Ich darf dich nicht begehren

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Harpers Leben ist in Aufruhr: Ihre Kosmetikfirma steht vor dem Ruin, und sie ist schwanger - von einem Samenspender. Jetzt soll ihr Doktor Dante Gates, seit vielen Jahren ein guter Freund, bei der Schwangerschaft zur Seite stehen. Was sie nicht ahnt: Sie ist seine Traumfrau, und er begehrt sie über alles. Als er sie unerwartet küsst, ist sie entsetzt, doch ihr Körper spricht eine ganz andere Sprache. Sind das nur die Hormone, oder ist er der Mann, mit dem sie glücklich werden kann?


  • Erscheinungstag 11.07.2017
  • Bandnummer 1985
  • ISBN / Artikelnummer 9783733723811
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Es war Ironie des Schicksals, dass Dr. Dante Gates vor einem chemischen Problem stand, das er nicht lösen konnte.

Kein Zahlenmaterial seiner Doktorarbeit hatte ihm einen Hinweis liefern können, wie sich dieses Mysterium ergründen ließ. Nichts, was er für seine erfolgreiche TV-Show Die Wissenschaft der Verführung recherchiert hatte, lieferte auch nur im Ansatz eine Antwort. Selbst seine Arbeit über die Effektivität von chemischen Quantenmodellen für die Proteinanalyse – für die er fast den Nobelpreis bekommen hätte – hatte ihm nicht helfen können. Und Dante war mehr als frustriert hinsichtlich des mangelnden Fortschritts, dieses chemische Rätsel namens Dr. Harper Livingston zu entschlüsseln.

Dante und Harper waren jetzt schon seit über zehn Jahren miteinander befreundet. Sie war der Maßstab, nach dem er alle Frauen beurteilte. Das bedeutete, dass es ihn eine Menge Energie kostete, sich darüber aufzuregen, dass er keine Frau finden konnte, die so schön oder so klug war wie sie. Für ihn war sie einfach das Nonplusultra.

Das Problem bestand darin, dass sie Freunde waren. Seine Beziehung zu Harper war die einzige Konstante in seinem Leben, das Einzige, auf das er sich verlassen konnte. Ihre Verbindung war ihm heilig, und er würde sie nie aufs Spiel setzen.

Dante hatte sich erfolgreich eingeredet, dass der einzige Grund für seine Faszination darin lag, dass Harper praktisch unerreichbar war. Bestimmt würde ihre Beziehung kläglich scheitern, wenn sie versuchen würden, sie auf die nächste Ebene zu heben. In dem Moment, in dem er die verbotene Frucht kostete, würde Harper für ihn nicht mehr attraktiv sein. Und er würde nie wieder in dieser Weise an sie denken.

Dumm nur, dass er, sobald er anfing sich vorzustellen, wie köstlich diese verbotene Frucht war, nicht mehr davon loskam.

An diesem Morgen hatte Harper ihn vom Flughafen in Dallas angerufen und angekündigt, dass sie in zwei Stunden vor seiner Tür stehen würde. Seit er vor drei Jahren nach Los Angeles gezogen war, hatte sie ihn nicht mehr besucht. Es musste sich also um eine große Sache handeln. Vielleicht bot ihm das ja die Gelegenheit, sein Problem endlich zu lösen – so oder so.

Wie immer war auf dem Flughafen die Hölle los. Nur Harper schaffte es, ihn zum LAX zu lotsen, obwohl er gar nicht fliegen wollte. Dante sah auf seine Rolex. Vor zehn Minuten war ihr Flugzeug gelandet, aber noch waren keine Passagiere zu sehen.

Schließlich strömte eine Gruppe von Leuten mit Rücksäcken, Kissen und Wasserflaschen aus dem Ausgang des Gates. Dante lehnte sich gegen einen Pfosten, verschränkte die Arme und wartete auf die Frau, die er abholen wollte.

Dann sah er sie, was nicht schwierig war, denn mit ihrem feuerroten Haar stach sie überall hervor. Außerdem trat sie anders als die meisten anderen auf. Furchtlos und zielgerichtet schritt sie voran. In Harpers Welt galt Zögern als ein Zeichen für Verlierer. Das liebte er ganz besonders an ihr.

