Für heute und ein ganzes Leben

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"Ich werde niemals heiraten!" Mehr als eine lockere Affäre hat Jessie nicht im Sinn, als sie auf einer Hochzeitsfeier einen sexy Fremden kennenlernt. Denn Liebe bedeutet nichts als Schmerzen, davon ist sie überzeugt. Auch Nick behauptet, nur Nächte voller Lust und Leidenschaft mit ihr verbringen zu wollen. Und so scheint es für Jessie das perfekte Arrangement, als sie ihn zufällig in New York wiedertrifft. Bis sie schockiert feststellen muss, wer er wirklich ist. Und plötzlich fragt sie sich verletzt: Hat er sie etwa aus purer Berechnung verführt?


  • Erscheinungstag 10.05.2016
  • Bandnummer 0010
  • ISBN / Artikelnummer 9783733706739
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

Jessie stand am Rande der Tanzfläche. Sie fühlte sich seltsam melancholisch, während sie beobachtete, wie Becky in den Armen ihres neuen Ehemannes über das Parkett schwebte. Ihre beste Freundin – noch vor einem Jahr ein gestresster Workaholic – hatte sich in eine vor Glück strahlende Ehefrau und Mutter verwandelt.

Es schien, als hätte sie ihren Ritter in goldener Rüstung gefunden, auch wenn Mark eine Weile gebraucht hatte, um sich in dieser Rolle zu beweisen.

Und Jessie, die ihren Freunden nachsah, verspürte plötzlich eine übergroße Sehnsucht. Nicht nach einer eigenen Hochzeit und Familie … nur nach etwas Bedeutungsvollerem als den One-Night-Stands, die ihr Privatleben darstellten.

Leider war ihre einzige Gesellschaft heute Abend ein Glas Champagner. Na ja. Um diesen edlen Begleiter von seiner besten Seite kennenzulernen, war es wohl das Ratsamste etwas zu trinken.

Jessie führte das kühle Glas an ihre Lippen, nahm einen großen Schluck und ließ die Bläschen ihre Kehle hinabtanzen. Es war guter Champagner. Leicht süß und glatt wie Seide. Und bevor Jessie sich irgendwie zurückhalten konnte, entfuhr ihr ein zufriedenes Schnurren.

Ein leises, sehr maskulines Lachen erklang neben ihr. „So guter Champagner?“

Jessie sah auf – und war wie gefesselt.

Neben ihr stand ein Mann, der einem Modemagazin entsprungen sein musste.

Blond, mit blauen Augen und Schultern, die von einem Ende des Raumes zum anderen zu reichen schienen. Jessie lächelte. Vielleicht würde der Abend nicht ganz so einsam verlaufen, wie noch vor ein paar Sekunden befürchtet.

„Er ist der perfekte Begleiter, sieht geschmackvoll aus und hält, was die Optik verspricht.“

Als der umwerfende Fremde noch einmal lachte, war es für Jessie, als würden die Sterne an diesem Weihnachtsabend ein wenig heller leuchten.

„Ich hätte Sie wirklich gerne um den nächsten Tanz gebeten“, entgegnete er. „Aber etwas sagt mir, dass ich mich mit ihrem sprudelnden Freund nicht messen kann.“

Zum ersten Mal an diesem Tag nahm Jessie bewusst die Musik wahr. Es war eine sexy Ballade, gesungen von einem Mann, dessen einziger Lebensinhalt darin zu bestehen schien, einer Frau einen unvergesslichen Abend zu schenken.

Schnell leerte sie ihr Champagnerglas und lächelte dem blonden Hochzeitsgast zu: „Mein sprudelnder Freund ist soeben verschwunden. Bis er zurückkommt, können wir also tanzen. Ich bin sicher, es macht ihm nichts aus.“

„Worauf warten wir dann?“, fragte der Fremde und reichte Jessie seine rechte Hand.

