Wie ein sinnliches Fest

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Aus einem hitzigen Streit wird eine leidenschaftliche Umarmung - mit süßen Folgen! Doch Delia lehnt Jagers Antrag ab. Sie weiß, dass er nicht an die Liebe glaubt. Aber warum setzt er trotzdem alles daran, sie im weihnachtlichen Manhattan zu einem Ja zu verführen?


  • Erscheinungstag 05.06.2020
  • ISBN / Artikelnummer 9783733717520
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Der blaue Atlantik glitzerte in der Sonne, Segelboote dümpelten auf dem ruhigen Wasser. Für Delia Rickard bedeutete die malerische Szene nur eines: Es war der perfekte Tag, um nach einer Gehaltserhöhung zu fragen.

Delia sprach sich Mut zu, als sie durch den Jachthafen von Le François auf Martinique eilte. Jeden Moment würde sie ihren Chef treffen und versuchen, eine Gehaltserhöhung auszuhandeln. Und warum? Weil ihr Vater dringend ihre finanzielle Hilfe benötigte. Ihr ruhiges Wesen und ihr Organisationstalent kamen ihr in ihrem Job zugute, stellten aber eine Herausforderung dar, wenn es darum ging, für sich selbst zu sorgen.

Sie hatte Jager McNeill die letzten sechs Monate nicht gesehen. Wäre er beeindruckt von den Veränderungen, die sie im Jachthafen der Familie vorgenommen hatte? Und ebenso von denen in der nahe gelegenen Villa, die sie seit einem Jahr verwaltete? Zusätzlich – nebenbei bemerkt – zu ihren Verpflichtungen als Jagers Assistentin.

Monatelang hatte sie unermüdlich gearbeitet, um sich des Vertrauens würdig zu zeigen, das Jager McNeill in sie gesetzt hatte. Er hatte ihr den Job gegeben, obwohl sie kein abgeschlossenes Studium vorweisen konnte – und damit vertraute er ihr mehr als jeder andere in ihrem Leben.

Zuerst hatte es gereicht, hart zu arbeiten, um sich für die Chance zu revanchieren, die Jager ihr gegeben hatte. Aber jetzt, angesichts der Stunden, die sie in das Managen beider Immobilien gesteckt hatte, war es wirklich an der Zeit, ihren Arbeitgeber auf eine Gehaltserhöhung anzusprechen.

Ihr Vater konnte es sich in diesem Jahr nicht leisten, seinen Steueranteil für das Land der Rickards zu zahlen. Daher musste Delia helfen, damit das Grundstück in der Familie blieb. Ihr Ex-Verlobter, Brandon Nelson, hatte einmal versucht, ihr ihren Anteil an dem Land abzuluchsen, und sie würde seinen habgierigen Hintermännern keine Chance geben, es jetzt ihr oder ihrem Vater abzunehmen. Doch wenn sie nicht mehr Geld verdiente, würde das Haus der Rickards im Frühjahr unter den Hammer kommen.

Delia wich auf ihrem Weg zum Büro des Hafenmeisters einer Familie aus, die gerade ihre Kühlbox auf ein Segelboot lud. Auf einer anderen Luxusjacht wurde in diesem Moment das Soundsystem lauter aufgedreht, als erlaubt war. Delia war alarmiert, dass eine Party in Vorbereitung war.

„Cyril?“, rief sie laut in das kleine Büro. „Wissen Sie schon, wann Mr. McNeill ankommt?“

Der Hafenmeister drehte sich zu ihr. „Sein Wasserflugzeug ist vor ein paar Minuten gelandet. Er ist gerade ins Boot umgestiegen.“

„Danke.“ Sie lächelte flüchtig, bevor sie sich umdrehte und zu dem Partyboot blickte. Sie wünschte, die Gruppe würde die Feier draußen auf dem Meer veranstalten. Bei Jagers Ankunft sollte alles perfekt sein. „Ich werde mit unseren Gästen über die Lautstärke sprechen.“

Cyril kam nach draußen. Er legte schützend die Hand über die Augen, als er an dem mehrere Millionen Dollar teuren Boot vorbei aufs Wasser blickte. „Wissen Sie, warum Jager gerade hier ein Treffen möchte?“

Delia hatte auch darüber nachgedacht. Warum sollte ihr Chef aus dem Flugzeug steigen und sich direkt an die Arbeit machen wollen, nachdem er mehr als sechs Monate fort gewesen war?