Auch sie erblickte ihn sofort und strahlte über das ganze Gesicht, was ihn wie ein Faustschlag in den Magen traf. Noch bevor er darüber nachdenken konnte, ließ sie ihre Tasche fallen, lief auf ihn zu und stürzte sich in seine Arme. Aufatmend zog er sie an sich. Verdammt, sie fühlte sich gut an!

„Hey“, flüsterte er in ihr Haar und sog ihren Duft ein.

Harpers Parfüm benebelte seine Sinne, und sofort verspürte er das Bedürfnis, sie zu küssen.

Doch er ignorierte den Impuls. Das war zwar nicht leicht, aber schließlich hatte er ja eine Menge Übung.

Glücklicherweise zog sie sich schnell zurück, und er konnte nur hoffen, dass sie seine unmissverständliche körperliche Reaktion auf ihre Nähe nicht bemerkt hatte.

„Was machst du hier?“, fragte sie und verschlang ihn fast mit den Augen. „Seit dem elften September hat mich niemand mehr vom Flughafen abgeholt. Ich hatte fast vergessen, wie nett das ist. Aber wie bist du ohne Ticket durch den Sicherheitsbereich gekommen?“

Er schmunzelte. „Ganz einfach. Ich habe ein Ticket gekauft. Überraschung!“

Für seine TV-Sendung reiste Dante so viel durchs Land, dass er das Ticket bestimmt bei einem anderen Flug benutzen konnte. Und wenn nicht, war es auch egal. Für Harper gab er gern mehrere hundert Dollar aus.

Freundschaftlich knuffte sie ihn in die Seite. „Das wäre doch nicht nötig gewesen. Aber ich finde es trotzdem super von dir. Musst du denn heute nicht drehen? Ich bin davon ausgegangen, ein Taxi zu nehmen.“

Wenn sie jemand anderes gewesen wäre, hätte er auch einen Wagen geschickt. Doch so zuckte er nur die Schultern und griff nach ihrer Tasche. „Wir sind heute früh fertig geworden, und ich habe jetzt zwei Wochen frei, die ich mit dir verbringen möchte. Das perfekte Timing für einen improvisierten Besuch.“

Und das perfekte Timing, um herauszufinden, wie er die Anziehungskraft, die sie auf ihn ausübte, überwinden konnte. Bestimmt würde dazu nur ein simpler Kuss nötig sein. Es würde bestimmt komisch sein, und er wäre mit der Sache durch. Danach konnten sie ihre Freundschaft fortsetzen.

„Aber will deine Freundin denn keine Zeit mit dir verbringen? Dieses Supermodel – wie heißt sie noch mal?“ Harper schnippte mit den Fingern, wie um sich zu erinnern.

„Selena“, erwiderte er. „Aber wir sind nicht mehr zusammen.“

Tatsächlich hatte er sofort das Interesse an ihr verloren, als sie sich öfter gesehen hatten. Das war vor etwa sechs Monaten gewesen. Für seine Karriere war es gut gewesen, sich mit ihr in der Öffentlichkeit zu zeigen, und der Sex war auch nicht so schlecht gewesen. Deshalb war er etwas länger an ihr dran geblieben, als es unbedingt nötig gewesen wäre. Sie war ein nettes Mädchen in einer Reihe anderer netter Mädchen, die ihn verständnislos angeblickt hatten, wenn er den Fehler gemacht hatte, über sein Fachgebiet zu sprechen. Harper war die einzige Frau, mit der er je über alles und jeden hatte reden können.

„Oh, das tut mir leid. Aber bestimmt ist es besser so. Sie war einfach nicht gut genug für dich.“ Harper grinste. „Oh, das habe ich dir ja noch gar nicht erzählt. Cass ist schwanger.“

„Das ist ja fantastisch“, erwiderte er und meinte es auch so. Babys waren super. Für andere Leute.

Harper und Cass waren seit dem College miteinander befreundet. Damals hatten sie beschlossen, zusammen mit zwei Freundinnen, Alex und Trinity, eine Firma zu gründen. Das war die Geburtsstunde von Fyra Cosmetics gewesen. Harper war die Chefin der Entwicklungsabteilung, und Dante war unglaublich stolz auf das, was sie erreicht hatte. Er kannte die vier Frauen seit über zehn Jahren. Aber da er am meisten mit Harper gemein hatte, waren er und sie dicke Freunde geworden.