Kaum hatte sie ihre Finger um seine geschlossen, zog er sie mit einer eleganten Drehung in seine Arme.

Ihr Atem stockte, als sie zu tanzen begannen. Dieser Mann wusste, was er tat. Anmutig führte er Jessie über das Parkett, während sein Körper nur Zentimeter von ihrem entfernt war. Jessie – deren Beine sich plötzlich wie Wackelpudding anfühlten – ergab sich seinem Rhythmus und seiner Nähe und schmiegte sich an ihn.

„Mein Name ist übrigens Nick“, hörte sie ihn sagen.

Jessie war derart in dem berauschenden Gefühl verloren, mit diesem Mann zu tanzen, dass sie einen Moment brauchte, um ihre Gedanken zu ordnen. Sie lachte verlegen. „Ich bin Jessie“, antwortete sie schließlich. „Und ich hoffe, dass Sie mir meine Verwirrung verzeihen. Ich fürchte, ich bin nicht daran gewöhnt, mit Partnern von Ihrem Kaliber zu tanzen.“

Nick grinste. „Mein Vater wäre erfreut zu sehen, dass sich die vielen Monate Tanzunterricht gelohnt haben, zu denen er mich gezwungen hat.“

„Ihr Vater hat Sie zu Tanzstunden gezwungen?“

„Ja. Na ja, nur für Standardtänze. Wir müssen sehr oft auf Bälle, Galas und ähnliche Veranstaltungen. Und dort kann man entweder tanzen oder vor Langeweile sterben.“

Jessie blinzelte. „Ich bin noch nie auf einem Ball gewesen. Ich dachte immer, dass eine solche Freizeitgestaltung nur den super Reichen vorbehalten ist. Ihr Vater ist kein Hotelmagnat oder Ähnliches?“

Nick verzog das Gesicht. „Nein, nichts derart Glanzvolles. Nur ein durchschnittlicher New Yorker Unternehmer.“

Grinsend rollte Jessie mit den Augen. „Ach so. Dann sind Sie also nichts Besonderes.“

Er zuckte mit den Schultern. „Nur jemand, der hofft, eine bessere Abendbegleitung zu sein als ein Glas Champagner.“

„Dann haben Sie Glück. Das sind Sie.“

„Und dabei habe ich Ihnen noch gar nicht meine besten Tanzschritte gezeigt“, sagte Nick, während er mit Jessie im Arm eine geschickte Drehung vollzog. Als das Lied endete, schloss Nick den Tanz mit einer Pose ab, wobei er Jessie galant in seinen linken Arm zurückbeugte. Sein Gesicht war nur wenige Zentimeter von ihrem entfernt, als er flüsterte: „Ich hätte noch ein paar Asse im Ärmel gehabt.“

Jessie versuchte gerade, eine nicht verwirrte Antwort auf diese Aussage zu finden, als die ersten Akkorde des Ententanzes gespielt wurden. Der entsetze Ausdruck, der dabei in Nicks Gesicht trat, ließ sie laut auflachen.

„Was? Haben Sie während all Ihrer Tanzstunden nicht den Ententanz gelernt?“

„Nein, nie.“

„Dann muss ich Ihnen das beibringen.“

Nick musste ebenfalls laut lachen, als der sexy Rotschopf, der noch vor einem Moment so elegant in seinen Armen geschwebt war, begann mit den Armen zu flattern und wie eine Ente zu laufen. Als Jessie sich bei ihm unterhakte und im Kreis hüpfte, musste er so lachen, dass ihm Tränen die Wangen hinunterliefen.

„Los jetzt“, rief sie. „Das ist nicht der richtige Zeitpunkt, schüchtern zu sein. Jeder von uns ist doch irgendwie eine Ente. Manchmal muss man es einfach rauslassen!“

Für einen Moment wollte Nick widersprechen. Doch dann sah er sich um und merkte, dass jeder auf der Tanzfläche bei diesem verrückten Tanz mitmachte.

