Eine Nacht mit dem Cowboy

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Knisterndes Verlangen liegt in der Luft, als der sexy Rancher Hannah wie versehentlich berührt. Schon bald gibt sie sich ihm hin. Erst am Morgen danach wird Hannah klar, dass ihr Liebhaber Brock McNeill ist. Ein Mitglied der Familie, die sie abgrundtief hasst!


  • Erscheinungstag 05.06.2020
  • ISBN / Artikelnummer 9783733717575
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Hannah Ryder übte sich schlecht und recht in Geduld, als sie der Regisseur, den sie nicht leiden konnte, für eine Nahaufnahme heranzoomte. Wegen der Hitze der Schweinwerfer schwitzte sie unter der dicken Schicht Make-up. Das kratzige, trockene Heu pikste in ihre nackte Haut. Sie lag – bedeckt mit diesem Zeugs – auf dem Boden einer alten Scheune, die vorübergehend in ein Filmset umgewandelt worden war. Das Drehbuch verlangte von dieser Szene, dass Hannah durch den Dachboden fiel, als sie gerade Sex mit einem Cowboy hatte. Glücklicherweise hatte es für diese Aufnahme eine Stuntfrau gegeben.

Jetzt musste sie die Sequenz nach dem Sturz spielen, nachdem ihr Lover sie verlassen hatte. Ihr Gesicht war blutig und zerkratzt geschminkt. Alles wäre in Ordnung, wenn durch den dreistündigen Dreh im Heu ihre Augen nicht schon tränen und ihre Haut jucken würde. Ihr Make-up musste alle zwanzig Minuten aufgefrischt werden, und der fleischfarbene Body schützte sie nicht im Geringsten vor dem Heu. Pferde flankierten sie auf beiden Seiten, deren ungeduldiges Scharren mit den Hufen bot den Rahmen für die Szene, so wollte es der Regisseur. Er musste ein Sadist sein. Was, wenn eins der Tiere beschloss, dass es genug hatte von der niesenden Frau, die sich auf dem Boden seiner Scheune wälzte?

Zweimal war sie sicher, eine Spinne oder ein anderes Krabbeltier wäre ihr nacktes Bein heraufgejagt, und ein schmerzhafter Krampf schoss ihr durch die Wade.

Sie hätte die Produktion schon vor Tagen verlassen, wenn sie nicht einen bestimmten Grund gehabt hätte, sich eine Rolle in diesem Film zu erkämpfen. Sie brauchte einen Beweis dafür, dass der Regisseur Frauen am Set sexuell belästigte. Sie wollte rächen, was er Hannahs jüngerer Schwester ein Jahr zuvor angetan hatte.

Seit dem Vorfall war die neunzehnjährige Hope, einst eine fröhliche, aufstrebende Schriftstellerin mit einem begehrten Job als Drehbuchleserin und Assistentin des Regisseurs Antonio Ventura nur noch ein Schatten ihrer selbst. Hope arbeitete jetzt im Einzelhandel, zufrieden damit, Umkleideräume aufzuschließen, da dies ein Job war, bei dem sie von Frauen umgeben war. Hope schrieb nicht mehr, und sie verließ das Haus nur noch, wenn sie zur Arbeit ging. Sie schreckte bei Geräuschen zusammen und weinte, wenn sie glaubte, Hannah würde es nicht hören.

Diese Veränderung brach Hannah das Herz, und auch eine monatelange Therapie schien ihrer Schwester nicht geholfen zu haben. Hope weigerte sich, Anzeige zu erstatten, behauptete beharrlich, sie habe wegen widersprüchlicher Gefühle Beweise vernichtet, und sie wolle nichts vor Gericht bringen, was sie nicht beweisen konnte. Als sich monatelange sanfte Ermutigung und auch energisches Drängen als wirkungslos erwiesen, hatte Hannah einen anderen Ansatz gewählt. Sie hatte einige Zeit an einem der Sets des Mistkerls verbracht, um selbst zu beobachten, ob er andere Frauen schikanierte.

Bisher hatte sie allerdings nur in Erfahrung gebracht, dass jeder, der bei seinem Film Winning the West arbeitete, ihn für einen Tyrannen und Größenwahnsinnigen hielt. Doch sie hatte keinen Beweis, dass er hilflose Frauen in Abstellräume sperrte, um sie gewaltsam zu begrapschen, so wie er es bei Hope getan hatte.

