Gekauftes Glück?

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Der spanische Milliardär Luca Ross ist überzeugt, dass Geld alle Probleme löst. Aber als er sich plötzlich um seinen verwaisten Patensohn kümmern muss, ist er hilflos. Und dann läuft der Kleine auch noch weg! Zum Glück findet die junge Lehrerin Ellie den Ausreißer und gewinnt schnell sein Vertrauen. Das bringt Luca auf eine Idee: Er zahlt Ellie eine immense Summe, wenn sie ein paar Wochen als Jakes Nanny arbeitet. Das ist leicht. Aber sein Begehren für diese unschuldige Schönheit zu ignorieren wird für den Playboy-Milliardär mit jedem Tag schwieriger …


  • Erscheinungstag 19.11.2019
  • Bandnummer 2415
  • ISBN / Artikelnummer 9783733712594
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Sir, die junge Frau wartet noch.“

Luca Ross schwang in seinem ausladenden Schreibtischsessel herum. Es war noch lange nicht Abend, doch dieser Tag war nicht mehr zu retten. Eben hatte er das Kindermädchen entlassen und ein ernstes Gespräch mit seinem sechsjährigen Patensohn geführt. Nun stand noch eine Unterredung mit dieser undurchschaubaren Frau an, die vor einigen Stunden mit Jake hier aufgetaucht war.

Pflichtbeflissen stand die Haushälterin, Miss Muller, in der Tür zu seinem Arbeitszimmer. Sie war eine der wenigen Personen, die sich nicht von Lucas einschüchterndem Auftreten beeindrucken ließen. Mit resoluter Hand und zur vollsten Zufriedenheit des Hausherrn kümmerte sie sich seit vielen Jahren um seine Londoner Stadtvilla.

„Sie können sie jetzt vorlassen“, wies Luca knapp an. „Haben Sie diese Köter in den Hof gesperrt? Sie haben schon genug Dreck hereingebracht, und der Regen wird ihnen wohl kaum schaden! In meinem Haus haben Tiere nichts zu suchen!“

Miss Muller nickte kurz und verschwand.

Zum wiederholten Mal ließ Luca die Geschehnisse des Tages Revue passieren. Sie markierten den absoluten Tiefpunkt in einer langen Reihe von bedauerlichen Vorfällen und misslichen Umständen. Wie Luca es auch drehte und wendete, sein Fazit blieb eindeutig: Er hatte versagt.

Alles hatte damit angefangen, dass sein Patensohn vor einem halben Jahr völlig unerwartet in seine Obhut gekommen war. Wie hätte er ahnen sollen, worauf er sich einließ, als ein Cousin ihn fragte, ob er das Patenamt für seinen Sohn Jake übernehmen wolle? Damals hatte Luca sich geschmeichelt gefühlt und spontan zugesagt, obwohl er noch nie viel für Familie übriggehabt hatte.

Zunächst war alles ganz einfach gewesen. Bei der Taufe hielt Luca das schlafende Baby zum ersten und einzigen Mal auf dem Arm. Bald darauf wanderte die junge Familie nach Amerika aus; naiverweise schien Jakes Vater zu glauben, dass in Kalifornien das Geld auf der Straße läge. An Jakes Geburtstagen schrieb Luca E-Mails und überwies großzügige Summen auf ein Sparkonto, das er eigens für den Jungen eingerichtet hatte. Damit sah er seine Pflichten als erfüllt an. Wie wenig hatte er damit gerechnet, dass jemals mehr von ihm verlangt werden könne! Schon gar nicht, dass er plötzlich allein für das Kind verantwortlich sein würde!

Doch das Schicksal hatte andere Pläne, und Lucas streng geordnetes Leben war von einem Tag auf den anderen gehörig aus den Fugen geraten.

Anfang des Jahres waren Jakes Eltern bei einem tragischen Unglück ums Leben gekommen. Natürlich hatte Luca sich sofort bereit erklärt, Jakes Lebensunterhalt zu finanzieren. Doch Geld allein hatte nicht genügt. Letztlich blieb ihm nichts anderes übrig, als den verwaisten Jungen bei sich aufzunehmen. Und seitdem, so viel musste er sich zähneknirschend eingestehen, war einfach alles schiefgegangen.

