Gefährlich viel Sex-Appeal

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Acht Jahre hat er Morgan nicht gesehen - doch nie wird Bodyguard Noah Fraser vergessen, wie die süße Blondine versuchte, ihn frech zu verführen. Damals konnte er ihr knapp widerstehen, nun soll er die Erbin erneut beschützen. Doch wer schützt ihn vor ihrem Sex-Appeal?


  • Erscheinungstag 28.10.2014
  • Bandnummer 0022
  • ISBN / Artikelnummer 9783733701079
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

Acht Jahre früher

Noah Fraser sah zur Stuckdecke empor und seufzte. Ein Glück, dass er gerade keinen Kilt trug! Allerdings konnte er das, was in seiner Hose vor sich ging, noch eher nachvollziehen als das, was sich in seinem Kopf abspielte. Natürlich, es gab ein altbewährtes Mittel, um das körperliche Verlangen loszuwerden. Aber das kam nicht infrage, denn er war nicht alleine. Also musste er sich anderweitig ablenken.

Durch seine Einsätze in kargen Ländern war er aufgestautes Verlangen gewohnt und wusste, wie man sich auf andere Gedanken brachte. In Gedanken eine Maschinenpistole zu zerlegen war eine Methode, die so gut wie immer funktionierte.

Also gut. Waffendrill.

Noah stieß sich den Kopf an der Sofalehne und fluchte. Was er jetzt wirklich wollte, war, mit diesem unerträglich aufregenden Energiebündel jenseits der Tür zusammen sein – nackt. Er war furchtbar scharf auf sie – und er mochte sie. Damit, dass er so scharf auf sie war, konnte er gerade noch umgehen, aber dass er sie mochte, machte ihm zu schaffen.

Gewissermaßen war es für sie beide ein erstes Mal. Sie hatte zum ersten Mal einen Leibwächter, und er war zum ersten Mal Bodyguard. Seine Mission war, sie zu beschützen. Ihre war es offensichtlich, ihn aus der Ruhe zu bringen. Es war nicht einfach, ihr gegenüber gleichgültig zu sein, denn sie war clever und hatte einen trockenen Humor, der ihm sehr gefiel. Allerdings musste er bald feststellen, dass sie ihr Flirttalent an ihm austestete. Daraus war ein Machtkampf geworden: Sie versuchte, ihm eine Reaktion zu entlocken, und er weigerte sich, diese Reaktion zu zeigen. Er wusste nicht ganz, wie das Spiel stand, aber nach seiner Frustration zu urteilen lag sie klar in Führung.

Den Bolzen durch einen kräftigen Schlag auf den Spannhebel lösen.

Noah warf einen wütenden Blick auf ihre Tür und ärgerte sich über sich selbst. Darüber, was für ein Idiot er war und dass er sich nicht konzentrieren konnte. Sich konzentrieren zu können, die Situation unter Kontrolle zu behalten, genau das waren seine Stärken.

Den Arretierstift herausziehen …

Schon wieder schweiften seine Gedanken ab. Sie hatte ein betörendes Lächeln … und einen atemberaubenden Körper. Straff, kurvig, verlockend und … jung.

Noah drückte sich das Kissen aufs Gesicht und seufzte hinein. Neunzehn … es war zum Heulen. Ein Teenie. Er war doch ein Vollidiot. Morgan Moreau war zu jung – und obendrein seine Klientin! Er arbeitete erst seit sechs Monaten bei CFT, aber er war sicher, dass es absolut nicht drin war, mit einer Klientin zu schlafen.

Und er hatte nicht vor, wegen einer schönen Jugendlichen gefeuert zu werden, ganz egal, wie sexy sie war.

Also atmete er tief durch, nahm das Kissen vom Gesicht und öffnete die Augen.

„Oh Gott!“, rief er und schoss hoch.

„Du bist mir ein schöner Bodyguard. Ich hätte dich ohne Weiteres erstechen können!“, sagte Morgan.

„Du bist nackt“, krächzte er; sein Mund war furchtbar trocken.