Allein der Gedanke daran brachte Hannah dazu, den Krampf in ihrer Wade noch eine weitere Minute auszuhalten, während die Kamera sich auf ihre Tränen einschoss. Sie fühlte sich für Hope verantwortlich, seit ihre Schwester nach Los Angeles gezogen war, um bei Hannah zu sein. Ihre Eltern waren nie eine große Hilfe gewesen. Ihr erfolgreicher Vater, ein Anwalt, hatte ihre Mutter schon vor langer Zeit verlassen – und sein Vermögen mitgenommen. Was ihre Mutter betraf, so hatte sie ihr Bestes gegeben, Hope und Hannah aufzuziehen, doch sie hatte nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass sie damit „fertig“ war, als Hope achtzehn wurde.

Hannah würde nie „fertig“ sein. Und sie würde für ihre Schwester kämpfen, denn Hope weigerte sich, für sich selbst zu kämpfen.

Ein Pferd wieherte und warf den Kopf hin und her. Kurz spürte sie einen Huf direkt neben ihrem Kopf, dann auf ihrem Haar. Sie konnte einen leisen Aufschrei nicht verhindern und ruinierte damit die Aufnahme.

Bevor der Regisseur vor Wut explodieren konnte, erschien ein großer, breitschultriger Cowboy auf der Bildfläche und warf einen langen Schatten über den Boden, auf dem Hannah lag.

„Ventura, ich brauche meine Pferde“, sagte der Mann mit einer Stimme, die keinen Widerspruch zu dulden schien. „Jetzt.“

Ein überraschtes Raunen – schnell unterdrückt – ging durch das Produktionsteam.

Hannah streckte sich in dem Meer aus Heu, um einen besseren Blick auf den Cowboy zu bekommen, dessen Ankunft den Zorn des Regisseurs von ihr abgelenkt hatte. Und erblickte einen Mann in Jeans und Stiefeln, der zweifellos die Fantasie einer jeden Frau anregte. Der muskulöse Cowboy war einen Kopf größer als der Regisseur, sein graues T-Shirt spannte über den Bizeps, als er über die Nüstern eines der Pferde strich.

Die Krempe seines Stetsons warf Schatten auf die Gesichtszüge des Mannes, doch sein kantiges Kinn und das dunkle Haar, das sich in seinem Nacken kräuselte, reichten, dass eine Frau mehr sehen wollte. Im Moment begnügte Hannah sich damit, den Rest von ihm zu betrachten, angefangen bei den breiten Schultern bis hinunter zu den schmalen Hüften.

„Sie ruinieren die Aufnahme“, fuhr Antonio Ventura den Cowboy an. Er kniff die Augen zusammen. „Ihretwegen brauche ich die Tiere jetzt noch länger.“

Die Wut, die in den Worten mitschwang, ließ den Schweiß auf Hannahs Rücken gefrieren.

„Ob Sie sie brauchen oder nicht, interessiert mich nicht.“ Der Cowboy nahm die Zügel des Pferdes, das ihm am nächsten stand. „Die Tiere sind keine Schauspieler, und für heute sind sie fertig.“

Hannah hätte jeden bewundert, der keine Angst hatte, sich einem Rüpel wie Ventura zu widersetzen. Doch sie hatte eine besondere Freude daran, wie dieser große, starke Mann den schmierigen Wüstling auf seinen Platz verwies.

„Wie Sie vielleicht sehen können …“ Ventura betonte jedes einzelne Wort, als wäre dieser Cowboy ein Trottel, „… schauspielern sie nicht. Sie stehen einfach in der Mitte einer Scheune, so wie sie auch herumstehen werden, wenn Sie sie mitnehmen. Ich schlage vor, Sie reden mit Ihrem Boss, bevor Sie eine Entscheidung treffen, die Sie Ihren Job kosten wird.“

Dieser Drecksack. Wie unfair, die Existenzgrundlage des Mannes zu bedrohen. In Gedanken entwarf Hannah schon einen Brief an den Eigentümer der Ranch, in dem sie den Cowboy verteidigte.

