Falsches Versprechen, wahre Gefühle?

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Lucie erwacht nach einem Unfall ohne Erinnerung an die letzten Wochen – mit einem funkelnden Diamantring am Finger! Hat sie sich etwa tatsächlich mit dem faszinierenden griechischen Reeder Thanasis Antoniadis verlobt, dem langjährigen Feind ihrer Familie? Während sie sich auf seiner griechischen Privatinsel erholt, verfällt sie immer mehr seinem verführerischen Charme. Doch kaum hat sie sich ihm in einer leidenschaftlichen Liebesnacht hingegeben, entdeckt sie schockiert: Für ihn ist ihre Beziehung nur ein Deal, um sein Firmenimperium zu stärken …


  • Erscheinungstag 30.09.2025
  • Bandnummer 2720
  • ISBN / Artikelnummer 9783751535106
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Michelle Smart

Falsches Versprechen, wahre Gefühle?

1. KAPITEL

Der Schmerz, der in Lucie Burtons Augen schoss, als sie durch die halb geöffneten Lider spähte, war so groß, dass er sie einen Moment von dem Hämmern in ihrem Kopf ablenkte. Auch den Mann registrierte sie nicht, der neben ihr saß und mit seinem Handy beschäftigt war. Aber das war nur zu Anfang so, denn ein qualvoller Blick, und er erschien in ihrem Sichtfeld. Sie musste erneut blinzeln, als ihr mit schockierender Klarheit bewusst wurde, wer er war.

Dass er immer noch da war.

Ihr Herz überschlug sich – Thanasis Antoniadis saß neben ihrem Bett.

Zu verwirrt, um Angst zu haben, hob sie den Kopf. Besser gesagt, sie versuchte es. Denn eine erneute Welle von Schmerz hielt sie davon ab, ihn mehr als ein paar Zentimeter zu bewegen.

Hellgrüne Augen mit Wimpern, die so dunkel waren wie die Pupillen, sahen sie an.

Sie schluckte – ein Reflex, der nichts mit ihrer trockenen Kehle zu tun hatte. „Wo bin ich?“ In welchem Bett auch immer sie liegen mochte, es war nicht ihres. Außerdem war sie vorher noch nie in diesem Raum gewesen.

„Im Krankenhaus.“

Ihr nächstes Blinzeln war nicht mehr so schmerzhaft, und ihr wurde bewusst, dass etwas an ihrer Brust befestigt war und etwas in ihre Hand injiziert wurde … ein Tropf?

„Du hattest einen Autounfall.“

So also klang seine Stimme. Wie honigsüßer Kaffee. Ein Gedanke, der ihr absurd vorkam. Trotz ihrer Benommenheit überlegte sie, warum sie so fixiert auf Thanasis’ Stimme war, statt ihn zu fragen, was sie zum Teufel im Krankenhaus machte, während der Sohn des größten Feinds ihrer Familie an ihrem Bett saß. Oder besser gesagt, des größten Feinds ihrer Stieffamilie.

Lucie war erst drei Jahre alt gewesen, als ihre Mutter ihren Vater wegen des vermögenden griechischen Reeders Georgios Tsaliki verlassen hatte. Deshalb war ihre Kindheit und Jugend aufgeteilt gewesen zwischen ihrem Vater und seiner neuen Familie und ihrer Mutter mit Georgios und seinen Nachkommen aus drei Ehen. Lucies Mutter war Ehefrau Nummer vier. Zur Überraschung aller hielt die Ehe zwei Jahrzehnte später immer noch. Lucie vermutete, dass ihre Mutter sehr geschickt darin war, in Bezug auf Georgios’ ständige Untreue ein Auge zuzudrücken.

Demzufolge war Lucie in zwei sehr unterschiedlichen Haushalten aufgewachsen. Stabilität und Ordnung kamen von ihrem leiblichen Vater. Chaos und Spaß von ihrem Stiefvater, der durch seine gesellige Art mit all seinen Ex-Frauen und den neun Kindern gut auskam. Das Leben war für Georgios und seine große Familie ein einziger Urlaub, bis vor ein paar Monaten das Geld ausgegangen war und sein ältester Sohn Alexis die Kontrolle über das Unternehmen an sich gerissen hatte.

Denn die Kehrseite von Georgios’ Großzügigkeit war genauso ausgeprägt. Wenn er jemanden nicht mehr leiden konnte, blieb die Person ein Leben lang sein Feind. Und Georgios Tsaliki hatte keinen größeren Feind als seinen Rivalen, den Reeder Petros Antoniadis. Und diese gegenseitige Feindschaft war schuld daran, dass das Vermögen beider Familien beinahe vernichtet worden war.

