Es war eine tropische Liebesnacht ...

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Ein Foto-Shooting in der Karibik? Immer! Aber mit Alex Arlov an ihrer Seite? Für Angel steht fest: Dem herzlosen Milliardär, der sie nach einer Liebesnacht schneller verließ, als sie die Augen öffnen konnte, wird sie die kalte Schulter zeigen!


  • Erscheinungstag 11.03.2020
  • ISBN / Artikelnummer 9783733715915
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

PROLOG

London, Sommer 2008, in einem Hotel

Wie spät war es? Angel konnte das Display des Radioweckers nicht erkennen, die Schulter des Mannes neben ihr im Bett blockierte die Sicht. Nach dem schmalen Lichtstreifen zu schließen, der durch den Spalt der Fenstervorhänge fiel, dämmerte bereits der Morgen.

Der Morgen danach …

Seufzend ließ sie den Blick durch das Zimmer schweifen, über die typische teure Ausstattung eines Fünfsternehotels. Im Laufe ihres Lebens hatte sie in Dutzenden ähnlicher Suiten übernachtet.

Inzwischen mied Angel solche Luxusherbergen. Sie deprimierten sie irgendwie. Normalerweise …

Wohlig lächelnd richtete sie sich halb auf. Denn hier war alles anders. Nicht etwa, weil die Suite besonders spektakulär eingerichtet war, sondern weil sie im Unterschied zu sonst nicht allein war.

Der Mann neben ihr murmelte im Schlaf, und Angel zuckte erschrocken zusammen. Jetzt reckte er einen Arm über den Kopf, was das Spiel seiner kräftigen Rückenmuskeln eindrucksvoll zur Geltung brachte. So eindrucksvoll, dass Angel schlucken musste. Sein Gesicht konnte sie nicht sehen, denn er lag von ihr abgewandt auf der Seite, aber sein Atem ging tief und gleichmäßig.

Sollte sie ihn aufwecken?

Sie erinnerte sich an die dunklen Ringe unter seinen faszinierenden Augen, die ihr gleich im ersten Moment aufgefallen waren – offenbar brauchte er seinen Schlaf. Trotz seiner müden, erschöpften Züge hatte sie ihn auf Anhieb ungewöhnlich attraktiv gefunden: mit seinem energischen Kinn, den sinnlichen Lippen und den eisblauen Augen. Zornig aufblitzenden Augen.

Ja, er war wütend auf sie gewesen. Doch nicht sein Zorn hatte ihr die Knie weich werden lassen, auch nicht die Gefahr, in der sie geschwebt hatte, oder die Tatsache, dass er ihr das Leben gerettet hatte. Nein, es war seine atemberaubende Aura … pure unwiderstehliche Männlichkeit.

Sie hatte ganz einfach aufgehört zu denken, ihr ganzes Fühlen und Handeln war auf diesen Mann ausgerichtet gewesen, nichts anderes war ihr mehr wichtig erschienen. Sie wollte ihn, und er wollte sie, das hatte sie in seinem brennenden Blick gelesen.

Und das war das Einzige, was zählte, oder?

Das Einzige, was zählte?

Ha! Die typische Ausrede naiver Dummköpfe, der Sexsüchtigen und zu kurz Gekommenen … Sie gehörte ganz sicher in keine dieser Kategorien, fand Angel.

Du hättest besser vorher deinen Verstand einschalten sollen, nicht jetzt, wo es zu spät ist, überlegte sie in einem Anflug von Selbstironie. Jetzt, nachdem sie all ihre ehernen Grundsätze über den Haufen geworfen hatte, und zwar mit Pauken und Trompeten!

Nein, es gab keine Entschuldigung für das, was letzte Nacht passiert war. Es hatte ja nicht mal den berühmt-berüchtigten Drink zu viel gegeben. Ein Satz aus einem altmodischen Liebesroman fiel ihr ein.

