Heiß wie die Sonne in der Wüste

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Eigentlich hat Scheich Amir seine Assistentin Grace nur in seine Heimat mitgenommen, damit sie ihm eine Liste mit Heiratskandidatinnen aufstellt. Aber unter der heißen Wüstensonne entdeckt er plötzlich eine ganz neue, höchst sinnliche Seite an ihr. Ist etwa sie die Richtige?


  • Erscheinungstag 23.05.2019
  • ISBN / Artikelnummer 9783733746841
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

„Bitte, Euer Hoheit, erlauben Sie mir, Sie zuerst beim Scheich anzumelden.“ Graces Stimme klang nervös, als sich die Tür zu Amirs Heiligtum öffnete.

Seine Familie hatte generell diese Wirkung auf andere Menschen, allerdings für gewöhnlich nicht auf seine kompetente Assistentin, die eigentlich immer einen kühlen Kopf behielt. Fünf Jahre Umgang mit der königlichen Familie hatten Grace praktisch immun gegen deren Glanz gemacht. Doch der unangekündigte Besuch eines Familienmitglieds brachte selbst sie aus der Ruhe.

Als der große dunkelhaarige Mann energisch beide Türflügel zu Amirs Arbeitszimmer aufstieß, erhob sich Amir hinter seinem Schreibtisch. „Wie ich sehe, ignorierst du meine Hilfe noch immer“, begrüßte er seinen Bruder.

Nur mit Mühe unterdrückte Grace ein empörtes Schnauben über die Bezeichnung „Hilfe“.

Die düstere Miene von Amirs Bruder besagte deutlich, dass es sich hier nicht um einen Höflichkeitsbesuch handelte.

„Was verschafft mir die Ehre deines Besuchs?“, fragte Amir, obwohl er die Antwort schon kannte. Er hätte sich eben nie mit Tisa einlassen sollen. Das Sexhäschen hatte den Paparazzi so bereitwillig von ihrer Affäre erzählt wie selten eine seiner Gespielinnen vor ihr. Zu jener Zeit jedoch hatte Amir dringend Ablenkung gebraucht, und Tisa war ihm wie die Antwort auf all seine Wünsche erschienen.

Zahir antwortete nicht, sondern starrte den Bruder nur grimmig an. Als der jüngste von drei Brüdern hatte Amir von klein auf an eines gelernt: Es gab Gelegenheiten, da hielt man besser den Mund. Jetzt war eine dieser Gelegenheiten. Er würde nicht den Fehler machen und das Schweigen als Erster brechen.

Stattdessen hielt er dem Blick des Mannes stumm stand.

Gäbe es den Altersunterschied von sieben Jahren nicht, hätten die beiden Männer Zwillinge sein können. Beide hatten dunkles Haar, weder lang noch kurz. Zahir trug seins gepflegt geschnitten wie ein Geschäftsmann, wohingegen Amirs in lässigen Wellen sein Gesicht umrahmte. Beide besaßen die gleichen markanten Züge und waren groß und schlank. Amir war muskulöser als Zahir, weil er regelmäßig im Fitnessstudio trainierte, während Zahir die drahtige Figur eines Reiters besaß. Beide waren teuer gekleidet. Allerdings zog Amir Designer wie Hugo Boss vor, während sein älterer Bruder eher die kühle Eleganz von Armani bevorzugte.

Keine Wimper zuckte über den beiden dunklen Augenpaaren, bis Grace sich diskret räusperte.

Amirs Blick glitt sofort zu seiner Assistentin. Das rote Haar hatte sie zu einem strengen Knoten im Nacken festgesteckt. Im Moment zog sie die gerade Nase ein wenig kraus, und hinter der Brille mit dem dunklen Rahmen blitzten die grün-braunen Augen tadelnd, weil die Brüder schweigend miteinander rangen.

„Brauchst du mich für dieses Meeting?“, fragte sie Amir kühl.

