die weniger angenehm waren als seine Berührung. Dass sie voller Dreck und feuchter Kaffeeflecken war. Dass ihr heiß war, als stünde sie von Kopf bis Fuß in Flammen.

Sie hing noch immer an seinem Hals. Blitzartig zog sie die Hände von seinem Nacken.

„Wer sind Sie?“, fragte sie scharf.

Er lächelte, sagte aber kein Wort. Er beobachtete sie nur, ruhig, gelassen.

Sein Benehmen war aufreizend.

Ruby duckte sich zur Seite weg, und er löste die Hand von ihrer Taille. Es war lächerlich, aber im selben Moment vermisste sie seine Berührung schon. Widerstrebend brachte Ruby mit ein paar Schritten Abstand zwischen sie beide und blickte nach links und rechts.

Sie waren allein. Niemand sonst befand sich auf dem Pfad. Niemand hatte sie beide gesehen. Sie atmete auf. Was in aller Welt hatte sie sich bloß dabei gedacht?

Schritte näherten sich, und sie erstarrte. Als könnte derjenige, der gleich um die Ecke kam, mit einem Blick erkennen, was hier gerade passiert war.

Natürlich war es Paul.

„Ruby, da sind Sie ja!“

„Ruby“, wiederholte hinter ihr der Mann langsam. „Hübscher Name.“

Sie warf ihm einen wütenden Blick zu. Konnte er nicht einfach verschwinden? Wie lange war es her, dass sie mit ihm zusammengestoßen war? Doch wohl nicht mehr als ein paar Minuten? Es war nicht Pauls Art, sie zu suchen. Also musste es ein echter Notfall sein.

„Es tut mir leid“, brachte sie schließlich heraus. Wie sollte sie es erklären? Sie fuhr sich mit der Hand durchs Haar, und einige Grashalme fielen heraus. „Ich bin hingefallen“, sagte sie, schon etwas selbstsicherer. Sie nickte in die Richtung des fremden Mannes. „Er hat mir aufgeholfen.“

Sie strich über ihr verdrecktes T-Shirt, um ihren Worten Nachdruck zu verleihen.

Na bitte. Die perfekte Erklärung dafür, dass sie nicht schon vor fünf Minuten in Pauls Büro erschienen war.

Aus den Augenwinkeln sah sie, dass der Fremde grinste. Er hatte sich an den Trailer gelehnt und lässig die Knöchel übereinandergeschlagen. Ein normaler Mensch würde ja wohl erkennen, wie unangenehm die Situation für Ruby war und … irgendetwas tun, außer sich zu benehmen, als würden ihm nur noch Popcorn und Eiskonfekt für die perfekte Unterhaltung fehlen.

„Danke für Ihre Hilfe“, sagte Ruby. Erst jetzt bemerkte sie die kaffeebraunen Flecken auf seinem grauen T-Shirt. Aber sie konnte sich nicht dazu durchringen, sich zu entschuldigen. Er war einfach zu ruhig, zu gleichgültig.

„Und? Wozu brauchen Sie mich?“, fragte sie den Produzenten.

Er blinzelte, sein Blick schnellte zu dem Mann hinter ihr. „Sie hatten es aber eilig“, sagte er. Nicht zu ihr, sondern zu dem Fremden.

„Ich hatte etwas zu erledigen“, erwiderte er.

Paul kniff die Augen zusammen, als stünde er kurz vor einem seiner Wutanfälle. Dann räusperte er sich jedoch und sah Ruby an. Eine unheimliche Vorahnung überkam sie.

„Also haben Sie unseren neuen Hauptdarsteller schon kennengelernt.“

„Wen?“, fragte sie, ohne zu überlegen, und hörte ein Lachen hinter sich.

Der Mann. Sein wissendes Lächeln. Sein überwältigendes Charisma. Endlich brachte sie alles miteinander in Verbindung. Dies war Pauls neuestes Drama, deshalb hatte sie zurück zum Büro hetzen müssen.

Sie hatten einen neuen Hauptdarsteller.

Sie hatte ihn gerade kennengelernt.