„Ich spürte eine tiefe Sehnsucht in meiner Seele und in meinem Körper, ein schmerzliches Verlangen, das ich nie für möglich gehalten hätte.“

Die kitschigen Worte trafen es auf den Punkt: Ja, der Kerl war verdammt heiß!

Hm … Der Mann neben ihr im Bett war allerdings nicht der erste heiße Typ, der ihr je begegnet war. Normalerweise hatte sie kaum mehr als ein ironisches Achselzucken für Machogehabe übrig, beeindrucken ließ sie sich davon nicht. Nein, sie hatte ihr Leben voll im Griff, für solche Typen gab es keinen Platz. Viele starke Frauen fanden in so einem Kerl ihren Meister. Aber sie nicht, auf keinen Fall.

Na gut, die Machos, auf die sie mit überheblicher Verachtung herabblickte, hatten ihr auch nicht das Leben gerettet. Natürlich war sie trotzdem nicht aus lauter Dankbarkeit mit diesem ganz speziellen Macho ins Bett gegangen. Dessen war sie sich sicher, doch das war auch das Einzige, was sie mit Bestimmtheit behaupten konnte.

Andererseits hatte sie ihr Leben und ihr ganzes Wertesystem mit dieser Nacht buchstäblich auf den Kopf gestellt. Wie das alles passieren konnte? Sie hatte keine Ahnung … Aber da es jetzt ohnehin zu spät war, überließ sie sich widerstandslos all den wundervollen Gefühlen, die dieser absolut hinreißende Mann in ihr weckte. Hach, war das aufregend!

Dio, du bist so wunderschön“, flüsterte sie, als sie die Hand ausstreckte, um ganz sanft über seine weichen, kurz geschnittenen Locken zu streichen. Sein Haar war bestimmt noch zwei Nuancen schwärzer als ihres, und gegen den Bronzeton seiner Haut wirkte ihr olivfarbener Teint geradezu winterblass.

Ein reizvoller Kontrast, der sie beim Sex noch mehr angeturnt hatte. Es war nicht der einzige Kontrast gewesen. Wenn sie nur an seine männliche Härte dachte, so machtvoll und heiß gegen ihre zarte Weiblichkeit gepresst …

Oh ja, sie sehnte sich danach, ihn zu berühren, ihn zu schmecken …

Voller Erstaunen wurde ihr bewusst, dass sie kein bisschen müde war, obwohl sie die ganze Nacht nicht geschlafen hatte. Stattdessen fühlte sie sich hellwach, angefüllt mit einer beinahe unerträglichen sinnlichen Anspannung …

Träge lächelnd streckte sie sich wieder neben dem Mann aus und rekelte sich genüsslich. Wer wollte schon schlafen, wenn es – endlich! – passiert war? Sie hatte den Mann ihrer Träume gefunden!

Das nannte man wohl Schicksal.

Kritisch zog sie die fein geschwungenen Augenbrauen zusammen. Eine schicksalhafte Begegnung … Auch das klang gar nicht nach ihr. Irgendjemand hatte sich mal über ihren nicht vorhandenen Sinn für Romantik beklagt. Ein Vorwurf, den sie als Kompliment aufgefasst hatte.

Sie fand sich ganz in Ordnung, so wie sie war. Bodenständig, ohne die Tendenz, sich Hals über Kopf zu verlieben und sich genauso schnell wieder zu entlieben. Das sah eher ihrer Mutter ähnlich, einer fragilen Erscheinung, die in Männern immer unweigerlich den Beschützerinstinkt weckte.

Darauf legte Angel keinen Wert. Sie schätzte ihre Unabhängigkeit mehr als alles andere. Und Unabhängigkeit hatte sie schon sehr früh im Leben lernen müssen. Als Kind hatten nur zwei Dinge sie vor einem trostlosen Dasein in Einsamkeit und Isolation bewahrt: ihr Bruder und ihre lebhafte Fantasie. Zum Glück war es nie so weit gekommen, dass sie Fantasie und Wirklichkeit verwechselt hatte.