„Ich habe meine Entscheidung getroffen.“ Der sexy Fremde nahm auch die Zügel des anderen Pferdes. „Und da wir gerade dabei sind, Vorschläge zu machen, ich rate Ihnen, besser auf Ihre Schauspieler zu achten.“ Der Blick des Mannes fiel auf Hannah. „Brauchen Sie Hilfe, Miss?“

Oh mein Gott, seine Augen waren blau. Blau wie der Himmel.

Unendliche Weite, Wyoming blau.

Hannah wollte sich direkt in ihnen verlieren.

Nur, dass sie es sich nicht leisten konnte, Antonia Ventura vor den Kopf zu stoßen, bevor sie Beweise für sein kriminelles Verhalten gesammelt hatte. Voller Bedauern schüttelte sie den Kopf, ein Stück Heu pikste dabei in ihren Nacken.

„Nein. Danke.“ Sie riskierte es, den Reiter anzulächeln, in der Hoffnung, dass der Regisseur es nicht sah.

Als sie ihrem Chef einen kurzen Blick zuwarf, entfernte sich dieser gerade von der Kamera und tippte etwas in sein Handy ein.

„Sie werden diese Dämlichkeit bereuen“, drohte Ventura.

Um ihn herum erwachte das Produktionsteam aus der Starre. Es spürte, dass der Dreh für diesen Tag beendet war, als der Cowboy die Tiere durch die breite Scheunentür führte. Die Nachtluft wehte herein.

Hannah sah ihm nach, und ihr stockte der Atem, als ihr Blick seinen langen, athletischen Schritten folgte. Sie wünschte, sie hätte die angebotene Hand genommen. Wie wäre es gewesen, von ihm berührt zu werden? Von ihm noch länger angesehen zu werden?

Hinter ihr räusperte sich die Garderobiere. „Hmm … Hannah?“

Hannah drehte sich von dem verführerischen Anblick weg und sah nach oben zu der jungen Frau, die ein Gewand in den Händen hielt.

„Entschuldigung. Ich war abgelenkt.“ Sie grinste verschwörerisch, als die Produktionsassistentin die heißen Scheinwerfer ausschaltete. Hannah wollte nicht, dass jemand sah, wie sehr der Dreh sie stresste.

„Nicht nur du“, sagte Callie, die Stylistin. „Ich glaube, ich habe einen Moment sogar vergessen zu atmen.“

Der Vanilleduft der Frau hüllte Hannah ein wie die Seidenrobe, in die Callie sie wickelte. Sie schlüpfte gerade in die Lederpantoletten, die Callie mitgebracht hatte, als von der anderen Seite des Rollwagens mit der ganzen Elektronik eine Kanonade von Schimpfworten an ihre Ohren drang. Callie zuckte zusammen, und Hannah riss die Augen auf, als sie hörten, wie der Regisseur denjenigen am anderen Ende der Leitung, wer auch immer es sein mochte, anschrie.

Hannah musste von hier weg. Drei Stunden mit dem Mann waren mehr, als sie verkraften konnte. Sie hatte eine private Hütte auf der Creek Spill Ranch, in der Nähe des Orts, an dem jeden Tag gefilmt wurde. Es war nicht nötig, dass sie blieb und sich Venturas Tirade anhörte, wenn ihre Unterkunft zu Fuß erreichbar war.

„Callie, ich mache Feierabend und gehe in mein Zimmer“, sagte sie leise. „Ich kann mich selbst abschminken.“

„Das kann ich dir nicht verdenken“, murmelte die Stylistin und warf einen verstohlenen Blick auf ihren Chef. Er sah aus, als würden die Adern in seinen Schläfen gleich platzen, sein Gesicht war verzerrt, als er sich über die Unfähigkeit seiner Mitarbeiter und der Inkompetenz der Produktionsfirma ausließ. „Nimm ein paar Abschminktücher“, sagte Callie und reichte ihr eine kleine Plastiktüte, bevor sie auf Hannahs Gesicht deutete. „Du willst doch nicht, dass irgendjemand glaubt, du hättest gerade einen schrecklichen Unfall gehabt.“

Hannah zog bereits ein feuchtes Tuch aus der Packung. „Du bist meine Lebensretterin.“ Hannah holte ihre Tasche hinter einer Säule hervor und ging in Richtung Tür. „Danke, Callie. Wir sehen uns morgen.“

Sie überlegte kurz, ob sie vielleicht doch noch etwas bleiben sollte. Ventura war so gereizt und schlecht gelaunt, dass vielleicht seine kriminelle Ader zum Vorschein kam. Aber sie war erschöpft, körperlich und geistig ausgelaugt nach dem anstrengenden Tag. Sie musste Stress abbauen. Energie für morgen tanken.

