Feuriges Spiel der Leidenschaft

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Auf seinen Armen rettet er sie aus dem flammenden Inferno - ohne Reece Fletcher wäre Sara im australischen Buschfeuer verloren gewesen! Hals über Kopf verliert sie ihr Herz und zieht in seine Villa - obwohl sie ahnt, dass sie und Reece keine gemeinsame Zukunft haben: Ihr Traummann ist ein Abenteurer, den es nicht lange an einem Ort und bei einer Frau hält …


  • Erscheinungstag 05.09.2020
  • ISBN / Artikelnummer 9783733719319
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Ich muss jetzt los. Und du weißt auch, dass ich hierbleiben würde, wenn ich könnte.“

Da sie diese Unterhaltung schon mehrfach geführt hatten, lächelte Sara nachsichtig. „Natürlich weiß ich das. Mir ist vollkommen klar, was es bedeutet, in Rufbereitschaft zu sein. Man kann ja dem Buschfeuer schlecht erklären, dass es einem gerade nicht in den Kram passt. Ich komme schon ein paar Tage allein zurecht.“

Zum ersten Mal, seit er am Morgen den Anruf bekommen hatte, entspannte ihr Bruder Simon sich ein wenig. „Ich vergesse immer wieder, dass du inzwischen erwachsen bist.“ Liebevoll stupste er sie an. „Zehn Jahre sind eine lange Zeit.“

Und es war einiges passiert, seitdem sie sich das letzte Mal gesehen hatten. Doch dies war nicht der passende Zeitpunkt, um darüber zu reden.

„Na los, beeil dich! Wenn ich als Rettungsassistentin gerufen werde, lasse ich mir nicht so viel Zeit.“

Simon zögerte. „Du wirst doch noch hier sein, wenn ich zurückkomme?“ Er schien ehrlich besorgt zu sein. Vielleicht dachte er, ihre vorsichtige Annäherung in den letzten zwei Tagen würde bei der erstbesten Gelegenheit wieder zunichte gemacht werden. Sara konnte ihn gut verstehen, denn auch sie war unsicher.

„Wohin sollte ich schon gehen? Wenn du zurück bist, habe ich meinen Jetlag überwunden, dein Haus komplett umgestaltet und Trader beigebracht, mit einem englischen Akzent zu bellen.“

„He! Ich habe durchaus noch einen englischen Akzent“, protestierte Simon.

„Nein. Tut mir leid. Da muss ich dich leider enttäuschen.“ In Saras Ohren klang ihr Bruder wie ein waschechter Australier. Auch sonst hatte er sich sehr verändert. Mit dem schlaksigen großen Bruder, der sich kurz nach seinem Studium so heftig mit ihrer Mutter überworfen hatte, dass er für immer aus ihrem Leben verschwinden wollte, hatte er kaum noch etwas gemein. Inzwischen wirkte er viel reifer und besonnener. Und er war viel ordentlicher als früher. „Hab ich dir schon gesagt, dass ich sehr stolz auf dich bin?“

„Nein, aber danke.“ In seinem Lächeln erkannte sie die alte Verbundenheit, die früher zwischen ihnen bestanden hatte.

Simon nahm seinen Rucksack und die Autoschlüssel. „Sobald ich in der Einsatzleitstelle bin, sage ich jemandem Bescheid, dass du noch hier bist. In der Küche liegt eine Telefonliste, falls du ein Problem hast. Sollte ich es nicht schaffen, bis morgen Abend zurück zu sein, schicke ich jemanden her.“

„Beruhige dich, Simon. Ich bin keine sechzehn mehr.“

„Entschuldige, ich muss mich erst daran gewöhnen. Trotzdem – mit den Buschfeuern hier ist nicht zu spaßen. Im Augenblick breitet es sich nach Westen aus, sodass du hier sicher sein müsstest. Aber die Richtung kann sich jederzeit ändern. Es wäre also gut, wenn du deine Wertsachen in eine Tasche packst, um im Notfall alles griffbereit zu haben. Falls es gefährlich wird, kommt jemand, um dich abzuholen und …“