Die gute Grace. Immer loyal, immer zuverlässig. Mit ihrer Frage demonstrierte sie seinem Bruder, dass Amir hier im New Yorker Büro das Sagen hatte, auch wenn Zahir der Thronanwärter sein mochte. Und sie forderte Zahir damit auch unauffällig auf, endlich Amirs Frage zu beantworten. Zahir mochte Amir ignorieren, aber er wäre niemals so unhöflich, das Gleiche mit Grace zu machen.

Immer noch stumm warf Zahir eine Zeitschrift auf Amirs gläserne Schreibtischplatte. Weitere folgten, jede mit dem gleichen schreienden Cover – der Playboy-Prinz und seine neueste Eroberung.

Amir verzog das Gesicht.

Dieses Mal konnte Grace das pikierte Schnauben nicht zurückhalten. Amir wusste nicht, ob ihr Abscheu ihm galt oder seinem Bruder, weil er die Skandalblätter hergebracht hatte. Grace hielt nicht viel von der Parade, die durch sein Schlafzimmer zog, das hatte sie mehr als ein Mal deutlich gemacht.

„Möchten Sie etwas sagen, Miss Brown?“, erkundigte sich Zahir.

Mochte Grace noch so schüchtern sein, als Amirs Assistentin war sie in ihrem Element. Natürlich war Amir ihr Arbeitgeber, doch hier in der Chefetage hielt sie die Zügel eisern in der Hand. Das hier war ihr Territorium – zumindest ihrer Meinung nach.

Jetzt sah sie beide Männer vorwurfsvoll an. „Ich weiß nicht, wer von euch beiden der Geschmacklosere ist – Amir, weil er sich mit einem medienlüsternen Betthäschen eingelassen hat, oder Sie, Hoheit, weil Sie diesen Schund mit ins Büro bringen. Nichtsdestotrotz sehe ich jetzt, dass ich für dieses Meeting nicht gebraucht werde. Daher ziehe ich mich zurück.“

Damit drehte sie sich um und zog die beiden Flügeltüren mit einem resoluten Klick hinter sich ins Schloss.

Zahir lächelte tatsächlich. „Und ich hielt Mutter für streng.“

„Grace passt auf, dass ich nicht übers Ziel hinausschieße“, meinte Amir amüsiert, während er seine Libido im Zaum hielt.

Die Augenblicke, in denen er diese unpassende Anziehung für seine unersetzliche Assistentin verspürte, häuften sich in letzter Zeit. Der funkelnde Blick, mit dem sie ihn und seinen Bruder getadelt hatte, ließ in Amir Gefühle ganz unpassender Art aufflackern.

„Ich wünschte, es wäre so“, bemerkte Zahir kopfschüttelnd.

Damit war die angespannte Stimmung wieder zurück.

„Tisa war ein Fehler“, gab Amir zu. In mehr als nur einer Hinsicht.

„Ja.“

„Bist du aus eigenem Antrieb gekommen, oder hat Vater dich geschickt?“

„Vater hat mich geschickt.“

Also war der König so enttäuscht und wütend, dass er es nicht einmal über sich brachte, den jüngsten Sohn persönlich aufzusuchen. Kalte Finger umschlossen Amirs Magen. „Inzwischen ist mir klar, dass Tisa das Rampenlicht viel zu sehr liebt. Vielleicht habe ich mich auch zu oft mit ihr zusammen blicken lassen, aber … ich bin zumindest nicht mit ihr zusammengezogen, so wie Khalil damals mit Jade. Die beiden haben zwei Jahre zusammengelebt, bevor er sie geheiratet hat.“

Und normalerweise hätte das Jade als Ehefrau inakzeptabel gemacht, doch sie hatte Fürsprecher an höchster Stelle. Ihr Onkel hatte sich für Jades und Khalils Romanze eingesetzt und dafür gesorgt, dass Jade einen Platz in der königlichen Familie von Zorha erhielt.