Noah konnte seinen Blick nicht von ihrem Körper losreißen. Von ihren festen Brüsten, ihrem flachen Bauch und ihrem … um Himmels willen – sie war komplett enthaart. Das war sein Untergang.

Was dachte er sich eigentlich?

„Du hast eine ausgezeichnete Beobachtungsgabe“, bemerkte Morgan lächelnd und mit verführerischer Stimme.

Morgan setzte sich nackt wie sie war auf die Couch, was Noahs Panik verstärkte. „Ich hätte dich für cleverer gehalten, Noah. Ich bin hier, du bist hier … lass uns ein bisschen Spaß miteinander haben.“

Noah, dessen letzte zwei noch funktionierende Gehirnzellen auf Hochtouren liefen, kniff die Augen zusammen. „Sachte.“

„Ganz einfach und unkompliziert“, konterte Morgan. „Was sagst du?“

Sie könnten … Es musste ja keiner davon erfahren. Sie könnten ein paar Tage lang ganz unverbindlich miteinander ins Bett gehen, und sobald das fanatische Grüppchen gefasst war, das ihre berühmte und reiche Familie bedrohte, würden sie beide wieder getrennte Wege gehen. Er würde seinen nächsten Auftrag bekommen, und sie würde die gleiche Nummer mit dem nächsten Typen abziehen.

Noah runzelte die Stirn. Die Vorstellung, dass sie sich einem anderen nackt zeigte, gefiel ihm nicht. Fast hätte er ihr geraten, sich anderen Männern gegenüber nicht so zu verhalten, doch er konnte es sich gerade noch verkneifen.

Er selbst konnte es überhaupt nicht leiden, wenn man ihm sagte, was er zu tun und zu lassen hatte. Und er begriff nicht, wie er dazu kam, ihr Vorschriften machen zu wollen. Das alles war überhaupt sehr verwirrend; er hatte durchaus Erfahrung mit Frauen, aber so etwas hatte er noch nicht erlebt.

Sein Blick fiel auf ihren Oberkörper – sie hatte die allerschönsten rosigen Brustwarzen. Und er hätte sie so leicht auf seinen Schoß ziehen können …

Neunzehn. Sie war neunzehn. Und seine Klientin. Er riskierte seinen Job.

Sie war betörend. Diese Augen … sie hatten die Farbe von grünem Glas. Neunzehn. Man würde ihn feuern. Er reckte seinen Hals; ihr Po war tatsächlich noch schöner, als er ihn sich vorgestellt hatte.

Noah war mittlerweile steinhart; erhob sich und zog in der Hoffnung, dass Morgan es ihm gleichtun würde, sein T-Shirt über, aber Pustekuchen. Unverwandt starrte er sie an. Wer sollte es schon herausfinden? Es würde doch nie jemand davon erfahren …

Sein Hirn ruderte bereits zurück, doch vor ihm saß ein wunderschönes nacktes Mädchen und bot sich ihm an. Außerdem mochte er sie. Wie lange war es her, dass er ein Mädchen wirklich gemocht hatte?

Als Morgan spürte, wie seine Hand sich um ihr Handgelenk schloss, um sie zu sich hinunter zu ziehen, seufzte sie erleichtert auf. Einen Moment lang hatte sie schon gedacht, dass der stille, aufregende Schotte nein sagen würde. Doch nun streichelte sie seinen gestählten Körper, und seine Küsse waren eine Offenbarung.

Er küsste sie, als sei sie sein Besitz. Sein Mund war warm und weich und aufregend. Morgan spürte, wie seine Finger sich in die Haut an ihrer Hüfte gruben; sie wünschte, dass er mehr mit seinen Händen tun würde … Doch stattdessen küsste er sie innig und ausgiebig; sein Mund schmeckte nach himmlischer Sünde.

Dann zog Noah sie auf seinen Schoß, und sie spürte, wie hart er unter seiner Jeans war. Sie fuhr mit den Händen über seine muskulösen, sonnengebräunten Arme und senkte den Kopf, um seine Schulter zu küssen, während er sie mit erstaunlicher Leichtigkeit in ihr Schlafzimmer trug.

