Heimliche Liebesträume in Cornwall

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Ein letzter unbeschwerter Urlaub in Cornwall – danach zählt für die bildschöne Arrosa Artega nur noch ihre Pflicht als Kronprinzessin. Aber in dem malerischen Küstenstädtchen begegnet ihr der verwitwete Single-Dad Jack Treloar, der seinen kleinen Töchtern hier eine heile Kindheit bieten will. Arrosa weiß, dass er definitiv der Falsche für sie als zukünftige Königin von Asturia ist. Doch die Liebe geht ihren eigenen Weg. Und der führt die junge Hoheit direkt in die Arme des Mannes, der niemals in ihre Welt passen würde …


  • Erscheinungstag 18.04.2023
  • Bandnummer 082023
  • ISBN / Artikelnummer 9783751518482
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Jack Treloar lehnte sich auf dem unbequemen Steinsitz zurück und betrachtete die anderen Gäste im Freilufttheater. Genau wie er erwartet hatte, bestand das Publikum aus Leuten aus dem Dorf und den umliegenden Orten, die meisten Freunde oder Familie der Schauspieler, dazu einige Touristen. Ein leicht zu erfreuendes, unkritisches Publikum, gern bereit, diese Amateurvorstellung zu unterstützen.

Und all das wollte er verändern.

Obwohl er zugeben musste, dass er von der Leistung des Ensembles angenehm überrascht war. Ja, die Vorstellung wirkte bereits auf den ersten Blick amateurhaft. Ja, die Kostüme waren eindeutig hausgemacht. Und ja, die Kulissen und Requisiten zeigten mehr Begeisterung als Können. Aber die schauspielerische Leistung der Darsteller war wirklich gut – gut genug, um ihn für einen Moment die Kälte der Steinsitze vergessen zu lassen.

Die Darstellerin der Julia spielte besonders überzeugend, obwohl das keine wirkliche Überraschung war. Schließlich war Clem Beaumont ein Profi. Nach Jacks Meinung sollte sie sich lieber irgendwo einen anständig bezahlten Job suchen, statt ihre Nase in seine Angelegenheiten zu stecken.

Wenn er doch nur die hier versammelte Gemeinde von seiner Vision überzeugen könnte!

Er ließ seinen Blick noch einmal über die Zuschauertribüne schweifen. Dieses Freiluft-Amphitheater war ein Juwel. Um die halbrunde Bühne herum stiegen stufenweise Reihen von Steinsitzen auf. Das dahinter sichtbare Meer bildete eine sehr atmosphärische Kulisse, vor allem jetzt, da der Junihimmel begann, sich rosa zu färben.

Jedenfalls könnte es ein Schmuckstück sein, doch im Moment sah das Theater eher aus wie ein ungeschliffener Diamant. Um die erbärmlich wenigen Aufführungen zu sehen, die im Theater stattfanden, mussten die Zuschauer durch einen schlichten Empfangsbereich gehen. Es gab weder Bar noch Restaurant, stattdessen verkauften Freiwillige an einem Klapptisch lauwarmen Weißwein und Bier aus Dosen.

Nirgendwo konnte man sich unter die Leute mischen, in der Pause einen Drink genießen und die Atmosphäre in sich aufnehmen. Aber das Potenzial war erkennbar, und Jack könnte dieses Theater – und damit auch Polhallow – in eine Attraktion für Touristen verwandeln. Polhallow könnte sich zu einem Ort entwickeln, an den die Menschen nicht nur wegen der wunderschönen Küstenlandschaft und Strände strömten – oder aus einem der vielen anderen Gründe, die das Dorf in Cornwall zu einem so attraktiven Urlaubsort machten –, sondern auch wegen des Theaters.

Jack hatte sich eingehend mit dem Theater vertraut gemacht. Die Bühne war groß genug, sodass nicht nur Musicals und Theaterstücke aufgeführt werden, sondern auch Bands auftreten könnten.