Und sie hatte auch nie erwartet, dass ihre Fantasien sich jemals erfüllen würden.

Wieder streckte sie die Hand aus, verharrte zögernd über der breiten Schulter des Mannes. Nur mühsam unterdrückte sie den Impuls, ihn zu berühren, das Bettlaken über seinen Hüften zurückzuschlagen. Es kam ihr ganz natürlich vor, so zu empfinden, genauso wie es ihr ganz natürlich vorgekommen war, ihn auszuziehen. Es hatte sich einfach richtig angefühlt – und wahnsinnig aufregend!

Nie hatte sie sich in ihren erotischen Träumen eine derart intensive Faszination ausgemalt, wie sie sie in Gegenwart dieses Mannes empfand. Heißes Verlangen durchströmte sie, eine prickelnde Vorfreude, diesen perfekten Körper schon bald noch einmal erkunden zu dürfen.

„So wunderschön“, flüsterte sie sehnsuchtsvoll und konnte den Blick nicht von ihm wenden.

Sein Name war Alex. Sie hatte sich ihm als Angelina vorgestellt, aber so nannte sie eigentlich keiner. Alle sagten nur Angel zu ihr, was auf den entzückten Ausruf ihres Vaters nach ihrer Geburt zurückging: „Sie sieht aus wie ein kleiner Engel!“

Alex murmelte etwas im Schlaf und drehte sich auf den Rücken, wobei seine langen feinnervigen Finger das polierte Kopfteil des Betts fast wie eine Liebkosung berührten. Der Anblick heizte sofort Angels Fantasie an. Von einem beinahe schmerzlichen Begehren erfüllt, unterdrückte sie einen Seufzer.

Wie konnte ein Mann nur so unfassbar gut aussehen?

Im Zwielicht, das jetzt im Zimmer herrschte, schimmerte seine Haut wie geschmolzene Bronze. Auf der breiten Brust kräuselten sich feine dunkle Härchen, er hatte schmale Hüften und lange muskulöse Beine. Tatsächlich schien er kein Gramm Fett zu besitzen, sondern nur aus Muskeln zu bestehen. Muskeln in so perfekter Form wie aus dem Anatomiebuch.

Doch Alex war kein Abbild aus einem Buch, sondern ein Mensch aus Fleisch und Blut. Warm, lebendig, unglaublich männlich – und er lag mit ihr zusammen im Bett.

Ein verträumtes Lächeln auf den Lippen, schwelgte Angel in Erinnerungen an die vergangene Nacht. Es war einfach perfekt gewesen. Obwohl es nicht ganz ihrer Fantasie entsprochen hatte. Der erwartete Schmerz war ausgeblieben, ebenso wie die befürchtete Scham.

„Angel mangelt es an einem Sinn für Mäßigung, für sie gibt es nur ganz oder gar nicht“ – so hatte das lapidare Urteil eines ehemaligen Lehrers gelautet. Komisch, dass ihr das ausgerechnet jetzt einfiel.

Na ja, eigentlich doch nicht so komisch. Auch letzte Nacht hatte sie nichts zurückgehalten. Sie hatte sich in hemmungsloser Begierde auf das Abenteuer mit Alex eingelassen, ihm alles gegeben, ohne jede Scheu.

„Ich weiß, es ist richtig schlechtes Timing, aber es gibt da ein Problem …“

Diese Worte waren Musik in Alex’ Ohren gewesen. „Ich höre.“

Krisenmanagement war seine Leidenschaft – das Zauberwort hieß „fokussieren“. Alles andere ausblenden und sich nur auf eine einzige Sache konzentrieren. Diese Kunst beherrschte er meisterhaft.