Zahirs tiefes Stirnrunzeln verriet Amir, wie wenig der Bruder von der Erinnerung an die wilde Ehe ihres Bruders hielt. „Dieses Thema aufzubringen, entschuldigt dein Verhalten keineswegs.“

„Du kannst dem König versichern, dass sein jüngster Sohn in Zukunft bei der Wahl seiner Begleitungen sehr viel vorsichtiger sein wird.“

„Leider reicht eine solche Versicherung nicht mehr aus. Unser Vater will nicht weiter mit ansehen, wie du den Familiennamen in den Schmutz ziehst. Es ist an der Zeit, deinen zügellosen Lebensstil aufzugeben, ein für alle Mal.“

Amir verkniff sich den Kommentar, der ihm auf der Zunge lag. Es wäre mehr als unhöflich. Gegenüber seiner Familie und seinem Volk war er stets loyal. Längst konnte er nicht mehr zählen, wie oft er die Bedürfnisse anderer vor die eigenen gestellt hatte. Er überwachte die geschäftlichen Interessen der Familie in Übersee. Diese Aufgabe ließ ihm nur wenig freie Zeit. Wenn er diese Zeit mit schönen Frauen in unkomplizierten Bindungen verbrachte … was war daran falsch?

„Ich verabrede mich weder mit unschuldigen Mädchen noch mit verheirateten Frauen. Meine Begleiterinnen sind sich von vornherein über die Vergänglichkeit unserer Liaison bewusst.“

„Wie auch der Rest der Welt.“

Bei diesem Satz zuckte Amir leicht zusammen. „Und?“

„Dein Lebensstil wirft ein schlechtes Licht auf unsere Familie und unser Volk.“

„An meinem Lebensstil ist nichts verkehrt.“

„Unser Vater ist anderer Ansicht.“

„Was erwartet er denn von mir? Soll ich etwa enthaltsam leben?“

„Nein.“ Ganz kurz blitzte so etwas wie Mitleid in Zahirs Augen auf. „Der König hat entschieden, dass du heiraten wirst.“

Der König? Also war es ein königlicher Erlass. „Und hat er etwa auch schon meine zukünftige Frau ausgewählt?“, fragte Amir fassungslos.

Zumindest besaß Zahir so viel Anstand, bekümmert auszusehen. „Ja.“

„Das ist doch vollkommen mittelalterlich!“, rief Amir.

Da war wieder das Aufflackern von Mitleid, doch dann verhärtete sich die Miene seines Bruders. „Willst du dich etwa gegen eine königliche Order stellen?“

Ein ungutes Prickeln kroch Amir über den Rücken. Sein Vater pochte fast nie auf den königlichen Status. Wenn er es tat, dann nur, damit seine Familie wusste, dass er seine Meinung nicht mehr ändern würde. Dem Vater den Gehorsam zu verweigern, konnte Amir teuer zu stehen kommen. In dem Fall sollte er sich am besten gleich nach einem neuen Job umsehen, nach einem, bei dem er den Titel Prinz vergessen konnte.

Aber er war dazu erzogen worden, seine Pflicht zu erfüllen. Es käme ihm nie in den Sinn, seinem Vater den Gehorsam zu verweigern. Es sei denn, er würde mit der Order nicht leben können. Und mit dieser Order konnte er leben.

„Nun gut, ich werde die Prinzessin heiraten. Ich nehme doch an, er hat eine Prinzessin ausgewählt?“

„Ja.“

„Und wer ist die Auserwählte?“

„Prinzessin Lina bin Fahd al Marwan.“ Zahir legte eine dünne Aktenmappe auf den Schreibtisch. Sie enthielt eine kurze Biografie und ein Foto der Prinzessin. Die Prinzessin war eine schöne Frau. Vielleicht würde es gar nicht so schlimm werden. Amir hatte nie vorgehabt, aus Liebe zu heiraten, und wenn er ehrlich war, langweilten ihn die vielen kurzfristigen Beziehungen inzwischen. Natürlich hatte er noch nicht an eine Heirat gedacht, aber er war auch nicht unbedingt dagegen. Außerdem hatte er eigene Gründe, aus denen er sich eine langfristigere Ablenkung als Tisa und all die anderen wünschte.