Heute Morgen war Jake verschwunden. Obwohl Luca Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt hatte, war der Junge unauffindbar gewesen. Erst am frühen Nachmittag hatte ihn diese seltsame Frau nach Hause gebracht, die Luca nun eingehend befragen wollte.

Sein Versagen setzte seinem Stolz schwer zu. Noch nie war er einer seiner zahlreichen Verpflichtungen nicht gerecht geworden! Nun galt es, Licht in die jüngsten Ereignisse zu bringen, und natürlich musste er Jakes Betreuung besser organisieren. Nicht auszumalen, was alles hätte passieren können! Oder was noch alles passieren konnte! So verfahren die Lage auch schien, Luca war zuversichtlich, dass ihm bald eine Lösung einfallen würde.

Vor der angelehnten Tür trat Ellie unschlüssig von einem Fuß auf den anderen. Schweigend hatte die Haushälterin mit dem stahlgrauen Haar und dem strengen Gesichtsausdruck sie hierhergeführt und war sogleich wieder verschwunden. Wie bestellt und nicht abgeholt stand Ellie nun auf dem Flur. Sollte sie klopfen? Einfach eintreten? Oder besser noch, auf dem Absatz kehrtmachen? Die letzte Möglichkeit schied aus. Schließlich konnte sie ihre Hunde nicht im Stich lassen. Weder die Haushälterin noch der Hausherr schienen Tiere besonders zu mögen. Warum sonst hätten sie die armen Hunde trotz des Regenwetters in den Hof gescheucht?

Ellie befeuchtete ihre Lippen und wrang die Hände, während sie vergeblich versuchte, nicht länger daran zu denken, wie Luca Ross sie vor zwei Stunden in seinem Haus empfangen hatte. Sie hatte doch nur einen kleinen Ausreißer nach Hause bringen wollen! Unverhofft stand sie dann dem bestaussehenden Mann der Welt gegenüber! Beinahe zwei Meter groß, mit tiefschwarzem Haar und dunklen Augen starrte er mit versteinerter Miene auf sie herunter. Sein Anblick verschlug ihr den Atem, und sein kalter Blick ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren. Statt ihr zu danken, beorderte er sie mit ein paar schroffen Worten in die Küche und ließ die Hunde in den Hof sperren. Was hatte das alles zu bedeuten?

Ellie atmete tief ein und straffte die Schultern. Hoffentlich wirkte sie selbstsicherer, als sie sich fühlte. Sie nahm all ihren Mut zusammen, klopfte vorsichtig an die Tür des Arbeitszimmers, zu dem sie soeben vorgelassen worden war, und trat ein.

Der Raum war in weißem Marmor und kühlen Grautönen gehalten. Auf den Bücherregalen standen Reihe um Reihe dicke Schinken aus der Finanzwelt. Links an der Wand hing eine abstrakte Zeichnung, die ihr vage bekannt vorkam, gegenüber bemerkte sie mehrere reich verzierte Uhren unterschiedlicher Größe, von denen jede eine andere Zeit anzeigte. Geradeaus standen drei große Computerbildschirme auf einem riesigen Schreibtisch aus Holz und Granit, hinter dem der Hausherr thronte.

„Entschuldigen Sie, dass Sie warten mussten.“ Luca wies mit dem Kinn auf einen der Ledersessel vor seinem Schreibtisch. Mit kühlem Blick verfolgte er jede von Ellies Bewegungen. Noch nie in seinem Leben war er einer derart unansehnlichen Frau begegnet. Sie war klein und schmächtig; kurzes dunkelbraunes Haar rahmte ihr schmales Gesicht. Ihr weiter Mantel war über und über mit lehmigen Pfotenabdrücken übersät, und ihre schmutzige Jeans endete in von Dreck verkrusteten Wanderstiefeln. Trotz des Wetters hatte sie nicht einmal einen Regenschirm bei sich, sondern trug stattdessen einen breitkrempigen Hut. Sie gehörte definitiv zu der Sorte von Menschen, mit denen er so wenig wie möglich zu tun haben wollte: Taugenichtse, Naturliebhaber, Idealisten. Nein, sie war wirklich ganz und gar nicht sein Typ.