Ein starker, aufregender Schotte … sie konnte es kaum glauben, dass das alles tatsächlich passierte. Endlich!

Noah ließ sie auf die kühlen weißen Laken hinunter, beugte sich über sie, umschloss eine ihrer Brustknospen mit den Lippen und saugte daran. Dann fuhr er mit einer Hand zwischen ihre Beine. Sie wurde von heftigem Verlangen gepackt und bog sich ihm entgegen. Er ließ einen Finger in sie gleiten und hob den Kopf, um ihr ins Gesicht zu sehen.

„So heiß und feucht“, flüsterte er. „Du bist der Traum eines jeden Soldaten, Mädchen.“

Morgan hob den Kopf und ließ sich aufs Bett zurücksinken, während Noah ein Feuer in ihr schürte, in dem sie fast verglühte.

„Unfassbar, dass ich so lange gewartet habe“, murmelte sie. „Wie gut sich das anfühlt!“

Noah hielt in seiner Bewegung inne und löste seinen Mund von ihrer Brust, ein kühler Luftzug streifte die feuchte Haut.

„Entschuldigung. Das wollte ich nicht sagen“, sagte sie rasch, als er von ihr abrückte.

„Hattest du gehofft, ich würde es nicht merken?“

„So in etwa.“

Er kämpfte mit sich, das war nicht zu übersehen. „Was sollte das denn werden? Wolltest du deine Unschuld loswerden, und da bin ich dir gerade recht gekommen?“

Nein! Ja! So ähnlich … Wie sollte sie ihm erklären, dass sie sich mit ihm wohl fühlte? Sicher? Seit ihrer ersten Begegnung wusste sie, dass er glaubwürdig und verlässlich war. Eigenschaften, die man in ihrem Umfeld nicht gerade oft fand. Er gab ihr das Gefühl, geerdet zu sein, wahrhaftig zu sein … und etwas ganz Besonderes.

Dass er obendrein so einen anbetungswürdigen Körper hatte, störte sie nicht …

„Ich dachte nur … du und ich, wir könnten ein bisschen Spaß haben.“

„Spaß, soso.“ Noah schüttelte den Kopf. „Morgan, was denkst du dir eigentlich?“

„Warum bist du so sauer?“, fragte sie und zog die Bettdecke um sich. Sie errötete; sie war verwirrt und fühlte sich gedemütigt. Was hatte er nur? Sie hatte ihn schließlich nicht gebeten, für sie zu putzen, sondern ihm lediglich ihren Körper angeboten.

„Seine Unschuld verschenkt man nicht so eben mal – und schon gar nicht an einen wie …“ Noah verstummte. „Verdammt! Hast du denn keinen Freund? Ich sehe doch, wie deine Kumpel dich ansehen!“

Bei dem bloßen Gedanken schüttelte es sie. „Die können alle ihren Mund nicht halten, und glaub mir, wenn ich mit einem von ihnen im Bett landen würde, dann wäre das ein großes Thema. Und derjenige würde sich richtig was darauf einbilden.“

Ihr war klar, dass sie als eine Art Trophäe gelten würde, weil sie bislang keinen an sich herangelassen hatte. Und diese Genugtuung wollte sie keinem dieser affektierten, seichten Pseudomänner bereiten.

Noah war ganz grün im Gesicht; Morgan fluchte innerlich. Das konnte auch nur ihr passieren, dass einem Mann schlecht wurde, weil sie mit ihm ins Bett wollte.