Doch zu sagen, dass die Gemeinde hier seine Vision nicht teilte, wäre noch milde ausgedrückt gewesen. Nach ihrem Widerstand gegen seine Pläne zu urteilen, hätte man meinen können, er plane, alles abzureißen, statt zu versuchen, dem Dorf auch außerhalb der Sommersaison Arbeitsplätze und Wohlstand zu bringen. Er hatte sogar garantiert, dass die örtlichen Schulen, Tanzgruppen und Laienschauspieler das Theater weiterhin kostenlos nutzen konnten! Warum also sah die Gemeinde nicht, dass alle davon profitieren würden?

Wahrscheinlich weil er derjenige war, der den Antrag gestellt hatte. Offensichtlich spielte es keine Rolle, dass er inzwischen reich und erfolgreich war. Die Menschen in Polhallow würden in ihm immer nur den rebellischen Unruhestifter sehen.

Nun, sie würden lernen, noch einmal genauer hinzuschauen. Polhallow war der Ort, in dem seine Töchter aufwachsen sollten – hier gab es Natur, jede Menge Aktivitäten an der frischen Luft, und die Menschen waren bodenständiger und weniger an Geld orientiert als die in dem Londoner Viertel, in dem sie vorher gewohnt hatten.

Wenn er die Stadtbewohner für sich gewinnen musste, um seinen Töchtern den Weg zu ebnen, dann würde er das eben tun. Nicht, dass es ihm nicht auch gefallen würde, Respekt in den Augen der Leute zu sehen, die in der Vergangenheit an ihm gezweifelt oder ihn verurteilt hatten.

Eigentlich hatte Jack vorgehabt, in der Pause zu gehen, aber gegen seinen Willen wurde er in den Bann der Tragödie gezogen. Dabei wusste er aus eigener Erfahrung nur zu gut, wohin ein Teenie-Liebesdrama führen konnte …

Doch die Aufführung wurde durch Clems Ausstrahlung und Können zum Leben erweckt, und es wirkte, als würde auch der Rest der Truppe durch sie zu bisher unerwarteten Leistungen angespornt.

Als Julia schließlich auf dem Grab ihres Geliebten zusammenbrach und die letzten Worte gesprochen wurden, spürte Jack das Prickeln von Tränen in seinen Augen. Hastig sah er sich um und hoffte, dass niemand etwas bemerkt hatte.

Er hätte sich keine Sorgen machen müssen. Obwohl seine Anwesenheit zu Beginn für einige Blicke und Kommentare gesorgt hatte, waren die meisten Leute zu sehr in das Stück vertieft, um ihm einen zweiten Blick zu schenken. Stattdessen applaudierten sie begeistert.

Die Frau auf dem Platz neben Jack war da keine Ausnahme. Sie stand auf, klatschte und jauchzte und rief: „Bravo! Bravo!“, als hätte sie die Royal Shakespeare Company gesehen. Trotz ihrer riesigen Sonnenbrille sah er, dass Tränen über ihre Wangen liefen.

Schließlich setzte sie sich wieder, nahm die Sonnenbrille ab und wischte sich schnell über die Augen. Als sie Jacks amüsierten Blick auffing, zuckte sie leicht selbstironisch mit den Schultern.

„War das nicht erstaunlich?“ Sie sprach Englisch ohne erkennbaren Akzent, doch er hörte eine Spur von etwas, das er nicht einordnen konnte, vielleicht Spanisch oder Südfranzösisch, aber nicht ganz.

„Es war nicht das, was ich erwartet hatte“, erwiderte Jack diplomatisch. Erstaunlich war vielleicht übertrieben, aber das Stück war eindeutig nicht die Katastrophe gewesen, mit der er gerechnet hatte.

„Clem ist so talentiert, ich hatte ja keine Ahnung.“ Wieder klatschte die Frau begeistert und sprang auf, als die Hauptdarstellerin nach vorne kam.

Irgendwie kam sie ihm bekannt vor.

„Sind wir uns schon einmal begegnet?“, fragte Jack.

Sie schüttelte den Kopf und schob die Sonnenbrille zurecht. „Ich glaube nicht, ich bin nicht von hier. Ich bin eine Cousine von Clem.“

Es bestand eindeutig eine gewisse Ähnlichkeit zwischen der strahlend lächelnden Schauspielerin und seiner Sitznachbarin. Beide hatten lange dunkle Locken, ovale Gesichter mit hohen Wangenknochen und haselnussbraune Augen mit langen Wimpern über vollen Lippen.