Die Familie McNeill hatte ein grauenhaftes Jahr hinter sich. Die drei Brüder – Jager, Damon und Gabriel – waren vor einem Jahr nach Los Altos Hills, Kalifornien, gezogen, um in Silicon Valley ein Hightech-Unternehmen zu gründen. Das Software Start-up-Unternehmen war Damons Idee gewesen, doch seine beiden Brüder Jager und Gabriel spielten eine wichtige Rolle bei der Leitung des wachsenden Betriebs. Kurz danach hatte Damon geheiratet. Er plante, im Westen zu bleiben, wenn sich das Unternehmen erst einmal etabliert hatte. Gabe und Jager würden nach Martinique zurückkehren, wo die Familie ein kleines Hotel und den Jachthafen besaß – zusätzlich zu dem Haupthaus, das sie manchmal für Klausurtagungen vermieteten.

Ihr Leben wurde auf den Kopf gestellt, als Damons Frau entführt und als Geisel festgehalten wurde. Damon konzentrierte sich in dieser Zeit darauf, seine Frau zurückzubekommen, und überließ Jager und Gabe die Leitung des jungen Unternehmens. Acht Monate nach der Entführung war Caroline McNeill noch nicht zurückgekehrt, obwohl das Lösegeld gezahlt worden war. Damons Schwiegervater beharrte darauf, dass der Erpresserbrief ein Schwindel gewesen und Caroline aus freiem Willen „verschwunden“ war. Damon wollte die Geschichte nicht akzeptieren, auch wenn sich die Polizei weigerte zu ermitteln. Er hatte das Land verlassen, und seitdem hatten sie nichts mehr von ihm gehört. Um die Firma zu retten, bevor sie wegen der Gerüchte über eine instabile Leitung an Wert verlor, hatte Jager das Start-up-Unternehmen potenziellen Käufern angeboten. Er hoffte, es so schnell wie möglich zu verkaufen.

„Ich weiß es nicht“, beantwortete Delia Cyrils Frage. „Vielleicht braucht die Familie nach dem schrecklichen Jahr die Arbeit, um durch den Tag zu kommen.“

„Ich hoffe nur, dass er den Jachthafen nicht auch verkaufen will“, sagte Cyril, bevor er sich wieder in sein Büro zurückzog und Delia mit einer weiteren Sorge auf der Liste ihrer Sorgen zurückließ.

Es war schlimm genug, dass sie um eine Gehaltserhöhung bitten musste. Was sollte sie aber tun, wenn Jager seinen Besitz auf Martinique verkaufte?

Delia spürte das Dröhnen der Bässe in den Beinen, als sie so schnell es ihre hohen Keilabsätze zuließen über den Holzsteg eilte. Die Superjacht lag erst seit drei Tagen in Le François, und Cyril hatte schon einmal das Gespräch wegen des Lärms und der Partys gesucht.

„Entschuldigen Sie!“, schrie Delia. Der Bug des Schiffes war mindestens drei Meter hoch über dem Wasser. Sie winkte mit den Armen, um die Aufmerksamkeit von irgendjemandem auf sich zu ziehen. Paare in Badekleidung lungerten auf großen Sofas herum oder standen an der Bar. Ein paar Kinder liefen über Deck, schrien und jagten sich gegenseitig. „Hallo!“

Delia wich einen Schritt zurück, damit die Gruppe sie sehen konnte. Da der Steg dort, wo die größeren Schiffe anlegten, eng war, blickte sie hinter sich, um sicher zu sein, dass genug Platz war.

Sie sah gerade wieder hoch zu dem Partygeschehen, als eines der Kinder – ein Mädchen in einem weißen Flatterkleid über dem Badeanzug – neben der Reling die Balance verlor. Ein gellender Schrei durchdrang die Luft, bevor es kopfüber ins Wasser stürzte.

Geschockt und nicht sicher, ob überhaupt jemand gesehen hatte, dass das Kind über Bord gegangen war, schleuderte Delia ihre Schuhe von sich. Keine Sekunde nahm sie den Blick von den Kreisen, die sich dort, wo das Mädchen eingetaucht war, auf der Wasseroberfläche bildeten. Und dann sprang sie – mit den Füßen zuerst – ins Wasser.

Das Salz brannte in ihren Augen, als sie versuchte, sie unter Wasser zu öffnen. Ihre Haare verhedderten sich, als sie den Kopf hin und her bewegte. Suchend.