„Dann hast du dir also überlegt, einfach zu nehmen, was kommt?“

Einfach nehmen, was kommt? Tickte er noch ganz richtig? Er war besser als all die Schnösel zusammen … „Nein, ich … was genau ist eigentlich dein Problem?“

„Ich will nur wissen, auf welcher Stufe der Hierarchie ich stehe. Etwas höher als der Kerl, der den Pool sauber macht, aber unter dem Reitlehrer? Was kommt als Nächstes? Wirst du mir Geld bieten?“

Jetzt ging er aber zu weit. „Hör auf, so fies zu sein, Noah. Ich mag dich gern, und ich dachte, es könnte ja sein, dass du mich auch magst … wenigstens ein bisschen. Ich dachte, wir wären so was Ähnliches wie Freunde. Und mit jemandem, der etwas Ähnliches ist wie ein Freund, hätte ich es lieber gemacht als mit jemandem, der mich nur als Trophäe sieht.“

Doch Noah hörte ihr nicht zu. Er fluchte mit schottischem Akzent vor sich hin „Ich wusste, dass das nicht gut ausgeht. Was ist nur mit mir los? Wie konnte ich mich nur dazu hinreißen lassen? Wenn sie das rausfindet, wirft sie mich achtkantig raus.“

Wer? Was um alles in der Welt redete er da?

Noah schüttelte den Kopf und stierte sie wütend an. „Zieh dich an. Da läuft nichts, jetzt nicht und auch in Zukunft nicht.“

Noah sah sie noch einmal an, wandte sich fluchend um, verließ ihr Schlafzimmer und knallte die Tür hinter sich zu.

Morgan ringelte sich auf ihrem Bett zusammen und sah durch die geöffnete Fenstertür hinaus; in ihren Augen brannten Tränen. Der Schlaf wollte nicht kommen; nachdem sie endlich weggedämmert war, erwachte sie auch schon wieder und fand eine Fremde in ihrer Wohnung vor.

Noah war verschwunden und hatte eine Leibwächterin geschickt – wohl weil er fürchtete, dass sie so mannstoll war, dass sie gleich den nächsten männlichen Bodyguard vernaschen würde, den man ihr vorgesetzt hätte, dachte Morgan verletzt.

Wenn es ihr darum gegangen wäre, ihre Unschuld zu verlieren, dann hätte sie die halbe Welt darum bitten können. Aber sie wollte nicht die halbe Welt.

Sie wollte ihn.

1. KAPITEL

Noah Fraser machte einen Bogen um ein küssendes Paar und rieb sich das stopplige Kinn. Er ließ den Blick über die wartende Menge schweifen, bis er einen großen hageren Mann erblickte, der die Hände in den Taschen seiner teuren Hose vergraben hatte.

Er fragte sich, was es so Wichtiges geben könnte, dass Chris ihn hier treffen wollte. Vor 20 Stunden war er in Buenos Aires in den Flieger gestiegen, nachdem er dort das Sicherheitssystem eines Museums eine Woche lang auf Herz und Nieren geprüft hatte. Nachdem alle Schwachstellen gefunden waren, hatte er dem Betreiber Lösungen vorgeschlagen – das gehörte zu den Aufgaben ihres gemeinsamen Unternehmens, das sie aufziehen wollten, und es brachte viel ein.

Auf dem Weg durch den Zoll reckte Noah seine Glieder; er freute sich schon auf eine Dusche, ein Bier und darauf, eine Woche lang zu schlafen.

Letzteres war selbstverständlich nicht drin. Er steckte all seine Zeit in den Aufbau der Firma Auterlochie Consulting, und Schlaf war ein Luxus, den er sich nicht leisten konnte.

Was wohl der Grund dafür war, dass Chris, sein ältester Freund und Geschäftspartner, ihn hier treffen wollte? Er schluckte. Das letzte Mal, als Chris ihn am Flughafen treffen wollte, war es, weil Kade, einer ihrer besten Männer, Selbstmord begangen hatte.

„Es ist keiner gestorben“, sagte Chris zur Begrüßung. Sie kannten sich mittlerweile so lange, dass sie einander die Gedanken vom Gesicht ablesen konnten.

Noah verdrehte die Augen, als Chris seine Hand schüttelte und ihn mit einem Arm an sich drückte. Chris war der Einzige, von dem sich Noah irgendwelche öffentlichen Zuneigungsbekundungen gefallen ließ – wenn man jemandem das Leben gerettet hatte, musste man gelegentlich über dessen Sentimentalität hinwegsehen.