„Das erklärt die Ähnlichkeit“, sagte er.

Sie lächelte, wobei sie etwas nervös wirkte. Doch das konnte wohl kaum mit seiner harmlosen Bemerkung zu tun haben, oder?

„Bleiben Sie lange hier?“, erkundigte er sich.

„Nein.“ Sie klang niedergeschlagen. „Ich muss wieder zurück nach Hause. Sie wissen, wie das ist: Die Pflicht ruft. Aber ich wünschte, ich könnte bleiben. Polhallow ist etwas ganz Besonderes, finden Sie nicht? Ich würde gerne mehr Zeit hier verbringen.“

„Ich weiß, was Sie meinen. Ich bin gerade aus London zurück nach Polhallow gezogen und kann nicht glauben, dass ich so lange gebraucht habe.“

Es war die richtige Entscheidung gewesen, mit seiner Familie nach Cornwall zurückzukehren. London war zu groß, zu dreckig und zu gefährlich für seine Mädchen. Er wollte, dass sie mit Stränden zum Spielen aufwuchsen und dass Meeresluft ihre Lungen füllte.

Natürlich sah ihre Kindheit hier ganz anders aus als seine damals. Wenn er da an das große Haus auf den Klippen mit dem eigenen Swimmingpool dachte. An das Baumhaus und das Spielzimmer, das mit allem gefüllt war, was ihr Herz begehrte …

Jack wusste, dass es nicht gut war, die Mädchen zu verwöhnen. Aber schon allein, weil sie ihre Mutter so früh verloren hatten, fiel es ihm schwer, nicht nachsichtig zu sein. Er wollte ihnen alles geben, was er selbst nie bekommen hatte. Dazu gehörte auch ein Name, der respektiert wurde. Sein Vermögen und sein Erfolg beeindruckten zwar den ein oder anderen in Polhallow, aber für viel zu viele Leute war er immer noch der wilde Treloar-Junge.

Als die Schauspieler nach ihrer letzten Verbeugung die Bühne verließen, begann das Publikum, sich Richtung Ausgang zu bewegen.

„Ich habe mich gefreut, Sie kennenzulernen.“ Jack reichte seiner Sitznachbarin die Hand. „Ich bin Jack Treloar. Ich wünsche Ihnen noch eine schöne Zeit hier. Bitte richten Sie Clem meine Glückwünsche aus. Sie ist wirklich etwas Besonderes.“

Die Frau zögerte, bevor sie seine Hand nahm. Als sich seine Hand um ihre weichen, kühlen Finger schloss, lief ein unerwartetes heftiges Prickeln seinen Arm hinauf. Er musste sich beherrschen, um ihre Hand nicht abrupt loszulassen, als hätte er sich verbrannt.

Es war lange her, dass er eine so starke körperliche Reaktion auf eine Frau gespürt hatte. Seit Lilys Tod nicht mehr. Manchmal dachte er, ein Teil von ihm wäre mit seiner Frau begraben worden.

„Rosy“, sagte sie nach einer kurzen Pause. „Meine Freunde nennen mich Rosy.“

„Schön, Sie kennenzulernen, Rosy. Wenn Sie doch noch etwas länger bleiben sollten, würde ich Sie gern auf einen Drink einladen.“

Rosy schien über sein Angebot genauso erstaunt zu sein, wie er selbst es war. Jack konnte sich nicht einmal erinnern, wann er das letzte Mal eine Frau um ein Date gebeten hatte. Nachdem Lily ungewollt schwanger geworden war, hatte er sie mit achtzehn geheiratet, und seit zwei Jahren war er nun verwitwet.

„Danke, Jack. Vielleicht komme ich eines Tages darauf zurück.“ Grübchen zeigten sich in ihren Wangen und verliehen ihrer auffallenden Schönheit einen fast elfenhaften Charme. Dann nickte sie in Richtung Ausgang. „Ich muss gehen. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend.“

Jack sah ihr nach, wie sie anmutig zum Ausgang ging. Er lächelte schief. Das erste Mal seit Jahren interessierte er sich für eine Frau, und sie konnte nicht schnell genug davonkommen.