Sie hatte ihn gerade schmutzig gemacht.

Am schlimmsten von allem: Fast hätte sie ihn geküsst.

Und er sah Devlin Cooper nicht nur ähnlich, es war Devlin Cooper! Der Mann, der zweistellige Millionenbeträge als Gage erhielt und ununterbrochen Sensationsgeschichten für Illustrierte lieferte. Der Mann, der Australien vor langer Zeit verlassen hatte und jetzt in einem Atemzug mit Brad und George und Leo genannt wurde …

„Sie können mich Dev nennen“, sagte er.

Ach.

Du.

Schande.

Dev Cooper lächelte, als sich die schlanke Blondine verzweifelt mit den Fingern durch ihr kurz geschnittenes Haar fuhr.

Ruby.

Der Name passte zu ihr. Sie war auffallend schön wie ein Rubin. Große samtbraune Augen unter dunkelblonden Brauen, hohe Wangenknochen und ein sinnlicher Mund. Vielleicht war ihre Nase ein bisschen zu lang und ihr Kinn ein bisschen zu eigensinnig nach vorn gereckt. Wäre sie ein Model, Veronica würde Ruby sicher nicht für Dev auswählen, um sich mit ihr bei irgendeiner Premiere oder Eröffnung fotografieren zu lassen.

Zum Glück war sie kein Model. Anscheinend gehörte sie zur Crew dieses Films, den er die nächsten sechs Wochen drehen musste. Und nach dem Blick zu urteilen, mit dem sie ihn vor ein paar Minuten angesehen hatte, würden die folgenden Tage, vielleicht sogar Wochen, sehr viel interessanter werden, als er geglaubt hatte.

Sie stand mit verschränkten Armen da, während sie mit dem Produzenten sprach. Phil? Nein, Paul. Der Mann, der seiner Agentin Veronica einen Gefallen schuldete. Einen wirklich großen Gefallen, der ihm keine andere Wahl ließ. Sonst hätte sie ihn nicht ins Flugzeug nach Sydney verfrachtet, bevor sie Antwort erhielt, ob er die Rolle hatte oder nicht.

Dev – er kannte doch Veronica! – vermutete, dass Paul erst von seinem neuen Hauptdarsteller erfahren hatte, kurz bevor der in seinem glänzenden schwarzen Mietwagen hier aufgetaucht war. Mit Chauffeur natürlich. Diesmal wollte seine Agentin kein Risiko eingehen. Dev verlagerte das Gewicht, um sein linkes Bein zu entlasten, in dem er ständig pochende Schmerzen hatte. War es tatsächlich gerade mal eine Woche her?

Der Unfall auf seiner Auffahrt in Beverly Hills war „der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt“, wie seine Agentin es ausgedrückt hatte. Selbst Dev musste zugeben, dass es keine Glanzleistung gewesen war, zu vergessen, den Rückwärtsgang einzulegen. Auch nicht, in sein Wohnzimmer zu rasen und dabei seinen Jaguar zu Schrott zu fahren.

Zum Glück war ihm nichts passiert, abgesehen von einer Muskelverletzung. Und dank der Mauer, die sein Haus umgab, wusste außer seiner Agentin und seiner Haushälterin niemand von dem Unfall.

Und er war nicht betrunken gewesen, wie Veronica glaubte.

Nur todmüde, nachdem er vier Nächte kaum geschlafen hatte, ja. Aber sich betrunken ans Steuer setzen? Nein, so tief war er nicht gesunken.

Noch nicht?

Darüber wollte Dev lieber nicht nachdenken. Er konzentrierte sich wieder auf Ruby und Paul, die ihr Gespräch beendet hatten und ihn jetzt ansahen.

Ruby wich seinem Blick nicht aus, obwohl sie rot geworden war. Zweifellos war sie verlegen. Aber sie behauptete sich. Das gefiel ihm.

„Ich bin Ruby Bell. Produktionsassistentin für Das Land. Paul wird mir die Adresse Ihrer Unterkunft geben, und ich lasse Ihnen den Drehablauf für morgen zukommen, sobald ich mit dem Regieassistenten gesprochen habe.“

Dev nickte.