Sekunden später watschelte auch er wie eine Ente und bewegte seine Arme wie Flügel. Es machte Spaß. Vielleicht sollte er diesen Tanz beim nächsten Wohltätigkeitsball vorschlagen. Es wäre sicher lustig zu sehen, ob sein Vater auch etwas von einer Ente in sich hatte.

Während sich der Tanz in eine Art Twist verwandelte, stupste Jessie mit ihrem kleinen Po vorwitzig gegen Nicks Hintern. Er stupste zurück und beinahe vergaßen sie vor lauter Twisten das Watscheln und Flattern, das erneut an der Reihe gewesen wäre.

Nachdem sie ein letztes Mal im Kreis gehüpft waren, zog er Jessie atemlos zu ein paar freien Stühlen seitlich der Tanzfläche. Kichernd ließ sie sich auf einen der Plätze fallen.

Ebenfalls lachend setzte Nick sich neben sie. Und wann immer sie einander ansahen, brachen beide erneut in schallendes Gelächter aus.

Irgendwann waren sie in der Lage, wieder ruhig zu atmen. Jessie blickte Nick an. Ihre Augen funkelten vor Übermut, und ihre Wangen waren vom Tanzen und Lachen gerötet. Ein paar Locken hatten sich aus ihrem eleganten Chignonknoten gelöst und Nick konnte dem Drang nicht widerstehen, ihr weiches Haar aus der Hochsteckfrisur zu befreien.

Ohne noch einmal darüber nachzudenken, zog er die Haarklemmen aus Jessies roten Locken.

„Hey“, protestierte sie und sah ihn streng an. „Das habe ich Ihnen nicht erlaubt.“

„Ich weiß“, entgegnete er entschuldigend. „Aber ich wollte Sie so sehen, wie Sie wirklich sind. Ich wette, dass Sie Ihr Haar normalerweise nicht aufgesteckt tragen.“

„Normalerweise nicht“, gestand sie, während sie versuchte, ihre wilde Mähne mit beiden Händen zu glätten. „Nur zu geschäftlichen Meetings.“

„Ich hätte Sie eher als kreativen Menschen eingeschätzt. Nicht als eine Geschäftsfrau.“

„Ich bin beides. Ich besitze zufällig meine eigene digitale Werbeagentur.“

Nick lehnte sich zurück und versuchte, Jessie nicht sehen zu lassen, wie sehr sie ihn beeindruckte. Sie war so sexy. Unglaublich lustig. Und eine Unternehmerin. Oh Mann. Sie schien die perfekte Frau zu sein.

„Hmm. Es könnte sein, dass ich in naher Zukunft die Unterstützung einer digitalen Agentur brauche. Könnte ich Ihre Visitenkarte haben?“

„Ich bin heute nicht in der Stimmung, um über Arbeit zu reden. Eher über Vergnügen.“ Sie musterte ihn. Langsam. Sinnlich. Verträumt. „Wie wär’s, wenn ich Ihnen stattdessen die Schlüsselkarte für mein Hotelzimmer gebe?“

Jede einzelne Zelle seines Körpers schien zu schreien. Ja – nichts lieber als das. Doch bevor er antworten konnte, stand die Braut vor ihnen.

„Jessie!“, rief sie. „Deine Pflicht als Brautjungfer ruft!“

Für den Bruchteil einer Sekunde erschien ein Ausdruck der Enttäuschung auf Jessies Gesicht. Doch sie zwang sich zu einem Lächeln.

„Was? Ich habe deine Blumen getragen. Ich habe eurem kleinen Ringträger geholfen, als er sich übergeben musste. Und meine Rede war wirklich gelungen. Ich habe alle meine Pflichten erfüllt!“

Becky reichte der Freundin die Hand und zwang sie, von ihrem Stuhl aufzustehen.