Gut gemacht, Treloar!

Er beobachtete sie noch einige Sekunden lang, bevor er sich selbst auf den Weg zum Ausgang machte. Die wenigen Leute, die ihn beachteten, grüßte er, aber er hielt nicht an, um sich einer der plaudernden Grüppchen anzuschließen. Er wäre sowieso nicht willkommen gewesen. Außerdem wollte er unbedingt nach Hause und nach seinen schlafenden Töchtern sehen, ihnen einen Kuss auf die Stirn geben und ihnen wie jeden Tag zuflüstern, dass er bei ihnen war und sie in Sicherheit waren.

Er schaute Rosy hinterher, bis sie hinter einer Abbiegung verschwunden war, dann ging er in die entgegengesetzte Richtung nach Hause. Es war unwahrscheinlich, dass er sie wiedersehen würde, und das war auch gut so. Er hatte keine Zeit für eine Romanze. Seine Familie kam an erster, sein Geschäft an zweiter und die Wiederherstellung seines Namens an dritter Stelle. Das war seine Entscheidung, und dazu stand er.

Aber ein Teil von ihm war immer noch enttäuscht, dass der mysteriösen Rosy vor ihrer Abreise keine Zeit für einen Drink blieb.

Arrosa Artega, künftige Kronprinzessin von Asturia, öffnete die Tür des kleinen Häuschens auf den Klippen. Hier lebte ihre Halbschwester Clem, und Arrosa schätzte den Schlüssel zu diesem Haus mehr als alle ihre königlichen Erbstücke.

Ihr Chauffeur und Leibwächter Henri manövrierte einen sperrigen Korb aus dem Wagen ins Haus, dann ging er wieder hinaus, um das kleine Cottage zu bewachen. Währenddessen schenkte Arrosa sich ein Glas Wein ein, kuschelte sich auf das Sofa im Wohnzimmer und wartete darauf, dass Clem zurückkam.

Vielleicht war es dumm gewesen, die Theateraufführung zu besuchen und einem Fremden gegenüber zu behaupten, dass Clem ihre Cousine war. Aber Arrosa hatte ihre Schwester so lange nicht gesehen und war so stolz auf sie gewesen!

Sie hatte Clem unbedingt auf der Bühne sehen wollen, aber nicht nur darum war sie hergekommen. Arrosa steckte in der Klemme, und Clem war diejenige, die ihr immer weiterhalf, wenn sie weder ein noch aus wusste.

Während sie an dem Wein nippte, sah sie sich in dem gemütlichen Raum mit seinen gefüllten Bücherregalen und farbenfrohen Gemälden um. Clems Kater Gus schlief friedlich auf der Fensterbank.

Dieses Häuschen fühlte sich für Arrosa viel mehr wie ein Zuhause an als das luxuriöse Schloss, in dem sie aufgewachsen war. Sie würde Clems Mutter immer dankbar sein, dass sie seit ihrer Kindheit ihre Ferien hier verbringen und Teil dieser kleinen Familie sein durfte.

Vor vielen Jahren hatte sich Arrosas Vater Zorien in Clems Mutter verliebt. Er hatte ein Verhältnis mit der jungen Französin angefangen, aber ihr seine wahre Herkunft verschwiegen. Simone Beaumont war schwanger geworden, doch noch bevor sie es gemerkt hatten, war Zorien nach Asturia zurückgekehrt und hatte sie verlassen. Später hatte er ihr dann Geld gegeben, damit sie Clems Existenz geheim hielt.

Der Raum war erfüllt von Simones vielseitigem Geschmack, der ihre facettenreiche Persönlichkeit widerspiegelte. Als Arrosa sich an die vielen Sommer erinnerte, die sie hier bei Clem und Simone verbracht hatte, an Simones Zuneigung und Weisheit, schmerzte ihr Herz vor Trauer um die warmherzige Frau.

Sie war immer noch tief in ihre Gedanken versunken, als sie hörte, wie Clem zurückkam. Schnell sprang sie auf, lief zur Tür und umarmte ihre Schwester.

Clem erwiderte die Umarmung, dann trat sie zurück und musterte Arrosa genau.