Von der Beerdigung vor einem Monat war er direkt in sein Büro zurückgekehrt, wo er seitdem praktisch gewohnt hatte. Ein anderes Zuhause gab es für ihn schon kaum noch. Doch dann hatte er auch diese Krise bewältigt, und ihm war kein Grund mehr eingefallen, nicht nach Hause zu gehen. Doch dort fand er noch weniger Schlaf als in seinem Büro. Regelmäßig wachte er mitten in der Nacht auf, gleichzeitig ruhelos und zutiefst erschöpft. Deshalb war er auch mehr als irritiert, jetzt nach tiefem traumlosem Schlaf die Augen aufzuschlagen und helles Tageslicht durch die Vorhänge in …

Moment mal, das war doch nicht sein Schlafzimmer!

Wo zum Teufel …?

Blinzelnd blickte er in das Gesicht einer umwerfend schönen Frau. Sie saß neben ihm, nackt, ihr schimmerndes dunkles Haar fiel ihr bis über die Brüste. Brüste, die perfekt in seine Hände gepasst hatten, die schmeckten wie …

Mit aller Macht brach die Erinnerung über ihn herein.

Verdammt!

„Guten Morgen!“

Sofort reagierte sein Körper auf den verführerischen Unterton in ihrer Stimme. Alex ignorierte die Botschaft und das heiße Verlangen, biss die Zähne zusammen und schwang die Beine über die Bettkante. Von Schuldgefühlen gepackt, saß er da, die Augen geschlossen, seine ganze Haltung eine unmissverständliche Geste der Zurückweisung.

Schadensbegrenzung hieß das Gebot der Stunde. Bloß nicht den gleichen Fehler noch einmal machen, so verlockend die Versuchung auch sein mochte.

Und sie war sehr verlockend, mit einem hinreißenden Körper und einer sexy, leicht heiseren Stimme …

„Ich dachte schon, du wachst nie mehr auf“, sagte sie leise.

Er spannte den Rücken an, als er ihre Fingerspitzen ganz zart auf seiner Haut spürte. Mit undurchdringlicher Miene drehte er sich zu ihr um.

„Du hättest mich wecken sollen. Ich hoffe, du verspätest dich nicht meinetwegen …“

„Verspäten?“ Das leichte Zittern in ihrer Stimme verriet ihre plötzliche Unsicherheit.

Abrupt stand er auf und blickte sich suchend nach seinen Sachen um. „Soll ich dir ein Taxi rufen?“

„Wie bitte? Ich … Ich dachte, wir …“

„Hör mal, letzte Nacht war … Okay, es war fantastisch, aber ich stehe nicht zur Verfügung.“

Zur Verfügung stehen?

Angel begriff es immer noch nicht.

Obwohl Alex sich schrecklich schuldig fühlte, oder gerade deshalb, wollte er die Sache möglichst schnell hinter sich bringen. Er hatte sich nicht kontrollieren können, Ende der Geschichte. Die Sache jetzt in die Länge zu ziehen änderte auch nichts daran.

„Ich dachte …“

„Das zwischen uns letzte Nacht war nur Sex“, fiel er ihr abweisend ins Wort. Er sagte es langsam und betont, als spräche er mit einem Kind oder einem Schwachkopf.

Die Kälte in seinen blauen Augen und in seiner Stimme verwirrte Angel. „Aber …“

„Wie gesagt, letzte Nacht war toll. Aber ich hätte mich beherrschen müssen, das war mein Fehler.“ Ein riesengroßer Megafehler. Doch ein Mann lernte aus seinen Fehlern und wiederholte sie nicht.

Angel war ganz flau zumute, während sie beobachtete, wie er T-Shirt und Hose anzog. Dabei fiel etwas aus seiner Hosentasche und landete mit einem leisen Pling auf dem Fußboden. Ganz automatisch bückte Angel sich danach und schloss die Hand um einen Ring. „Gehört der dir?“

Sorgfältig darauf bedacht, ihre Hand nicht zu berühren, nahm er ihr den Ring ab.