Sie würde ein heißes Bad nehmen. Vielleicht ein paar Yogaübungen machen. Von der Veranda ihrer winzigen, abgelegenen Hütte hatte sie tagsüber einen wundervollen Blick. Und nachts konnte sie in den unendlich weiten Sternenhimmel schauen. Doch als sie über die Ranch eilte, um die dringend benötigte Auszeit zu genießen, verfolgte sie wieder das verweinte Gesicht ihrer Schwester.

Hope würde heute Abend keinen Stress abbauen. Und ganz sicher würde sie nicht wie andere Frauen mit Freude an einen sexy Cowboy in engen Jeans denken.

Hannah richtete ihre Prioritäten neu aus und ging schnellen Schrittes zu ihrer Hütte. Sie würde duschen, sich umziehen und zurück zur Scheune schleichen, um zu sehen, was der Widerling Antonio heute Abend noch so alles trieb. Denn nichts würde ihr mehr Freude bereiten, als ihn hinter Gitter zu bringen.

Nicht einmal eine Abwechslung mit dem sexy Reiter, der sie heute gerettet hatte.

Brock McNeill bekam die Schauspielerin nicht aus dem Kopf.

Zwei Stunden, nachdem er seine Quarterhorses vom Set dieses idiotischen Regisseurs entfernt hatte, der das Leben auf der Creek Spill Ranch zur Hölle machte, war Brock in Gedanken immer noch bei der kurvenreichen Blondine im Heu. Sie hatte etwas an sich, was ihn reizte – etwas, was viel faszinierender war als ihr Äußeres, obwohl sie trotz der aufgeschminkten Blutergüsse eine Augenweide war.

Als er jetzt nach einem späten Besuch beim Tierarzt durch die felsige Schlucht ritt, erwischte er sich dabei, dass seine Gedanken bei der Frau waren statt bei seinem kranken Fohlen. Als Leiter des Quarterhorse-Zuchtprogramms auf der Creek Spill Ranch wusste Brock, dass es wichtiger denn je war, sich auf seinen Teil des Familienunternehmens zu konzentrieren. Die Dreharbeiten erforderten es. Doch das Timing könnte nicht schlechter sein.

Denn die McNeills mussten sich auf einen Skandal gefasst machen. Ein Erpresser drohte damit, der Welt in zwei Tagen von heute an das Geheimnis seiner Stiefmutter zu verraten. Der gesamte Wyoming-Zweig der Familie war in Alarmbereitschaft und wartete darauf, dass die Bombe platzte, weil sie, die Familie, entschieden hatte, nicht auf die Forderung des Erpressers einzugehen.

Zu allem Überfluss war Brocks Stiefmutter immer noch nicht von einem merkwürdigen Wanderunfall genesen, nach dem sie gerade zu dem Zeitpunkt, als der Erpresser das erste Mal auftauchte, ins Koma gefallen war. Es herrschte blankes Chaos.

Brock musste seine Familie schützen. Als jüngster von drei Brüdern, geboren nach den Zwillingen Carson und Cody, war Brock immer der Außenseiter. Es war einfach gewesen, in einer großen Familie unter dem Radar zu fliegen, doch die Zeit war gekommen, sich zu beweisen, weil seine Brüder sich auf ihre eigenen Beziehungen konzentrieren mussten. Zudem waren seine Halbschwestern besonders verwundbar, da der Erpresser durchblicken ließ, dass die Ehe ihrer Mutter mit Donovan McNeill ungültig war. Brock musste für seinen Vater da sein, seine Stiefmutter und seine Halbschwestern.