„Das weiß ich doch alles längst“, unterbrach Sara ihn. „Du hast es mir schon mehrmals erklärt.“

„Gut.“ Simon zögerte noch immer. Schließlich gab er ihr etwas unbeholfen einen Kuss auf die Wange. „Pass auf dich auf! Ich komme so schnell es geht zurück.“

„Mach dir um mich keine Sorgen“, versuchte Sara ihn zu beruhigen und schob ihn sanft zur Tür.

Obwohl sie sich Simon gegenüber gelassen und zuversichtlich gegeben hatte, spürte Sara den ganzen Tag über eine unerklärliche Unruhe. In der Nacht schlief sie schlecht und schreckte immer wieder hoch. Lag es an der ungewohnten Stille? Oder an ihren Ängsten, die sich von logischen Argumenten nicht verscheuchen ließen? Selbst das fahle Morgenlicht wirkte irgendwie bedrohlich.

Vielleicht war Simon ja in der Nacht zurückgekommen. Schnell stand Sara auf und ging zum Fenster. Nein, sein Wagen stand nicht vorm Haus. Obwohl ihr klar war, dass sie sich vollkommen irrational verhielt, sah Sara in seinem Schlafzimmer nach, ob er doch da war.

Mit Situationen wie dieser kam sie nicht zurecht. Aktives Notfallmanagement war kein Problem für sie, doch tatenlos herumzusitzen und zu warten, während andere sich um die Katastrophe kümmerten, war für sie kaum auszuhalten.

Am Abend zuvor hatte sie mit Trader einen langen Spaziergang gemacht, bei dem ihr nicht ein einziger Mensch begegnet war. Gespenstisch. Wieder in Simons Haus angekommen, hatte sie alle Lichter angeknipst und ununterbrochen den Fernseher laufen lassen, nur um menschliche Stimmen zu hören.

Bestimmt würde ein Kaffee ihr guttun.

Unten in der Küche hörte sie ein energisches Kratzen an der Tür. Nachdem sie den Riegel zur Seite geschoben und die Tür geöffnet hatte, stürmte der riesige Australische Hütehund an ihr vorbei ins Haus.

„Hallo, Trader!“ Der Hund lief zu Simons Schlafzimmer und blickte sich hoffnungsvoll um.

„Tut mir leid, aber er ist noch nicht wieder da. Heute Morgen werde ich dir dein Frühstück machen.“

Trader schien nervös zu sein. Bestimmt würde er wieder ruhiger werden, wenn er etwas zu fressen bekam. Sara öffnete eine Dose Hundefutter und ging hinaus auf die Veranda, wo sein Napf stand.

Der Geruch draußen raubte ihr fast den Atem.

Offenbar hatte der Wind sich gedreht. Aus westlicher Richtung wehte beißender Rauch zu ihr herüber.

Trader drückte sich an ihre Beine, um sie zurück ins Haus zu drängen. „Ist schon gut“, beruhigte sie ihn, obwohl ihr vor Angst schlecht geworden war. Schnell hob sie seinen Napf auf, eilte zurück ins Haus und verschloss sorgfältig die Tür. „Du kannst heute in der Küche fressen.“

Als sie den Wasserhahn aufdrehte, um Traders Schüssel zu füllen, geschah nichts. Entsetzt schaute sie sich in der Küche um und bemerkte, dass die LED-Leuchten an Herd und Kühlschrank erloschen waren.

„Verdammt!“ Die Stromversorgung war unterbrochen. Sie goss Trader Mineralwasser ein und trank auch selbst etwas. Bestimmt würde sie besser nachdenken können, wenn sie nicht mehr so durstig war.

Was sollte sie tun? Kam das Buschfeuer näher? Sie kannte sich nicht gut genug aus, um die Situation beurteilen zu können. Würde Simon sein Versprechen halten und jemanden schicken, der sie abholte?

