Gefährliche Leidenschaft im Castello

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Eva verabscheut ihn - das gefällt Daniele. Denn der italienische Milliardär will eine Scheinehe ohne jede Emotionen. Allerdings werden seine eigenen Gefühle für seine schöne Frau mit jeder Nacht in seinem Castello stärker und gefährlicher …


  • Erscheinungstag 06.06.2019
  • ISBN / Artikelnummer 9783733746995
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Werden Sie wohl still sitzen?“, sagte Eva Bergen gereizt zu dem Mann auf dem Hocker vor ihr. Sie hatte die Blutung auf seiner Nase gestillt und hielt jetzt kleine Klammerpflaster bereit, um die Wunde zu verschließen. Diese relativ simple Aufgabe wurde jedoch dadurch erschwert, dass der Verletzte ungeduldig mit dem rechten Fuß auf den Boden klopfte, wodurch sein gesamter Körper in Bewegung geriet.

Er funkelte sie gereizt an. Sein rechtes Auge schwoll bereits zu und begann sich zu verfärben. „Machen Sie schon!“

„Soll ich die Wunde nun verschließen oder nicht? Ich bin keine Krankenschwester! Für so eine ungewohnte Tätigkeit brauche ich meine volle Konzentration, also halten Sie endlich still!“

Daniele holte tief Luft, biss die Zähne zusammen und sah starr an ihr vorbei. Anscheinend spannte er auch die Muskeln seines rechtens Beins an, denn das Fußklopfen hörte schlagartig auf.

Ebenfalls tief Luft holend beugte Eva sich auf ihrem Hocker vor, den sie höhergestellt hatte, um auf einer Ebene mit Daniele Pellegrini zu sein. Sie zögerte. „Sind Sie sicher, dass sich keiner unserer Ärzte die Wunde ansehen soll? Ihre Nase könnte gebrochen sein!“

„Nun machen Sie schon!“, wiederholte er ungeduldig.

Nervös hob Eva ihre Hand und klebte den ersten Streifen über die Wunde. Sie achtete sorgfältig darauf, so viel Distanz wie möglich zu dem Mann vor ihr zu wahren und den Hautkontakt auf das Nötigste zu beschränken.

Es war erstaunlich, dass Daniele Pellegrini es sogar mit einer blutigen Nase fertigkriegte, wie aus dem Ei gepellt auszusehen. Sein volles dunkelbraunes Haar saß nach wie vor perfekt, sein makellos gebügelter Maßanzug ebenfalls. Kein Zweifel, Pellegrini war ein gut aussehender Mann. Im Flüchtlingslager gab es wohl keine Entwicklungshelferin, die sich nicht nach ihm umgedreht hatte, als er vor einem Monat das erste Mal hier aufgetaucht war.

Das hier war sein zweiter Besuch. Er hatte Eva vor einer halben Stunde angerufen und sie grußlos gefragt, ob sie noch im Lager war. Hätte er sich die Mühe gegeben, auch nur irgendetwas über sie herauszufinden, hätte er gewusst, dass sie wie die anderen Helfer auch in einem eigenen Bereich im Lager untergebracht war.

Als Eva ihn am Telefon darüber aufgeklärt hatte, hatte Daniele Pellegrini ihr mitgeteilt, dass er im Erste-Hilfe-Zelt auf sie warten würde. Er hatte aufgelegt, bevor sie ihn fragen konnte, was er von ihr wollte. Als Eva kurz darauf im Zelt eintraf, hatte sie beim Anblick von Danieles lädiertem Gesicht keine Erklärungen mehr gebraucht …

Nachdem Hurrikan Ivor die Karibikinsel Caballeros heimgesucht hatte, hatte die Blue Train Aid Agency, die schon länger in dem korrupten Land aktiv war, als erste Wohltätigkeitsorganisation ein Lager dort errichtet. Inzwischen, zwei Monate nach der größten Naturkatastrophe, die das Land je heimgesucht hatte, beherbergte das Lager dreißigtausend Menschen in Zelten, Containern und improvisierten Hütten. Die später errichteten Lager der anderen Hilfsorganisationen waren genauso überfüllt. Die Lage war katastrophal.