Über den ursprünglichen Grund der Feindschaft zwischen den beiden Männern wusste Lucie allerdings wenig – nur dass eine Geschäftsbeziehung zwischen den beiden ehemals engen Freunden in Verbitterung endete. Und mittlerweile war ihre gegenseitige Feindschaft einfach eine Gegebenheit, so wie die Tatsache, dass sie, Lucie, gerade einmal einen Meter fünfzig groß war und schwarze Locken hatte, die sich nicht bändigen ließen. Und dass Thanasis Antoniadis genauso wundervoll roch, wie er aussah.

Leibhaftig hatte sie ihn vorher erst einmal gesehen. Damals war sie achtzehn gewesen und hatte ihren letzten langen Sommerurlaub in Griechenland genossen. Athena, eigentlich Lucies Lieblingssprössling der Tsalikis, jedoch von unbeständigem Wesen, hatte sie zu einer Party mitgenommen, die nach ihren Worten das Ereignis des Jahrzehnts werden würde. Kaum hatten sie die Wohnung betreten, erspähte Lucie den bestaussehenden Mann der Welt, der sich gerade an der Bar einen Drink einschenkte. Irgendwie kam er ihr bekannt vor, sodass sie sich fragte, ob er ein berühmter Schauspieler oder ein Model war. Womit auch immer er seinen Lebensunterhalt verdiente – er war einfach umwerfend. Sie konnte den Blick nicht von ihm losreißen, bis Athena nach ihrer Hand griff und mit schriller Stimme flüsterte: „Was macht der denn hier?“

Verständnislos starrte Lucie sie an.

„Thanasis Antoniadis“, erklärte sie panisch. „Hätte ich gewusst, dass er hier ist, wäre ich niemals gekommen. Papa wird mich umbringen, wenn er davon erfährt.“

Erneut sah Lucie den Mann an, der die sonst unerschütterliche Athena so aus der Fassung brachte. Genau in diesem Moment schweifte sein Blick durch den Raum und blieb an ihr hängen. Ein Schauer lief ihr über den Rücken. Wahrscheinlich hätte sie ihn weiter angestarrt, hätte Athena sie nicht mit sich gezogen und gezischt: „Hör auf, ihn so anzustarren! Wir müssen hier raus.“

Und das war’s. Weniger als zwei Minuten mit ihm unter dem gleichen Dach.

Er war ihr so bekannt vorgekommen, weil er große Ähnlichkeit mit seinem Vater hatte. Georgios aktualisierte regelmäßig das Foto von Petros Antoniadis, das auf seiner Dartscheibe hing.

Der Mann, der vor sechs Jahren ihre Aufmerksamkeit erregt hatte, musterte sie nun mit einer Intensität, die sich wie eine Berührung auf ihrer Haut anfühlte.

„Wie fühlst du dich?“, fragte er.

„Mein Kopf tut weh, und mir ist übel“, krächzte sie und sah ihn vorsichtig an, während das Hämmern in ihrem Kopf ein wenig nachließ, sodass ihr Hirn wieder etwas besser funktionierte. Details an dem Raum ließen sie vermuten, in Griechenland zu sein, aber das war unmöglich. Sie war doch in ihre Wohnung im Norden von England gegangen, um dort zu schlafen, oder nicht?

Sie konnte sich nicht erinnern, ins Bett gegangen zu sein.

Er verzog das Gesicht. „Damit war zu rechnen. Du hast ziemlich was abbekommen.“

„Was ist denn passiert? Warum bist du hier?“ Ohne zu überlegen, duzte sie ihn ebenfalls, denn er schien sie gut zu kennen, auch wenn sie sich nicht erinnerte, warum.