Das Telefon war tot, und ihr Handy hatte hier von Anfang an keinen Empfang gehabt. Panik stieg in ihr auf. Ihr durfte nichts passieren, denn sie trug schließlich Verantwortung!

Plötzlich erschien diese ganze Reise ihr völlig leichtsinnig. Gran hatte sie gedrängt, zu Simon zu fahren; sie hatte sich für die drei Wochen sogar selbst ein Pflegeheim gesucht. Natürlich nur vorübergehend. Sie war über neunzig und vollkommen von Sara abhängig. Was sollte aus ihr werden, falls Sara nicht zurückkam?

Simon würde jemanden herschicken. Ganz bestimmt. Auch wenn ihre Mutter ihn immer als nichtsnutzig und verantwortungslos beschimpft hatte, wusste Sara, dass sie ihrem Bruder damit unrecht getan hatte. Er würde sich um sie kümmern.

Um sich abzulenken, fing sie an, Simons Wertsachen einzupacken. Dabei fand sie ein altes Kofferradio mit Batteriebetrieb. Sofort schaltete sie es ein und suchte einen lokalen Sender. Dann ging sie nach draußen, wo es immer durchdringender nach Qualm roch, und schloss die Fensterläden.

Wieder im Haus, setzte sie sich vor das Radio und versuchte, trotz des Rauschens und Knackens etwas zu verstehen. Nur einzelne Wortfetzen kamen an: Evakuierung. In Sicherheit bringen. Notfallunterkünfte.

Wohin sollte sie gehen? Sie hatte ja nicht einmal ein Auto. Selbst wenn es ihr gelingen sollte, sich an den Weg zum nächsten Ort zu erinnern, wäre es Wahnsinn, die zwanzig Meilen zu Fuß gehen zu wollen. Simon hatte sein Haus selbst entworfen, und all sein Können als Architekt bei der Planung eingebracht. Er hatte von Anfang an gewusst, dass er in einem Buschfeuer-Gebiet lebte, und deshalb verschiedene Brandschutzvorrichtungen eingebaut. Ein mittleres Feuer würde das Haus also überstehen – sie musste sich nur mit Trader im Haus verbarrikadieren, warten und das Beste hoffen.

Bei diesem Gedanken rann ihr kalter Schweiß den Rücken herunter. Mühsam unterdrückte sie die Tränen und wandte sich an Trader. „Er wird uns nicht vergessen. Ganz bestimmt nicht.“ Der Hund schien ihre Angst zu spüren und leckte ihr Schwanz wedelnd die Hand. „Vielleicht wird es ja gar nicht so schlimm.“

Mit zusammengekniffenen Augen schaute sie aus dem Fenster. Eine Rauchwolke näherte sich dem Haus. Oder war es eine Staubwolke? Gerade als Saras Panik sie zu überwältigen drohte, erkannte sie, dass es ein Auto war. Mit hoher Geschwindigkeit kam es auf Simons Haus zu. Da die Straße hier aufhörte, musste der Besucher zu ihr wollen.

Schnell lief Sara nach draußen und winkte aufgeregt. Der Fahrer blendete auf.

„Danke“, flüsterte Sara unter Tränen. „Siehst du, Trader, alles wird gut! Es kommt jemand, um uns abzuholen.“

Als der Geländewagen vor dem Haus hielt, bellte Trader freudig und rannte dem Fahrer entgegen.

Am liebsten wäre Sara dem Mann um den Hals gefallen. Wäre er älter und unattraktiver gewesen, dann hätte sie es vermutlich getan, doch der Fremde war genau der Typ Mann, dem man sich nicht so einfach in die Arme warf, wenn man nicht wollte, dass die Geste falsch interpretiert wurde. Er war groß, kräftig und hatte unglaublich blaue Augen. Sein dichtes blondes Haar wirkte, als wäre es schon eine ganze Weile nicht mehr gekämmt worden, was den Eindruck eines verwegenen Abenteurers noch verstärkte.