„Gage überschlägt sich deswegen fast“, fuhr sie fort und verdrehte die Augen. „Was Ehemänner betrifft, ist er perfekt für Cass. Aber ich würde ihn umbringen, wenn er mich wie ein rohes Ei behandeln würde. Seit sie schwanger ist, benimmt er sich wie eine Glucke. Als ob Männer irgendetwas darüber wüssten!“

Dante konnte sich nicht vorstellen, dass eine so starke Frau wie Cass sich von jemandem wie Gage etwas sagen lassen würde. „Wenigstens hat er das Herz auf dem rechten Fleck. Wie geht es Cass, in Bezug auf die Schwangerschaft, meine ich?“

„Schon viel besser, denn sie ist jetzt im zweiten Trimester. Was bedeutet, die Morgenübelkeit ist vorbei.“

Dante hatte nicht gewusst, dass sich im Leben der vier Freundinnen so vieles um Babys drehte. Das ganze Thema war ihm ein bisschen peinlich, was bestimmt mit seiner eigenen Geschichte zusammenhing. Natürlich, am Anfang wollten Leute Kinder haben. Aber das hieß nicht, dass es im Jahr danach auch noch so sein würde. Nachdem er als Kind von Pflegefamilie zu Pflegefamilie weitergereicht worden war, wusste er, wie wankelmütig manche Menschen waren.

Er führte Harper zur Gepäckausgabe. Sie griff nach seiner Hand und verschränkte die Finger mit seinen, während sie über ihre Freunde und Geschäftspartner plauderten.

Es war wirklich sehr kameradschaftlich. Dante ging jedenfalls davon aus, dass Harper es so sah.

Er hingegen konnte sie immer nur ansehen. Sie schien innerlich zu strahlen, und er fragte sich insgeheim, was der Grund dafür sein konnte. Unmerklich rückte er seine Brille zurecht, aber der Glanz verschwand nicht. Warum erschien sie ihm ausgerechnet heute so schön?

Er musste sich diesen Kuss möglichst rasch holen, sonst würde der ganze Trip noch in einer Katastrophe enden.

„Hattest du einen guten Flug?“

Sie schob sich eine rote Haarsträhne hinters Ohr und nickte. „Ja, gar nicht so schlecht. Aber es gab nichts zu essen, und jetzt bin ich fast am Verhungern.“

„Kein Problem.“ Gemeinsam mit ihr ging er zu einem Zeitungsstand und kaufte ihr mit seiner American-Express-Karte eine ganze Stange Marsriegel.

„Dante!“ Harper lachte. „Einer hätte doch auch gereicht. Oder willst du, dass ich aussehe wie ein Fettsack?“

Plötzlich stutzte die Kassiererin, bevor sie anfing, über das ganze Gesicht zu strahlen „Dr. Gates! Ich bin ein großer Fan Ihrer Sendung. Könnte ich bitte ein Selfie mit Ihnen machen?“

Sie holte schnell ihr Handy hervor, denn natürlich war er einverstanden. Fans gehörten zu seinem Beruf nun einmal dazu. Da die Produzenten der Sendung ihm dafür mehrere Millionen Dollar zahlten, konnte Dante sich dem Rummel schlecht entziehen. Aber in Wirklichkeit hasste er fast alles, was damit verbunden war.

Doch natürlich ließ er sich mit der Kassiererin fotografieren und entfernte sich dann gemeinsam mit Harper möglichst schnell.

„Tut mir echt leid“, sagte er zerknirscht. „Aber das gehört nun mal dazu.“

Sie grinste ihn an. „Bist du verrückt? Ich war total beeindruckt. Schließlich kriege ich ja kaum die Gelegenheit, dich in deiner Rolle als Dr. Sexy zu sehen. Das war es wert!“

Er verzog das Gesicht. „Ich gebe mir Mühe, meinem Ruf gerecht zu werden.“

Dr. Dante Gates macht die Wissenschaft sexy. Dieser Satz hatte in zahllosen Magazinen gestanden und war auch das Motto für seine Sendung gewesen. Doch nie wäre Dante davon ausgegangen, dass er selbst zum männlichen Aushängeschild für die Sendung werden würde, in der er zeigte, wie man mithilfe der Wissenschaft den richtigen Lover finden konnte. Nun gut, er hatte vielleicht den Fehler gemacht, sich als Experte auf diesem Gebiet zu positionieren. Aber dass viele Frauen dies als Aufforderung ansahen, dass er seine Theorien an ihnen ausprobieren könnte, wäre ihm nie in den Sinn gekommen.

