Im Palast der tausend Träume

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Die Tage mit Scheich Surim in seinem Palast sind für die junge Melissa schön und traurig zugleich. Sie erwidert seine zärtlichen Küsse, obwohl sie ahnt, dass es nie ein Happy End für sie geben wird. Denn der charmante Wüstenherrscher soll in Kürze die standesgemäße Yasine heiraten …


  • Erscheinungstag 18.07.2019
  • ISBN / Artikelnummer 9783733747862
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Mit einem Seufzer legte Melissa Fox den Bleistift beiseite und streckte den schmerzenden Rücken. Geschäftsunterlagen zu übersetzen war nicht gerade die anregendste Tätigkeit, die sie sich vorstellen konnte. Im Hauptquartier der berühmten Londoner Restaurantgruppe Bella Lucia herrschte ein ständiges Kommen und Gehen, und die Telefone klingelten unablässig. Zumindest hier an der Rezeption, wo Melissa einen provisorischen Arbeitsplatz bekommen hatte.

Doch sie wollte sich nicht beklagen. Sie war froh, eine Übergangslösung gefunden zu haben. Denn sie hatte ein paar Wochen Leerlauf zwischen zwei Anstellungen. Mitte Februar würde sie in die Vereinigten Staaten fliegen und eine Stelle bei einer Familie antreten.

Als staatlich anerkannte Erzieherin hatte Melissa gerade ihre befristete Stelle in einer Ferienanlage am Genfer See beendet. Dort war sie fünf Jahre tätig gewesen, und sie hatte jede einzelne Minute genossen. Oder beinahe. Bis zu dem Streit mit Paul. Jetzt würde sie in einer Familie arbeiten. Die McDonalds erwarteten ihr drittes Kind, und als sie sich im Herbst in der Schweizer Ferienanlage kennenlernten, überredeten sie Melissa, ab Februar zu ihnen zu kommen. Ihre derzeitige Kinderfrau plante, im Januar zu heiraten.

Melissa sah wieder auf das lange Dokument. Sie war beinahe fertig damit und konnte es heute noch abschließen. Nachdem sie die Ferienanlage verlassen hatte, war sie für einen vorübergehenden Job dankbar gewesen. So konnte sie wenigstens ein bisschen Geld verdienen. Aber sie vermisste die Kinder und ihre Freunde in der Schweiz. Andererseits fand sie so die Gelegenheit, etwas Zeit mit ihrer Mutter zu verbringen, und das war wunderbar.

Als Melissas Mutter Beverly Valentine ihren neuen Ehemann Robert auf einen Job für ihre Tochter angesprochen hatte, war sein ältester Sohn Max sofort bereit gewesen, sie im Hauptbüro des Bella Lucia unterzubringen. Zunächst half sie bei der Ablage und nahm Anrufe entgegen. Sobald Max jedoch erfahren hatte, dass sie fließend Französisch sprach, teilte er ihr die Übersetzung eines Packens Unterlagen für den Scheich Surim Al-Thani zu. Al-Thani lebte in Qu’Arim, einem arabischen Land am Persischen Golf. Offenbar planten die beiden Männer, ein Bella-Lucia-Restaurant in Qu’Arim zu eröffnen. Scheich Surim Al-Thani und Max schrieben ihre Briefe auf Englisch. Aber die Konstruktionsfirma korrespondierte auf Französisch.

Beim Übersetzen der Unterlagen und Briefe erfuhr Melissa eine Menge über das Unternehmen und darüber, wie sich Max das Restaurant in Qu’Arim vorstellte. Es war ein spannendes Unterfangen, das Bella Lucia international zu machen. Sollte sich dieser erste Versuch als erfolgreich erweisen, wollte Max weitere Länder erschließen. Vielleicht würde er ja auch eines in Boston eröffnen. Dann könnte Melissa es besuchen, wenn sie bei den McDonalds arbeitete.

Der Scheich baute eine luxuriöse Ferienanlage direkt am Golf. Und das Restaurant sollte das Herzstück der Anlage werden.

Wie schön wäre es, wenn sie den Ort selbst einmal sehen könnte. Hier in London war es regnerisch und kalt. In der Schweiz lag zu dieser Jahreszeit Schnee. Aber den Januar in einem Ferienort in der Sonne zu verbringen, Basare zu besuchen, am Strand zu liegen und die köstlichsten Früchte zu kosten, das wäre ein Traum.

Massachusetts, wo die McDonalds lebten, war momentan ebenfalls unter einer Schneedecke begraben. Offenbar gehörte es zu Melissas Schicksal, sich in der Kälte aufzuhalten.

Max trat an ihren Schreibtisch.

„Hast du einen Moment für mich?“, fragte er.

„Klar, worum geht’s?“ Sie hatte sich immer noch nicht daran gewöhnt, dass Max Valentine nun ihr Stiefbruder war. Aber sie mochte ihn. Er war groß, dunkelhaarig und gut aussehend. Und obwohl sie selbst nur freundschaftliche Gefühle für ihn hegte, blieb ihr nicht verborgen, wie ihn die anderen Frauen im Büro ansahen.

„Komm doch bitte in mein Büro.“

Melissa folgte ihm und setzte sich auf den Stuhl gegenüber vom Schreibtisch.