„Also, wann findet die Hochzeit statt?“, fragte er.

1. KAPITEL

„Was hast du gesagt?“ Grace fühlte sich, als hätte sie einen Schlag ins Gesicht erhalten, dabei hatte sie nur einen Auftrag von Amir bekommen.

„Ich möchte, dass du eine Ehefrau für mich findest.“

Sie schloss die Augen, öffnete sie wieder. Doch der Mann stand immer noch da: ihr umwerfender, sexy, der einzige-Mann-auf-der-Welt-für-sie Boss. Eine Sekunde lang hatte sie gehofft, sie hätte sich alles nur eingebildet.

Reichte es denn nicht, dass er ihr vor sechs Wochen eröffnet hatte, dass er irgendeine Prinzessin aus einem benachbarten Scheichtum heiraten würde, weil sein Vater es so wollte? Ihr Herz hatte sich bei dieser Nachricht schmerzhaft zusammengezogen.

Als bekannt wurde, dass Prinzessin Lina mit einer alten Flamme durchgebrannt war und somit den Vertrag der beiden mächtigen Scheiche zunichtegemacht hatte, war Grace unendlich erleichtert gewesen.

Doch nun wollte Amir, dass sie eine Ehefrau für ihn suchte? Warum stieß er ihr nicht gleich ein Messer ins Herz? Viel schlimmer konnte es nicht mehr kommen.

Nun, vielleicht doch, aber selbst schlichte Assistentinnen hatten ein Anrecht auf ein wenig Drama.

„Aber wieso?“ Er war doch immer zufrieden gewesen mit seinen kurzlebigen Affären, warum jetzt auf einmal eine Ehe?

Wirklich geliebt hatte er seine Gespielinnen nie. Soweit Grace wusste – und sie kannte ihn besser als jeder andere, seine Familie eingeschlossen –, hatte Amir sich nur einmal in seinem Leben verliebt, mit achtzehn Jahren. Natürlich gab er heute nicht zu, dass es damals Liebe gewesen war. Aber Grace erkannte die Zeichen tiefer, wahrer Liebe. Schließlich lebte sie selbst jeden Tag damit.

Amir hatte seine Yasmine so sehr geliebt, dass er ihr einen Heiratsantrag gemacht hatte. Drei Monate waren sie verlobt gewesen. Die Hochzeit sollte einen Monat später stattfinden, als Yasmine bei einem Unfall ums Leben gekommen war. Grace war der festen Überzeugung, dass der Verlust seiner ersten Liebe Amir stärker erschüttert hatte, als er es je zugeben würde, weder sich selbst noch seiner Familie gegenüber.

„Mein Vater wünscht, dass ich solide werde.“ Amir zuckte mit den Schultern.

Wie konnte er nur so gleichgültig sein? Wusste er denn nicht, dass er ihr Herz in tausend Fetzen zerriss, die nie wieder zusammenwachsen würden? Nein, natürlich wusste er es nicht. Aber entschuldigte ihn das? Das blieb noch zu entscheiden, genau wie der Punkt, welchen Schmerz er ihr regelmäßig mit seinen kleinen Affären zufügte.

„Aber er hat doch nichts von einer anderen Frau für dich gesagt, oder?“, hielt sie mit unwiderlegbarer Logik dagegen.