Daniele war der Bruder des Philanthropen Pieta Pellegrini, der nach dem Hurrikan sofort beschlossen hatte, der Hauptstadt der Insel ein neues Krankenhaus zu spenden. Nur eine Woche später war er jedoch bei einem Hubschrauberunglück ums Leben gekommen.

Eva hatte Pietas Tod sehr bedauert, in der Welt der Hilfsorganisationen war dieser Mann eine eigene Größe gewesen. Ein Mensch, der nicht nur respektiert, sondern auch verehrt worden war. Umso mehr hatte Eva sich gefreut, als sie erfuhr, dass die Familie Pellegrini an seiner Stelle das Krankenhaus bauen würde – im Angedenken an ihn. Die Einwohner der Insel waren dringend darauf angewiesen. Die Hilfsorganisationen taten zwar, was sie konnten, aber es reichte hinten und vorne nicht.

Pietas Schwester Francesca war die treibende Kraft hinter dem Projekt gewesen. Die Entschlossenheit der jungen Frau hatte Eva so gut gefallen, dass sie positive Erwartungen an Francescas Bruder Daniele gehabt hatte – einen mehrfach ausgezeichneten Architekten und Bauunternehmer, der für die Bauarbeiten sorgen würde.

Sie hatte ihn jedoch auf Anhieb unsympathisch gefunden. Der arrogante Idiot hatte förmlich die markante Nase gerümpft, als er sie im Lager abgeholt hatte! Für ein Date, dem sie nur zugestimmt hatte, weil er ihr versichert hatte, dass es kein Date war. Daniele Pellegrini hatte behauptet, dass es ihm ausschließlich darum ging, sich ihren Rat einzuholen, was den Bau des Krankenhauses anging. Eva galt nämlich als eine Art Expertin für das Land und seine Bewohner.

Er hatte sie auf die malerische, vom Hurrikan verschonte Nachbarinsel Aguadilla fliegen lassen und sie in ein exklusives Siebensternehotel gebracht. Dort hatte er viel zu viel getrunken, ihr ständig impertinente Fragen gestellt und schamlos mit ihr geflirtet. Das einzig Positive an ihm war sein gutes Aussehen. Und reich war er auch. Da Männer Eva jedoch kaltließen und sie sich nicht für Geld interessierte, war sie von seinen Flirtversuchen völlig unbeeindruckt geblieben.

Sein entgeisterter Blick war unbezahlbar gewesen, als sie sein Angebot, auf seiner Suite noch einen „Schlummertrunk“ zu trinken, kühl abgelehnt hatte. Daniele Pellegrini, offensichtlich kein Nein gewohnt, wenn es um das andere Geschlecht ging, hatte sie sofort von seinem Chauffeur zum Flughafen zurückfahren lassen, ohne sich von ihr zu verabschieden. Bis heute hatte sie nichts mehr von ihm gehört oder gesehen.

Und dabei wäre es vermutlich geblieben, wenn ihm nicht irgendjemand die Faust ins Gesicht gerammt hätte. Eva hätte gern gewusst, wer das gewesen war – um demjenigen einen Drink zu spendieren.

„Ich bin keine Krankenschwester“, hatte sie protestiert, als Daniele von ihr verlangt hatte, ihn zu verarzten.

Er hatte nur mit den breiten Schultern gezuckt und sie grimmig angeblickt. Von dem charmanten Lächeln, das sie noch von ihrem „Date“ erinnerte, war dieses Mal nichts zu sehen. „Sie müssen nur die Blutung stoppen. Das werden Sie doch wohl hinkriegen.“

Das tat Eva allerdings. Sie war im Lager zwar als Koordinatorin und Übersetzerin angestellt, musste den Ärzten aber öfter zur Hand gehen, wenn Not am Mann war. Was jedoch noch lange nicht hieß, dass sie sich zutraute, eine gebrochene Nase zu richten – schon gar nicht die eines arroganten Milliardärs in einem Anzug, der vermutlich mehr als das durchschnittliche Jahresgehalt hier auf Caballeros gekostet hatte. Wenn die Einwohner überhaupt das Glück hatten, einen Job zu finden.