Seine Nasenflügel bebten. „Hört sich an, als hättest du einen trockenen Mund. Wasser?“

„Bitte. Aber sag mir, was passiert ist und warum du hier bist.“

Er schüttete Wasser aus einem Krug in ein Glas, gab einen Strohhalm hinein und streckte den Arm aus, um ihr den Halm an den Mund zu halten. „Du erinnerst dich nicht?“

Sie näherte den Mund dem Strohhalm, doch bevor sie durstig trank, sagte sie: „Ich weiß, dass du Thanasis Antoniadis bist, aber mir ist nicht klar, warum ich im Krankenhaus bin, anscheinend in Griechenland, oder warum ausgerechnet du hier bei mir bist.“

Etwas leuchtete in seinen Augen auf. „‚Ausgerechnet ich‘? Und trink langsam, kleine Schlucke, sonst wird dir noch übler.“

Sein Englisch mit dem ausgeprägten Akzent ist hervorragend, wurde ihr bewusst, während sie das kalte, frische Wasser genoss und hoffte, dass ihr nicht noch schlechter davon werden würde. Lucie sprach fließend Griechisch, aber es war lange nicht so gut wie sein Englisch. „Danke.“

Er nickte knapp und stellte das Glas zurück auf den Nachttisch, ohne sie aus den Augen zu lassen. „‚Ausgerechnet ich‘?“, wiederholte er.

„Warum bist du hier? Wo ist meine Familie?“ Die angemessenere Frage wäre vermutlich, warum sie nicht erschrocken gewesen war, als sie aufwachte und den Sohn des alten Antoniadis, Feind ihres Stiefvaters, neben ihrem Bett fand. Der so gut wie ein Fremder für sie war und sie an Größe und Gewicht weit übertraf. Wobei sein Körper nur aus Muskeln zu bestehen schien. Wenn er wollte, konnte er ihr die Knochen so leicht brechen wie ein grausames Kind einem Insekt die Flügel.

Doch statt weiter darüber nachzudenken, war sie sich auf eine absurde Weise sicher, dass er nie Hand an sie legen würde, weder aus Bösartigkeit noch im Zorn. Absurd deshalb, weil sie den Mann gar nicht kannte, nur von ihm gehört hatte. Und trotzdem war sie sicher, ihn doch zu kennen, als hätten sie sich in einem anderen Leben schon einmal getroffen.

Dass mein schmerzender Kopf auf solch verrückte Gedanken kommt, muss wohl an den starken Medikamenten liegen, die mir eingeflößt werden, vermutete sie.

Nach einer langen Pause sagte er: „Deine Mutter ist hier und holt etwas zu essen. Aber verrate mir doch, warum ich nicht hier sein sollte.“

„Weil wir Fremde sind?“ Aber da war eine Unsicherheit, der Hauch einer Erinnerung, die auch ein Traum sein könnte. Ein volles Restaurant. Alexis. Georgios und ihre Mutter.

Erneut flackerte etwas in seinen Augen. „Was ist das Letzte, an das du dich erinnerst?“

„Dass ich von der Arbeit kam …“ Sie blinzelte, weil diese Erinnerung keine Gestalt annehmen wollte. „Nein. Wie ich mir eine Frittata machen wollte.“ Sie hatte Feta in das Omelette getan, konnte sich jedoch nicht daran erinnern, die Frittata gegessen zu haben, auch nicht die Süßkartoffelpommes, die sie dazu gemacht hatte.

Ein Anflug von Angst erfasste sie. „Welches Datum haben wir?“

Er sah sie noch eindringlicher an. „Den achtundzwanzigsten Juli.“

Schockiert zuckte sie zusammen, während die Angst ihren Griff verstärkte. Wie konnte es schon Ende Juli sein?

„Was dachtest du denn?“

Lucie überlegte angestrengt und erinnerte sich, dass sie ihrem Arbeitsplaner ein Meeting hinzugefügt hatte. „Der zwanzigste Mai.“

Wieder blinzelte sie. Sie hatte die Frittata nicht gegessen, weil ihre Mutter angerufen hatte. Sie war in London gewesen und wollte mit Lucie zum Essen gehen, um etwas mit ihr zu besprechen …

Erneut tauchte das Bild des Restaurants in ihrem Kopf auf. Ihre Mutter. Georgios. Alexis.

„Sie wollten, dass ich dich heirate“, platzte sie heraus und begegnete wieder Thanasis’ Blick. „Meine Familie wollte, dass ich dich heirate, um die Tsaliki-Reederei zu retten.“

Ungerührt sah er sie an. „Was noch? An was erinnerst du dich noch?“

Frustriert und ängstlich schüttelte sie den Kopf. „An nichts. Nichts anderes mehr.“

Die nächste Pause zog sich ewig in die Länge. Als er endlich sprach, klang seine Stimme nicht mehr so angespannt. „Lucie, schau auf deinen Ringfinger.“

Ihr Herz schien zum Stillstand gekommen zu sein, als sie vorsichtig ihre Hand hob, wobei sie auf den Infusionsschlauch achtete. Dann zog sich alles in ihr zusammen, als sie auf den funkelnden Diamantring starrte.