„Ich weiß. Aber ich muss doch noch meinen Brautstrauß werfen. Und dabei wirst du in der ersten Reihe stehen, meine Liebe.“

„Was? Auf gar keinen Fall! Ich bin hier beschäftigt.“

„Ja, das sehe ich. Doch ich bin sicher, dass Nick dich für ein paar Minuten entbehren kann. Du würdest doch nicht wollen, dass sie sich vor ihren Pflichten drückt oder ihre Chance verpasst, den Brautstrauß zu fangen, oder?“, fragte sie mit einem spitzen Blick auf den besten Freund ihres Mannes.

„Ich lasse dich Jessie entführen, wenn du versprichst, mir später ihre Telefonnummer zu geben.“

„Die bekommst du. Und wer weiß … wenn Jessie den Brautstrauß fängt, seid Ihr beiden vielleicht die Nächsten, die heiraten.“

„Ich werde niemals heiraten“, erklärte Nick schnell.

„Ich auch nicht“, pflichtete Jessie ihm bei.

Becky musterte die beiden lächelnd, bevor sie ganz ruhig entgegnete. „Das sagen sie alle.“

„Das reicht jetzt“, protestierte Jessie und schlug der Freundin spielerisch auf den Oberarm. „Nur weil du im siebten Himmel schwebst, heißt das nicht, dass wir alle auf ein Märchen mit Happy End warten.“

„Wie du meinst“, sagte Becky. Dann sah sie noch einmal zu Nick. „Ruf einfach Mark oder mich an, wenn du Jessies Nummer brauchst.“

Nick beobachtete, wie Becky ihre Brautjungfer in Richtung einer großen Holztreppe schleifte und sie dazu anhielt, sich zu ein paar Frauen zu gesellen, die am Fuß der Treppe warteten. Dann lief die Braut ein paar Stufen hinauf und warf ihren wunderschönen Rosenstrauß in die wartende Gruppe.

Das Bouquet segelte durch die Luft – direkt auf Jessie zu. Sie wirkte, als wollte sie sich ducken, musste jedoch in der letzten Sekunde ihre Arme heben, damit die Blumen ihr nicht ins Gesicht schlugen.

Sie war die Auserwählte.

Die anderen Frauen gratulierten ihr eifrig, während der Bräutigam die unverheirateten Herren zu sich rief. „Auf geht’s Jungs! Jetzt ist es an euch, das Strumpfband zu fangen! Mal sehen, wer als Nächster heiratet.“

Es war höchste Zeit, diese Party zu verlassen, dachte Nick. Er hatte nicht die Absicht, der Nächste zu sein.

Während er in Richtung Tür ging, warf er einen letzten Blick in Jessies Richtung. Sie stand neben Becky und lachte. Sogar von fern konnte Nick sehen, wir ihr rotes Haar im Schein der Weihnachtslichter schimmerte.

Schade. Er hätte sehr gerne eine Nacht damit verbracht, sie besser kennenzulernen.

Doch das konnte er immer noch. Er wusste ja, wo er ihre Nummer bekam.

1. KAPITEL

Jessie seufzte, als ihr Telefon läutete. Sie konnte unmöglich rangehen. Unter ihrem Schreibtisch zusammengekauert, suchte sie gerade verzweifelt nach einer funktionierenden Steckdose, wobei sie nicht zum ersten Mal die alten elektrischen Leitungen in ihrem Büro verfluchte. Bereits drei Mal an diesem Tag hatte es einen Kurzschluss gegeben. Und sie brauchte doch so dringend Strom für ihren Laptop …

Eines Tages würde sie neue Leitungen bekommen. Und wenn ihre Firma den neuen Großauftrag bekäme, um den Jessie gerade verhandelte, wäre dieser Tag vielleicht schon sehr bald.

„Gloria? Kannst du für mich ans Telefon gehen?“, rief sie in der Hoffnung, dass ihre Schwester sie hören konnte.

„Mach ich!“, schrie Gloria zurück und rannte über den polierten Holzboden in Richtung des Telefons.