„Sind Sie Sara? Sara Jones?“ Langsam kam er auf sie zu. Sara nickte. „Simon hat mich hergeschickt, um Sie zu holen.“

Dies war nicht der Moment, um zu fragen, weshalb er nicht früher gekommen war. Und es war auch nicht der Augenblick für Zurückhaltung Fremden gegenüber. Außerdem schien Trader den Mann zu kennen, denn er war widerstandslos auf den Rücksitz gesprungen.

„Wir müssen uns beeilen“, erklärte der Fremde, während er an Sara vorbei über die Veranda zur Haustür lief. Vergeblich rüttelte er am Türknauf.

„Ich habe den Schlüssel hier!“, rief Sara und folgte ihm. In ihrer Aufregung ließ sie den Schlüssel jedoch fallen, sodass er durch eine Ritze der Holzplanken des Verandabodens fiel.

Freundlicherweise verzichtete der Fremde darauf, sie zu tadeln, was Sara jedoch nicht davon abhielt, leise zu fluchen. Ohne etwas zu sagen, machte er sich auf den Weg zur Hintertür. Verzweifelt lief Sara ihm nach. „Ich habe alle Türen abgeschlossen. Vielleicht können wir die Holzplanke lösen und …“

Ungläubig blickte er sie an und schüttelte den Kopf. „Ja, das könnten wir vielleicht. Machen wir aber nicht. Bleiben Sie hinter mir!“ Noch bevor Sara ihn aufhalten konnte, hatte er sich mit Wucht gegen die Tür geworfen, die prompt nachgab.

„Ist das denn wirklich nötig gewesen?“, fragte Sara vorwurfsvoll. Eine Vase war durch den Windstoß heruntergefallen und in tausend Scherben zerbrochen. Nur weil sie ein kleines bisschen zwanghaft war, was das Abschließen von Türen betraf, musste er doch nicht gleich den Neandertaler geben!

Der Mann drehte sich um und nahm sie bei den Schultern. „Sara, wir müssen uns beeilen!“ Sein Gesichtsausdruck ließ keinen Zweifel daran, dass er es ernst meinte.

„Aber das Feuer ist doch noch gar nicht zu sehen und …“

„Wenn man ein Feuer schon sehen kann, ist es zu spät zum Fliehen. Im Augenblick haben wir zwei Möglichkeiten. Wir können hierbleiben und hoffen, dass das Haus verschont wird, oder wir versuchen, rechtzeitig zu verschwinden. Für die erste Option sind wir nicht ausreichend vorbereitet, und für die zweite schließt sich das Zeitfenster in wenigen Augenblicken.“

Er hatte ruhig und sachlich gesprochen, und allmählich kam Sara der Verdacht, dass es kein bisschen übertrieben gewesen war, als er die Tür eingetreten hatte.

„Es wird schon alles gut gehen, Sara, aber wir müssen sofort losfahren!“

Irgendetwas in seinem Blick sorgte dafür, dass sie ihm glaubte und ihm vertraute. Sara hatte in ihrem Leben schon einige falsche Entscheidungen getroffen, doch diese würde sich hoffentlich als richtig erweisen.

„In Ordnung.“

„Gut. Dann los!“ Noch bevor sie ihn fragen konnte, was sie als Nächstes tun würden, hatte er sie hochgehoben und trug sie ins Haus. Die Scherben knirschten unter seinen derben Boots.

„Haben Sie feste Schuhe und eine dicke Baumwolljacke?“

„Ja, schon, aber ist es dafür nicht zu warm?“

„Dicke Kleidung, vor allem aus Baumwolle, ist ein guter Schutz.“

Erschrocken sah Sara ihn an. Hoffentlich war er nur übervorsichtig.