„Ich hole lieber eine der Krankenschwestern …“

„Nein, die sind alle beschäftigt“, fiel er ihr ungeduldig ins Wort. „Stoppen Sie einfach die Blutung, dann sind Sie mich los.“

Eva war drauf und dran gewesen zu behaupten, dass sie ebenfalls beschäftigt war, aber Danieles kaum gezügelte Wut hatte sie davon abgehalten. Er wirkte, als würde er jeden Moment explodieren. Es erschien ihr nicht ratsam, sich mit ihm anzulegen.

Als Eva nach dem dritten und letzten Streifen griff, fiel ihr einmal mehr der seidige Glanz seines dunklen Haars auf. Hätten seine Geschwister nicht auch so schönes Haar gehabt, hätte sie ihm unterstellt, auf Reisen immer einen persönlichen Friseur im Schlepptau zu haben. Und einen persönlichen Stylisten.

In gewisser Hinsicht konnte sie sogar nachvollziehen, warum er sich in diesem Lager so unwohl fühlte. Daniele war an ein Leben im Luxus gewohnt, und hier drin herrschten Schmutz und Elend. Auch Eva trug nur eine abgetragene Jeans und ein T-Shirt. Niemanden hier interessierte ihr Aussehen. Das hier war ein Flüchtlingslager, da musste man jederzeit damit rechnen, sich die Hände schmutzig zu machen. Sich modisch zu kleiden, wäre nicht nur völlig unpassend, sondern auch total unpraktisch gewesen.

Trotzdem hätte sie in seiner Gegenwart gern gepflegter ausgesehen …

„Halten Sie still!“, rief sie ihm ins Gedächtnis, als er wieder hibbelig wurde. „Ich bin fast fertig. Ich tupfe noch einmal etwas Blut weg, und dann können Sie gehen. Sie müssen die Streifen etwa eine Woche dranlassen und trocken halten.“

Sie griff nach einem antiseptischen Feuchttuch und tupfte sanft ein paar winzige Blutstropfen ab.

Sein Duft stieg Eva in die Nase – ein toller Duft. Er erinnerte sie an Urwälder und exotische Früchte. Wie konnte ein so widerwärtiger Typ nur so gut riechen? Außerdem hatte er tolle Augen, von einem schwer zu beschreibenden Braungrün. Aus denen er sie gerade ansah. Intensiv.

Eva stand einen Moment im Bann seines Blicks, bevor sie erschrocken ihren Hocker zurückschob und aufstand. „Ich hole Ihnen eine Kältekompresse für Ihr Auge“, murmelte sie, um ihre Verwirrung zu verbergen.

„Nicht nötig. Verschwenden Sie nicht meinetwegen Material.“ Daniele griff in die Innentasche seines Jacketts und zog seine Brieftasche heraus. Er entnahm ihr ein paar Banknoten und gab sie Eva. „Hier. Damit Sie das verbrauchte Verbandsmaterial ersetzen können.“ Ohne ein Wort des Danks schlenderte er aus dem Zelt.

Erst als Eva die von seiner Berührung noch kribbelnde Hand öffnete, sah sie, dass er ihr zehn Hundertdollarnoten gegeben hatte …

„Es muss doch eine Alternative geben“, sagte Daniele genervt und schenkte sich noch ein Glas Rotwein ein. „Nimm du das Schloss.“

Seine Schwester Francesca schüttelte den Kopf. „Das geht nicht, das weißt du genau. Ich habe das falsche Geschlecht.“

„Aber ich will nicht heiraten.“ Die Ehe war für Daniele ein rotes Tuch. Er empfand nicht das geringste Bedürfnis nach einer Ehefrau. Er hatte schon immer vermieden, sich festzulegen, wenn es um Frauen ging.

„Wenn du nicht heiratest, wird Matteo alles erben.“

Bei der Erwähnung seines verräterischen Cousins verlor Daniele endgültig die Selbstbeherrschung. Wütend schleuderte er sein Glas gegen eine Wand.