„Guten Tag, hier ist Jessie Owens Büro. Ja, sie ist hier. Sie braucht nur eine Minute, um ans Telefon zu kommen. Mit wem spreche ich bitte?“

Gloria kniete sich auf den Boden und blickte Jessie an. „Ein Mann namens Nick sagt, ihr hättet euch auf Beckys Hochzeit kennengelernt.“

Nick? Das war eine Überraschung. Wenn man bedachte, wie schnell er geflohen war, nachdem Jessie ihn auf ihr Zimmer gebeten hatte, grenzte sein Anruf wohl an das achte Weltwunder.

Dummer Champagner. Sie hätte nicht so viel von diesem Zeug trinken dürfen. Ihr gesunder Menschenverstand war ihr dadurch abhandengekommen. Während sie sich aus einem Durcheinander von Kabeln befreite, streckte sie eine Hand nach ihrer Schwester aus. „Hilfst du mir bitte auf?“

Etwas zu euphorisch stellte sie sich vor den Schreibtisch, um ihre Schwester hervorzuziehen. Unglücklicherweise verlor sie dabei das Gleichgewicht, und die beiden Frauen stürzten zu Boden.

Sie sahen einander an und kicherten.

„Das war nicht gerade ladylike.“

„Am besten, wir behalten es für uns.“

Jessie lachte immer noch, als sie ins Telefon sprach.

„Hallo, hier ist Jessie.“

„Jessie. Es tut gut, Ihr Lachen zu hören. Ich hatte schon befürchtet, dass Sie nicht mit mir sprechen wollen“, sagte die ruhige, tiefe Stimme am anderen Ende der Leitung.

„Ich war eher davon ausgegangen, dass Sie nicht mit mir sprechen wollen. Nachdem Sie, so schnell Sie konnten, von Beckys Hochzeit verschwunden sind …“

„Es lag nicht an Ihnen.“ Nick klang beinahe reuevoll. „Es lag an dem Strumpfband. Ich wollte auf keinen Fall bei diesem idiotischen Spiel mitmachen.“

Jessie lachte wieder. Sie konnte das verstehen. Nachdem sie das Bouquet gefangen hatte, war sie von einer ganzen Schar überhoffnungsvoller Frauen beglückwünscht worden, nur um ein paar Minuten später mit dem alternden, dicken Junggesellen tanzen zu müssen, der das Strumpfband gefangen hatte.

„Das kann man Ihnen nicht zum Vorwurf machen. Es war ein dämliches Spiel“, pflichtete sie Nick bei.

„Auf Hochzeiten ist so etwas normal. Wenn wir gemeinsam auf Ihr Hotelzimmer gegangen wären, hätten Becky und Mark uns ganz sicher zum nächsten Ehepaar erklärt.“

„Nein, Becky kennt mich. Sie weiß, dass ich nicht heiraten möchte. Die Ehe ist für mich pure Zeitverschwendung.“

Nick lachte. „Ich hoffe, dass Sie in Bezug auf Becky und Mark nicht genauso denken?“

„Natürlich nicht. Nur in Bezug auf mich“, antwortete Jessie, während sie nach dem gerahmten Bild von sich selbst und ihrer besten Freundin griff, das ihren Schreibtisch zierte. Becky in ihrem wunderschönen Brautkleid und Jessie in ihrem hübschen Brautjungfernaufzug. „Die Hochzeit ist lange her. Mindestens drei Monate. Sie sind offenbar sehr beschäftigt gewesen.“

„Ich bin von London nach New York gezogen. Und nebenbei musste ich eine neue Firmensparte ins Leben rufen, die unser Familienunternehmen ins 21. Jahrhundert führen soll. Es war viel los.“

Wieder musste Jessie lachen. „Das mit dem Umzug hätte als Entschuldigung gereicht. Ich bin nicht sauer auf Sie.“

„Gut“, sagte er.

Für ein paar Sekunden war es still. Bis Jessie plötzlich ausrief: „So ein Mist.“

„Was?“, fragte Nick verwirrt.