Deshalb war es völlig falsch, mentale Energie und Gedanken an die Schönheit im Heu zu verschwenden. Mit einer Schauspielerin auszugehen, würde noch mehr unnötige Aufmerksamkeit auf seine Familie lenken. Es war schlimm genug, dass seine Schwester Scarlett kürzlich der Boulevardpresse Stoff für Berichte geliefert hatte, weil sie mit einem der Hauptdarsteller des Films ausgegangen war. Im Übrigen war es verrückt, so intensiv an die Frau zu denken. Schließlich hatte er sie nur etwa eine halbe Stunde lang bei der Arbeit beobachtet. Er war am Set aufgetaucht, weil die Stallburschen, die die Pferde holen sollten, nicht zurückgekommen waren. Brock mochte es gar nicht, wenn seine Großzügigkeit in Hinblick auf die Tiere ausgenutzt wurde. Deshalb war er zur Scheune gegangen, um Antonio Ventura persönlich seine Meinung zu sagen. Und wurde abgelenkt von einer Frau, die Tränen vergoss, die viel zu echt wirkten.

Natürlich hatte sie nur gespielt. Das war ihm klar. Doch die Tränen hatten ihn berührt, das Leid in ihren Augen, das so verdammt überzeugend war, dass er nicht wegsehen konnte. Was bewog eine Frau, einen Job anzunehmen, der emotional so anspruchsvoll war? Denn – Performance oder nicht – Tränen kommen nicht von allein. Sie kommen von tief innen. Sie so zu sehen, war seltsam intim gewesen.

Vielleicht war das auch alles. Er hatte eine Fremde in einem Moment erwischt, der sich sehr privat anfühlte. Doch dann hatte sie ihn angelächelt. Das kaum wahrnehmbare Zucken ihrer Lippen, als ihre Blicke sich trafen, und dann …

Hitze.

Und er könnte schwören, dass nicht nur er eine Verbindung gefühlt hatte.

Brock beschloss, zu der abgelegenen Scheune zurückzukehren, in der Ventura gedreht hatte. Er wollte sich davon überzeugen, dass der Typ der Schauspielerin freigegeben hatte. Denn während es Brock gelungen war, seine Pferde aus dem überhitzten Stall zu befreien, hatte er nicht die Genugtuung bekommen mitzuerleben, wie die Blondine das Set verließ.

Er zügelte sein Pferd, als er die alte, ausgediente kleine Scheune erreichte. Sie war nur schwach beleuchtet, ein sicheres Zeichen dafür, dass die Dreharbeiten beendet waren. Gut so, denn er als Teilhaber der Ländereien hätte das Recht, die Dreharbeiten einzustellen, wenn die Filmgesellschaft Sicherheitsvorschriften missachtete. Eine Klausel, auf die sein Bruder Carson bestanden hatte, als er den Vertrag unterschrieb. Und in einer Holzscheune mit heißen Scheinwerfern und überhitztem Stroh zu arbeiten, das Feuer fangen könnte, war gefährlich.

Allerdings standen die Türen offen, eine Einladung an Bären und andere Wildtiere einzutreten. Irgendjemand musste vergessen haben, sie zu schließen. Er schwang sich von seiner Stute, tätschelte sie, bevor er die Zügel fallen ließ, und trat durch die offenen Holztüren.

Ein dunkler Schatten tauchte hinter einem Stützpfosten auf.

Ein kurvenreicher Schatten.

Brock erkannte ihre Silhouette sofort. Keine schlechte Leistung, wenn man bedachte, dass sie das letzte Mal, als er sie sah, größtenteils mit Heu bedeckt gewesen war. Offensichtlich hatte seine Fantasie ihm ein genaues Bild von ihrem Körper geliefert.

Sie trug dunkle Leggings und ein dunkles T-Shirt. Ihr platinblondes Haar steckte unter eine Baseballkappe mit dem Logo eines Footballteams an der Westküste. Da sie jetzt ungeschminkt war, konnte er ihre Gesichtszüge besser erkennen. Die langen Wimpern. Die Sommersprossen auf ihrer Nase. Das störrisch nach vorn geschobene Kinn, als sie ihn im Scheunentor entdeckte.

„Ich hoffe wirklich, Sie haben um diese Zeit Feierabend.“ Brock lächelte, wollte sie nicht erschrecken, wenn sie allein war. „Ich wollte mich nur vergewissern, dass der Regisseur wirklich für heute Schluss gemacht hat.“

Sie trat von einem Fuß auf den anderen. Fühlte sie sich unbehaglich?