Die Angst nahm ihr den Atem. Ihre Lungen brannten, ihr wurde schwindelig. Hatte irgendjemand das Mädchen ins Wasser fallen sehen? Was, wenn nur Delia nach ihm suchte? Und was würde jetzt passieren, da sie das Kind auch noch aus den Augen verloren hatte?

Keuchend kam sie an die Oberfläche, schnappte nach Luft und tauchte dann wieder unter. Sie spürte, dass etwas ihre ausgestreckte Hand kitzelte. Sie tauchte tiefer, sah verschwommen etwas Weißes.

Und dann zog ein anderer Schwimmer an ihr vorbei, so schnell, als hätte er Taucherflossen an. Auch wenn ihre Augen in dem Salzwasser brannten und sie nur verschwommen etwas sehen konnte, wusste sie, dass der Mann nach dem Kind tauchte. Und auch wenn ihre Brust wegen Luftmangels zu explodieren drohte, blieb sie so lange unter Wasser, bis sie sicher war, dass der Taucher das Mädchen gefunden hatte.

Gott sei Dank.

Die Angst wich der Erleichterung und einer Welle der Erschöpfung. Nach Luft japsend tauchte sie auf. Ihr war schwindelig, ihre Augen schmerzten, aber sie konnte erkennen, dass das Mädchen an Land gezogen wurde.

Doch jetzt schien Delia diejenige zu sein, die ein Problem hatte. Würgend, keuchend, mit den Armen fuchtelnd, griff sie blindlings nach etwas, krallte sich fest. Halt suchend …

„Moment!“ Eine tiefe, männliche Stimme drang an ihr Ohr, gleichzeitig legten sich zwei Arme um ihre Körpermitte. „Ich habe Sie.“

Erst jetzt merkte sie, dass sie sich an jemandem festgekrallt hatte. Der Arm, der sie hielt, blutete aus drei Kratzwunden. Ihr Verstand kehrte langsam zurück, als das Gehirn wieder Sauerstoff bekam.

Die Musik war verstummt. Das einzige Geräusch war das Gemurmel von Stimmen, das vom Jachthafen herüberdrang. Sie entdeckte das durchnässte kleine Mädchen auf dem Steg, umgeben von der Familie. Eine Frau – eine Einheimische mit einem Hausboot, die zufällig eine pensionierte Krankenschwester war – kniete neben dem Kind und hob es sanft an, als es Wasser aushustete. Die Erleichterung in der Menschenmenge war greifbar. Delia verspürte dieselbe überwältigende Dankbarkeit im ganzen Körper.

Dann aber verließ sie die Kraft und sie fiel gegen den stahlharten Körper des Mannes. Ihr Kleid legte sich wie Tang um ihre Schenkel, und ihr wurde plötzlich bewusst, dass nur ihr nasser Slip zwischen ihm und ihr war.

„Alles in Ordnung, Delia?“ Die Stimme an ihrem Ohr war ihr vertraut. Sie hatte sie im letzten Jahr fast täglich gehört, auch wenn sie den Mann seit Wochen nicht persönlich gesehen hatte.

Ihr Chef. Jager McNeill.

„Alles in Ordnung“, stieß sie hervor und fing an zu husten.

Sicher, es war albern, peinlich berührt zu sein, schließlich war sie ins Wasser gesprungen, um ein Kind zu retten. Und doch, es war höchst unangenehm, ausgerechnet heute in einem Kleid erwischt zu werden, das bis zur Taille hochgerutscht war – wo sie doch einen absolut professionellen Eindruck erwecken wollte.

Und sie hatte ihn gekratzt.

Ihn vollgehustet.

Wenn sie nicht in ihn verknallt gewesen wäre, dann würde sie vielleicht nicht von Kopf bis Fuß dieses Kribbeln verspüren. Trotz aller widrigen Umstände. Doch sie fürchtete, wenn sie versuchte wegzuschwimmen, um vor diesen Gefühlen zu flüchten, dann könnte sie ertrinken. Sie war überrascht, als sie merkte, wie weit sie sich bei der Suche nach dem Kind vom Steg entfernt hatte.