„Bitte setzen Sie sich.“

„Ich weiß nicht, was ich hier noch soll, Mr. Ross. Warum halten Sie mich auf? Mein Tag ist völlig durcheinander!“

„Was Sie nicht sagen. Ich denke wohl, dass ein paar Verzögerungen in Ihrem Tagesablauf nicht annähernd so schwer wiegen wie meine geschäftlichen Einbußen. Miss … Edwards, richtig? Ich bekomme nicht alle Tage einen Anruf, dass mein Patensohn verschwunden ist.“

„Dann seien Sie doch froh, dass ich ihn nach Hause gebracht habe!“ Ellie reckte ihr Kinn vor. Was war dieser Kerl doch für ein Idiot! Ein sechsjähriger Junge war von daheim weggelaufen, hatte mutterseelenallein mehrere viel befahrene Straßen überquert, um durch einen Londoner Park zu streunen, in dem ihm alles Mögliche hätte zustoßen können! Und dieser Typ sorgte sich um seine Geschäfte!

Es tat gut, wütend zu sein. Die Wut hielt ein anderes, ungewohntes und unwillkommenes Gefühl in Schach, das sich beunruhigend schnell in ihrem Bauch ausbreitete, je länger Luca Ross sie über den Tisch hinweg grimmig anstarrte. Dieser Mann war ein Dummkopf! Aber sein Anblick sandte Schauer heißer Funken durch jede Faser ihres Körpers. Noch nie in ihrem Leben war sie einem so unglaublich gut aussehenden Mann begegnet! Sein tief gebräunter Teint, seine fein geschliffenen Gesichtszüge und seine nachtschwarzen Augen waren geradezu perfekt!

Sein feindseliger Blick jedoch verhieß nichts Gutes. Aber das war nicht der Grund, warum ihre Knie weich wurden. Die ungeheure Anziehungskraft dieses Mannes drohte sie zu überwältigen. Rasch besann sie sich auf den Grund ihrer Anwesenheit in seinem Haus.

„Sie haben ja keine Ahnung, wie gefährlich London ist! Ein kleiner Junge, allein in dieser Stadt … das schreit geradezu nach einem Unglück.“

„Zweifellos.“ Luca lehnte sich zurück. „Was für ein Glück Jake doch hatte, dass ausgerechnet Sie zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort waren, um ihn zu retten.“

„Genau.“

„Vielleicht sollten Sie auch in Betracht ziehen, was Sie selbst für ein Glück hatten, dass ich nicht umgehend die Polizei gerufen habe!“

Ellie starrte ihn verdutzt an. Sie konnte seinen Gedankengängen beim besten Willen nicht folgen. „Die Polizei?“

„Ganz recht. Im ersten Moment vermutete ich eine Entführung.“

„Wie bitte?“

„Sehen Sie sich um, Miss Edwards.“

Pflichtschuldig kam Ellie seiner Aufforderung nach und ließ ihren Blick durch den Raum schweifen. Neben der Tür hing ein Original von Picasso, in einer Ecke stand die Marmorstatue einer liegenden Frau.

„Bislang habe ich es nicht für nötig gehalten, Leibwächter zu beschäftigen oder mich für den Fall einer Entführung abzusichern“, erklärte Luca. „Aber ich hatte auch noch nie die Verantwortung für ein unberechenbares Kind. Ich wollte gerade die Polizei hinzuziehen, als Sie mit Jake auftauchten.“ Er machte eine kleine Pause. „Also, welche Rolle haben Sie beim Verschwinden meines Patensohnes gespielt?“

Fassungslos starrte Ellie ihn an. „Sie … Sie denken, dass ich …“

„Warum nicht?“ Lucas Stimme war eisig. „Mit Ihren drei verspielten Hunden wäre es Ihnen doch ein Leichtes, den Jungen aus dem Haus zu locken.“

„Den Jungen aus dem Haus locken? Warum, um alles in der Welt, sollte ich das tun?“

„Nun, Miss Edwards, das ist doch offensichtlich: Wer in einem Haus wie diesem wohnt, verfügt über ausreichend Geld, um eine ansehnliche Summe Lösegeld zu bezahlen. Ich behaupte ja nicht, dass Sie geplant haben, den Jungen zu entführen. Vielleicht hat sich einfach eine günstige Gelegenheit geboten, die Sie spontan ergriffen haben? Vielleicht haben Sie Jake und das Kindermädchen schon einmal zufällig bei einem ihrer Spaziergänge getroffen? Vielleicht haben Sie die beiden beobachtet und sind ihnen gefolgt? Vielleicht haben Sie sich gemerkt, wo der Junge wohnt?“

„Das ist die größte Unverschämtheit, die ich je gehört habe!“ Wutentbrannt sprang Ellie auf.