Noah rückte seinen Rucksack gerade, während sie den Terminal durchquerten. „Was ist los?“

Chris machte eine Geste, dass sie in ein Café gehen sollten. „Ich werd’s dir erklären. Du siehst furchtbar aus.“

„Danke, freut mich auch, dich zu sehen.“

Zehn Minuten später nippte Noah an seinem Kaffee und bedachte seinen Freund mit einem säuerlichen Blick. Er hatte das Gefühl, seit über 30 Stunden auf den Beinen zu sein, und ihm war schon schwindelig vor Müdigkeit.

„Wie ist es im Museum gelaufen?“, wollte Chris wissen.

„Sehr gut. Sie haben alle Vorschläge angenommen und den Betrag bereits überwiesen, während ich noch vor Ort war.“

„Ja, es ist bereits gutgeschrieben. Das ist leicht verdientes Geld, Noah.“

„Allerdings. Wenn sich rumspricht, dass wir für wenig Geld wertvollen Rat geben, sollten wir unseren Umsatz verdoppeln können.“

„Unsere ursprüngliche Gewinnerwartung haben wir ja bereits übertroffen. Es läuft wirklich richtig gut.“

„Aber das können wir noch besser. Ich möchte, dass wir im Personenschutz und in der Risikobewertung die Marktführerschaft im Vereinigten Königreich übernehmen.“

„Wieso nicht gleich die Weltherrschaft?“, spöttelte Chris.

Chris war weniger ehrgeizig als Noah und stand mit beiden Beinen fest auf dem Boden. Was nicht schlecht war. Denn Noahs Zielstrebigkeit reichte für sie beide. Sie waren ein erstklassiges Team. Chris konnte besser mit Leuten umgehen; es fiel ihm leicht, Menschen für sich einzunehmen. Chris war der Ansprechpartner für Kunden und Angestellte – er war wie ein Kumpel, der große Bruder, der beste Freund für sie. Er war der empfindsame Teil des Unternehmens.

Noah war hartgesotten, entschlossen und zielstrebig; er war die treibende Kraft ihrer Firma. Er bezeichnete sich als diszipliniert, vernünftig, verantwortungsbewusst und engagiert, während Chris sagte, dass er ein Perfektionist und Kontrollfreak sei – und ein emotionaler Krüppel. Ja, ja …

So wurde man eben, wenn man allzu schnell erwachsen werden musste … Noah mochte nicht daran denken, wie furchtbar es gewesen war, als seine Mutter gestorben war. Er atmete tief durch.

Aber er hatte sich unter Kontrolle. Es war lange her, dass seine Welt erschüttert worden war, damals, mit 16.

Noah zwang sich zu einem Lächeln. „Die Weltherrschaft ist erst nächstes Jahr dran.“

Chris zog einen Ordner hervor und legte ihn vor Noah auf den Tisch. Als Noah ihn öffnete, lächelte ihm eine Blondine mit grünen Augen entgegen. Sie stand zwischen ihren berühmten Eltern, ihr Bruder hinter ihr. Die erfolgreichste Familie der Welt, dachte er. Reich, erfolgreich und glücklich. Eine echte Familie.

Noah spürte Neid in sich aufsteigen und sagte sich, dass er dafür, dass er nicht mit seinen Brüdern aufgewachsen war, ganz gut mit ihnen klarkam.

Er konzentrierte sich auf das Foto. Morgan … sie war erwachsen geworden. Sie trug ein knappes cremefarbenes Kleid, das den Blick auf ihre unendlich langen Beine freigab. Ihr blondes Haar hatte sie zu einem Pferdeschwanz gebunden, und ihr dezent geschminktes Gesicht strahlte Zufriedenheit aus. Sie sah fantastisch aus. Glücklich und charismatisch. Sexy.

Es hatte ihm einiges abgefordert, sich damals zurückzuhalten. Weder vorher noch hinterher hatte er sich je so sehr beherrschen müssen wie an jenem Tag, an dem er die wundervolle nackte Morgan Claire Morrisey Moreau im wahrsten Sinne des Wortes links liegen gelassen hatte.