„Halten Sie sich an meinen Schultern fest. Ich ziehe Sie zurück zum Steg.“

Delia starrte in seine stahlblauen Augen. Sie dachte, sie hätte sich an sein gutes Aussehen in den zwei Jahren gewöhnt, die sie sich jetzt kannten. Sein dunkles Haar und das energische Kinn mit dem Dreitagebart bildeten einen verführerischen Kontrast zu seinen unglaublich blauen Augen. Sein Haar war in den letzten Monaten länger geworden, als wären Besuche beim Frisör das Letzte, was er im Sinn hatte. Ausgesprochen blöd, dass die Art, wie sich die nassen Strähnen in seinem Nacken lockten, seine Attraktivität über Gebühr erhöhte.

Ihm so nah zu sein hatte den Vorteil, dass sie die Muskeln in dem athletisch gebauten Körper spüren konnte. Ihr wurde heiß, und sie tauchte tiefer in das kalte Wasser, um ihre Reaktion auf ihn zu verbergen.

„Ich schaffe es allein. Ich musste nur etwas Luft holen.“ Sie schüttelte ihr nasses Haar.

Sie versuchte wegzuschwimmen, doch Jager hielt sie nur noch fester.

Oh Gott!

Die Wärme seiner Brust durch die nasse Kleidung hindurch zu spüren, weckte ein Verlangen in ihr, das sie für ihren Chef nicht verspüren sollte. Hinzu kam, dass ihr trägerloser BH heruntergerutscht war.

„Jetzt halten Sie sich doch fest“, befahl er, seine Stimme so kontrolliert wie seine Bewegungen. „Sie sind erschöpft, und das Land ist weiter entfernt, als es aussieht.“ Er drehte sich auf den Bauch, sodass sie sich an seinen Schultern festhalten konnte.

Mit gleichmäßigen Zügen schwamm er zurück zum Steg. Das Wasser schwappte in Wellen über sie hinweg. Sie spürte seine Muskeln unter ihren Händen. Sollte sie versuchen, ihren BH wieder heraufzuziehen, bevor sie den Steg erreichten? Nein, wenn sie seine Schulter losließ, dann würde er vermutlich schimpfen, und das war es nicht wert. Also klammerte sie sich an ihn und biss die Zähne zusammen, als ihre aufgerichteten Brustwarzen an seinem Rücken rieben. Mittlerweile musste er sich ihrer genauso bewusst sein wie sie sich seiner.

Das einzig Positive an diesem peinlichen Wiedersehen?

Ihre Sorge wegen des bevorstehenden Gesprächs mit ihm war durch das körperliche Bewusstsein in den Hintergrund gedrängt worden. Als sie also den Steg erreichten und sie sich dort festhielt, begegnete sie ganz gelassen seinem Blick und sagte: „Ich habe definitiv eine Gehaltserhöhung verdient.“

Zwei Stunden später, als sie sicher zurück auf dem Anwesen der McNeills in Le François waren, konnte Jager Delia Rickard immer noch nicht aus seinen Gedanken vertreiben. Nachdem er sich einen alten Whiskey aus der Kristallkaraffe eingeschenkt und einen Schluck getrunken hatte, starrte er durch die Schlitze der geöffneten Lamellenfenster. Sein Blick fiel immer wieder auf das Gästecottage, das von weißen Außenlampen beleuchtet wurde. Er wartete darauf, dass Delia herauskam. Als er sie gebeten hatte, das Haus auf Martinique für ihn zu managen, hatte er ihr das Cottage aus Gründen der Zweckmäßigkeit angeboten.

Sie konnte von hier aus nicht nur das Personal besser im Blick behalten, sie konnte auch besser Abstand zur Vergangenheit gewinnen. Ihr Ex-Verlobter, besagter Brandon Nelson, hatte versucht, Delia um ihr rechtmäßiges Erbe zu betrügen – ein Stück Land, das ihrem Vater gehörte und dort lag, wo eine Luxushotelanlage mit Landebahn für Privatjets entstehen sollte. Die Investoren hatten Brandon eine hübsche Summe Geld angeboten, wenn er sie überreden konnte, ihnen die Rechte zu überschreiben. Nach etwa einer Sekunde intensiven Nachdenkens hatte er beschlossen, sie einfach zu heiraten und sich selbst die Rechte an dem Land zu sichern.

Höchst verwerflich.

Jager lehnte sich gegen den Schreibtisch und erinnerte sich, wie Delia am Morgen ihrer Hochzeit die Wahrheit herausgefunden hatte. Sie war auf einem Jetski vom Veranstaltungsort am Meer geflüchtet und dann auf der kleinen Insel gestrandet, wo Jager gerade zum Fischen war. Es war der Beginn einer Freundschaft gewesen, die ihnen beiden nutzte.