„Das ist unmöglich“, flüsterte Lucie.

„Du hast zugestimmt, mich zu heiraten“, sagte er ruhig. „Unsere Hochzeit findet in neun Tagen statt.“

Sie konnte ihn nur mit offenem Mund anstarren.

„In neun Tagen werden unsere beiden Familien zusammenkommen, um die eheliche Gemeinschaft eines Antoniadis und einer Tsaliki zu feiern. Dann wird der Krieg, der beiden Familien und deren Unternehmen so viel Zerstörung gebracht hat, offiziell beendet sein.“

Ihr fiel nichts anderes dazu ein als: „Aber Athena ist eine Tsaliki, nicht ich. Ich bin eine Burton.“

„Für Georgios gehörst du zur Familie. Du bist für ihn eine Tsaliki-Tochter und -Schwester, nur nicht durch Abstammung.“

War das nicht auch ungefähr das, was Alexis während des Essens gesagt hatte, als er die Bombe platzen ließ, dass die Familie von ihr fordern würde, Thanasis zu heiraten, um die Tsaliki-Reederei zu retten? Sie konnte sich nur an Bruchstücke dieses Abends erinnern, und alles, was danach folgte, war eine komplette Leere. Doch sie erinnerte sich noch daran, wie es sich dann angefühlt hatte. Ihr Herz war aufgeblüht, weil man sie als eine richtige Tsaliki betrachtet hatte.

Wie in einer eng verbundenen Gemeinschaft, wenn auch von verschiedenen Müttern, hatten die Tsaliki-Geschwister sie während der langen Schulferien immer in ihre Gruppe aufgenommen und stets dafür gesorgt, sie in alles einzubeziehen. Aber unterschwellig hatte sie immer das Gefühl gehabt, dass die anderen sie nie wirklich als eine der ihren betrachteten – ein Gefühl, das sich auch auf ihren Halbbruder Loukas bezog, das einzige Kind, das ihre Mutter mit Georgios hatte. Auch im Haus ihres Vaters hatte sie das gleiche Gefühl gehabt – wie ein Kuckuckskind, das nie dazu passte, besonders nachdem ihre Halbschwestern auf die Welt gekommen waren.

Von all den Halb- und Stiefgeschwistern war Athena die Einzige, zu der sie ein echtes Verwandtschaftsverhältnis verspürte. Athena war Georgios’ einzige Tochter und die Tsaliki, die Lucie vom Alter her am nächsten kam. Auch wenn dieses Verhältnis abhängig von Athenas jeweiliger Laune war.

Lucie sah wieder in Thanasis’ Augen und wünschte, darin die Antworten finden zu können, die ihr verletzter Kopf ihr nicht geben wollte. Sie kämpfte gegen den Kloß im Hals an und fragte: „Sagst du die Wahrheit? Habe ich wirklich zugestimmt, dich zu heiraten?“

„Ich lüge nicht“, antwortete er ungerührt.

„Das würde jeder gute Lügner sagen“, meinte sie. Thanasis war ein Antoniadis, und wenn man Georgios glauben konnte, waren alle aus der Familie Antoniadis mit gespaltener Zunge auf die Welt gekommen.

Seine Miene entspannte sich ein wenig, doch ehe er antworten konnte, ging die Tür auf, und eine Krankenschwester betrat das Zimmer. Als sie sah, dass Lucies Augen offen waren, warf sie Thanasis einen vorwurfsvollen Blick zu.

Während die Krankenschwester den Infusionsbeutel überprüfte, stand Thanasis auf, sein Handy in der großen Hand. „Ich werde deiner Mutter Bescheid geben, dass du wach bist.“

Benommen beobachtete Lucie, wie der Mann das Zimmer verließ, der sie einst in ihren Träumen verfolgt hatte.

„Sie ist wach“, sagte Thanasis knapp.

„Gott sei Dank.“

„Sie erinnert sich an nichts.“

Auf ein viel zu langes Schweigen folgte die langsame Frage: „An ‚nichts‘?“

„Ihre Erinnerungen an die letzten zwei Monate scheinen wie ausgelöscht.“

Erneutes Schweigen. „Hast du sie aufgeklärt?“

„Sie weiß nur, dass sie der Hochzeit zugestimmt hat.“

„Sonst nichts?“

„Sonst nichts“, bestätigte er.

Wieder folgte ein langes Schweigen. „Dann lass uns hoffen, dass ihre Erinnerungen ausgelöscht bleiben bis nach der Hochzeit.“

Damit beendete Lucies Mutter den Anruf.