„Du bist verheiratet?“

Einen Moment lang war er versucht, ihr die Wahrheit zu sagen, dass er verheiratet gewesen war, doch jetzt nicht mehr. Dann wurde ihm bewusst, wie viel einfacher und schmerzfreier eine Lüge wäre. Nicht, um seine nagenden Schuldgefühle zu besänftigen, aber für sie. Später bei ihren Freundinnen konnte sie sich dann über diesen verheirateten Mistkerl ausheulen.

„Es tut mir leid.“

Mit blitzenden grünen Augen sprang sie auf und schlug ihn mitten ins Gesicht. „Du erbärmlicher Loser!“ Im nächsten Moment floh sie ins Bad und knallte die Tür hinter sich zu.

Angel schaffte es gerade noch rechtzeitig, um sich in das marmorne Waschbecken zu übergeben.

Als sie ins Zimmer zurückkehrte, war er weg.

Eine brennende Wut stieg in ihr auf, heiß und verzehrend. Nie hätte sie gedacht, dass sie zu solch einem Gefühl fähig wäre. Sie verabscheute Alex sogar mehr als den widerlichen Freund ihrer Mutter, der versucht hatte, sie anzugrapschen, als sie gerade sechzehn Jahre alt gewesen war. Aber sich selbst hasste sie am meisten. Wie hatte sie nur so dumm sein können? Er hatte sie wie ein Flittchen behandelt, weil sie sich wie eins benommen hatte.

Irgendwann später hatte sie sich so weit wieder beruhigt, dass sie mit ausdrucksloser Miene das Hotel verlassen konnte. Sie hatte beschlossen, diesen Mann, diese Nacht für immer aus ihrem Gedächtnis zu löschen.

Das alles war nie passiert.

Es hatte ihn nie gegeben.

Sie konnte in Frieden weiterleben.

1. KAPITEL

„Es handelt sich um die zweitgrößte Werbeagentur Europas, und …“

„Und was ist für dich drin?“ Alex, der gerade das Kleingedruckte eines Vertrags studierte, unterbrach Nicos eifrige Verkaufsrede. Er mochte den Sohn seiner großen Schwester und förderte ihn gerne.

Mit einem selbstbewussten Achselzucken erwiderte der junge Mann: „Na ja, vielleicht ein Praxissemester.“

Alex setzte seine Unterschrift unter den Vertrag und legte das Dokument auf den Aktenstapel, den er bereits bearbeitet hatte. Dann stieß er seinen Schreibtischstuhl zurück und streckte die langen Beine aus. Er konnte es kaum erwarten, endlich Joggen zu gehen. Die Belohnung für einen endlos langen Vormittag hinter dem Schreibtisch. Nicht dass er den Kleinen loswerden wollte – Nico war zum Glück relativ pflegeleicht. Im Gegensatz zu anderen Verwandten, die ihn als eine Art Privatbank betrachteten. Aber auch das nahm Alex gelassen hin, Familie war nun mal wichtig.

„Schieß los, ich bin ganz bei dir.“ Alex musterte seinen Neffen aufmerksam.

„Sehr freundlich, danke.“ Nicos Ironie verpuffte, als er seinem Onkel in die Augen sah. Dessen blaue Augen hatten Nico schon immer an Eiswürfel erinnert. Es lag nicht so sehr an der Farbe, an diesem blassen Blau, sondern an der Intensität des Blicks.

Als Kind hatte Nico geglaubt, sein Onkel könne direkt in seinen Kopf gucken. Er war zwar längst kein Kind mehr, aber in Gegenwart von Alex Arlov konzentrierte er sich trotzdem immer noch sorgfältig darauf, nur die Wahrheit zu sagen – vorsichtshalber.

„Du weißt ja, dass Dad mir einen Job angeboten hat, und dafür bin ich auch dankbar“, versicherte Nico hastig.