„Menschen sind zu allem fähig“, stellte Luca nüchtern fest.

„Vielleicht in Ihrer Welt, Mr. Ross! Vielleicht haben Sie nur Menschen um sich, die keine Skrupel kennen, die lügen und stehlen und für Geld alles tun würden! Aber so etwas lasse ich mir nicht unterstellen! Ich hatte nicht die leiseste Ahnung, wo Jake herkommt! Ich konnte ihn nur nach Hause bringen, weil er einen Anhänger mit seiner Adresse um den Hals trug. Wie eine Hundemarke …“

Immerhin besaß Luca genug Anstand, nun seinerseits leicht zu erröten.

„Er wohnt erst seit ein paar Monaten hier. Ich dachte, ein Sechsjähriger braucht irgendeine Art von Erkennungsmerkmal, falls er sich verläuft. Obwohl sein Kindermädchen natürlich strikte Anweisung hatte, ihn nicht aus den Augen zu lassen.“

„Ich war mit den Hunden im Park und habe ihn dort aufgelesen. Ich habe wirklich Besseres zu tun, als mir Ihre absurden Vorwürfe anzuhören!“

Einige Sekunden lang spielte Luca gedankenverloren mit einem Stift. Unvermittelt hob er den Blick und richtete seine atemberaubend schönen Augen auf sie. „Ich glaube Ihnen. Offenbar hatte Jake Langeweile, während sein Kindermädchen in einer privaten Angelegenheit telefonierte, und wollte auf Entdeckungstour gehen.“

Unwillig dachte Luca an seine Unterredung mit Jake. Der Junge hatte jeden Augenkontakt verweigert und beharrlich geschwiegen. Anfangs hatte Luca sich noch bemüht, geduldig und verständnisvoll zu sein. Doch als Jake jede seiner Fragen nur mit einem teilnahmslosen Schulterzucken quittierte, verlor er die Beherrschung.

„Antworte“, hatte er ihn angezischt.

„Ich hasse dieses Haus“, war es daraufhin aus dem Jungen herausgeplatzt. „Mir ist langweilig! Ich will hier nicht bleiben!“

„So sind Sechsjährige eben. Sie sind neugierig und abenteuerlustig.“ In Ellies Stimme schwang immer noch Ärger über die beleidigenden Unterstellungen mit. „Besonders dann, wenn das Gras draußen so viel grüner scheint als drinnen.“

Es war unschwer zu erkennen, dass dieses Haus alles andere war als ein trautes Heim. Statt Zuwendung und Wärme herrschten hier Misstrauen und Kälte. Wie sollte sich ein Kind in so einem Umfeld wohlfühlen? Wie sollte es lernen, dass es so viel Wichtigeres gab als Geld und Reichtum?

Ellies Gedanken schweiften in ihre eigene Kindheit zurück. Sie erinnerte sich nur zu gut, welche zerstörerische Macht Geld und Reichtum ausüben konnten. Schließlich war ihre eigene Mutter eine Frau gewesen, die für Geld alles getan hätte.

Andrea Edwards hatte sich ihr Leben lang nach Luxus und Reichtum gesehnt. Sie war nicht müde geworden, bei jeder Gelegenheit zu betonen, wie sehr Ellies Vater sie enttäuscht hatte. Als einfacher Beamter konnte er seiner Familie nicht mehr als ein passables Auskommen bieten. Mit den Jahren war Andrea immer verbitterter geworden.

All ihre Hoffnungen setzte sie in Ellies jüngere Schwester. Wie ihre Mutter war Lily schon als Kind eine wahre Schönheit, und so hoffte Andrea, dass ihre Tochter einmal all die Träume leben könnte, die ihr selbst verwehrt geblieben waren.

Lily ließ sich von klein auf wie eine Prinzessin hofieren. Ellie hingegen fühlte sich wie das kleine hässliche Entlein. Mit ihrem Aussehen würde sie nie etwas erreichen können, das erkannte sie früh. Nicht einmal ihre Mutter schenkte ihr Aufmerksamkeit.