„Ich freue mich ja sehr, dich zu sehen, Rosy. Aber was, zum Teufel, machst du hier?“, fragte sie, als Arrosa ihr ein Glas Wein reichte.

„Du meinst, abgesehen davon, dass ich meine Schwester als Julia sehen wollte? Clem, du warst brillant.“

„Du bist noch nie zu einer meiner Aufführungen gekommen.“

Schuldbewusst setzte Rosy sich wieder aufs Sofa. „Ich wünschte, ich hätte es schon eher getan. Clem, es tut mir so leid, dass ich nicht zu Simones Beerdigung gekommen bin. Ich habe sie sehr geliebt, aber …“

„Schon gut, sie hätte es verstanden. Und du hast so schöne Blumen geschickt.“

„Aber du bist meine Schwester, ich hätte für dich da sein sollen.“

„Ich weiß, wie schwer es für dich ist, aus dem Palast herauszukommen.“

Das stimmte zwar, war aber keine wirkliche Entschuldigung – nicht, wenn Clem sie brauchte.

„In unserer Kindheit war es viel einfacher“, sagte sie wehmütig. „Vor allem, als ich noch in England zur Schule gegangen bin und meine Wochenenden hier verbringen konnte.“

Es war acht lange Jahre her, dass sie das letzte Mal als Clems französische Cousine Rosy Zeit hier in Polhallow verbracht hatte. In ihrer Erinnerung war jeder Tag sonnig und voller Lachen und Fröhlichkeit gewesen.

Sie war so glücklich gewesen, einfach nur Rosy zu sein, keine Prinzessin.

Clem setzte sich neben sie und drückte ihre Hand. „Sag Rosy, warum bist du wirklich hier? Außer um mich als Julia zu sehen. Ist alles in Ordnung?“

Arrosa nahm einen Schluck Wein und nahm all ihren Mut zusammen, um auszusprechen, was sie kaum zu denken wagte. Ihr letztes Gespräch mit Akil Ortiz hallte durch ihren Kopf.

„Ich bin mir nicht sicher.“ Sie hielt inne und sah ihre Schwester an. „Ich glaube, ich habe gerade jemanden gebeten, mich zu heiraten.“

„Glaubst du, oder hast du? Wer ist der Glückliche?“

Arrosa konnte die Sorge in Clems Stimme hören und versuchte, nicht zusammenzuzucken.

„Akil. Er ist der Herzog von Ortiz, ein aufstrebendes Regierungsmitglied. Sein Vater war einer von Dads schärfsten Kritikern. Unsere Familien sind seit Generationen verfeindet. Du weißt, wie altmodisch Asturier sein können. Aber Akil und ich sind fast schon Freunde. Wir haben viel gemeinsam. Familienehre und Erwartungen und solche Dinge“

Freunde? Du bist nicht einmal mit ihm zusammen? Rosy, die Ehe ist ein großer Schritt. Warum startest du nicht erst einmal mit einem Film und einem gemeinsamen Abendessen? Außerdem, was meinst du damit, dass du ihn gebeten hast, dich zu heiraten?“

Arrosa fühlte sich plötzlich überwältigend müde. Sie versuchte, die richtigen Worte zu finden, um zu erklären, wie sehr Akil ihr dabei geholfen hatte, die Unterstützung der verschiedenen Parteien des Landes für das neue Gesetz zur Thronfolge zu bekommen. Das Gesetz sollte Ende des Sommers verabschiedet werden und Arrosa zur offiziellen Thronfolgerin machen. Schon jetzt veränderte es ihr durch Verpflichtungen geprägtes Leben sehr.

„Clem, alle – meine Eltern, meine Berater, die Zeitungen – drängen mich zu heiraten“, fuhr sie fort und trank noch einen Schluck Wein, während ihr Magen sich vor Sorge über die kommenden Wochen, Monate und Jahre verkrampfte. „Einen Erben zu produzieren. Ich mag Akil, und er versteht meine Welt. Wir haben ähnliche Pläne für Asturia. Als wir darüber gesprochen haben, was ich als Thronfolgerin erreichen möchte, wurde uns klar, wie sehr unsere Ziele übereinstimmen. Plötzlich dachte ich: Na ja, ich könnte es schlechter treffen.“

Aber noch während sie die Worte aussprach, konnte sie selbst hören, wie hohl sie klangen, wie niedergeschlagen sie sich anhörte. Sie war noch nicht ganz siebenundzwanzig. Wollte sie wirklich ohne Liebe heiraten, egal wie vernünftig ihre Wahl sein mochte?