„Aber?“

„Aber ich möchte gerne etwas Eigenes auf die Beine stellen – ganz unabhängig davon, dass ich sein Sohn oder dein Neffe bin.“

„Deine Absicht ist lobenswert, an meine Adresse allerdings verschwendet. Du weißt ja, ich wurde selbst mit dem sprichwörtlichen silbernen Löffel im Mund geboren.“

„Den du mühelos in Gold verwandelt hast“, bemerkte Nico voller Bewunderung.

Alex war es zu verdanken, dass die Reederei, die sein griechischer Großvater gegründet hatte, nicht nur der globalen Rezession trotzte, sondern wuchs und gedieh: Es war eine einzige Erfolgsstory.

Dann gab es noch den russischen Urgroßvater, den Alex vor ein paar Jahren beerbt hatte. Seitdem war er Herr über eine Ölfirma, die sich als unermessliche Goldgrube erwies. Inzwischen hatte Alex die Leitung der Reederei an seinen Schwager übertragen, Nicos Vater.

„Und das ist schlecht?“ Alex zog eine Augenbraue hoch.

„Nein, natürlich nicht. Aber kein Mensch betrachtet dich als reichen Müßiggänger, der noch nie im Leben einen Finger gerührt hat“, beklagte sich Nico.

Ach, daher weht der Wind, dachte Alex mitfühlend.

„Du brauchst niemandem etwas zu beweisen“, murmelte Nico und senkte den Blick. „Ach, vergiss es, ich rede Unsinn“, fuhr er dann schnell fort. „Hab mir schon gedacht, dass dieser Auftrag nichts für dich ist. Eigentlich wollte ich auch nur den Kerl von der Werbeagentur beeindrucken. Du hättest mal sein Gesicht sehen sollen, als ich deine Insel Saronia erwähnte.“ Nico streckte die Hand nach seinem Tablet-Computer aus, doch Alex kam ihm zuvor.

Interessiert scrollte er über die Website des Kosmetikgiganten, der ein neues Parfüm auf den Markt bringen wollte.

„Eine große Sache, was?“

„Absolut.“ Nicos Augen leuchteten auf. „Sie planen eine Art romantische Miniserie für die Kampagne, richtig edel mit echter Story und Cliffhanger. Dieser berühmte Hollywoodtyp soll Regie führen – obwohl der bestimmt schon fünfunddreißig ist.“

Alex musste schmunzeln. „So alt!“ Beruhigend zu wissen, dass ihm noch drei Jahre blieben, bis er endgültig zum alten Eisen gehörte.

„Für die ersten drei Episoden suchen sie einen exotischen Schauplatz – Strand, Palmen und malerische Sonnenuntergänge auf einer paradiesischen Insel, so in der Art.“

Na, wenn das nicht auf Saronia passt, dachte Alex.

Sein Großvater, Spyros Theakis, der Reederkönig, pflegte dort rauschende Feste zu feiern. Die Weltstars der damaligen Zeit gingen bei ihm ein und aus, man riss sich förmlich darum, zu einer seiner legendären Partys eingeladen zu werden. Nachdem das Herrenhaus bis auf die Grundmauern niederbrannte, war es allerdings mit den ausschweifenden Gelagen auf Saronia vorbei gewesen. Wie durch ein Wunder war bei dem Brand niemand ernsthaft verletzt worden, aber das Gebäude hatte man nicht wiederaufgebaut. Seitdem war die Insel unbewohnt.

Einmal, als er ganz in der Nähe eines seiner Ferienresorts auf dem Festland besuchte, hatte Alex aus lauter Neugier einen Abstecher auf die Insel gemacht. Seine Frau Emma, die ihn begleitet hatte, war der romantischen Faszination Saronias sofort erlegen, und sie hatten geplant, irgendwann eine Villa dort zu bauen.

Doch daraus wurde nichts mehr. Emma erkrankte schwer und brauchte ständige Pflege.