Doch Ellie war wissbegierig und fleißig, am liebsten steckte sie ihre Nase in Bücher. Die klaren Moralvorstellungen ihres Vaters boten ihr eine sichere Orientierung, und so entwickelte sie bald eine tiefe Abneigung gegen Menschen, die nur vom Streben nach Ruhm und Reichtum getrieben wurden.

Menschen wie dieser überhebliche Milliardär, dem sie nun gegenübersaß. Mit ihm wollte sie wirklich nichts weiter zu tun haben! Wie konnte er nur glauben, sie hätte seinen Patensohn fortgelockt, um ihn unter dem Deckmantel einer guten Tat und natürlich gegen eine satte Belohnung wieder nach Hause zu bringen?

„Wäre damit alles geklärt, Mr. Ross? Ich muss die Hunde bei ihren Besitzern abliefern. Ich habe zwar alle informiert, dass es später wird, aber ich möchte sie wirklich nicht länger warten lassen.“

„Geben Sie mir die Adressen. Ich werde sicherstellen, dass die Hunde abgeliefert werden.“

„Sie halten mich bereits über zwei Stunden hier fest! Ich habe auch meine Verpflichtungen. Mittlerweile dürfte doch wohl klar sein, dass ich keine Verbrecherin bin. Ich werde jetzt gehen und mich um die Hunde kümmern. Sie sind müde und müssen gefüttert werden.“

„Nein. Es gibt noch einiges zu klären. Ich versichere Ihnen, dass die Hunde sicher zu ihren Besitzern gebracht werden.“

„Etwa von Ihrer Haushälterin?“ Ellie verzog das Gesicht zu einer Grimasse.

„Mein Fahrer besitzt selbst zwei Hunde. Er wird sich um ihre Schützlinge kümmern. Natürlich können sie auch noch so lange draußen im Regen bleiben, bis wir beide miteinander fertig sind. Die Entscheidung überlasse ich Ihnen.“

„Mr. Ross, ich habe Ihnen alles gesagt, was es zu sagen gibt“, gab Ellie entnervt zurück. „Jake wollte mit den Hunden spielen, und als ich ihn nach einer erwachsenen Begleitperson fragte, verriet er mir, dass er allein sei. Zuerst glaubte ich ihm nicht, denn Kinder sind ja schlau genug, die Wahrheit ein bisschen zu verdrehen, um ihren Willen durchzusetzen. Doch ich erkannte schnell, dass er nicht geschwindelt hatte. Er war wirklich ganz allein im Park. Natürlich war ich entsetzt. Ich habe ihn umgehend nach Hause gebracht. Ich erwarte keine Belohnung. Ich bin nur erleichtert und …“

„Ja, das habe ich verstanden“, unterbrach Luca. „Lassen Sie uns später auf das Finanzielle zurückkommen.“

„Ich möchte jetzt wirklich gehen, Mr. Ross.“

„Sie haben meinen Patensohn gerettet. Nennen Sie mich Luca. Und du bist … Ellie, wenn ich mich recht erinnere?“

Ellie errötete. Luca. Ein Name voller Kraft und Energie! Er passte gut zu diesem Mann, der sich muskulös und geschmeidig wie eine Raubkatze bewegte. Hastig wischte Ellie diesen seltsamen Gedanken beiseite und willigte mit einem halbherzigen Schulterzucken ein.

„Du scheinst dich mit Kindern auszukennen.“ Lucas Blick war nun vorsichtig und fragend. Seine Gedanken formten sich, während er sprach, und er beobachtete Ellie scharf. „Hast du selbst welche?“

„Ich bin fünfundzwanzig. Da hätte ich recht früh anfangen müssen.“

„Nun, es gibt weitaus jüngere Mütter.“ Er kniff die Augen zusammen. „Und du bist nicht verheiratet.“

Es war eine Feststellung, keine Frage.

„Wie kommst du darauf?“

„Du trägst keinen Ring.“ Ein flüchtiges Grinsen huschte über sein Gesicht. „Aber zurück zu Jake: Er hat ungewöhnlich schnell Vertrauen zu dir gefasst. Als ihr vor der Tür standet, hat er sogar deine Hand gehalten.“ Mit schief gelegtem Kopf blickte er Ellie in die Augen. „Dir mag das wie eine Kleinigkeit erscheinen, Ellie, aber es ist bemerkenswert. Bisher hatte Jake große Schwierigkeiten, sich an seine neue Situation zu gewöhnen und Vertrauen zu fassen.“

„Darf ich fragen, warum er hier ist?“

Luca straffte die Schultern. Niemand hatte je gewagt, ihm eine derart persönliche Frage zu stellen. Er beantwortete aus Prinzip keine Fragen zu seinem Privatleben. Doch unter den gegebenen Umständen musste er wohl eine Ausnahme machen. Allmählich dämmerte ihm, dass die Lösung seines Problems vor ihm saß.