An Clems Gesichtsausdruck erkannte sie, dass ihre Schwester dasselbe dachte.

„Rosy, ich denke, du solltest dir etwas Zeit nehmen und in aller Ruhe darüber nachdenken.“ Clem wählte ihre Worte offensichtlich mit Bedacht. „Du brauchst eine Pause. Bleib ein paar Wochen hier, Rosy. Du weißt, wie gut dir die Seeluft in Cornwall tun wird.“

Arrosa schloss die Augen und stellte sich vor, im sonnigen Cornwall aufzuwachen, lange Spaziergänge am Strand zu machen und unbeschwerte Tage zu genießen.

„Das würde ich sehr gerne, aber ich fahre heute Abend zurück.“ Es war schwer genug gewesen, ihre Abwesenheit am Hof für einen Abend zu verbergen, länger wäre zu gefährlich gewesen.

„Heute Abend? Ach Rosy. Du hast selbst gesagt, dass du in den nächsten Wochen keine Termine hast.“

„Das nicht, aber stell dir mal vor, jemand erkennt mich. So kurz vor der Verabschiedung des neuen Gesetzes könnte es schaden. Als ich letztes Jahr die Grippe hatte und ein paar Wochen im Bett lag, haben die Zeitschriften absurde Artikel veröffentlicht. Sie haben behauptet, ich hätte eine Facelifting machen lassen, sei einer Sekte beigetreten und mit einem Soldaten durchgebrannt.“

Sie versuchte zu lachen, aber an Clems besorgter Miene konnte sie erkennen, dass sie nicht überzeugend klang.

„Ich weiß, das ist albern und sollte mir egal sein. Aber wenn ich plötzlich verschwinde, stöbert mich irgendwann garantiert ein Journalist auf. Dann stellt er Fragen, wer du bist. Das ist das Letzte, was du brauchst, Clem. Am sichersten ist es für dich, wenn wir nicht zusammen gesehen werden.“

Wie sehr sie die Ausflüchte und Lügen hasste! Sie wünschte, sie und Clem könnten ganz offen Schwestern sein, aber Arrosa war seit acht Jahren das Opfer diverser Zeitungsartikel und Spekulationen. Auf keinen Fall wünschte sie ihrer Schwester, dass sie dasselbe durchmachen musste!

„Falls sie dich wirklich finden. Warum sollten sie dich ausgerechnet hier suchen?“ Clem hielt inne, ein nachdenklicher Ausdruck huschte über ihr Gesicht. „Ich könnte an deiner Stelle nach Asturia fliegen.“

Was hatte Clem gerade gesagt? Arrosa musste sich verhört haben. Doch ihre Schwester strahlte diese Entschlossenheit aus, die Arrosa nur allzu gut kannte, eine Entschlossenheit, die normalerweise irgendeinem Unfug vorausging.

„Meinst du das im Ernst? Clem, niemand würde dich je für mich halten.“

„Nicht aus der Nähe. Aber hinten im Auto, mit deiner eleganten Frisur, in deiner Kleidung und mit deiner riesigen Sonnenbrille … Warum nicht? Die Leute sehen, womit sie rechnen.“ Mit jede Sekunde gefiel ihr die Idee besser. „Wir haben etwa die gleiche Figur, die gleiche Hautfarbe. Ich bin Schauspielerin und kann deinen Gang nachahmen. Dann könntest du den Sommer hier verbringen, und ich bleibe in Asturia. Ich kann mich gerade oft genug in der Öffentlichkeit blicken lassen, um den Eindruck zu erwecken, dass du schwer mit den Vorbereitungen für den Gesetzesbeschluss beschäftigt bist. Und in Cornwall wird sich niemand etwas dabei denken, wenn du den Sommer hier verbringst. Wir sagen einfach, ich habe eine Rolle irgendwo anders bekommen und du passt auf meine Katze auf. Ich spreche so oft von meiner Cousine, das wird niemand infrage stellen.“

„Das ist das Verrückteste, was ich je gehört habe. Damit kommen wir niemals durch!“ Wie sehr sie sich wünschte, es könnte funktionieren!