Francesca streckte eine Hand aus, um ihren Verlobten Felipe, einen ehemaligen Elitesoldaten der spanischen Armee, am Einschreiten zu hindern. „Er ist nach dir der nächste männliche Erbe, das ist nun mal so. Wenn du nicht heiratest und das Erbe annimmst, kriegt Matteo alles.“

Daniele holte tief Luft, um seine Wut zu zügeln. Der von der Wand strömende Wein sah aus wie das Blut, das ihm nach der Prügelei mit Matteo von der Nase geströmt war. Sie hätten sich noch viel schlimmer geprügelt, wenn Felipe nicht dazwischengegangen wäre. Doch die Wut war seitdem Danieles ständiger Begleiter.

Matteo hatte sie alle hintergangen.

„Es muss doch einen Weg geben, die Klausel rechtlich außer Kraft zu setzen“, sagte Daniele ungeduldig. Er würde die Wand neu streichen lassen müssen, bevor er die Wohnung neu vermietete. In den letzten Jahren hatte seine Schwester hier gewohnt, doch sie würde nach ihrer Hochzeit demnächst nach Rom ziehen. „Sie ist total mittelalterlich.“

„Ja. Das wissen wir alle. Pieta hat auch schon versucht, sie für ungültig erklären zu lassen, aber das war nicht so einfach wie erhofft. Es kann Monate, wenn nicht Jahre dauern, etwas dagegen zu unternehmen, und währenddessen heiratet Matteo Natasha und nimmt das Erbe an.“

Dieses dämliche Erbe! Es handelte sich um den Landsitz der Familie, der aus einem sechshundert Jahre alten castello und Tausenden Hektar Weinbergen bestand. Die Pellegrinis entstammten einem uralten italienischen Adelsgeschlecht, hatten jedoch schon vor Jahrzehnten ihre Titel abgelegt.

Um den Besitz zusammenzuhalten, konnte nur der älteste Sohn erben. Ein Patriarch des 19. Jahrhunderts, der seinen Ältesten im Verdacht gehabt hatte, homosexuell zu sein, hatte dieses Jahrhunderte alte Gesetz noch um die Zusatzklausel ergänzt, dass der Älteste die Erbschaft nur antreten konnte, wenn er verheiratet war.

Und zwar mit einer Frau. Seltsamerweise hatte der Patriarch das damals ausdrücklich festgehalten …

Bisher war das nie ein Problem gewesen, da jeder schließlich früher oder später heiratete. So war das nun mal, vor allem in der italienischen Aristokratie.

Aber die Zeiten hatten sich geändert.

Daniele war noch ein Kleinkind gewesen, als sein Großvater gestorben war und sein Vater alles geerbt hatte. Als Zweitgeborener hatte er immer gewusst, dass sein älterer Bruder Pieta der nächste Alleinerbe war. Er hatte nie ein Problem damit gehabt. Er hasste das zugige alte Schloss, das viel zu viel Geld verschlang, sowieso. Außerdem hatte es ihm immer eine Art perverser Genugtuung bereitet, Single zu bleiben und ein ganz anderes Leben zu führen als sein pflichtbewusster und seriöser Bruder Pieta.

Doch jetzt war Pieta tot.

Zwei Monate lang hatte Daniele sich an der Hoffnung festgeklammert, dass Pietas Witwe Natasha vielleicht schwanger war – denn sollte sie ein männliches Baby bekommen, würde Daniele sein freies und ungebundenes Leben weiterleben können.

Wie sich inzwischen herausgestellt hatte, war Natasha tatsächlich schwanger – nur leider nicht von Pieta. Noch bevor der Leichnam ihres Mannes in der Erde erkaltet war, hatte sie eine Affäre mit Danieles und Francescas Cousin Matteo angefangen, der seit seinem dreizehnten Lebensjahr wie ein Bruder bei ihnen aufgewachsen war. Der illoyale Bastard hatte Daniele neulich gestanden, dass Natasha von ihm schwanger war!

Jetzt gab es nur noch zwei Möglichkeiten: Entweder suchte Daniele sich eine Frau und gab seine kostbare Freiheit für etwas auf, das er gar nicht wollte, oder der falsche Hund Matteo bekam alles, woran Danieles Vater und Bruder so gehangen hatten.