Noah blätterte in dem Orduer. Grundrisse des Forrester-Grantham-Hotels in New York. Fotos der Schmucksammlung der Moreaus … „Ich dachte, Amanda würde sich um die Moreaus kümmern … sie sind doch schon seit Ewigkeiten Klienten von CFT.“

Amanda. Ihre ehemalige Arbeitgeberin und seine ehemalige Geliebte. Sie war eine knallharte Geschäftsfrau. Als sie erfahren hatte, dass Noah die Firma verlassen und ein Konkurrenzunternehmen aufbauen würde, hatte sie ihm die Hölle heiß gemacht.

„Na ja, du weißt, dass ich mit James Moreau zur Schule gegangen bin“, antwortete Chris.

James Moreau war Morgans Bruder, Chef von Moreau International und Sohn von der ‚Diamantenkönigin‘ Hannah Moreau, und Jedd Moreau, einem Geologen von Weltruf.

Moreau International besaß Minen, in denen Diamanten und andere Edelsteine abgebaut wurden, handelte mit den Steinen und betrieb in den wichtigsten Metropolen exklusive Schmuckgeschäfte. Hannah war als Gesicht der Firma grundsätzlich in der Schusslinie, und CFT hatte ihr und Jedd in besonderen Situationen zusätzlich zu den festangestellten Chauffeuren, die gleichzeitig als Leibwächter fungierten, weitere Bodyguards zur Verfügung gestellt. Nur in Ausnahmefällen – wenn eine besondere Bedrohung vorlag – wurde dieser Schutz auf James und Morgan und Angestellte des Unternehmens ausgeweitet.

Kurz nach Beendigung seines Militärdienstes vor acht Jahren hatte Noah die damals 19-jährige Morgan eine Woche lang bewachen müssen, weil eine Grüppchen von dummen, aber finanziell gut ausgestatteten militanten Umweltschützern gegen Abbautätigkeiten in einem Naturschutzgebiet in Uganda protestiert hatte. Sie hatten die wildesten Drohungen gegen Moreau International ausgesprochen, bis sie schließlich erfahren hatten, dass vor Ort keineswegs Edelsteine abgebaut wurden, sondern irgendeine Firma nach Erdgas bohrte.

Eigentlich war Morgan damals nicht wirklich in Gefahr gewesen, aber man hatte es nicht darauf ankommen lassen wollen, und Noah als Neuling im Team hatte den leichten Job bekommen. Er hatte niemandem erzählt, dass es eine der besten Wochen seines Lebens gewesen war. Natürlich, es hatte ihm fast den Verstand geraubt, die Finger von ihr lassen zu müssen. Doch alles in allem hatte er sich in ihrer Gesellschaft sehr wohl gefühlt.

Noah spürte, wie ihm ganz heiß wurde. In jener Nacht war er kurz davor gewesen, seinen Job zu riskieren, um mit ihr zu schlafen. Bei dem Gedanken daran packte ihn noch heute das kalte Grausen. Wenn CFT es herausgefunden hätte, wäre er seine Stelle losgewesen und hätte nie wieder eine Anstellung in der Sicherheitsbranche bekommen. Und Sicherheit war eben sein Metier, das, wofür er ausgebildet war, und damals das Einzige, was er gekonnt hatte.

Er hatte die Armee verlassen, um besser bezahlte Arbeit zu finden, damit er seinen beiden kleinen Brüdern ein Studium am College finanzieren konnte. CFT hatte ihm ein traumhaftes Gehalt gezahlt – und das hätte er fast aufs Spiel gesetzt, um mit Morgan Moreau zu schlafen.

Die sich einfach nur von ihm hatte entjungfern lassen wollen.