„Wenn du im Palast wohnen würdest oder Dutzende von Dienern hättest, wäre es unmöglich …“

„Aber ich wohne in meinem eigenen Häuschen auf dem Palastgelände“, sagte Arrosa langsam. In ihrem Kopf nahm die Idee langsam Gestalt an. Es war verrückt und unmöglich, und doch … es könnte funktionieren. „Ich bereite meine Mahlzeiten selbst zu. Es kommen zwar Reinigungskräfte zum Putzen, aber nur, wenn ich nicht zu Hause bin“, überlegte sie. „Nur Marie ist regelmäßig bei mir. Henri und sie müssen wir natürlich einweihen, wenn wir mit dem Plan durchkommen wollen.“

Gab es eine Chance? Clem hatte recht, in den nächsten sechs Wochen hatte sie keine Termine, keine Verpflichtungen, keine Meetings. Niemand erwartete, sie zu sehen. Also, wer würde wissen, dass sie nicht wirklich in Asturia war, wenn Clem sich einige Male in der Woche an ihrer Stelle auf dem Rücksitz eines Autos zeigte?

Einen Moment stellte Arrosa sich vor, wie sie in Freiheit aufwachte oder in der Öffentlichkeit spazieren ging, ohne dass jemand Notiz von ihr nahm. Doch dann schob sich die Realität in ihre Träume.

„Aber für dich wäre es sehr einsam, Clem. Du musst aufpassen, dass dich kein Dienstmädchen sieht, kein Gärtner, überhaupt kein Personal. Viele Angestellte arbeiten schon seit meiner Kindheit im Palast. Sie würden sofort erkennen, dass ich es nicht bin.“

„Ich sorge dafür, dass die Presse sieht, wie Henri mich durch die Gegend fährt. Aber in der Zwischenzeit trage ich meine eigene Kleidung, trage meine Haare wild wie immer und erkunde ganz anonym Asturia. Eigentlich wollte ich schon immer mal dorthin, aber irgendwie habe ich es nie geschafft. Für mich wäre es eine Chance, Zorien kennenzulernen. Wenn ich bei dir wohne, wird sich niemand fragen, warum er mich besuchen kommt. Alle werden denken, er verbringt Zeit mit dir.“

Arrosa nahm einen weiteren Schluck Wein und lehnte sich zurück. Clem klang nicht mehr besorgt – sie klang hoffnungsvoll. Arrosa wusste, wie sehr ihre Schwester sich nach einer echten Beziehung zu ihrem Vater sehnte, umso mehr, seit sie ihre Mutter verloren hatte.

Doch ihr gemeinsamer Vater Zorien war in erster Linie Politiker und erst in zweiter Linie Familienvater, und Arrosa war sich nicht sicher, ob Clem jemals von ihm bekommen würde, was sie sich wünschte. Aber ihre Schwester hatte die Chance verdient, das selbst herauszufinden. Einige Wochen in Asturia zu verbringen, könnte ihr diese Gelegenheit geben.

Dann fiel ihr weiterer Einwand ein. „Aber was soll ich ohne dich hier machen?“

Ihre größte Freude in Cornwall war, mit Clem zusammen zu sein.

„Nun, irgendjemand muss Gus füttern. Und du musst natürlich im Meer schwimmen, Strandspaziergänge machen und Scones mit Clotted Cream essen. Du brauchst Zeit für dich, und ich brauche auch dringend einen Tapetenwechsel. Ich schiebe es schon viel zu lange auf, meine eigene Zukunft zu planen. Du würdest mir damit einen Gefallen tun.“

„Natürlich tue ich dir jeden Gefallen.“ Arrosa sah Clem liebevoll an.