„Seine Eltern kamen bei einem Autounfall ums Leben“, erklärte er tonlos. „Schrecklich. Auf einen Schlag war Jake Waise. Wir kannten uns kaum, aber ich bin nun einmal sein nächster Blutsverwandter und außerdem sein Pate. Sein Vater war mein Cousin. Seine Mutter hatte keine Familie. Also habe ich Jake geerbt, sozusagen.“

„Aber die Dinge laufen nicht so gut, scheint mir. Oder ist er aus einem anderen Grund weggelaufen?“

Hörte er einen leisen Vorwurf in ihrer Stimme? Lucas Verstand setzte aus. Er ließ sich von niemandem zur Rechenschaft ziehen! Schon gar nicht von dieser Frau!

„Was meinst du damit?“ Sein eiskalter Unterton hatte schon gestandenen Männern das Blut in den Adern gefrieren lassen. Doch diese unscheinbare Frau mit den kurzen dunklen Haaren schien völlig unbeeindruckt.

„So etwas kommt in den besten Familien vor.“ Jetzt schien sogar Mitgefühl in ihrer Stimme zu liegen.

Ellie dachte an ihre Schwester. Obwohl es eine Zeit gegeben hatte, in der sie sich sehr nahestanden, war ihre Beziehung heute alles andere als eng.

„Jake lebte in Amerika. Es ist nicht gerade leicht, über diese Entfernung hinweg mit einem Kind in Verbindung zu bleiben.“

„Sicher.“

„Ich bin ein viel beschäftigter Mann.“ Luca ärgerte sich. Als ob er es nötig hätte, sich dieser Frau gegenüber zu rechtfertigen!

„Ich wollte dich nicht kritisieren.“ Ellie senkte den Blick. Natürlich war ihr klar, dass Luca viel zu sehr mit sich und seinen Geldgeschäften beschäftigt war, als sich um irgendeinen kleinen Jungen am anderen Ende der Welt zu kümmern.

„Tatsache ist, dass es Jake immer noch schwerfällt, hier Fuß zu fassen.“

„Das ist auch kein Wunder! Ich hatte schon oft mit Kindern zu tun, die sich neu zurechtfinden mussten, einmal auch mit einem Kind, das bei einem entfernten Verwandten untergebracht wurde. So etwas braucht viel Zeit.“ Ellie richtete sich auf. Nun war sie in ihrem Metier. „Jake braucht eine Familie. Oder zumindest eine feste Bezugsperson.“

„Kritisierst du mich schon wieder?“, fragte Luca kalt.

Diesmal gab Ellie nicht klein bei. „Ich glaube kaum, dass du Jake hilfst, wenn du ihn den ganzen Tag lang einem unqualifizierten Kindermädchen und deiner Haushälterin überlässt“, entgegnete sie. „Als Lehrerin habe ich durchaus genug Erfahrung im Umgang mit Kindern, um das zu beurteilen.“

„Du bist Lehrerin? Wie interessant.“ Luca kritzelte auf einem Block herum. „Eigentlich hätte ich mir das denken können.“

Feindselig starrte Ellie ihn an. Überdeutlich zeichnete sich ihre Abneigung in ihren zarten femininen Gesichtszügen ab. Ihre großen grünen Augen waren zu engen Schlitzen zusammengekniffen, die vollen Lippen ihres perfekt geschwungenen Mundes fest aufeinandergepresst, das wohlgeformte Kinn kampflustig nach vorn gereckt. Je strenger ihr Ausdruck wurde, desto mehr amüsierte Luca sich. Er grinste breit.

„Ich weiß nicht, was daran witzig sein soll.“ Ellies Herz hämmerte wie wild in ihrer Brust. Lachte er sie etwa aus? Sie wollte wütend werden, doch Lucas Lachen zog sie auf seltsame Weise in seinen Bann. Das war nicht das Lachen des eiskalten Milliardärs, der jedem mit Misstrauen begegnete und auch sie eben noch harsch beschuldigt hatte.