„Nein.“

„Also …“

„Ich warte nicht darauf, bis er etwas sagt. Wenn du Kandidatinnen für mich findest, dann habe ich zumindest eine Auswahl und heirate, weil ich es will, nicht er.“

Natürlich, warum hatte sie das nicht bedacht? Amir war viel zu stolz, um sich eine Ehefrau vorsetzen zu lassen und sich in sein Schicksal zu fügen. Jetzt, da man ihm unerwartet eine Atempause gewährte, wollte er seinem Vater zuvorkommen, um die Kontrolle zu behalten. Auch wenn Grace den Gedankengang verstand – das konnte er nicht von ihr verlangen.

„Nein.“

Wie weit er die dunklen Augen aufriss, fand sie beinahe komisch. „Was meinst du damit – nein?“ Sein Schock über ihre offene Verweigerung stand wie eine physische Präsenz im Raum.

„Ich meine, wenn du unbedingt eine Ehefrau finden willst“, ihre Stimme klang sehr fest und sehr entschieden, „dann wirst du das allein erledigen müssen.“

„Sei nicht albern. Ich kann eine solche Wahl unmöglich ohne deine Mithilfe treffen.“

Seine Worte trafen ihr Herz wie kleine Dolche, dabei sollten sie wohl eine Art Kompliment sein. „Ich bin keineswegs albern. Ich bin deine persönliche Assistentin, keine Kupplerin. Davon, dass ich Ehefrauen für dich besorgen muss, steht nichts in meiner Arbeitsplatzbeschreibung.“

„Richtig. Dein Titel lautet persönliche Assistentin, nicht Verwaltungsassistentin. Weil du mir in mehr Dingen als nur in geschäftlichen Angelegenheiten hilfst.“

„Eine Ehefrau auszusuchen, ist zu persönlich.“

„Nein, ist es nicht. Du suchst doch auch Geschenke für meine weibliche Begleitung aus. Wo ist da der Unterschied?“

„Wie kannst du so etwas nur fragen?“ Sie liebte diesen Mann mehr als ihr eigenes Leben, aber manchmal war er so begriffsstutzig, dass sie sich fragte, ob sein berüchtigter IQ wirklich so hoch war, wie man ihm nachsagte.

Amir verschränkte die Arme vor der Brust und setzte sich auf die Kante ihres Schreibtischs – ein eindeutiges Zeichen, dass er sich auf Belagerung einstellte. „Wir drehen uns hier im Kreis. Ich brauche deine Hilfe, Grace.“

„Kommt nicht infrage. Ich tue es nicht.“ Ihn zu lieben und zu wissen, dass ihre Liebe niemals eine Chance hätte, war schwer genug zu ertragen. Was er jetzt von ihr verlangte, war einfach zu viel.

„Komm schon, Grace, lass mich nicht hängen. Es soll auch nicht zu deinem Schaden sein.“

Als ob sie einen Bonus brauchte für etwas, das sie nicht tun wollte!

„Nein.“

Als das Telefon klingelte, griff Grace danach wie eine Ertrinkende nach dem Rettungsring. Amir stieß sich von ihrem Schreibtisch ab und ging. Doch der Blick, den er ihr über die Schulter zurück zuwarf, war eindeutig: für ihn war das Thema keineswegs beendet.

Unruhig ging Amir in seinem Büro auf und ab. Was war nur mit Grace los? Seit die Heiratsorder seines Vaters in der Luft hing, benahm sie sich seltsam.

Zuerst hatte er gedacht, sie mache sich Sorgen um ihre Stellung. Darum hatte er ihr versichert, dass ihr Job absolut sicher sei. Er konnte sich überhaupt nicht vorstellen, wie er ohne seine umsichtige und effiziente Assistentin funktionieren sollte. In den letzten Wochen hatte sich die Situation ein wenig entspannt – seit die Heiratsvereinbarung mit Prinzessin Lina geplatzt war.