Einige Monate nach ihrem Tod war Alex allein auf die Insel zurückgekehrt und hatte in absoluter Einsamkeit am Strand gecampt. Aus Tagen waren Wochen geworden.

Später hatte er den Bau eines Hauses in Auftrag gegeben, nicht die gemeinsam geplante Villa, sondern etwas ganz Minimalistisches, Schlichtes. Seitdem diente ihm das Haus als Rückzugsort. Ein-, zweimal im Jahr verbrachte er ein paar Wochen dort, um seine Batterien aufzuladen. Keine Paparazzi, die sonst hinter jeder Ecke zu lauern schienen, kein Telefon, keine Nachrichten – es war ein Leben unterhalb des Radars, und er fand es perfekt.

Sosehr Alex also das Engagement seines Neffen schätzte, so würde er es doch nie zulassen, dass ein Filmteam den Frieden seines geheiligten Zufluchtsorts störte.

Bevor er Nico jedoch eine Abfuhr erteilen konnte, erregte ein Schnappschuss auf dem Bildschirm des Tablets seine Aufmerksamkeit. Das Foto zeigte eine außergewöhnlich schöne junge Frau, die verführerisch in die Kamera lächelte. Ihr langes, seidig schimmerndes dunkles Haar verdeckte raffiniert eine Gesichtshälfte. Ihre leuchtend roten Lippen waren zu einem provozierenden Schmollmund gespitzt. Sie hatte strahlend grüne Augen, und ein sinnliches Versprechen lag in ihrem Blick.

„Wer ist das?“ Alex’ Stimme klang tonlos.

„Angel, ein Model.“

Angel … Angelina? „Ein Model.“

Das überraschte ihn nicht wirklich. Umso mehr staunte er über seine Reaktion auf den Anblick eines Gesichts, das er seit sechs Jahren nicht mehr gesehen hatte. Und zum ersten Mal seit Langem dachte er wieder an das leidenschaftliche, aber flüchtige Intermezzo, auf das er nicht gerade stolz war, das er aber als abgehakt betrachtete. Glühend heißes Begehren durchschoss ihn, und sein Puls beschleunigte sich.

Nico schüttelte den Kopf über die Ignoranz seines Onkels. „Du musst sie in der Dessous-Kampagne letztes Jahr gesehen haben. Ihr Bild war überall.“

„Das ist mir wohl entgangen.“ Alex erinnerte sich noch ganz genau an die atemberaubende Schönheit – ganz ohne Dessous.

„Eine heiße Braut, was?“, begeisterte sich Nico. „Diese tollen Haare und erst die grünen Augen. Sie wird das Aushängeschild der neuen Kampagne. Sie wollen bewusst kein Starlet, sondern jemanden, der …“

Alex blendete Nicos Erklärung aus, warum die Agentur sich für ein relativ unbekanntes Gesicht entschieden hatte. Für ihn war sie keine Unbekannte. Nein, in jener magischen Nacht hatte er jeden Zentimeter ihres geschmeidigen Körpers erkundet, ihre goldbraune samtene Haut geschmeckt … Beinahe meinte er, den Duft ihres Shampoos zu riechen.

In der nächsten Sekunde kamen die Schuldgefühle. Die ließen nie lange auf sich warten. Schon wenige Wochen nach Emmas Tod war er mit der erstbesten Frau ins Bett gestiegen. Wie erbärmlich!

Seitdem hatte er Fortschritte gemacht, immerhin. Keine One-Night-Stands mehr, sondern befriedigende Beziehungen mit Frauen, die Spaß an Sex hatten, aber nichts Festes suchten. Keine dramatischen Gefühlsausbrüche, kein Trennungsschmerz, keine Schuldgefühle. Das war okay für ihn, wenn er sich auch manchmal nach der tiefen emotionalen Verbundenheit sehnte, die er mit Emma geteilt hatte.

Alex schüttelte leicht den Kopf, um die düsteren Gedanken zu verscheuchen. Dieser Seelenstriptease führte zu nichts, und er fand selbst, dass er übertrieb.