Nachdem er sie abgesetzt hatte, eilte Sara in ihr Schlafzimmer. Jetzt war wirklich nicht der passende Moment, darüber nachzudenken, dass er trotz seiner verqualmten Kleidung ziemlich gut gerochen hatte. Und dass es sich in seinen Armen irgendwie gut und sicher angefühlt hatte.

Als sie wieder nach unten kam, waren die Taschen mit Simons Sachen verschwunden, und ihr neuer Bekannter inspizierte gerade den Kühlschrank.

„Können wir los?“, fragte er mit zwei Wasserflaschen in der Hand.

„Ja.“ Für Zweifel war jetzt keine Zeit. Ihr Bruder vertraute diesem Fremden offenbar, sodass schon alles gut gehen würde.

„Prima.“ Er musterte sie so unverhohlen, dass Sara eine Gänsehaut bekam. Unsinn! Er wollte bestimmt nur sichergehen, dass sie nichts leicht Entflammbares anhatte. „Haben Sie alles?“

„Ja.“ Ihr Pass und ihre Wertsachen waren in der großen Handtasche, die über ihrer Schulter hing. Sonst brauchte sie nichts.

„Dann sollten wir jetzt fahren.“

Er brachte sie zu seinem Geländewagen, ging dann jedoch noch einmal zum Haus zurück, um die großen Fensterläden vor der eingetretenen Tür zu schließen.

Sara drehte sich ein weiteres Mal besorgt zu dem Haus um, bevor sie in den Wagen stieg.

„Reece Fletcher. Freut mich, Sie kennenzulernen, Sara.“

„Was?“ Sara hatte gar nicht mitbekommen, dass er auf dem Fahrersitz Platz genommen hatte, denn ihre Gedanken waren bei dem Haus, mit dem ihr Bruder sich einen langjährigen Traum erfüllt hatte. Die Vorstellung, es könnte den Flammen zum Opfer fallen, war furchtbar.

„Würden Sie mir bitte eine der Wasserflaschen öffnen?“ Offenbar wollte er sie ablenken. „Im Handschuhfach müssten sogar noch Becher sein.“

„Ist gut.“

Seit sie im Auto saßen, hatten Reeces Gesichtszüge sich deutlich entspannt. Sara kramte ihre Sonnenbrille aus der Tasche und setzte sie auf. Er musste schließlich nicht merken, dass sie sich am liebsten an seiner Schulter ausgeweint hätte.

Andererseits war ihre Reaktion im Grunde ganz natürlich. Er hatte sie schließlich gerade aus einer sehr gefährlichen Situation gerettet.

„Ich freue mich auch, Sie kennenzulernen, Reece. Vielen Dank, dass Sie hergekommen sind.“ Sie reichte ihm einen Becher mit Wasser, den er in einem Zug leerte.

„Gern geschehen. Sobald wir wieder Handy-Empfang haben, rufe ich Simon an und sage ihm, dass alles in Ordnung ist.“ Obwohl die Straße vollkommen leer war, fuhr er äußerst konzentriert.

„Danke. Wo ist Simon eigentlich?“

„Im Krankenhaus, aber er ist okay. Er hat keine Verbrennungen, aber einen komplizierten Splitterbruch am rechten Unterschenkel. Das bedeutet …“

„Schon gut, ich weiß, was das bedeutet“, unterbrach Sara ihn und versuchte, ihre Panik unter Kontrolle zu halten. „Ich bin Rettungsassistentin.“

Er nickte langsam, als sei es ihm gerade wieder eingefallen. „Dann ist Ihnen klar, dass er operiert werden musste, um den Knochen zu richten. Das war letzte Nacht. Inzwischen ist er wieder wach, und ihm geht es den Umständen entsprechend gut. Die Rauchvergiftung ist auch nicht so tragisch – er wird also wieder.“

„Was ist denn passiert?“

„Die Einzelheiten kenne ich auch nicht, aber er war offenbar gerade dabei, eine Brandschneise zu schlagen, als ein umstürzender Baum ihn erwischte. Er wurde sofort in die Klinik geflogen. Und weil er mich in seiner Akte als Kontakt angegeben hatte, bin ich sofort benachrichtigt worden.“

Natürlich war es Sara klar, dass Simon jemanden aussuchen musste, der in seiner Nähe wohnte. Trotzdem verspürte sie einen kleinen Stich.