In diesem Lachen erhaschte sie einen kurzen Blick hinter die Mauern, die Luca Ross um sich herum aufgebaut hatte. Sie schauderte. Der Mensch hinter diesen Mauern, das spürte sie deutlich, konnte ihr gefährlicher werden als der, den sie bislang kennengelernt hatte. Er war nicht nur unwiderstehlich gut aussehend, sondern geradezu sündhaft sexy und verführerisch.

„Du solltest dein Gesicht sehen“, sagte Luca. „Schmale Lippen, spitzer Mund, strenge Augen – du siehst wirklich aus wie eine typische Lehrerin!“

Auch dieser Witz hatte seinen wahren Kern, und Ellie fühlte sich verletzt.

„Ich bin eben Lehrerin, und zwar eine sehr gute! Und wenn du es lächerlich findest, dass ich meine Meinung sage, dann ist das dein Problem!“

Lucas kühler Blick ruhte auf ihrem erhitzten Gesicht. Im Gegensatz zu den meisten anderen Menschen hatte sie noch keinerlei Versuche unternommen, ihn zu beeindrucken.

„Nicht lächerlich“, erwiderte er nachdenklich. „Eher erfrischend.“

Sein Telefon vibrierte. Während er abhob und telefonierte, ließ er Ellie nicht einen Moment aus den Augen.

Ellie atmete tief durch. Unter seinem Blick fühlte sie sich ungewohnt verletzlich. Ihr ganzer Körper war in Aufruhr, zugleich rastlos und doch zu keiner Bewegung fähig.

„Die Hunde sind auf dem Weg. Ihre Besitzer werden überglücklich sein, sie wiederzuhaben.“ Luca lehnte sich zurück und legte den Kopf schief. „Darf ich dich etwas fragen, Ellie?“

Sie war sich sicher, dass er das ohnehin tun würde, egal, was sie sagte. Also sparte sie sich die Antwort.

„Warum kümmerst du dich um diese Hunde, obwohl du eine Stelle als Lehrerin hast?“

Darauf war sie nicht gefasst. Hitze stieg in ihr Gesicht. „Was geht dich das an?“

„Ich habe das Kindermädchen gefeuert.“ Luca schien das Thema so abrupt zu wechseln, dass ihr ganz wirr im Kopf wurde.

„Das Kindermädchen?“

„Bereits das zweite in den letzten sechs Monaten.“

„Das ist nicht gut. Jake braucht Verlässlichkeit“, erwiderte Ellie in die Stille hinein. „Kinder brauchen eine feste Bezugsperson, und besonders in Jakes Situation wäre Stabilität sehr wichtig.“ Schmale Lippen … spitzer Mund … strenge Augen. Ellie ärgerte sich, dass sie Lucas dumme Bemerkung so nah an sich herangelassen hatte.

„Ich bin ganz deiner Meinung. Aber was hätte ich tun sollen? Das erste Kindermädchen war eine ältere Frau, die von Jakes Temperament ganz und gar überfordert war. Er ist sehr klug und trotz seiner stillen Art äußerst willensstark. Er weigerte sich einfach, ihr zu gehorchen.“ Luca machte eine Pause. „Wenn er nicht zur Schule gehen wollte, behielt sie ihn einfach zu Hause. Und das geht natürlich gar nicht.“

„Also hat er sich auch noch nicht an seine neue Schule und seine neuen Klassenkameraden gewöhnt?“

Ellie wurde einfach nicht schlau aus diesem Gespräch. Was wollte Luca Ross von ihr? Sie starrte ihn an. Alles an ihm faszinierte sie, angefangen bei den anmutigen Bewegungen seiner Hände, mit denen er seine Worte unterstrich, über die stolze Haltung seines Kopfes, wenn er ihr zuhörte, bis hin zur schroffen Schönheit seiner Gesichtszüge, wenn er nachdachte.

Autor

Cathy Williams

Cathy Willams glaubt fest daran, dass man praktisch alles erreichen kann, wenn man nur lang und hart genug dafür arbeitet. Sie selbst ist das beste Beispiel: Bevor sie vor elf Jahren ihre erste Romance schrieb, wusste sie nur wenig über deren Inhalte und fast nichts über die verschiedenen Schreibtechniken. Aber...

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