Er war damals in einer Beziehung gewesen, und Delia war gerade aus einer schlimmen geflüchtet, deshalb hatte er die Anziehungskraft zwischen ihnen im Keim erstickt. Stattdessen hatte er ihr einen Job angeboten. Sehr schnell erwies sie sich als ausgezeichnete Assistentin und leistete unschätzbare Hilfe bei der Umgestaltung eines Teils des Familienanwesens für private Feiern und gelegentliche Firmenklausurtagungen. Es war die perfekte Möglichkeit, lokale Geschäfte zu unterstützen – vor allem seinen Jachthafen. Nachdem Delia das Haushaltsbudget im ersten Jahr angepasst und eine örtliche Direktvermarktungsinitiative auf den Ländereien der McNeills zum Erfolg gebracht hatte, hatte Jager sie gebeten, auch die Arbeitsabläufe im Jachthafen zu überwachen.

Nachdem er alles in ihre fähigen Hände gelegt hatte, war er mit seinem Bruder nach Kalifornien gezogen, um Damons Start-up-Unternehmen voranzubringen. Doch dann war Damons hübsche, lebenslustige Frau verschwunden. Es war die Hölle für sie alle gewesen.

Jetzt war Damon auch noch verschwunden. Vor zwei Monaten war er auf Reisen gegangen. Damals war Jager der Meinung gewesen, dass es gut für ihn war wegzukommen. Doch schon wenige Tage nach seiner Abreise hatte Damon sein Handy abgeschaltet, und seitdem hatten sie keinen Kontakt mehr gehabt.

Zu alledem war er zu diesem Zeitpunkt von ihrem Vater kontaktiert worden, den er seit fünfzehn Jahren nicht gesehen hatte. Jetzt bot er plötzlich die Hilfe seiner wohlhabenden Familie an.

Zu wenig. Zu spät.

Als ob Jager Zeit mit dem Drecksack verbringen wollte, der ihre Mom sitzen gelassen hatte. Offensichtlich war Jagers Großvater väterlicherseits – den er nie kennengelernt hatte – entschlossen, alle seine Enkel zusammenzubringen. Eheliche und uneheliche. Jager hatte abgelehnt.

Er leerte sein Glas und stellte es ab.

Sein Leben war ein einziges Chaos. Der einzige Moment der Klarheit?

Als er Delia vor zwei Stunden im Wasser im Arm gehalten hatte. Die dunklen Gedanken, die ihn seit fast einem Jahr plagten, beruhigten sich plötzlich, stattdessen verspürte er eine Anziehungskraft, die noch intensiver war als an jenem ersten Tag, als sie auf seiner Insel gestrandet war. Nichts hinderte sie jetzt daran, zusammen zu sein. Er hatte so viel Abstand zu den Geschäften auf Martinique, dass er sie an sich heranlassen konnte, ohne dass es sich negativ auf ihr Arbeitsverhältnis auswirken würde. Oder er würde ihr einen anderen Bereich übertragen, damit Gabe ihr Chef war und es somit zu keinen Interessenskonflikten kam. Gabe könnte somit auch die Entscheidung wegen der geforderten Gehaltserhöhung treffen.

Sein Gewissen beruhigt, beobachtete Jager, wie sie aus dem Cottage trat. Ihr blondes Haar schimmerte golden im Licht der Verandalampe, als sie die Tür abschloss. Jetzt durfte er darüber nachdenken, welche Möglichkeiten sich ergeben könnten, wenn er mit ihr allein war. In ihren Armen könnte er das vergangene Jahr vergessen.

Er wich vom Fenster zurück, als er Delia auf das Haupthaus zukommen sah. Sie trug ein rosafarbenes Kleid, um die Schultern hatten sie einen leichten weißen Pullover gelegt. Einziger Schmuck war ein schlichtes Goldarmband. Sie knabberte an der Unterlippe, als sie auf den gepflasterten Weg blickte, der zu der Steintreppe zum Haus führte.

Machte es sie nervös, den Abend mit ihm zu verbringen? Oder freute sie sich genauso darauf wie er? Sie musste wissen, wie sehr es ihn erregt hatte, sie in den Armen zu halten. Er war total hart gewesen und hatte seine heftige Reaktion auf sie nicht verbergen können. Aber er hatte auch ihre Reaktion gespürt. Die Anziehung war nicht einseitig.