Warum Grace sich so vehement dagegen wehrte, eine Ehefrau für ihn zu finden, verstand er beim besten Willen nicht. Schließlich hielt sie von seinem Lebensstil ebenso wenig wie sein Vater. Man sollte doch annehmen, dass sie sich freuen würde, bei der Auswahl seiner Ehefrau ein Wörtchen mitreden zu dürfen. Schließlich müsste sie in Zukunft mit seiner Ehefrau zurechtkommen, wegen der Terminplanung und all den anderen Arrangements. Und sie musste doch wissen, dass er diese Wahl weder allein treffen wollte noch konnte. Grace würde die passenden Kandidatinnen finden – Frauen, die genau zu ihm passten und sein Leben perfekt ergänzten. Liebe war für diese Gemeinschaft nicht nötig, aber er brauchte eine Frau, die sich in den Lebensstil einfügte, den er bevorzugte. Und Grace kannte den Scheich unter dem Maßanzug. Sie verstand, wie wichtig ihm seine Familie und seine Heimat waren, ganz gleich, wie sehr er das New Yorker Leben liebte.

Wie schockiert sie bei seiner Bitte ausgesehen hatte! Überrascht. Völlig perplex. Das verwunderte ihn. Normalerweise ahnte sie seine nächsten Schritte immer im Voraus. Sie wusste, dass er sich nicht von seinem Vater kontrollieren lassen wollte, selbst wenn sein Vater der König von Zorha war. Und bevor er eine neue Braut vor die Nase gesetzt bekam, wollte Amir handeln. Er hätte geschworen, dass Grace all das überblickte. Ihre strikte Weigerung war nicht nur völlig untypisch, sondern auch inakzeptabel.

Es half auch nicht unbedingt, dass sie irgendwie niedlich aussah, wenn sie so verblüfft war. Zum Glück kam das nicht häufig vor. Er wollte die wichtigste Beziehung mit einer Frau in seinem Leben nicht durch Sex ruinieren.

Seine Mutter wäre sicher verletzt, wenn sie wüsste, dass er Grace über sie und jede andere stellte. Aber niemand sonst nahm Tag für Tag so viel Einfluss auf sein Leben wie Grace. Leider war sie nicht der Typ Frau für eine kurze Affäre, sonst hätte er vielleicht schon den Versuch gestartet. Dann könnten sie allerdings nie wieder zur normalen Tagesordnung zurückkehren, und eine Zusammenarbeit wäre damit unmöglich. Und für etwas so Vergängliches wie Sex wollte er die Beziehung zwischen ihnen nicht riskieren.

Die Tatsache, dass seine Neugier auf die erotische Seite seiner patenten Assistentin immer stärker wuchs, bekräftigte ihn nur in der Überzeugung, dass es Zeit wurde, eine Ehefrau zu finden. Was wiederum bedeutete, dass er Graces Zusage brauchte.

Sie beide brauchten diesen Schutz. Denn Amir hatte das untrügliche Gefühl, dass es ihm nicht schwerfallen würde, Grace in sein Bett zu locken. Manchmal schimmerte dieser unverhohlene Hunger in ihren Augen, wenn sie ihn ansah. Dann musste er sich jedes Mal hinter seinem Schreibtisch verstecken, weil sein Körper prompt reagierte. Schon lange fragte er sich nicht mehr, warum eine Frau, die weder ein Bewusstsein für ihre weiblichen Attribute besaß noch das Geschick, sie hervorzuheben, eine solche Wirkung auf ihn hatte. Er hatte es einfach akzeptiert, dass es ihn in den Fingern juckte, die Haarnadeln aus dem strengen Knoten zu ziehen, um mit der seidigen roten Mähne zu spielen.

Außerdem würde er zu gern wissen, ob die entzückenden Sommersprossen, die sich über ihre Nase zogen, die helle Haut an ihrem ganzen Körper besprenkelten. Ob diese bezaubernden Pünktchen auch ihre festen Brüste schmückten?

Verflucht. Er musste unbedingt mit diesen Fantasien aufhören, sonst bräuchte er noch mitten während der Bürozeiten eine kalte Dusche.