Am Anfang hatte ihm die Aufmerksamkeit noch geschmeichelt. Denn schließlich war er auch nur ein Mensch. Und irgendwann hatte er verstanden, dass sein Bedürfnis nach Akzeptanz und Anerkennung damit zusammenhing, dass seine Mutter ihn nach der Geburt im Stich gelassen hatte. Das Ganze war ja auch kein Verbrechen. Das Problem war nur, dass keine der Frauen, die sich für ihn interessierten, es mit Harper aufnehmen konnten.

Denn sie war die Einzige, die er nicht haben konnte. Sehr wahrscheinlich jedenfalls.

Harper grinste, als sie die Gepäckausgabe erreicht hatten. „Du musst nicht oben ohne in einer Werbung auftreten, um sexy zu sein, Dummkopf. Dein Verstand ist bei Weitem der attraktivste Teil von dir.“

Irgendetwas in ihrem Tonfall machte ihn stutzig, und verwirrt sah er sie an. Flirtete sie etwa mit ihm?

Das war ja hochinteressant! Außerdem entging ihm nicht, dass sie ihn offensichtlich attraktiv fand, womit er gar nicht gerechnet hatte. Was wäre, wenn sie ihm schon die ganze Zeit über solche Signale geschickt hatte, die ihm gar nicht aufgefallen waren? Vielleicht glaubte Harper ja, er wäre blind, und war nur deshalb nach Los Angeles gekommen, um seine Sichtweise zu korrigieren.

Mit diesem Gedanken zog er sie in eine kleine Nische unweit des Gepäckbandes. Um sie herum warteten die Passagiere auf ihre Koffer, doch hier hatte er sie ganz für sich allein.

„Hey, nur falls du das vergessen haben solltest … Wissenschaftler sind nicht gerade für ihre Six-Packs berühmt“, sagte er und beugte sich zu ihr vor. „Ich habe sehr hart daran gearbeitet, Muskeln aufzubauen, nachdem ich so viele Jahre vor dem Computer verbracht habe. Wenn jemand mich dafür bezahlen würde, dass ich mein Hemd ausziehe, würde ich nicht Nein sagen.“

Bei all diesem Gerede übers Ausziehen fingen die Funken an zu sprühen. Ob Harper das auch spürte?

Sie blinzelte, als sie zu ihm aufschaute, und ihr Lächeln verblasste ein wenig. Dann fuhr sie sich mit der Zunge über die Lippen, und ihre Wangen erröteten leicht. Auch Dante verspürte ein Prickeln in seinem Unterleib, aber er zögerte den Moment hinaus.

Geschahen tatsächlich noch Wunder? Sie spürte es offenbar auch.

Vielleicht war ihr endlich klar geworden, welch toller Kerl er war. Nicht, dass sein Erfolg ihm zu Kopf gestiegen wäre. Aber es ließ sich nicht leugnen, dass Frauen sich von ihm angezogen fühlten wie Motten vom Licht. Es musste also etwas an seinen zerzausten braunen Haaren, der Hornbrille und dem durchtrainierten Körper geben, das ihnen gefiel.

Es wurde höchste Zeit, dieser unangenehmen Anziehung, die er Harper gegenüber verspürte, auf den Grund zu gehen. Wenn er sie falsch interpretierte, würden sie über das Ganze lachen und dann einfach weitermachen wie bisher. Das würde auch beweisen, dass die spannungsgeladene Atmosphäre und das Gefühl erregter Vorfreude nichts anderes waren als Ausgeburten seiner Fantasie.

Ohne den Blick von ihr zu wenden, streckte er die Hand aus und zeichnete ihre Kinnlinie nach. Nicht als Freund oder guter Bekannter. Sondern um eine Reaktion zu provozieren.

„Was machst du da?“, fragte sie verwirrt und runzelte die Stirn. „Das ist nicht … ich meine, wir sind nicht …“

„Warst du denn nie neugierig?“, unterbrach er sie. „Wie es zwischen uns sein könnte?“

„Zwischen uns sein könnte? Was genau meinst du damit?“ Ihre Augen weiteten sich, als ihr die Bedeutung seiner Worte klar wurde.