„Ich bin zu spät dran.“

„Wofür?“

„Ich habe eine Besprechung mit Neukunden und ihrer Agentur. Es wird sowieso kein leichtes Unterfangen, und jetzt komme ich auch noch zu spät.“

„Das klingt anstrengend. Aber Sie sind nicht allein. Ich bin ebenfalls auf dem Weg zu einem schwierigen Unterfangen. Ich muss einen unserer Kunden vor einer riesigen Dummheit bewahren.“

„Das klingt genauso anstrengend“, erwiderte Jessie, zog eine marineblaue Anzugjacke vom Garderobenhaken in ihrem Büro und stürmte dann schnurstracks aus dem rötlich braunen Sandsteingebäude, in dem sich ihre kleine Agentur befand.

„Das wird es wohl auch.“

„Also. Was kann ich für Sie tun?“, fragte Jessie, während sie in Richtung ihrer U-Bahn-Haltestelle rannte. „Ich möchte Sie nicht unter Druck setzen, aber in etwa drei Minuten habe ich meine Metrostation erreicht, und Sie wissen, was das für den Handyempfang bedeutet.“

„Dann komme ich am besten gleich zur Sache. Ich habe mich gefragt, ob Sie mich vielleicht morgen Abend zu einem Wohltätigkeitsball begleiten würden. Ich weiß, dass ich in letzter Minute frage, doch mein Vater hat mich selbst erst gerade darüber informiert, dass ich hingehen muss. Und Sie sagten doch auf Beckys Hochzeit, dass Sie gerne einmal auf einem Ball tanzen würden.“

„Holen Sie mich in einer kürbisförmigen Kutsche ab?“

„Wenn Sie versprechen, gläserne Schuhe zu tragen, dann mache ich das“, antwortete er.

„Die habe ich nicht“, sagte Jessie, als sie die Stufen zur U-Bahn erreichte. „Aber ich komme gerne mit. Wo treffen wir uns?“

„Oh – ich hole Sie wirklich ab, wenn auch nicht in einer Kutsche. Mark hat mir Ihre Adresse gegeben.“

„Okay. So gegen acht Uhr?“

„Sieben wäre besser.“

„Gerne. Bis dann“, antwortete Jessie und versuchte, unbeeindruckt zu klingen.

Doch innerlich jubelte sie. Sie würde zusammen mit dem gutaussehenden Sohn eines Geschäftsmagnaten auf einem Ball tanzen. Es wäre wie bei Cinderella – wenn auch nur für eine Nacht. Und dieser Gedanke machte die bevorstehende Besprechung um vieles leichter erträglich.

Nick sah auf seine Uhr und wünschte sich, dass sein Fahrer endlich die klassische Musik ausschalten und das Gaspedal durchtreten würde. Ungeduldig lehnte er sich in seinem Sitz nach vorn, bevor er fragte: „Bob, könnten Sie vielleicht etwas schneller fahren?“

Der freundliche Familienchauffeur drehte sich zu ihm um.

„Warum? Kommen Sie zu spät zu einem heißen Date?“

„Nein. Nur zu einer Besprechung mit der wichtigsten Kundin unserer Agentur.“

„Die Kundin, für deren Auftragsrettung Sie aus London zurückgeholt wurden?“

„Genau die.“

„Dann ist mir alles klar. Schnallen Sie sich an, mein Junge.“

Während die Limousine durch eine der elegantesten Alleen der Stadt raste, lehnte Nick sich auf seinem Sitz zurück.

Diese Besprechung machte ihm größere Sorgen, als er zugeben wollte. Wenn er den Kosmetikkonzern mit seinen Ideen zufriedenstellen konnte, wäre die Zukunft seiner Agentur erst einmal gesichert. Dann könnte er den Drohungen vieler Aktionäre, in naher Zukunft aus dem Unternehmen auszusteigen, vielleicht ein Ende setzen.