Nein, er musste Grace dazu bewegen, eine Ehefrau für ihn zu finden. Ruhig, passend, fügsam. Und bloß keine intensiven Gefühle.

Noch jetzt überlief ihn ein Schauder, wenn er an die eine emotionale Bindung zu der einen Frau in seinem Leben dachte. Diesen Weg würde er nie wieder gehen. Nicht in seinem Kopf, nicht mit seinem Herzen, für den Rest seines Lebens nicht.

In Fenway Park setzte Grace sich auf den Sitz in der vordersten Reihe neben Amir. Sie waren geschäftlich nach Boston geflogen, und er hatte sie mit Tickets für das Spiel ihrer Lieblingsbaseballmannschaft überrascht. Grace war eine begeisterte Anhängerin der Boston Red Sox, und unter anderen Umständen wäre sie hingerissen von Amirs Großzügigkeit. Nur quälte sie jetzt das unangenehme Gefühl, dass er sie bestechen wollte.

Das Thema Ehefrau hatte er nicht wieder angesprochen, aber Grace war nicht naiv genug, um zu glauben, er hätte es vergessen. Sie kannte Amir jetzt seit fünf Jahren … er vergaß nie etwas, und er wich auch nie von dem einmal eingeschlagenen Pfad ab.

Sie sollte dem Spiel zuschauen und es genießen, stattdessen wirbelten die Gedanken unablässig in ihrem Kopf. Wie konnte sie ihm begreiflich machen, dass es ihr ernst mit ihrem Nein war? Und konnte sie sich so zusammennehmen, dass sie am Ende nicht doch noch nachgab?

Dem Mann eine Abfuhr zu erteilen, den man liebte, war schwierig. Selbst wenn er nur Büroinventar in einem sah.

Jetzt schaute er sie an. „Alles in Ordnung?“

„Ja. Ich freue mich wirklich, hier zu sein. Danke.“

Sein Lächeln war einfach hinreißend und unglaublich sexy. „Gern geschehen. Du hast wesentlich mehr verdient.“

Na schön, also vielleicht doch nicht unbedingt Büroinventar. Amir würde sie wahrscheinlich nicht nur als Top-Kraft beschreiben, sondern auch behaupten, dass sie Freunde seien. Das stimmte auch. Um genau zu sein, Scheich Amir bin Faruq al Zorha war ihr bester Freund. Und umgekehrt sah er das sicherlich ähnlich.

Das Problem war nur … sie wollte mehr von ihm als Freundschaft. Aber das würde sie nie bekommen. Er spielte schließlich in einer ganz anderen Liga.

Diese Überlegungen waren nicht neu. Darum zwang Grace sich als fanatischer Baseballfan, der sie war, ihre Aufmerksamkeit zurück auf das Spiel zu lenken. Wenn ihre Sinne trotzdem viel intensiver auf den Mann neben sich ausgerichtet waren, so merkte niemand etwas davon.

Amir hatte sich mit dem Thema Ehefrau bei Grace ganz bewusst zurückgehalten. Wenn er ihr nur genug Zeit ließ, würde sie es sich ganz bestimmt überlegen.

Diese Taktik funktionierte eigentlich immer. Wenn er mit einem neuen Vorschlag auf spontane Ablehnung bei Grace gestoßen war, hatte sie sich mit der Zeit jedes Mal selbst vom Gegenteil überzeugt, gründlicher, als er es je könnte. Er hoffte darauf, dass es auch dieses Mal so sein würde. Deshalb war er ja auch in den Fenway Park mit ihr gegangen, um sie milde zu stimmen.

Nach dem siegreichen Spiel ihres Teams bestand er darauf, ein Trikot ihres Teams für sie zu kaufen. Grace wählte ein Männershirt aus, das mindestens zwei Nummern zu groß war. Als er ihr ein Shirt zeigte, das viel besser zu ihr passen würde, schüttelte sie nur den Kopf.