Es war immer noch Zeit zurückzurudern, falls sich das Ganze als Fehlschlag erweisen würde. Aber diese Möglichkeit wurde immer geringer, je länger sie voreinander standen und sich anstarrten.

„Ich habe jedenfalls darüber nachgedacht. Mehr als einmal“, erklärte er, da sie sich nicht von ihm abwandte und weglief. „Es gibt keinen besseren Zeitpunkt als die Gegenwart, um es herauszufinden.“

Bevor die Logik ihn daran hinderte, sein Vorhaben durchzuführen, strich er ihr behutsam die Locken aus dem Gesicht und kam ihr noch näher. Dann senkte er die Lippen auf ihre und küsste sie hingebungsvoll.

Doch was als zärtliche Geste begann, wurde schnell zu einem Buschfeuer. Hitze explodierte an der Stelle, wo ihre Körper sich berührten. Durch Harper erwachte jeder seiner Sinne zum Leben. Sie brachte sein Blut in Wallung.

In diesem Moment erkannte er seinen Fehler. Dieser Kuss bewies, dass er alles andere als durch mit der Sache war. Nicht einmal ansatzweise.

Dante küsst mich.

Schockiert öffnete Harper den Mund, was er sofort als Einladung nahm. Im nächsten Moment spürte sie seine Zungenspitze, die ihre verführerisch umkreiste. Oh, mein Gott!

Die Empfindungen überwältigten sie, und sie konnte sich nur noch an seinen Schultern festkrallen. Eigentlich hatte sie ihn wegstoßen wollen, aber das tat sie nicht, denn … wow!

Die chemische Reaktion, die sein Kuss in ihrem Körper auslöste, war fantastisch, unglaublich geradezu. Noch nie hatte sie Ähnliches erlebt. Und sie wollte mehr. Das war das Schockierendste daran, denn normalerweise hätte sie diese Art von Kontakt nie zugelassen.

Ihre Lippen vibrierten, je länger er sie küsste. Schmetterlinge tanzten in ihrem Unterleib, während sie sich an ihn schmiegte. Wie von selbst glitten ihre Hände von seinen Schultern über seinen Rücken. Hart. Stark. Er fühlte sich gut an. Sie tastete sich noch ein wenig tiefer, was ihm ein Stöhnen entlockte. Es hallte wie ein Echo durch sie hindurch, und ihre Brüste begannen zu kribbeln. Erst jetzt bemerkte sie, dass sich ihre Oberkörper berührten.

Seine Brust war fest gegen ihre gedrückt. Dante küsste sie, und sie küsste ihn. Auf dem Flughafen. Oh, Gott, das durfte nicht wahr sein. Was machte sie hier nur?

Ruckartig löste sie sich von ihm, und es dauerte ein paar Sekunden, bis er begriff, dass sie zurückgewichen war. Mit dem Rücken lehnte sie sich gegen die Wand, ihre Beine zitterten. Dann starrte sie den Mann an, der seit zehn Jahren ihr bester Freund war. „Es tut mir leid.“

Dante schüttelte den Kopf. „Wieso denn? Ich bin doch derjenige, der dich geküsst hat.“

Das stimmte allerdings. Aber warum nur, um alles in der Welt?

Doch die entscheidendere Frage war, warum sie seinen Kuss erwidert und es sich nicht komisch angefühlt hatte. Warum hatte ausgerechnet er sie derart in Fahrt gebracht?

Wenn Harper ehrlich war, kannte sie den Grund dafür sehr genau. Aber wie sollte sie ihm erklären, dass sie nur deshalb so überreagiert hatte, weil ihr Körper in diesem Moment von Hormonen überschüttet wurde, mit denen er nichts anzufangen wusste? Dass sie nur deshalb nach L. A. geflogen war, um ihrem Freund die aufregendste Nachricht ihres bisherigen Lebens mitzuteilen?

„Und ich bin diejenige, die dich nicht davon abgehalten hat“, sagte sie stattdessen nur.

„Stimmt“, erwiderte er ruhig und sah sie an.