„Er muss sehr verliebt in Sie sein“, meinte die Krankenschwester vertraulich, als sie mit einer Lampe in Lucies Augen leuchtete. „Es ist das erste Mal, dass er freiwillig den Platz an Ihrer Seite verlassen hat.“

Von all den Enthüllungen, mit denen man Lucie in der kurzen Zeit, die sie wach war, überhäuft hatte, war dies der größte Schock.

Thanasis Antoniadis ist verliebt in mich?

„Glauben Sie?“, fragte sie zweifelnd. Nichts an seiner Körpersprache hatte ihr diesen Eindruck vermittelt, doch in ihrem benebelten Zustand und mit der Leere in ihrem Kopf konnte sie sich über gar nichts mehr wirklich sicher sein. Wenn überhaupt, konnte sie sich nur vage erinnern, mit wachsamer Vorsicht von ihm gemustert worden zu sein, als sei sie irgendein unberechenbares wildes Tier.

Die Krankenschwester schaltete die Lampe aus und steckte sie in ihre Tasche. „Sie sind seit zwei Tagen hier.“

„Wirklich? So lange schon?“

„Wir mussten Sie sedieren.“ Ihre Augen wirkten umflort. „Er hat die ganze Zeit auf Sie aufgepasst.“

Oh Mann. Er hatte die ganze Zeit auf diesem harten Sessel gesessen?

Und dann erinnerte sich Lucie, dass Thanasis ihr erzählt hatte, sie habe einen Autounfall gehabt. Seltsam, dass sie zu vertieft darin gewesen war, seiner Stimme zu lauschen statt seinen Worten. Danach war sie zu beschäftigt damit gewesen, dass sie ihn heiraten sollte, um sich Sorgen darüber zu machen, dass sie in einem Krankenhausbett lag, sich elend fühlte und wohl eine Kopfverletzung hatte.

„Bin ich sehr schwer verletzt?“

Sanft drückte die Krankenschwester ihre Hand. „Es gibt gewisse Befürchtungen, aber all ihre Vitalparameter sehen gut aus. Die Ärztin wird Ihnen erklären, was genau passiert ist.“

„Mein Kopf?“, vermutete sie, vor allem, weil Thanasis gesagt hatte, es sei zu erwarten gewesen, dass er schmerzt. Und weil ihre Erinnerungen ausgelöscht waren. Sie fragte sich, ob sich dadurch ihr traumähnlicher Zustand erklären ließ, oder ob es an den Medikamenten lag, die man ihr einflößte.

Aber vielleicht ist das nicht nur ein traumähnlicher Zustand, sondern wirklich ein Traum, überlegte sie gerade, als Thanasis zurückkam, in Begleitung einer Frau, deren Verhalten sie als Ärztin auswies, und Lucies Mutter.

Ein Hauch des penetranten Parfüms ihrer Mutter war Lucie Beweis genug, dass dies kein Traum war.

Lucie musste warten, bis Thanasis das Zimmer verließ, um einige geschäftliche Anrufe zu machen, ehe sie mit ihrer Mutter allein sprechen konnte. Sie war erschöpft, ihr Magen rebellierte immer noch, und eigentlich wollte sie nur schlafen. Aber dies war zu wichtig, um aufgeschoben werden zu können.

„Stimmt es?“, fragte sie. „Habe ich wirklich zugestimmt, ihn zu heiraten?“

Ihre Mutter lächelte mit ihren perfekt geschminkten Lippen. „Ja, mein Liebling, das hast du, und ich kann dir gar nicht sagen, wie stolz und dankbar wir alle sind für die Opfer, die du für uns bringst.“

Doch Lucie war zu benommen, um über Opfer nachzudenken, selbst als ihre Mutter nebenbei erwähnte, dass Lucie ihren Job gekündigt habe, um nach Griechenland ziehen zu können. Die wenigen Stunden, die sie nun wach war, fühlten sich wie eine Grauzone an, in der oben unten war und links rechts. Sie hatte einen Diamantring am Finger, den ihr ein Mann geschenkt hatte, der noch der Feind ihrer Stieffamilie gewesen war, als sie das letzte Mal eingeschlafen war. Und wie sie vermutete, infolgedessen auch ihr Feind.

„Mum … wie sieht das mit Thanasis und mir aus? Die Krankenschwester scheint zu glauben …“ Aber es war zu unbegreiflich, um es auszusprechen.