„Hallo, Jager.“ Sie hatte sein Haus und sein Büro betreten, während er noch von ihrem Körper fantasiert hatte.

„Ich hoffe, es geht Ihnen nach dem spontanen Bad wieder besser.“ Er drehte sich zu ihr, um sie zu begrüßen, näherte sich ihr aber nicht. Er hoffte, ihr so die Nervosität zu nehmen. Sie hatte ihr blondes Haar hochgesteckt, nur ein paar Strähnen umrahmten ihr Gesicht. Der lockere Knoten wippte beim Gehen.

Er deutete auf die Sitzgruppe am Kamin. Delia setzte sich auf die Kante eines breiten grauen Sessels vor der Rattantruhe, die als Tisch diente. Ihre Haltung war steif, auch wenn sie lächelte.

„Mir ist wieder warm, danke.“ Sie zog den Pullover fester um ihre Schultern, während er sich auf die Couch neben ihrem Sessel setzte. „Touristen mögen im November schwimmen gehen, ich gehe normalerweise zu dieser Jahreszeit nicht ins Wasser.“

„Sie haben nicht eine Sekunde gezögert. Ich habe gesehen, wie schnell Sie hinter dem Mädchen hergesprungen sind.“

„Sie waren fast genauso schnell im Wasser.“ Sie schüttelte den Kopf und schloss kurz die haselnussbraunen Augen, als ein Schauer durch ihren Körper schoss. „Ich mag gar nicht daran denken, was vielleicht passiert wäre, wenn Sie nicht gekommen wären. Ich war noch nie so in Panik wie in diesen wenigen Sekunden, als ich sie nicht finden konnte.“

„Ich habe die Kleine nur gesehen, weil Sie direkt bei ihr waren.“ Er war so schnell wie noch nie geschwommen. „Ich hätte den ganzen verdammten Jachthafen nach ihr abgesucht, wenn es nötig gewesen wäre. Aber lassen Sie uns jetzt über etwas anderes reden.“

Sie nickte.

„Ich werde nicht lange bleiben, deshalb möchte ich gern einen Plan ausarbeiten, wie ich sämtliche neuen Geschäftsbereiche in der nächsten Woche überprüfen kann.“

„Sie wollen wieder weg? Warum?“

„Ich muss Damon finden.“ Sein Bruder war zwar nicht der Typ, der sich selbst etwas antat, aber er hatte mehr durchgemacht, als einem Menschen zugemutet werden sollte.

„Verstehe.“ Delia nickte, doch sie wirkte besorgt. Sie spielte mit ihrem Armreif.

„Ich werde erst abreisen, wenn alle Fragen, die Sie haben, angesprochen sind.“ Das konnte aber auch Gabe übernehmen. Es war genug Zeit, seinen Plan mit ihr zu besprechen. Zuerst wollte er ihr die Nervosität nehmen.

„Natürlich.“ Sie hörte auf, mit ihrem Armband zu spielen, und sah ihn an. „Ich weiß, wie verpflichtet Sie sich diesem Haus fühlen. Egal, welche Fragen ich zu geschäftlichen Dingen hatte, Sie haben sie immer sofort beantwortet.“

Jager überlegte, ob sie jemals Fragen privaterer Natur gehabt hatte, die er übersehen hatte. Er betrachtete ihre Gesichtszüge, versuchte in der Frau zu lesen, die so geschickt seine Angelegenheiten managte. Eine Frau, die ein ernstzunehmender Profi geworden war, obwohl sie keine entsprechende Ausbildung genossen hatte.

Geschickt änderte sie das Thema.

„Haben Sie gegessen?“ Sie richtete sich in dem Sessel auf. „Das Abendessen ist fertig. Der Koch hat mir vor einer halben Stunde eine Nachricht geschickt, dass er etwas …“

„Leisten Sie mir Gesellschaft?“ Er wollte sie bei sich haben.