Innerlich verfluchte Nick seinen Vater dafür, dass er mit Thornton & Co. an die Börse gegangen war, ohne sich mit ihm abzusprechen. Denn seit dem Börsengang war das Unternehmen langsam aber sicher in die roten Zahlen abgerutscht. Wenn Nick nicht ein paar Dinge änderte, würde sein Vater bald die gesamte Firma verkaufen müssen. Und Nick wäre nicht in der Lage, etwas dagegen zu tun. Dabei hatte er seinem Großvater versprochen, dem Familienkonzern auch im 21. Jahrhundert Erfolge zu sichern.

Nick sah aus dem Autofenster und dachte zurück an all die Male, die sein Vater nicht zu den Football- und Fußballspielen seiner Schule erschienen war. Sein Großvater jedoch war immer dort gewesen, um Nick anzufeuern. Er war auch derjenige, der Nick bei den Hausaufgaben half, wenn seine Eltern keine Zeit für ihn hatten. Und derjenige, der ihn zur Abschlussfeier seiner Highschool begleitet hatte.

Alles für das Familienunternehmen zu tun, war das Mindeste, das Nick ihm zurückgeben konnte. Besonders, weil es das Einzige war, worum sein Großvater ihn jemals gebeten hatte.

Nick seufzte. Um den Schaden, den sein Vater angerichtet hatte, wieder gutzumachen, lagen Monate harter Arbeit vor ihm. Wahrscheinlich Jahre. Er musste mit kleinen Schritten anfangen. Zuerst einmal musste er das Vertrauen des Kosmetikriesen Goddess zurückgewinnen. Dann konnte er weitersehen. Der einzige Lichtblick in all dem Chaos war der bevorstehende Abend mit Jessie.

Seit er sie bei Marks Hochzeit in den Armen gehalten hatte, war es Nicks größter Wunsch, sie wiederzusehen. Niemals würde er den Klang ihres Lachens vergessen, und zu den unpassendsten Gelegenheiten hallten ihre verträumten Worte „Wie wär’s, wenn ich Ihnen die Schlüsselkarte für mein Hotelzimmer gebe?“ durch seine Ohren. Vor allem dann, wenn seine Mutter ihn bei gesellschaftlichen Anlässen wieder einmal mit irgendwelchen reichen Erbinnen verkuppeln wollte.

Nick fragte sich, was seine Mutter wohl sagen würde, wenn sie ihn mit Jessie sah? Wahrscheinlich würde sie einfach nur den Kopf schütteln.

Jemand wie Jessie würde niemals das Einverständnis seiner Familie gewinnen. Von dem Wenigen, das Mark über sie erzählt hatte, wusste Nick, dass sie weder den gesellschaftlichen Status noch den Einfluss hatte, der sie in den Augen seiner Eltern zu einem wirklichen Menschen machen konnte. Sie war ein Niemand, irgendwo aus Michigan.

Und Nick wusste aus Erfahrung, was passierte, wenn er Gefühle für ein Mädchen entwickelte, das ein Niemand war. Sie wurde bezahlt, um aus seinem Leben zu verschwinden. Und ihm wurde das Herz gebrochen.

So etwas war ihm nur ein Mal passiert. Seitdem hielt Nick die Beziehungen in seinem Leben einfach. Zwanglos. Er gönnte sich nicht mehr als Affären – und etwas sagte ihm, dass Jessie ebenso wenig an mehr interessiert war.

„Nick?“

Er blinzelte und merkte, dass Bob ihn anstarrte.