Mit Angel … Angelina … hatte er den besten Sex seines Lebens gehabt. Warum sich nicht noch einen Nachschlag dieses erotischen Abenteuers gönnen?

„Ja“, sagte er schlicht.

Nico klappte buchstäblich der Unterkiefer herunter. „Wie jetzt … ja?“, stammelte er und konnte sein Glück kaum fassen.

Sein Onkel hob die dunklen Brauen. „Ja.“

Begeistert sprang Nico auf, voll jugendlichem Elan, um den Alex ihn ein bisschen beneidete. Dabei war er nur zwölf Jahre älter, aber plötzlich kam er sich sehr gesetzt vor.

„Im Ernst? Du machst dich nicht über mich lustig? Nein, dafür fehlt dir …“ Rasch biss sich Nico auf die Zunge.

„Der Sinn für Humor?“ Alex grinste schief. Vielleicht hatte Nico recht. Gut möglich, dass ihm sein Humor während der bitteren Jahre der Trauer abhandengekommen war. Zusammen mit seinem Gewissen.

Eigentlich ganz praktisch, oder? Ohne nagende Schuldgefühle lebte es sich entschieden leichter. So hatte er letztlich auch die heiße Nacht mit Angel abhaken können. Sie hatte schließlich gewusst, worauf sie sich einließ, oder? Na gut, ganz so erfahren, wie er sie anfangs eingeschätzt hatte, war sie nicht gewesen, im Gegenteil. Heißblütig, hingebungsvoll, das ja, aber nicht routiniert.

Lass das endlich, ermahnte er sich. Sie hatten absolut aufregenden Sex gehabt, der definitiv eine Fortsetzung wert war. Gerade jetzt konnte er ein wenig Abwechslung in seinem durch zu viel Arbeit eintönig gewordenen Leben gebrauchen.

Hm, das klang ja gerade so, als sei er unzufrieden … Was nicht stimmte. Natürlich war er zufrieden, sehr sogar. Abrupt stand Alex auf und schnappte sich seine Jacke.

„Du kümmerst dich um die Sache?“

Wieder fiel sein Neffe aus allen Wolken. „Ich? Du möchtest, dass ich … Ja klar. Du erlaubst ihnen wirklich, auf Saronia zu drehen?“

Das hätte Nico in seinen kühnsten Träumen nicht für möglich gehalten. Okay, er hatte seinen Onkel gefragt, aber eigentlich nur der Form halber. Jeder wusste doch, wie eifersüchtig Alex Arlov seine Privatsphäre hütete.

„Unter bestimmten Voraussetzungen natürlich. Sie logieren auf dem Festland und müssen dann eben jeden Tag zur Insel pendeln. Und ich will keinen in der Nähe des Hauses sehen. Du regelst das, darauf verlasse ich mich.“

„Wow … Okay, alles klar. Du wirst es nicht bereuen, Onkel Alex.“

Freudestrahlend stürmte der junge Mann aus dem Büro.

Endlich konnte Alex joggen gehen.

Angel steckte den Kopf durch die Tür zur Lounge, wo sich die Crew versammelt hatte. Puh, es waren ganz schön viele Menschen im Vergleich zu den Mode-Shootings, die sie gewohnt war.

„Ich gehe spazieren. Noch jemand Lust auf ein bisschen frische Luft?“ Angel war gerne in Bewegung, die klaustrophobische Atmosphäre des Luxushotels erstickte sie.

Autor

Kim Lawrence
<p>Kim Lawrence, deren Vorfahren aus England und Irland stammen, ist in Nordwales groß geworden. Nach der Hochzeit kehrten sie und ihr Mann in ihre Heimat zurück, wo sie auch ihre beiden Söhne zur Welt brachte. Auf der kleinen Insel Anlesey, lebt Kim nun mit ihren Lieben auf einer kleinen Farm,...
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