„Aber warum hat er Sie erst so spät geschickt?“

„Bereits auf dem Weg in die Klinik ist er sediert worden, sodass er erst nach seiner OP Bescheid sagen konnte.“

„Ist schon gut. Es war wohl eine unglückliche Verkettung von Umständen.“ Sie seufzte.

Fragend schaute er sie an. „Wie lange sind Sie denn schon hier?“

„Drei Tage. Wir wollten die erste Woche unter uns sein, um ein paar Sachen zu besprechen. Nächste Woche wollte er mich dann seinen Freunden vorstellen.“

Reece grinste. „Schade, dass er es nicht erwähnt hat. Dann hätte ich etwas gehabt, worauf ich mich freuen kann.“

Plötzlich ging Sara ein Licht auf. „Sie sind der Arzt, mit dem er befreundet ist, stimmt’s? Fletch?“

Reece schmunzelte, und Sara fragte sich, weshalb ihr Bruder nie erwähnt hatte, dass sein bester Freund so attraktiv war. Nun ja, vermutlich war es ihm gar nicht aufgefallen. Ganz im Gegensatz zu ihr.

„Was hat Simon denn von mir erzählt?“, erkundigte Reece sich neugierig.

„Ach, nur dass Sie Arzt sind. Und dass Sie andauernd umziehen und immer woanders arbeiten. Das ist sicher sehr abwechslungsreich.“ So, das musste reichen. „Und was hat Simon über mich gesagt?“

„Wenig. Sie waren noch ein kleines Mädchen, als er von zu Hause wegging.“ Seine Stimme klang einen Hauch ernster als zuvor, und ganz offensichtlich verschwieg er ihr einige Details. Doch dies war nicht der passende Zeitpunkt, um herauszufinden, wie viel Reece über ihre zerrütteten Familienverhältnisse wusste.

„Warum sind Sie gerade nicht im Dienst? Ich hätte angenommen, dass bei so einem Buschfeuer jeder verfügbare Arzt helfen muss.“

Reece lachte. „Ich habe mehr als eine Woche durchgearbeitet. Als der Anruf aus der Klinik kam, wollte ich gerade einen Tag Pause machen, um endlich mal wieder zu schlafen. Natürlich bin ich sofort zu Simon gefahren. Er war gerade aus der Narkose erwacht und brüllte herum, dass jemand Sie abholen müsste. Also bin ich sofort hergekommen.

„Das heißt …“ Ihr Gehirn überschlug sich fast, um all die Informationen zu verarbeiten. „Seit wann haben Sie nicht mehr geschlafen?“

Mit seinem viel zu verwegenen Lächeln sah er sie an. „Reden Sie einfach weiter, dann halte ich noch eine Weile durch.“

2. KAPITEL

Simons kleine Schwester hatte es fast als persönliche Beleidigung betrachtet, als er ihr Angebot, das Steuer zu übernehmen, abgelehnt hatte. Reece war müde, ja, aber so schlimm war es nun auch wieder nicht. Und seitdem er Sara gesehen hatte, war er vollkommen wach. Ihr dunkles, jungenhaft kurz geschnittenes Haar betonte ihren schlanken Hals, und ihre großen grauen Augen wirkten zugleich verführerisch und klug. Als es darauf ankam, hatte sie getan, was getan werden musste, auch wenn sie offenbar normalerweise sehr starrsinnig sein konnte.