„Wir tun uns also gegenseitig einen Gefallen. Wir brauchen beide eine Auszeit von unserem Leben, also warum nicht mal tauschen? Deine Mutter ist zurzeit nicht im Palast, oder?“

„Nein, sie verbringt den Sommer auf Ischia.“

„Dann müssen wir uns keine Sorgen machen. Es ist deine Entscheidung, Rosy. Was möchtest du lieber? Dich sechs Wochen lang vor Akil und der Presse verstecken und dir so viele Sorgen machen, dass du nur noch ein Schatten deiner selbst bist, oder so viele Scones essen, wie du kannst, und am Strand faulenzen?“

„Die Idee ist vollkommen verrückt. Ich kann mir kaum vorstellen, dass es wirklich funktionieren kann.“ Aber der Gedanke war unglaublich verlockend.

„Wenn doch etwas schiefgeht, tauschen wir schnell zurück“, sagte Clem.

Arrosa starrte sie noch eine Minute lang an. Aber sie konnte nicht leugnen, dass sie Ja sagen wollte. Sie brauchte eine Auszeit mehr, als sie zugeben wollte. Warum nicht zustimmen und sehen, was passierte?

„Genau. Lass es uns einfach eine Woche lang ausprobieren, dann sehen wir weiter. Danke, Clem. Cornwall ist genau das, was ich jetzt brauche. Und vielleicht tut es dir wirklich gut, Asturia kennenzulernen.“ Sie erhob ihr Glas, und Clem stieß mit ihr an. „Auf einen Szenenwechsel.“

„Auf die vertauschte Prinzessin.“

2. KAPITEL

Am nächsten Morgen brauchte Arrosa einige Augenblicke, um zu begreifen, wo sie war. So viele Nächte hatte sie geträumt, wieder in dem Cottage in Cornwall zu sein, dass es fast ein Schock war, tatsächlich dort aufzuwachen.

Das gemütliche Schlafzimmer sah genauso aus wie beim letzten Mal, als sie hier geschlafen hatte. Es berührte sie, dass Simone und Clem ihr stets ein Zimmer freigehalten hatten.

Die Wände waren noch immer in demselben Meeresgrün gestrichen, das sie mit Fünfzehn ausgesucht hatte, zusammen mit den Vorhängen und der Bettdecke. Auf dem Frisiertisch standen einige Kosmetika, die sie vor acht Jahren hier gelassen hatte.

Am vergangenen Abend hatte sie nach einem Pyjama gesucht und dabei festgestellt, dass der kleine Einbauschrank mit ihrer alten Kleidung gefüllt war. Das meiste davon passte ihr immer noch. Einige der Kleider waren aus der Mode gekommen und einige nicht für eine Frau Mitte zwanzig geeignet, aber hier musste sie nicht die Prinzessin in Designerkleidung sein, die die Titelbilder zierte. Niemand würde sie hier fotografieren. Hier konnte sie einfach Rosy in Shorts und Bikinioberteil sein. Außerdem konnte sie immer noch Clems Schränke plündern, wenn sie etwas brauchte. 

Doch nicht nur ihr eigenes Zimmer war im Laufe der Jahre erhalten geblieben. Clem war mit achtzehn von zu Hause weggegangen, um die Schauspielschule zu besuchen, und auch ihr Zimmer sah immer noch genauso aus wie früher.

Was Simones Zimmer anging … Arrosa blinzelte die Tränen fort, als sie an der Zimmertür stand. Es gab keine Spur mehr von dem Krankenzimmer, zu dem es geworden war. Vielmehr wirkte es so, als könnte Simone jederzeit hereinspazieren, um sich einen ihrer schicken Schals zu holen.

Ihr Schmuck hing an Haken an der Wand, das Bett war mit Kissen überhäuft, auf dem Fenstersitz mit Blick auf das Meer lag ihre Lieblings-Kaschmirdecke. Es war unvorstellbar, dass sie nicht zurückkommen würde.

Autor

Jessica Gilmore

Jessica Gilmore hat in ihrem Leben schon die verschiedensten Jobs ausgeübt. Sie war zum Beispiel als Au Pair, Bücherverkäuferin und Marketing Managerin tätig und arbeitet inzwischen in einer Umweltorganisation in York, England. Hier lebt sie mit ihrem Ehemann, ihrer gemeinsamen Tochter und dem kuschligen Hund – Letzteren können die beiden...

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