Chris’ Stimme holte ihn ins Hier und Jetzt zurück. „Ich habe James erzählt, dass wir unser Angebot auf Sicherheitsanalyse ausgeweitet haben, und ihn bearbeitet, dass er uns Aufträge zuschanzen soll.“

„Verstehe.“

„Wenn wir das hier gut machen, haben wir bei Moreau einen Fuß in der Tür. Und wir wollen sie doch schon so lange als Kunden gewinnen. Denk an die Weltherrschaft …“

„Schon klar … Also, schieß los, worum geht es?“ Noah tippte auf das Foto von Morgan. „Braucht sie mal wieder einen Bodyguard? Wer hat diesmal etwas gegen ihre Familie?“

„Nein, sie braucht keinen Bodyguard.“

„Gut – was ist es dann?“

„Die Moreaus veranstalten alle fünf Jahre einen großen Wohltätigkeitsball, den sie mit einer Ausstellung ihrer Schmucksammlung kombinieren. Die ist unschätzbar wertvoll. Zu dem, was die Familie im Laufe der Generationen gesammelt hat, gehören einige der größten und edelsten Juwelen der Welt“, erklärte Chris. „In letzter Zeit hat es einen starken Anstieg von bewaffneten Raubüberfällen bei solchen Schmuckausstellungen gegeben, und James möchte, dass wir eine gründliche Gefahrenanalyse durchführen. Du müsstest nach New York fliegen, die Sicherheitsmaßnahmen überprüfen, das Hotel in Augenschein nehmen – eben genau das tun, was du am besten kannst. Mit ein bisschen Glück bekommen wir den Auftrag, uns um die Sicherheit des Balls zu kümmern. Aber erst einmal sind es nur ein paar Tage in New York, um bei Moreau International einen Fuß in die Tür zu bekommen. Das Treffen mit den Leuten von MI ist für morgen früh anberaumt. Dein Flieger geht in einer Stunde.“

„Warum fliegst du nicht? Du bist der Schulfreund von James, nicht ich“, brummte Noah. „Ich bin völlig erledigt.“

„Ich habe schon einen Termin mit einem anderen Klienten, und du bist wesentlich besser darin, Strategien für ungünstige Situationen vorherzusehen. Außerdem kannst du dich besser in die Perspektive des Kriminellen hineinversetzen.“

„Danke“, erwiderte Noah trocken. Er streckte seine langen Beine aus und verschränkte die Hände hinter dem Kopf – so konnte er am besten nachdenken – und sah das Bild von Morgan an. Diese schönen Augen, die hohen Wangenknochen, dieser große Mund und dieses elektrisierende Lächeln …

Noah zwang sich, an etwas anderes zu denken als an diesen betörenden Mund. Er sah Chris an, beugte sich vor und stützte die Ellenbogen auf den Tisch. „Und was soll ich anziehen?“

„Ich bin zu dir gefahren und habe dir was eingepackt. Die Tasche ist im Auto.“

Fluchend klappte Noah den Ordner zu. „Ich fürchte, dann muss ich wohl nach New York fliegen.“

Saphire, Rubine, Diamanten. Die üblichen Verdächtigen. Und dann gab es da noch die weniger gebräuchlichen Steine. Alexandrit, der im Tageslicht grün und im Lampenlicht rot aussah. Maw-Sit-Sit, der dieselbe Farbe hatte wie ihre Augen. Rotvioletter Almandingranat und leuchtend blauer Paraibaturmalin.

Für sie als Schmuckdesignerin war es von enormem Vorteil, dass sie Zugang zu den Tresorräumen von Moreau International hatte. So konnte Morgan ihren anspruchsvollen Kunden Unikate mit Steinen außergewöhnlicher Qualität anbieten.

Morgan sah zu Derek, dem Lagerhalter, und dem Sicherheitsbediensteten auf. Die beiden hatten die Steine auf dem Weg aus dem Hochsicherheitsbereich im dritten Stock in ihr geräumiges, helles Atelier in der obersten Etage von Moreau International begleitet.