„Was?“

„Wir haben das Ziel erreicht.“

„Das Ziel?“

„Ja. Die Firmenzentrale von Goddess.“

„Oh. Natürlich.“ Nick schüttelte den Kopf, um seine Gedanken an den Rotschopf auszublenden. „Danke.“

„Soll ich hier auf Sie warten?“

„Nein, danke. Ich weiß nicht, wie lange diese Besprechung dauert. Fahren Sie zu Ihrer Frau nach Hause, Bob. Ich rufe mir später ein Taxi.“

„Sind Sie sicher?“

„Ja.“

„Danke“, sagte Bob mit einem Grinsen. „Und nur damit Sie es wissen … Ich sehne mich nach dem Tag, wo Sie für die Leitung des Unternehmens verantwortlich sind.“

„Ich auch, Bob. Ich auch.“

Und mit diesen Worten lief er in Richtung des gläsernen Gebäudes, das die Zentrale seiner wichtigsten Auftraggeber darstellte.

Nick winkte der blonden Rezeptionistin zu, während er durch das Marmorfoyer schritt, und sah dann auf seine Armbanduhr. Sieben Minuten nach drei. Verdammt. Das bedeutete, dass die Besprechung bereits ohne ihn begonnen hatte.

Dennoch war es kein Problem, das ein guter Eindruck nicht lösen konnte. Nick nahm einen tiefen Atemzug und öffnete die Tür, bereit für eine charmante Entschuldigung.

Doch was, oder besser gesagt, wen er am gläsernen Konferenztisch sah, ließ die Worte auf seinen Lippen ersterben.

„Jessie? Was tun Sie denn hier?“

Der umwerfende Rotschopf löste seinen Blick für einen Moment von dem Computerbildschirm, auf den die elegante grauhaarige Vorstandsvorsitzende von Goddess wies. Ein verwirrter Blick trat in Jessies Augen, als sie Nick erkannte.

„Arbeiten. Aber was tun Sie hier, Nick?“

„Arbeiten.“

Schnell übernahm die Vorstandvorsitzende die Gesprächsführung. „Ich sehe, Sie beide kennen einander bereits. Wie praktisch.“

„Na ja“, sagte Nick. „Wir haben einander schon einmal gesehen. Doch nicht in beruflichem Kontext.“

„Ich wusste gar nicht, dass Nick in der Werbebranche arbeitet“, fügte Jessie hinzu.

„Oh. Sie beide werden einander in Zukunft öfter sehen“, erklärte Phyllis. „Nick … Jessies Agentur ist unser neuer digitaler Partner. Ich habe Sie beide zu dieser Besprechung kommen lassen, damit wir unsere neue Werbestrategie ausdiskutieren können.“

Plötzlich passten die Puzzleteile zusammen. Jessie war die Eigentümerin der Agentur, deren Konsultation er Goddess-Kosmetik ausreden wollte.

Und mit dieser Erkenntnis war der Kampf um die Alleinverantwortung für die Goddess-Werbung keine simple berufliche Herausforderung mehr. Stattdessen stand Nick vor einem unerwarteten Problem.

Wenn er der Rettung seiner Firma den Vorrang einräumte, würden seine Träume von einer heißen Affäre mit Jessie zu Asche zerfallen. Und dennoch war es der einzige Ausweg.

Langsam nahm er an dem gläsernen Konferenztisch Platz. „Ich bin sicher, dass Jessie und ihr Unternehmen eine Menge Erfahrung in der digitalen Werbung mitbringen. Dennoch denke ich nicht, dass es notwendig ist, einen derart großen Anteil des Marketingbudgets in Onlinekampagnen zu investieren.“ Er hatte die Verteidigung der klassischen Werbung sorgfältig vorbereitet.

„Und genau da werden wir beide uns nicht einig, Nick“, fiel Phyllis ihm ins Wort. „Mein Entschluss, einen Großteil der Kampagne von Roar durchführen zu lassen, ist indiskutabel. Wir haben Jessies Mitarbeiter eine gründliche Analyse unserer Werbebilanz der letzten Jahre anfertigen lassen und daraufhin beschlossen, dass sich etwas ändern muss. Die Strategie von Thornton und Co. ist vollkommen überholt. Sie erzielt nicht mehr die Ergebnisse, die wir brauchen.“

Autor

Amber Page
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