„Was scheint sie ‚zu glauben‘?“, wollte ihre Mutter wissen.

Lucie musste ihre Stimme zu einem Flüstern senken, um es sagen zu können. „Sie glaubt, er ist in mich verliebt.“

Die schwarzen Augen, die Lucie geerbt hatte, flackerten. Ein langes Zögern folgte, bevor ihre Mutter sagte: „Es war für uns alle offensichtlich, dass sich starke Gefühle zwischen euch entwickelt haben.“

„Also liebt er mich?“

Diesmal fiel das Zögern kürzer aus. „Dessen bin ich mir sicher.“

„Und bin ich in ihn verliebt?“

Jetzt gab es kein Zögern. „Ja, mein Liebling, das glaube ich.“

Thanasis schlenderte zum Ende des Flurs, wo sich der Notausgang befand, überprüfte, dass niemand in Hörweite war, und wählte dann die bekannte Nummer.

Alexis hob beim zweiten Klingeln ab. „Stimmt es?“

„Ja. Sie hat eine Amnesie.“

„Wie lange dauert es, bis sie sich wieder erinnern kann?“

„Weiß man nicht. Vielleicht Tage, Monate. Oder nie.“

„Wer weiß, was zwischen euch beiden war?“

„Du, dein Vater und Lucies Mutter.“

„Deine Eltern nicht?“

„Offensichtlich wissen sie von dem Unfall, aber nicht von dem, was vorher war. Hast du es irgendjemand anderem erzählt?“

„Nein.“

Thanasis überlegte. Falls nur sie vier die ganze Wahrheit kannten, konnten sie sie unter Kontrolle halten. „Was ist mit Athena?“

„Sie weiß nichts.“

„Dann belasse es dabei. Und halte sie vom Krankenhaus fern. Sie ist eine tickende Zeitbombe.“

Er hörte, wie Alexis bei der Beleidigung seiner einzigen Schwester nach Luft schnappte, aber es war ihm egal. Athena hatte bewiesen, dass sie von allen Tsalikis den größten Giftstachel besaß. „Die Presse ist über den Unfall informiert“, sagte er. „Das Wachpersonal des Krankenhauses hat sie vom Gelände verwiesen, aber sie warten darauf, sich auf Lucie zu stürzen, sobald sie entlassen wird.“

„Wann wird das sein?“, fragte Alexis.

„Sicher erst in ein paar Tagen. Wenn sie entlassen ist, werde ich sie mit auf meine Insel nehmen, dort kann niemand sie erreichen. Inzwischen schlage ich vor, dass wir ein kurzes Statement abgeben, in dem wir den Unfall bestätigen, dass Lucie sich gut erholt und die Hochzeit wie geplant stattfinden wird.“

„Ist das so?“

Thanasis schloss die Augen und erinnerte sich an die Nachricht, die Lucies Mutter ihm erst vor ein paar Minuten geschickt hatte.

Sie glaubt, du liebst sie. Wenn du nicht willst, dass sie wieder davonrennt, spiel bis zur Hochzeit mit.

„Falls sie sich nie wieder erinnert und deine Schwester ihren Mund hält, dann bin ich mir sicher, dass Lucie ihr Versprechen einlöst.“

„Gut.“

Eine Gestalt betrat den Flur. Rebecca Tsaliki, Lucies Mutter.

Thanasis begegnete ihrem Blick und verspürte eine Welle des Hasses gegenüber der Engländerin. Schlimm genug, dass er und Alexis vorhatten, Lucies Amnesie zu ihrer beider Vorteil zu nutzen, doch dass ihre eigene Mutter sich gegen sie verschworen hatte …

„Ich muss los“, sagte er in sein Handy.

„Halte mich auf dem Laufenden.“

„Ebenfalls.“

„Und, Thanasis?“

„Ja?“

„Ich schlage vor, du verhältst dich diesmal anders ihr gegenüber. Um unser aller willen.“

2. KAPITEL

Thanasis beendete den Anruf und atmete langsam ein.

Erst vor zwei Tagen hatte er geglaubt, seine Welt stehe kurz vor dem Zusammenbruch.

„Du bist ein unmoralischer, verlogener Bastard, und ich würde lieber eine von der Pest heimgesuchte Ratte heiraten als dich“, hatte Lucie geschrien, bevor sie ihm die Schlüssel seines Porsche 911 aus der Hand riss.

„Ich habe dich nie angelogen“, entgegnete er wütend. „Und jetzt gib mir die Schlüssel zurück.“

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