„Genau das wollte ich auch“, behauptete sie. „Ich habe das Set gleich nach Ihnen verlassen, aber der Regisseur war so wütend, dass ich zurückgekehrt bin, um mich zu vergewissern, dass er nicht …“, sie atmete einmal tief ein und aus, „… dass er nicht Menschen ausnutzt, die noch nicht lange dabei sind.“

Ihre vorsichtige Formulierung wunderte ihn. Sie verheimlichte etwas, und ein Blinder könnte sehen, dass sie sich unwohl fühlte. Vielleicht war seine Einschätzung, was die Anziehung betraf, doch falsch gewesen. Vielleicht war alles einseitig gewesen.

„Dann wäre er ein noch größerer Mistkerl als der, für den ich ihn bereits halte“, sagte Brock und machte sich zum Gehen bereit, für den Fall, dass sie sich seinetwegen unwohl fühlte. Er wollte ihr gerade eine gute Nacht wünschen, als er von ihrem Lachen überrascht wurde.

Ein echtes Lachen. Überraschende Musik in seinen Ohren.

Seine Anspannung ließ nach, als auch sie lockerer zu werden schien.

„Das ist er. Definitiv.“ Sie trat einen Schritt näher zu ihm, ein Lächeln erhellte ihr Gesicht und verwandelte es von hübsch in atemberaubend schön. „Ich heiße übrigens Hannah Ryder.“

Sie streckte die Hand aus. Vorfreude ergriff ihn bei dem Gedanken, sie zu berühren.

„Brock. Freut mich, Sie kennenzulernen.“ Er schloss seine Finger um ihre und drückte sie.

Er hielt ihre Hand einen Moment länger als nötig. Sie merkte es, wie er sehen konnte. Ihre Pupillen weiteten sich. Sie holte schnell Luft.

Froh, dass er die erste Begegnung nicht falsch eingeschätzt hatte – unmittelbar unter der Oberfläche lauerte etwas Heißes zwischen ihnen – ließ er ihre Hand los. Er hatte seinen Nachnamen nicht genannt, wollte das unvermeidliche Interesse an seiner wohlhabenden Familie verhindern. Schon einmal hatte er zu spät bemerkt, dass eine Frau, an der ihm viel gelegen war, sich nur wegen seiner Connections für ihn interessierte. Wegen des Lebensstils der McNeills. Oder genauer gesagt des Lebensstils der anderen McNeills. Brock selbst zog harte Arbeit dem Jet-Set vor, auch wenn sein Großvater, ein Hotelmagnat, Fünf-Sterne-Resorts auf der ganzen Welt besaß.

Hannah Ryder spielte mit den langen Ärmeln ihres T-Shirts, zog es über eine Hand, aber er hatte den silbernen Ring im Eternity-Stil schon gesehen. „Ich hatte noch keine Möglichkeit, Ihnen zu danken, aber Sie sind im richtigen Moment gekommen.“

Sie hatte eine Whiskeystimme, etwas heiser, warm und einladend. Sie war etwa einen Kopf kleiner als er. Ganz in Schwarz gekleidet und die Haare unter der Baseballkappe versteckt, erweckte sie den Eindruck, als wollte sie nicht erkannt werden. Vielleicht kleideten sich alle Filmleute so, wenn sie privat unterwegs waren. Sie entsprach so gar nicht seiner Vorstellung von einer Diva.

„Tut mir leid, dass ich nicht früher eingegriffen habe. Bevor mein Pferd auf Ihren Haaren stand.“ Es war eine gefährliche Situation gewesen. Die Tiere waren unruhig gewesen. „Sie sind kaum zusammengeschreckt.“

Sie zuckte mit den Schultern. „Es hat gereicht, um die Aufnahme zu ruinieren. Und dann ist es meine Schuld, dass die Crew eine Stunde länger bleiben muss.“

„Ist das immer so?“ Er sah, dass sie graue Augen hatte.

Und sie duftete gut. Nach Seife und Wildblumen. Ein Hauch des Dufts wehte zu ihm, als sie mit ihrem Ärmel spielte.