Und seine Mutter immer noch hing.

Er biss die Zähne zusammen. „Ich muss heiraten.“

„Richtig.“

„Und zwar bald.“

„Hast du schon jemanden ins Auge gefasst?“, fragte Francesca. Sie wusste, wie sehr ihrem Bruder die Vorstellung widerstrebte zu heiraten. Daniele hielt seine Schwester insgeheim für eine noch bessere Juristin als Pieta. Wenn sie es nicht schaffte, die Zusatzklausel außer Kraft zu setzen, würde es niemandem gelingen.

Daniele nahm sich jedoch fest vor, das nachzuholen. Die nächste Generation von Pellegrinis sollte nie zu etwas gezwungen werden, das sie nicht wollte.

Etwas ratlos dachte Daniele an all die Frauen, mit denen er im Laufe der Jahre zusammen gewesen war. Wohl jede Frau, die in der Zwischenzeit noch keinen anderen geheiratet hatte, würde sofort Ja sagen und den nächsten Brautmodenladen stürmen.

Erst dann fiel ihm sein letztes Date ein – das einzige Date, das nicht in seinem Schlafzimmer geendet hatte.

Unwillkürlich berührte er seine Nase. Die Streifen, die Eva Bergen so vorsichtig darauf fixiert hatte, waren noch da, und die Wunde verheilte gut.

Bei seiner ersten Reise nach Caballeros vor einem Monat hatte sie für ihn gedolmetscht. Auf der zerstörten Insel, in der alles in Schutt und Asche zu liegen schien, war sie eine auffallende Erscheinung gewesen. Vielleicht wegen ihres leuchtend roten Haars, das sie in einem mädchenhaften Pferdeschwanz trug. So unnatürlich dieses Rot auch war – er bildete einen tollen Kontrast zu ihrer zarten, hellen Haut.

Und obwohl Eva auch bei ihrer letzten Begegnung nur eine abgetragene Jeans und ein T-Shirt mit dem Logo der Blue Train Aid Agency getragen hatte, war sie für Daniele die schönste und erotischste Frau, der er im Laufe seines dreiunddreißigjährigen Lebens je begegnet war.

Und sie verabscheute ihn zutiefst.

Daniele richtete den Blick wieder auf seine Schwester. „Ja. Ich weiß die perfekte Kandidatin“, sagte er trocken.

Eine Stunde später verließ er seine Wohnung mit der beruhigenden Gewissheit, dass zumindest seine Mutter glücklich über seine Entscheidung sein würde.

Geduldig stand Eva in der Schlange vor den Duschen für das Personal und vertrieb sich die Zeit mit einem Computerspiel auf ihrem Handy. Im Lager gab es nur wenig Wasser, sodass auch die Mitarbeiter der Hilfsorganisationen ihren Anteil streng rationierten. Auch Eva erlaubte sich nur alle drei Tage eine extrem kurze, bestenfalls lauwarme Dusche.

Wie der Rest der Hilfskräfte empfand sie immer eine Mischung aus Schuldgefühlen und Erleichterung, wenn sie an einem freien Wochenende zum Ausgleich den raren Luxus genoss, sich in einem billigen Hotel auf Aguadilla einzuquartieren. Dort lag sie dann stundenlang in der Badewanne, frischte ihre Haarfarbe auf und lackierte ihre Nägel …

Als ihr Handy vibrierte, spielte sie für einen Moment mit dem Gedanken, das Gespräch nicht anzunehmen, überlegte es sich jedoch anders. „Hallo?“

„Eva? Sind Sie das?“

Ihr rutschte fast das Herz in die Hose. „Ja. Wer ist dran?“ Sie wusste durchaus, wer am Apparat war. Die tiefe klangvolle Stimme mit dem starken italienischen Akzent würde sie überall wiedererkennen.

„Daniele Pellegrini. Ich muss Sie sehen.“

„Rufen Sie meine Sekretärin an und vereinbaren Sie einen Termin.“ Eva hatte keine Sekretärin, aber das brauchte dieser arrogante Typ ja nicht zu wissen.