„Bitte, versteh das nicht falsch.“

„Wie sollte ich das falsch verstehen?“

„Es … es darf sich jedenfalls nicht wiederholen“, stieß sie hervor. „Ich brauche dich, Dante. Als Freund. Das darf sich auf keinen Fall ändern.“

Verdammt, das Ganze war total schiefgelaufen. Denn hier ging es nicht nur um ihre Schwangerschaft. Sie war auch nach L. A. gekommen, weil sie Probleme in der Firma hatten. Fyra wollte ein neues Produkt auf den Markt bringen, das aber noch lizenziert werden musste. Deswegen hatten ihre Freundinnen und Partnerinnen eine Konferenz einberufen. Harper war in Schwierigkeiten, und sie hatte sich sehr darauf gefreut, mit dem Mann darüber zu sprechen, der immer für sie da gewesen war. Doch jetzt …

Er sah sie mit einem Ausdruck an, den sie nicht deuten konnte. „Ich wollte dich küssen, Harper. Bestimmt hast du auch gemerkt, dass da etwas Neues zwischen uns …“

„Nein!“ Sie schüttelte den Kopf, und eine Träne lief ihre Wange herab. „Ich will nichts Neues. Alles soll so bleiben, wie es ist. Du bist so unglaublich wichtig für mich, Dante. Als Freund!“ Im Versuch, das Thema zu wechseln, griff sie nach seinem Arm. „Komm, lass uns das Ganze vergessen, okay? Bist du so nett und holst mir meinen Koffer?“

Er zögerte kurz, nickte dann und tat wie ihm geheißen. Dann führte er sie aus dem Terminal hinaus zu seinem neuen Auto, einem knallroten Ferrari. Schweigend fuhren sie über die Autobahn zu seinem Haus in den Hollywood Hills.

Als sie ihr Ziel erreicht hatten, bogen sie durch das schmiedeeiserne Tor in die baumbestandene Einfahrt ein und hielten schließlich vor seinem geräumigen Anwesen im Stil einer spanischen Villa. Noch immer hatten sie kein Wort gewechselt.

Im Foyer setzte Dante ihren Koffer ab und wandte sich zu ihr um.

„Wir sind schon seit Jahren miteinander befreundet“, sagte er ruhig. „Warum sollte sich das ändern, nur weil wir versuchen herauszufinden, ob noch mehr zwischen uns ist?“

„Weil ich gar nicht mehr will“, stieß Harper hervor. „Das macht mir Angst.“

Wie sollte sie die Probleme in der Firma und die Schwangerschaft überstehen, wenn es diese Freundschaft, die ihr die letzten zehn Jahre Kraft gegeben hatte, nicht mehr gab?

„Komm her!“

Noch bevor sie antworten konnte, hatte er sie schon an sich gezogen und umarmte sie. So wie er es immer getan hatte, doch jetzt war es anders. Erneut fing ihr Körper zu vibrieren an, und sie machte sich von ihm los.

„Was ist?“, fragte er ungehalten. „Kann ich dich jetzt nicht mal mehr umarmen?“

„Doch! Aber ich will, dass die Dinge zwischen uns wieder so sind, wie sie waren, bevor du Dr. Sexy wurdest.“

Ein Lächeln umspielte seine Lippen. „Ich dachte, du magst diese Seite an mir.“

Das tat sie ja. Und genau da lag das Problem.

Dante war einer der wenigen Freunde, die ihr geblieben waren und die immer noch so waren wie früher. Das hatte sie jedenfalls geglaubt. Denn es fiel ihr nicht so leicht, Freundschaften zu schließen. Zwei ihrer Freundinnen, Cass und Alex, mit denen sie in der Firma zusammenarbeitete, hatten geheiratet und waren dabei, Familien zu gründen. Harper gönnte ihnen ihr Glück aus vollem Herzen, und doch hatte sie plötzlich das Gefühl gehabt, dass ihr etwas Wichtiges im Leben entging.

Aus diesem Grund hatte sie sich auch dazu entschlossen, selbst ein Kind zu bekommen – allerdings ohne den dazugehörigen Ehemann, der Forderungen an sie stellen würde, die zu erfüllen sie sich nicht in der Lage sah. Männer verkomplizierten alles nur unnötig.

„Hast du Angst davor, dass sich die Dinge um dich herum verändern?“, erkundigte er sich.