Dann betonte Paul noch einmal den „straffen Zeitplan“, das „rechtzeitige Ende der Dreharbeiten“ und den „sofortigen Drehbeginn“ – alles Dinge, die er schon bei ihrem abrupt beendeten Meeting gesagt hatte.

Man könnte glatt glauben, ich komme ständig zu spät zum Set und verpasse meine Szenen, dachte Dev. Er lächelte verkniffen, was ihm einen wütenden Blick von Paul einbrachte.

Dev verkrampfte sich. Dieser Film hatte zwar ein anständiges Budget, aber er war kein Hollywood-Blockbuster. Um Himmels willen, er ersetzte in der Hauptrolle den Star einer Seifenoper! Eine Standpauke von irgendeinem unbedeutenden Produzenten würde er nicht hinnehmen.

„Ich hab’s kapiert“, schnitt er ihm das Wort ab. So ähnlich hatte er schon in Pauls Büro reagiert, als er genug davon gehabt hatte, wie sich der Mann aufspielte. „Wir sehen uns …“, er fing Rubys Blick auf, „… morgen.“ Und damit ging er weg.

Sechs Wochen in einer Kleinstadt am Ende der Welt arbeiten, wo – so hoffte seine Agentin zweifellos – nicht einmal Dev Cooper in Schwierigkeiten geraten konnte.

Die Erinnerung an funkelnde schokoladenbraune Augen und an schlanke Finger, die sich in sein Haar schoben, brachte ihn zum Lächeln.

Tja, versprochen hatte er nichts.

2. KAPITEL

Es kostete Ruby ihre ganze Kraft, Paul die kleine Steintreppe hoch ins Produktionsbüro zu folgen. Weil sie wirklich weglaufen wollte. Weg vom Schauplatz einer der größten Demütigungen ihrer Karriere. Ihres Lebens sogar.

Dass sie ihn nicht erkannt hatte!

Nur die Möglichkeit, dass sie Devlin Cooper bei einem Fluchtversuch erneut in die Arme laufen könnte, hielt sie davon ab.

Ach ja, und die Tatsache, dass sie ihren Beruf liebte.

Während sie durch den schmalen Flur gingen, sagte Paul zu ihr, Mr Cooper werde mit sofortiger Wirkung Todd ersetzen. Das war’s. Keine weitere Erklärung.

Inzwischen waren sie in Pauls Büro an der Rückseite des für die Zeit der Dreharbeiten gemieteten Cottage angelangt. Drinnen warteten der Aufnahmeleiter Sal und der Produktionsleiter Andy.

„Wie zum Teufel haben Sie Devlin Cooper dazu gebracht, diese Rolle anzunehmen?“, fragte Andy.

Verdrehte Paul genervt die Augen? Ruby war sich nicht sicher.

„Sagen wir einfach: Die Gelegenheit ergab sich. Also habe ich sie genutzt.“

Trotz der katastrophalen Auswirkungen auf den Drehplan konnte Ruby es ihm nicht verübeln. Mit Devlins Starqualität würde der Film ein ganz neues Publikum ansprechen. Warum Devlin die Rolle angenommen hatte, war eine andere Frage. Wollte er Zeit in seiner Heimat Australien verbringen? Hatte er das Bedürfnis, der australischen Filmindustrie etwas zurückzugeben? Wollte er weg von seinem Image als schlichter Actionheld?

Es konnte ihr egal sein. Wichtig war: Die Dreharbeiten hatten bereits begonnen, und Devs Figur Seth kam in fast jeder Szene vor. In der Tagesdisposition für morgen stand Todds Name überall. Zweifellos hatten sie den morgigen Tag schon verloren. Und das war ganz und gar nicht gut, denn Arizona musste in genau sechs Wochen und einem Tag für ihren nächsten Film in den Pinewood Studios in London sein.

„Kennt Dev das Drehbuch?“, fragte Ruby.

Paul sah sie nur an.