„Es ist wichtig.“

„Na und? Ich will Sie nicht sehen.“

„Das wird sich ändern, wenn Sie wissen, weshalb ich Sie sehen will.“

„Nein, wird es nicht. Sie sind ein …“

„Ein Mann mit einem Vorschlag, von dem Ihr Flüchtlingslager finanziell profitieren wird“, schnitt er ihr aalglatt das Wort ab.

„Wie bitte?“

„Näheres verrate ich Ihnen bei unserem Treffen. Ich kann Ihnen aber jetzt schon versichern, dass es sich für Sie und das Lager lohnen wird.“

„Mein nächstes freies Wochenende habe ich erst …“

„Ich bin schon unterwegs nach Aguadilla. Ich schicke jemand zu Ihnen, der Sie zu mir bringt.“

„Wann?“

„Heute Abend. In zwei Stunden werden Sie abgeholt.“

Und mit diesen Worten legte er einfach auf.

2. KAPITEL

Beim Anblick des Luxushotels am Ende der langen Einfahrt bekam Eva ein mulmiges Gefühl. Es handelte sich um dasselbe Hotel, in das Daniele sie bei ihrem ersten „Date“ getrickst hatte. Vermutlich wäre alles andere unter seiner Würde gewesen. Das Eden Hotel war das exklusivste Hotel auf Aguadilla und wurde nur von Stinkreichen frequentiert.

Eva trug diesmal ihr einziges Paar sauberer Jeans und eine schwarze Bluse, die sie wegen eines Stromausfalls im Lager jedoch nicht hatte bügeln können.

Als Daniele sie zuerst hierhergebracht hatte, hatte der Anblick des Hotels sie sofort alarmiert. „Sie haben doch gesagt, dass Sie sich nur über das Krankenhaus unterhalten wollen“, hatte sie scharf gesagt. Sie war davon ausgegangen, dass sie in einem der zahlreichen Restaurants am Strand essen würden, die für ihr gutes, aber günstiges Essen, ihre anregende Musik und ihre entspannte Atmosphäre bekannt waren.

„Das will ich ja auch“, hatte er scheinheilig geantwortet und sie damit noch wütender gemacht. Als sie kurz darauf an den von Kopf bis Fuß durchgestylten Gästen vorbeigegangen waren, hatte sie sich total fehl am Platz gefühlt.

Es war richtig erniedrigend gewesen, aber diesmal wusste sie wenigstens, was auf sie zukam, sodass sie die Hotellobby hocherhobenen Hauptes betrat. Ein Hotelangestellter eilte sofort auf sie zu. Auf dem Schild an seinem Revers stand, dass er der Hotelmanager war.

„Miss Bergen?“, fragte er höflich. Sollte er sich an ihrem Outfit stören, ließ er sich nichts anmerken.

Sie nickte. Wahrscheinlich hatte er sie an ihrem roten Haar erkannt. Und an ihrer unpassenden Kleidung.

„Würden Sie bitte mitkommen?“

Sie folgte ihm an einem riesigen Wasserfall und dem Restaurant vorbei, in dem sie vor einem Monat gegessen hatte. Ein paar Boutiquen und Restaurants weiter kam ein Fahrstuhl. Erst als der Manager auf den Knopf für die oberste Etage drückte, schrillten bei Eva die Alarmglocken. „Wo bringen Sie mich denn hin?“

„Zu Mr. Pellegrinis Suite.“

Sie waren schon angekommen, noch bevor er ausgesprochen hatte. Ein Page öffnete die Tür.

Eva zögerte. Sie hatte damit gerechnet, wieder in einem Restaurant zu essen. Es war keine gute Idee, allein die Suite eines reichen Mannes zu betreten.

Der Manager sah sie auffordernd an. Anscheinend erwartete er von ihr, freiwillig den sicheren Fahrstuhl zu verlassen und sich in die Höhle des Löwen zu begeben.

Sie konnte Nein sagen. Das wäre das Vernünftigste. Sich einfach weigern. Wenn Daniele Pellegrini sie so dringend sprechen wollte, dass er dafür eigens in die Karibik geflogen war, konnte er auch in der Öffentlichkeit mit ihr essen gehen.