Sie nickte beklommen. „Ja, genau.“

Prüfend sah er sie an. „Du hast also gar nichts dagegen, dass ich dich küsse. Du willst nur unsere Freundschaft nicht aufs Spiel setzen. Aber das will ich auch nicht.“

„Ich glaube, du hast mich nicht verstanden“, erwiderte sie schroff. „Ich habe sehr wohl etwas dagegen, dass du mich küsst. Oder dass es zu mehr zwischen uns kommt.“

„Du meinst Sex?“ Dantes Augen funkelten.

Harper holte tief Luft. „Ja. Ich meine nein. Kein Sex! Verdammt, worüber sprechen wir hier eigentlich? Ich bin schließlich gekommen, um meinen Freund zu besuchen. Wieso reden wir dann plötzlich über Sex?“

„Weil … Bitte, glaube mir, dass unsere Freundschaft das Wichtigste auf der Welt für mich ist. Aber ich kann das, was geschehen ist, nicht rückgängig machen. Es gibt etwas zwischen uns, das wir erforschen sollten. Harper …“ Beinah andächtig sprach er ihren Namen aus, was sie erschauern ließ. „Küss mich noch einmal. Stell dir vor, es wäre ein Experiment. Lass uns sehen, wohin das Ganze führt.“

Gequält schloss sie die Augen. „Ich habe das Gefühl, als würdest du mir die Pistole auf die Brust setzen“, erwiderte sie und sah ihn an.

„Sag Nein, und ich ziehe mich sofort zurück. Aber ich hätte doch gern gewusst, warum du Einwände hast. Vielleicht kann ich ja …“

„Dante, ich bin schwanger“, erklärte Harper. Sie wusste nicht, ob sie lachen oder weinen sollte. „Und das ist nur der erste einer langen Reihe von Einwänden, die ich habe.“

2. KAPITEL

Alles Blut wich aus Dantes Gesicht. „Du bist … was?“, fragte er fassungslos.

„Schwanger“, wiederholte sie tonlos.

„Mit einem Baby?“

„Womit denn sonst?“ Sie lachte freudlos. „Die Wissenschaft hat die menschliche DNA bisher noch mit keiner anderen Spezies gekreuzt, also lautet die Antwort ja. Eigentlich wollte ich es dir nicht auf diese Weise beibringen, aber du hast mir keine andere Wahl gelassen.“

Erschüttert ließ er sich auf einen Stuhl sinken, denn ihm waren die Knie weich geworden.

„Aber ich verstehe nicht, wie das passieren konnte. Triffst du dich mit jemandem?“

Er konnte es immer noch nicht fassen. Hatte er ihre Reaktion vorhin so fehlgedeutet? Anscheinend waren sie sich doch nicht so nahe, wie er gedacht hatte, denn sonst hätte Harper ihm bestimmt erzählt, dass sie eine Affäre hatte.

Sie schüttelte den Kopf. „Nein. Ich habe mich künstlich befruchten lassen.“

„Warum, zum Teufel, solltest du so etwas tun?“

Babys brauchen eine Familie, dachte er. Einen Vater. Aber Harper wollte eine alleinerziehende Mutter sein. Sie hatte etwas getan, das nicht zu entschuldigen war.

Ihre Gesichtszüge erstarrten, als sie erkannte, wie sehr sie ihn durch diese Enthüllung getroffen hatte. „Ich hatte keine Lust, die elterlichen Pflichten mit jemandem zu teilen. Deshalb habe ich mir einen Samenspender gesucht, der schriftlich auf sein Sorgerecht verzichtet hat. Das schien mir die ideale Lösung zu sein.“

Die ganze Sache wurde ja immer besser. Dante lachte ohne jede Spur von Humor. „Die meisten Leute haben einen Lebenspartner, mit dem sie sich entschließen, Kinder zu bekommen. Weil sie ineinander verliebt sind und eine Familie gründen wollen. Aber dieser Gedanke ist dir wohl nie gekommen, oder?“

„Nein, nicht ein einziges Mal.“ Sie schüttelte ihren roten Kopf. „Eine romantische Beziehung würde alles nur unnötig komplizieren.“

„Aber ein Kind braucht doch auch einen männlichen Einfluss“, beharrte er. „Das ist keine Glaubensfrage. Diverse Studien belegen …“

Autor

Kat Cantrell
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