Okay. Also hatten sie schon mehr als einen Tag verloren. Dev würde proben müssen. Wie könnte der Erste Regieassistent den Drehplan umstellen? Devs Kostüme mussten organisiert werden. Und sein Haarschnitt. Und …

„Soll ich mich um einen Arzttermin kümmern?“ Für jeden Schauspieler war ein Attest erforderlich. Alles, von Lippenherpes bis zum Basejumping-Hobby hatte Einfluss darauf, wie viel die Filmversicherung kostete.

„Nein“, sagte Paul, sehr schnell.

Ruby sah ihn prüfend an.

„Er war nach der Landung bei einem Arzt in Sydney“, erklärte der Produzent.

Okay. Das klang plausibel. „Unterbringung?“ Die Mitarbeiter und Schauspieler waren schon in jedes Bed and Breakfast und in das Motel eingefallen.

„Er übernimmt Todds Cottage.“

Autsch. Armer Todd. Er musste am Boden zerstört sein. Diese Rolle wurde in weiten Kreisen für seinen Durchbruch gehalten. Man stellte ihn als den nächsten großen Star hin.

Und jetzt wurde er vom aktuellen großen Star übertrumpft. Ruby hatte Mitleid mit Todd, aber die Filmbranche war eben nichts für Feiglinge oder Leute, die einen sicheren Job haben wollten. Genau deshalb liebte Ruby ihren Beruf.

Zehn Minuten später hatten sie einen Plan für die nächsten paar Tage, und sie schloss Pauls Bürotür hinter sich, während Sal und Andy zurück an ihre Schreibtische hasteten. Einen Moment lang stand Ruby allein in dem schmalen Flur. Links von ihr lag Sals und Andys Büro, rechts das Zimmer, in dem sie mit den drei Mitgliedern des Produktionsteams arbeitete, die ihr unterstellt waren: Cath, Rohan und Selena.

„Ihr habt die Neuigkeit wohl schon gehört?“, fragte Ruby, als sie den Raum betrat.

Sie nickten alle gemeinsam.

„Es war irgendwie toll, wie er Paul einfach stehen lassen hat.“ Rohan lehnte sich in seinem Stuhl zurück. „Paul ist hier hereingekommen und hat eine Weile geschimpft, bevor er die Verfolgung aufgenommen hat. Ich schätze, er hat ihn nicht gefunden.“

Ruby korrigierte Rohan nicht. Stattdessen erklärte sie den neuen Plan und verteilte zusätzliche Aufgaben. Keiner beschwerte sich. Ganz im Gegenteil. Unerwartet einen Superstar als Hauptdarsteller zu haben, bedeutete, dass sie ab sofort alle an einem Film arbeiteten, der viel wichtiger war als der, für den sie sich vertraglich verpflichtet hatten. Es war eine fantastische Gelegenheit.

Das musste sie im Hinterkopf behalten. Ruby setzte sich an ihren Schreibtisch und tippte auf das Touchpad ihres Laptops. Über zwanzig neue Mails waren eingegangen. Nicht allzu viel in Anbetracht der Tatsache, dass es eine Ewigkeit her zu sein schien, seit sie die Drehbuchkorrekturen an die Schauspieler verteilt hatte.

Sie hatte tausend Dinge zu erledigen und musste sofort weitermachen. Stattdessen blickte sie aus dem Fenster auf die kahle, flache Landschaft, die sich bis zur Bergkette erstreckte. Noch immer versuchte sie zu begreifen, was in der vergangenen halben Stunde passiert war.

Es war kaum zu glauben, dass sie eben einen der erotischsten Männer der Welt umarmt hatte.

Während sie völlig verdreckt war.

Und keine Ahnung gehabt hatte, wer er war.

Zum ungefähr hundertsten Mal zuckte Ruby innerlich zusammen.

Autor

Leah Ashton

Anders als viele unserer Autorinnen hat Leah Ashton nicht immer vorgehabt, selbst zu schreiben. Sie hat zwar schon als Kind alles gelesen, das ihr in die Finger kam – von Büchern bis hin zur Rückseite der Cornflakes-Verpackung beim Frühstück –, doch ans Schreiben dachte sie erst nicht. Eines Tages entdeckte...

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