Andererseits hatte er nicht den Eindruck vermittelt, dass er eine Frau zu etwas zwingen würde, das sie nicht wollte, so sexbesessen er auch sein mochte.

Zögernd verließ sie den Fahrstuhl und folgte dem Manager einen breiten Flur entlang zu einer Tür. Nachdem er angeklopft hatte, wurde die Tür von einem Butler geöffnet.

„Guten Abend, Miss Bergen“, begrüßte er sie in makellosem Englisch. „Mr. Pellegrini erwartet Sie schon auf der Terrasse. Kann ich Ihnen etwas zu trinken bringen?“

„Ein Glas Wasser bitte“, antwortete sie und versuchte, sich nicht von dem Luxus der Suite beeindrucken zu lassen. Die Anwesenheit des Butlers war eine Erleichterung. Es war beruhigend zu wissen, dass sie nicht allein mit Daniele sein würde.

Nachdem der Manager sich verabschiedet hatte, führte der Butler Eva durch einen hellen großzügigen Wohnbereich zu einer riesigen Terrasse mit toller Aussicht auf die von unzähligen Sternen erhellte nächtliche Karibik. Links befand sich ein ovaler Swimmingpool und rechts ein Tisch, an dem bequem zwölf Leute Platz gefunden hätten, der jedoch nur für zwei gedeckt war. Dort saß der hochgewachsene Daniele Pellegrini – und sah wieder unverschämt gut aus.

Bei ihrem Anblick stand er auf und schlenderte auf sie zu, eine Hand ausgestreckt. „Schön, Sie zu sehen, Eva“, sagte er lächelnd. Seine heutige Laune stand im krassen Gegensatz zu seiner unterschwelligen Wut bei ihrer letzten Begegnung im Erste-Hilfe-Zelt.

Ihr blieb nichts anderes übrig, als ihm die Hand zu schütteln, aber kaum hatte sie ihm ihre gereicht, zog er Eva an sich und küsste sie auf beide Wangen.

Sie erschauerte lustvoll, als sie seine Lippen auf ihrer Haut spürte und ihr wieder sein frischer Duft in die Nase stieg, der ihre Sinne immer auf eine so absurde Art berauschte.

Sie ärgerte sich über sich selbst, weil sie froh war, vorhin geduscht und sich umgezogen zu haben. Daniele sah nämlich mal wieder aus wie aus dem Ei gepellt. In seiner Gegenwart kam sie sich immer vor wie eine abgerissene Straßengöre.

Eva atmete erleichtert auf, als er sie losließ, und unterdrückte den Impuls, ihre von seiner Berührung kribbelnde Hand an ihrer Jeans abzuwischen. „Ihre Nase sieht gut aus“, sagte sie, ihren beschleunigten Herzschlag ignorierend.

Danieles Nase war inzwischen abgeschwollen. Sein rechtes Auge war zwar noch etwas verfärbt, aber ansonsten gab es keine Spuren eines Kampfes mehr. Wieder fragte sie sich, wer wohl Danieles Gegner gewesen war. Einer der vielen korrupten Beamten auf Caballeros? Der eifersüchtige Freund einer Liebhaberin?

„Ja. Sie haben gute Arbeit geleistet.“

Eva lächelte verkrampft. „Waren Sie inzwischen bei einem Arzt?“

Er schnaubte abfällig. „Das war völlig überflüssig.“

Der Butler kehrte mit einem Tablett mit zwei Gläsern und zwei Flaschen Wasser zurück.

„Ich wusste nicht, ob Sie stilles Wasser oder welches mit Kohlensäure bevorzugen, also habe ich Ihnen beides gebracht“, erklärte er. „Wünschen Sie noch etwas, bevor ich das Abendessen serviere?“

Autor

Michelle Smart
Michelle Smart ist ihrer eigenen Aussage zufolge ein kaffeesüchtiger Bücherwurm! Sie hat einen ganz abwechslungsreichen Büchergeschmack, sie liest zum Beispiel Stephen King und Karin Slaughters Werke ebenso gerne wie die von Marian Keyes und Jilly Cooper. Im ländlichen Northamptonshire, mitten in England, leben ihr Mann, ihre beiden Kinder und sie...
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