„Ich bin durchaus in der Lage, einen Automatikwagen zu fahren. In London fahre ich jeden Tag, und Sie können mir glauben, dass dort etwas mehr Verkehr ist als hier!“

Ihre Argumente klangen durchaus plausibel. „Mag sein, aber die Straßenverhältnisse hier sind doch sehr speziell.“ Reece fragte sich, ob sie überhaupt begriff, wie gefährlich ihre Situation war. Entweder war sie bewundernswert gelassen, oder ihr war gar nicht klar, wie knapp sie einer Katastrophe entkommen waren.

„Nun gut, wie Sie meinen. Und worin bestehen diese speziellen Aspekte?“

Sie gab nicht auf, was ein leichtes Kribbeln in Reeces Magen auslöste.

„Da wären zum Beispiel die Kängurus, die jederzeit auf die Fahrbahn hüpfen können.“

„Darauf hat Simon mich schon hingewiesen. Und da ich ausgeruhter bin als Sie, würde ich viel schneller reagieren.“ Sie blickte ihn herausfordernd an, und Reece überlegte, wie lange er noch die Oberhand behalten würde.

Sara hatte sich zu ihm gedreht, und obwohl ihre Augen hinter der Sonnenbrille verborgen waren, hatte er keinen Zweifel daran, dass sie ihn aufmerksam musterte. „Also, fahren Sie jetzt auf den Seitenstreifen, oder müssen wir dieses Kunststückchen vollführen, das man immer in Actionfilmen sieht. Sie wissen schon – Fahrerwechsel ohne anzuhalten. Das habe ich zwar noch nie gemacht, aber irgendwann ist ja immer das erste Mal.“

Als er sich die Umsetzung ihres absurden Vorschlags vorstellte, musste er lauthals lachen.

„Was ist das denn?“ Ihre Aufmerksamkeit war auf etwas Neues gelenkt worden. Reece schaute in die Richtung, in die sie zeigte, und bemerkte einen Lieferwagen, der in einer Seitenstraße stand.

Ohne ein Wort zu verlieren, riss Reece das Steuer herum und kam neben dem Lieferwagen zum Stehen, dessen Warnblinkanlage eingeschaltet war.

„Es sitzt jemand drin!“ Sara hatte sich aus dem Fenster gelehnt, um besser sehen zu können. Bevor Reece ihr sagen konnte, dass er sich um alles kümmern würde, war sie auch schon aus dem Auto gesprungen und rannte auf den Wagen zu.

Reece folgte ihr auf den Fersen. Ein kurzer Blick genügte ihm, um die Situation zu erfassen. Schnell öffnete er die Fahrertür und sprach beruhigend auf den älteren Mann ein, der hinter dem Steuer saß.

„Was ist passiert?“ Blaue Lippen, Schweiß auf der Stirn, Atemnot. „Ich bin Arzt.“

„Diese verfluchten Herzschmerzen. Kommen immer gerade dann, wenn man sie überhaupt nicht gebrauchen kann.“

„Haben Sie ein Medikament dabei? Tabletten oder ein Spray?“

„Ja.“ Der Mann versuchte, sich umzudrehen, zuckte jedoch vor Schmerz zusammen. „In der Tasche hinter meinem Sitz ist mein Notfall-Spray.“

„Ich bringe es Ihnen.“ Sara öffnete die Beifahrertür, kletterte hinein und holte die Tasche hervor. „Hier ist es!“

Ihr entwaffnendes Lächeln schien den Mann zu beruhigen, und er wartete geduldig, bis Reece die Anweisungen auf der Spraydose gelesen hatte, bevor er ihm das Medikament reichte.

„Bitte sehr!“ Innerhalb von Sekunden wirkte das Spray, und der Mann erholte sich. Reece trat ein paar Schritte beiseite und winkte Sara zu sich. „Ich sehe jetzt nach, ob der Lieferwagen anspringt, und dann möchte ich, dass Sie mit meinem Wagen vorfahren. Fahren Sie einfach dreißig Kilometer weiter auf dieser Straße und …“

„Nein, ich bleibe bei Ihnen.“ Sie nahm seine Schlüssel und steckte sie ein. „Wie viel Zeit haben wir noch?“ Prüfend blickte sie zum Horizont.