Insgeheim war Amir dankbar für ihren Hang zu übergroßer und formloser Kleidung. Das erleichterte es ihm, das frustrierende Verlangen, das ihn jedes Mal in ihrer Nähe plagte, im Zaum zu halten.

Nachdem sie in die wartende Limousine gestiegen waren, war Grace es, die das Thema anschnitt. „Also, was läuft? Ach, als ob ich es nicht wüsste.“

Bevor er antwortete, schenkte Amir ein Glas Mineralwasser für sie ein und gab einen Fingerbreit Wodka in ein Glas für sich. Zu schade, dass Grace keinen Alkohol trank. Alkohol würde vielleicht helfen, sie ein wenig nachgiebiger zu machen. „Nun, wenn du es schon weißt, brauche ich ja nichts mehr zu sagen.“ Mit leicht geneigtem Kopf reichte er ihr das Wasserglas.

„Danke.“ Sie nippte daran und sah ihn über den Glasrand an. „Und danke, dass du nicht bestreitest, dass der heutige Abend allein den Zweck hatte, mich weichzukochen.“

Das versetzte ihm nun doch einen Stich. „Das glaubst du also?“

Sie zuckte nur mit den Schultern. Heute hatte sie ihr Haar ausnahmsweise nicht zu einem Knoten gebunden, sondern trug einen wippenden Pferdeschwanz. Damit sah sie jünger aus, viel jünger als fünfundzwanzig. Und sie trug das Red Sox-Shirt, das er ihr im letzten Jahr geschenkt hatte, zu einer Jeans, in der ihre Beine endlos lang wirkten. Nur gut, dass die Jeans eher weit als eng geschnitten war.

Vorwurfsvoll blickte er sie an. „Das ist nicht fair, Gracey. So bist du doch gar nicht.“

Ohne es zu merken, zog sie einen Schmollmund, und er musste sich zusammennehmen, um sie nicht auf den anbetungswürdigen Mund zu küssen. „Du hast recht, es geht dir also nicht nur darum, mich weichzukochen. Du hättest die Tickets auch so beschafft und mir ein Trikot geschenkt, das ich als Schlafshirt nutzen kann.“

Sich Grace im Bett auszumalen, konnte Amir sich nicht leisten, also verdrängte er das Bild energisch. „Ich hätte auch Tickets für den Rang besorgen können.“ Dabei wusste sie doch, dass er ihr gegenüber nie geizig sein würde. Grace hatte nur wenige Passionen, und er versuchte sie zu verwöhnen, wo es nur ging. Eine Assistentin wie sie verdiente das.

„Ich weiß. Ich weiß aber auch, dass du dir nicht zu schade bist, meine Dankbarkeit für deine Zwecke auszunutzen.“

„Ich wäre kein guter Geschäftsmann, wenn es so wäre, oder?“

„Nein, vermutlich nicht.“ Sie schaute eine Weile zum Fenster hinaus, bevor sie ihn wieder ansah. „Du erwartest also allen Ernstes, dass ich dir eine Ehefrau beschaffe.“

„Ja.“ Ha, er hatte sie! Und nein, er fühlte sich keineswegs schuldig, weil er ihren Moment der Schwäche ausnutzte.

„Glaub ja nicht, dass du jetzt gewonnen hast“, funkelte sie ihn an.

Autor

Lucy Monroe
<p>Die preisgekrönte Bestsellerautorin Lucy Monroe lebt mit unzähligen Haustieren und Kindern (ihren eigenen, denen der Nachbarn und denen ihrer Schwester) an der wundervollen Pazifikküste Nordamerikas. Inspiration für ihre Geschichten bekommt sie von überall, da sie gerne Menschen beobachtet. Das führte sogar so weit, dass sie ihren späteren Ehemann bei ihrem...
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