„Ich nehme den Alexandrit, den Turmalin und die beiden Granate.“ Sie warf noch einen Blick auf die Steine. „Und den fünfzehnkarätigen gelben Diamanten. Wegen der Smaragde sage ich noch Bescheid. Danke, Derek.“

Derek nickte und half Morgan, die Steine wieder zu verstauen. Sie unterschrieb ein Formular, während Derek sprach. „Ich bekomme die Tage ein paar schöne Clinohumite aus Sibirien rein. Interesse?“

Ob sie Interesse an den seltenen braunorangen Steinen hatte, von denen sie nie genug bekommen könnte? Dumme Frage. „Und wie! Wenn du mir ein paar von den schönsten beiseitelegst, bevor Carl sie zu sehen bekommt, hast du was gut bei mir.“

Carl leitete das Team von Goldschmieden, die im Hauptgeschäft von MI arbeiteten, das sich im Erdgeschoss des Gebäudes befand. Moreau hatte es unter die ersten drei Juweliere in New York geschafft und war somit Konkurrent von Tiffany und Cartier. Genau wie Morgan hatte Carl Stammkunden – manche kamen zu beiden. Und so herrschte ein heimlicher Krieg zwischen ihnen, was die Steine betraf. Und die Kunden, bei denen das Geld besonders locker saß.

„Egal, was Carl dir für die Clinohumite bietet – von mir bekommst du zwei Prozent mehr. Bitte, Derek.“ Sie war zwar eine Moreau, aber sie arbeitete unabhängig von Moreau International. Sie musste ihre Steine zu Marktpreisen kaufen und ihre Kreationen mit Gewinn verkaufen – und das wollte sie auch so.

„Natürlich. Ich bin dir noch etwas schuldig für Gails Verlobungsring. Sie hält mich immer noch für einen Gott.“

Morgan lachte. „Freut mich, dass er ihr gefällt.“

Sie hörte, wie ihre Ateliertür hinter Derek und dem Wachmann ins Schloss fiel, setzte sich an ihre Werkbank und drehte an dem mit Diamanten und Tanzaniten verzierten Ring an ihrem Finger.

Morgan konnte nicht leugnen, dass es ihr sehr geholfen hatte, eine Moreau zu sein. Aber es reichte nicht, einen angesehenen Namen zu tragen; kein Mensch würde ein Vermögen für ein Schmuckstück ausgeben, das nicht absolut erstklassig war. Morgans wohlhabende Kunden wollten Statussymbole kaufen, manchmal ziemlich extravagante Stücke.

Schmuck entwerfen und anfertigen war das Einzige, was sie konnte – und sie konnte es richtig gut. Sie liebte ihre Arbeit. Nur – warum war sie dann nicht glücklich? Morgan verzog den Mund, unglücklich war sie ja auch nicht. Aber irgendwie hatte sie das Gefühl, dass ihr etwas fehlte.

Was völlig lächerlich war. Sie war eine Moreau – reich, attraktiv, beliebt. Sie leitete ihr eigenes Unternehmen. Sie sah gut aus. Gut, sie war Single, aber hin und wieder hatte sie eine Affäre, wenn ein Mann ihr nett und attraktiv genug erschien. Nur die große Liebe ließ noch auf sich warten.

Sie führte ein Leben, für das Millionen anderer Mädchen ihre Seele verkauft hätten, und tat sich selber leid? Wie eklig.

„Erde an Morgan?“

Morgan blickte auf und sah ihre beste Freundin in der Tür stehen. Seit ihrer Kindheit waren sie befreundet, sie waren zusammen gereist, hatten zusammen gewohnt, und nun arbeiteten sie zusammen … gewissermaßen. Riley gestaltete die Schaufensterauslagen im Geschäft im Erdgeschoss. Sie gehörte sozusagen zur Familie.

„Hey. Ich wollte gerade einen Kaffee trinken – willst du auch einen?“

Autor

Joss Wood
Schon mit acht Jahren schrieb Joss Wood ihr erstes Buch und hat danach eigentlich nie mehr damit aufgehört. Der Leidenschaft, die sie verspürt, wenn sie ihre Geschichten schwarz auf weiß entstehen lässt, kommt nur ihre Liebe zum Lesen gleich. Und ihre Freude an Reisen, auf denen sie, mit dem Rucksack...
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