„Überhaupt nicht. Mein Job macht normalerweise viel Spaß, aber bei diesem Film merke ich, wie sehr der Regisseur die Stimmung am Set beeinflusst.“

Brock wollte noch mehr fragen, doch sie musste nach dem langen Tag müde sein und wollte sicherlich nach Hause.

„Nun, wenn Sie mich fragen, ich fand Sie heute fantastisch.“ Er übertrieb nicht, schmeichelte auch nicht. Sie war gut. „Dass ich den Dreh nicht früher unterbrochen habe lag tatsächlich daran, dass ich so fasziniert von Ihrer Performance war.“

Sie lachte wieder, der Klang jagte pures Adrenalin durch seinen Körper.

„Also kann ich niemandem, außer mir selbst, die Schuld geben, dass das Pferd auf meine Haare getreten ist? Wollen Sie damit sagen, dass Sie früher zu meiner Rettung gekommen wären, wenn ich eine schlechte Schauspielerin wäre?“ Ihre Augen funkelten.

Neckend. Flirtend.

Brock hatte dieses Spiel nicht oft gespielt. Oder gut. Aber er erkannte es.

Er spürte die Flammen in seinem Körper auflodern, fassungslos, dass eine Fremde dieses Feuer in ihm entfachen konnte. Was hatte sie an sich? Verdammt, was war mit ihm los, dass er sich so in ihren Bann ziehen ließ?

„Ich will damit sagen, Hannah Ryder, dass Sie keine Frau sind, von der man leicht den Blick wenden kann.“

Er sah die Verwirrung in ihrem Blick. Die Überraschung. Jede Menge Emotionen zogen über ihr Gesicht, die er nicht deuten konnte.

Aber es gab eine, die er kannte. Weil er dasselbe fühlte.

Verlangen.

Die aufgeladene Luft vibrierte. Einen Moment glaubte er, sie würde einen Schritt auf ihn zugehen. Aber dann wieherte das Pferd draußen vor der Scheune. Der Moment war vorbei.

„Ich gehe besser.“ Sie schritt an ihm vorbei. Raus aus der Scheune und hinein in die Nacht.

Brock sah ihr nach, wusste, dass er ihr nicht folgen sollte. Sie hatte ihre Entscheidung getroffen. Er respektierte das. Er musste sowieso nach seiner Familie sehen, musste nachfragen, ob der Privatdetektiv etwas über den Erpresser herausgefunden hatte.

Er holte tief Luft, verdrängte das Verlangen nach Hannah und trat nach draußen. Nur um dann ihre Silhouette im Licht des Mondes zu sehen.

Sie stand mit dem Rücken zu ihm, und er konnte deutlich das Bild auf dem Display ihres Handys sehen.

Eine Karte der Ranch.

Eine Wegbeschreibung zurück zu ihrer Hütte.

Brock schloss einen Moment die Augen. Er konnte sie den langen Weg in der Dunkelheit nicht allein gehen lassen. Seinen Schwestern würde er was erzählen, wenn sie nachts zu Fuß allein durch den Wald gingen, und sie waren hier aufgewachsen und wussten, worauf sie achten mussten. Wie viel wusste ein Besucher von der Westküste von den möglichen Gefahren in Wyoming?

Brock wappnete sich gegen die Anziehungskraft, die diese Frau auf ihn ausübte, ging zu ihr und machte ihr ein Angebot – eine nahezu gigantische Herausforderung an seine Beherrschung: „Wie wäre es, wenn ich Sie nach Hause bringe?“

2. KAPITEL

Die Stimme des Cowboys durchdrang Hannah, wärmte sie und ließ sie wohlig erschauern.

Wollte sie sich von ihm nach Hause bringen lassen?

Ihr Unterbewusstsein würde sie nur zu gern die ganze Nacht mit diesem Bild quälen. Sie musste unbedingt aufhören, über Brock zu fantasieren, diesen sexy Rancher, der ihre Welt mit wenigen Worten und einem heißen Blick auf den Kopf stellte.

Autor

Joanne Rock
Joanne Rock hat sich schon in der Schule Liebesgeschichten ausgedacht, um ihre beste Freundin zu unterhalten. Die Mädchen waren selbst die Stars dieser Abenteuer, die sich um die Schule und die Jungs, die sie gerade mochten, drehten. Joanne Rock gibt zu, dass ihre Geschichten damals eher dem Leben einer Barbie...
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