„Ich möchte Sie am ersten Tag zu Hause nicht mit Beschlag belegen.“ Sie rutschte an die Kante, als suchte sie nach der nächsten Fluchtmöglichkeit. Vorsichtig. Professionell. „Ich kann Sie morgen früh in Bezug auf Haus und Jachthafen auf den neuesten Stand bringen. Genießen Sie jetzt Ihr Essen.“

„Mein Bruder Gabe ist noch eine Woche in Los Altos Hills“, erinnerte er sie. „Es ist sonst niemand in Le François, der mir Gesellschaft leisten könnte.“

Sie zögerte immer noch. Ohne Zweifel hatte der Moment, als sie sich im kalten Wasser des Atlantiks aneinandergeklammert hatten, etwas in ihrer Beziehung verändert. Sie war vorher in seiner Gegenwart nie nervös gewesen.

„Wir können ein Arbeitsessen daraus machen, wenn Sie möchten.“ Er griff nach seinem Handy und begann, eine SMS zu tippen. „Ich veranlasse, dass das Essen hier serviert wird.“

„Das ist nicht nötig“, protestierte sie.

„Ich bestehe darauf.“ Er wollte etwas Wichtiges klären. Alles beseitigen, was sie daran hinderte, zusammen zu sein. „Außerdem wollte ich etwas mit Ihnen besprechen, das Sie heute im Wasser angesprochen haben.“

„Ich …“ Ihre Augen waren weit aufgerissen. Sie schluckte sichtbar. Wenn sie irgendeine andere Frau gewesen wäre, hätte er sie auf der Stelle geküsst.

Doch er wollte nichts überstürzen.

„Sie haben eine Gehaltserhöhung erwähnt“, sagte er und machte auf der Truhe Platz für ihre Teller.

An der Tür stand bereits eine Bedienstete mit einem Tablett in der Hand. Er bat die junge Frau hinein.

„Sir?“ Die Frau stellte das Tablett vorsichtig auf die Truhe. „Ich soll Ihnen sagen, dass ein Besucher am Tor ist.“

„Wirklich?“ Delia nahm ihr Handy aus der großen Ledertasche, die sie neben ihren Sessel gestellt hatte. Das Tor an der Hauptstraße war videoüberwacht und ließ sich mit einer App bedienen, die Delia und Jager auf ihrem Smartphone installiert hatten. „Es tut mir leid, ich habe die Klingel nicht gehört. Ich habe für unser Treffen den Ton ausgestellt.“

Neugierig nahm Jager sein Telefon und klickte das Icon für das Sicherheitssystem an, während die junge Frau ein weiteres Tablett vom Servierwagen holte.

Bevor Jager den Videostream vom Tor aufs Handy geholt hatte, schnappte Delia nach Luft.

„Was ist los?“, fragte Jager.

Sie war leichenblass und presste die Hand gegen den Mund.

„Es ist nicht Ihr Ex, oder?“ Jager sprang auf und stellte sich hinter ihren Sessel, um auf ihr Display zu sehen.

„Nein.“ Delia hielt ihm ihr Handy hin. „Es ist Ihr Bruder. Damon.“

2. KAPITEL

Stahlblaue Augen starrten in die Sicherheitskamera. McNeill-Augen. Delia hatte die drei Brüder oft genug zusammen gesehen, um die Familienähnlichkeit zu erkennen. Auffallend blaue Augen und dunkles Haar. Energisches Kinn und athletische Figur. Damon war der größte der drei. Er wirkte etwas dünner, als sie ihn in Erinnerung hatte, was nach diesem Jahr jedoch kein Wunder war.

„Das ist nicht Damon.“ Jagers barsche Stimme überraschte sie. Er nahm ihr das Smartphone ab, dabei strich er mit seiner Hand über ihre Finger. „Lassen Sie mich mit ihm sprechen.“

Verwirrt ließ sie ihr Handy los. Jager drückte die Sprechtaste. Sie spürte noch ein Prickeln dort, wo er sie berührt hatte.

„Ich habe doch klar und deutlich gesagt, dass ich niemanden aus Ihrer Familie sehen will“, brüllte er ins Handy, während er die Tür zu seinem Arbeitszimmer schloss, damit das Personal die Unterhaltung nicht belauschen konnte. „Wenn Sie eine Unterkunft in der Stadt brauchen, dann schicke ich jemanden mit einer Liste der Hotels ans Tor.“

Autor

Joanne Rock
Joanne Rock hat sich schon in der Schule Liebesgeschichten ausgedacht, um ihre beste Freundin zu unterhalten. Die Mädchen waren selbst die Stars dieser Abenteuer, die sich um die Schule und die Jungs, die sie gerade mochten, drehten. Joanne Rock gibt zu, dass ihre Geschichten damals eher dem Leben einer Barbie...
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