Reece wusste es nicht. Das Feuer konnte diesen Weg oder jeden anderen nehmen. Eins jedoch stand fest: Bis der herzkranke Mann weiterfahren konnte, würde es noch einige Minuten dauern. Minuten, in denen Sara vielleicht die entscheidenden fünf oder zehn Kilometer zurücklegen konnte. „Wir haben jetzt keine Zeit für Diskussionen.“

„Na, dann wäre das ja geklärt.“ Sie drehte sich um und ging zurück zu ihrem Patienten.

Reece seufzte. Ihr Blick in die Richtung, aus der sie gekommen waren, hatte ihm gezeigt, dass sie sich der Gefahr durchaus bewusst war. Und ihre Körpersprache in diesem Augenblick ließ keinen Zweifel daran, dass sie ihre Meinung nicht ändern würde. Da er selbst sich im umgekehrten Fall ganz genauso entschieden hätte, fiel ihm kein Argument ein, mit dem er sie überzeugen konnte, sich sofort in Sicherheit zu bringen.

„Gut, Frank, wie wäre es, wenn Sie versuchen würden, auf den Beifahrersitz zu wechseln?“ Sara schenkte dem Mann ein so aufmunterndes Lächeln, dass er sofort zustimmend nickte. Sie hatte ganz offensichtlich ein Händchen für Patienten. Sogar Reece ließ sich von ihrer Zuversichtlichkeit anstecken.

Gemeinsam halfen sie dem Mann beim Aussteigen und führten ihn um den Wagen herum zum Beifahrersitz. Nachdem er sich ächzend gesetzt hatte, legte Sara ihm den Sicherheitsgurt an.

„Wohin fahren wir jetzt?“

„Der nächste Ort ist etwa dreißig Kilometer entfernt. Ich werde in der Klinik anrufen und darum bitten, dass uns ein Krankenwagen entgegenkommt.“

„Okay. Ich folge Ihnen mit Ihrem Wagen.“

„Na, hoffentlich schaffen Sie es, mit uns Schritt zu halten.“ Reece grinste.

Sara errötete ein wenig, und plötzlich fand Reece den Tag viel freundlicher und heller. „Ich werde mein Bestes tun.“

Sie lehnten an Reeces Geländewagen und tranken den Kaffee, den Sara in dem Laden an der Hauptstraße besorgt hatte, während Reece den Patienten an das Rettungsteam übergeben hatte. Trader schlürfte gierig etwas Wasser, das sie ihm in eine Schüssel gegossen hatte.

„Hier gibt es wieder Handy-Empfang. Ich werde gleich Simon in der Klinik anrufen und ihm sagen, dass wir auf dem Weg sind. Vorher sollten wir bei mir zu Hause anhalten, um zu duschen und uns umzuziehen.“ Reece holte sein Telefon aus der Tasche.

Sara verzog kläglich die Lippen, und Reece überlegte, wie sie wohl schmecken mochten. Süß vermutlich. Wie der Rest von ihr. „Duschen ist toll, aber ich habe leider keine Wechselsachen dabei.“

„Waren das gar nicht Ihre Taschen, die ich in den Wagen gepackt habe?“

„Nein. Ich habe nur Sachen von Simon eingepackt. Es ist schließlich sein Zuhause, und ich wollte so viel wie möglich in Sicherheit bringen.“

Autor

Annie Claydon

Annie Claydon wurde mit einer großen Leidenschaft für das Lesen gesegnet, in ihrer Kindheit verbrachte sie viel Zeit hinter Buchdeckeln. Später machte sie ihren Abschluss in Englischer Literatur und gab sich danach vorerst vollständig ihrer Liebe zu romantischen Geschichten hin. Sie las nicht länger bloß, sondern verbrachte einen langen und...

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