Ein vages Lächeln umspielte Max’ Mund, als er sich in den Managersessel zurücksinken ließ. „Ich werde am Sonntag zu einem Meeting mit Surim nach Qu’Arim fliegen. Wir müssen ein paar letzte Details besprechen. Die Bauarbeiten haben bereits begonnen, und ich möchte mir gern die Fundamente ansehen. Dank deiner zügigen Übersetzungsarbeiten sind wir schnell vorangekommen.“ Er schwieg einen Moment. „Deshalb wollte ich dich fragen, ob du nicht mit mir fliegen möchtest.“

„Nach Qu’Arim? Das wäre wundervoll!“ Melissa strahlte. Wie fantastisch, dass Max an sie gedacht hatte und ihr eine solche Reise spendierte. Auch wenn sie dort arbeiteten, würde sie sicher Gelegenheit haben, den Strand zu erkunden. Melissa freute sich immer, etwas von der Welt zu sehen.

„Es ist nur für eine Woche, und wir wohnen bei Surim.“ Er grinste. „Sein Palast ist groß genug für ein ganzes Bataillon.“

„Du warst also schon mal dort?“

„Mehrmals. Wenn er nach London kommt, wohnt er auch bei mir. Wir waren zusammen in Eton, bis auf das letzte Jahr.“

„Was ist da passiert?“ Melissa war neugierig. Schließlich lernte man nicht alle Tage einen echten Scheich kennen.

„Sein Vater starb, und Surim musste nach Hause und die Herrschaft über sein Land übernehmen.“

„Mit sechzehn oder siebzehn Jahren? Wie kann man in dem Alter ein Reich regieren?“

„Er war sehr jung, aber er hatte Minister und Ratgeber“, erklärte Max. „Und über die Jahre ist es ihm durch kluges Delegieren gelungen, das zersplitterte Land zu einen. Davon hat natürlich auch die Wirtschaft profitiert.“

„Ist Qu’Arim nicht bekannt für sein Öl- und Perlenvorkommen?“, fragte sie. Als sie mit den Übersetzungen begonnen hatte, hatte sie auch angefangen, Literatur über das Land zu lesen.

Max nickte. „Heute sind die Ölschätze von größerer Bedeutung als die Perlen, die früher das wichtigste Gut waren. Dementsprechend hart ist der Konkurrenzkampf.“ Er erhob sich. „Stell dich also auf eine Woche ein. Du wirst übrigens auch ein schickes Kleid brauchen. So wie ich Surim kenne, wird er uns auf mindestens einen Empfang mitnehmen. Wir fliegen am Sonntagmorgen.“

Auch Melissa stand auf. Am liebsten hätte sie vor Freude getanzt. „Ich freue mich schon, Max.“

„Du wirst mir eine große Hilfe sein. Wenn der Vertragspartner Neuigkeiten hat, werde ich eine Übersetzerin brauchen. Du kennst dich mittlerweile mit den Vorgängen aus, also bist du viel mehr als eine einfache Übersetzerin.“

Beflügelt kehrte Melissa an ihren Schreibtisch zurück. Sie würde nach Qu’Arim fahren! Als Reiseliebhaberin hatte sie schon viele Teile Europas gesehen, aber im mittleren Osten mit seinem exotischen Flair war sie noch nie gewesen. Außerdem würde sie so dem kühlen Nass Londons entkommen.

Als sie das Büro verließ, herrschte draußen bereits tiefe Dunkelheit. Melissa blickte in die regnerische Januarnacht hinaus und spannte ihren Schirm auf.

Dass sie zu Hause niemanden antraf, enttäuschte sie, denn sie brannte darauf, die gute Neuigkeit mit jemandem zu teilen. Wahrscheinlich waren ihre Mutter und Robert ausgegangen. Sie waren erst seit einem Jahr verheiratet und noch frisch verliebt. Einerseits freute sich Melissa für ihre Mutter, andererseits fühlte sie sich manchmal auch ausgeschlossen.

Wäre ihre Beziehung mit Paul nicht in die Brüche gegangen, wäre sie jetzt vielleicht selbst frisch verheiratet. Doch leider hatte sie sich wohl den falschen Mann ausgesucht. Und nun weigerte sie sich, auch nur noch einen Gedanken an Paul zu verschwenden. Er gehörte der Vergangenheit an, und sie hatte aus ihren Erfahrungen gelernt.

Nach einer warmen Dusche zog Melissa sich um. Vielleicht würde sie im Internet noch mehr Informationen über Qu’Arim finden.

Am Sonntagmorgen nahmen Max und Melissa einen frühen Flug nach Rom, wo sie in ein Flugzeug nach Qu’Arim umstiegen. Am Spätnachmittag landeten sie dort. Kaum waren sie aus dem Flugzeug gestiegen, spürte Melissa die warme Sonne auf ihrem Gesicht. Die Luft duftete nach Blüten.

„Es gefällt mir jetzt schon“, schwärmte sie, als sie durch den Terminal schritten.

„Hast du etwas gesagt?“, fragte Max. Er hatte sich bereits voll und ganz auf das Geschäftsmeeting eingestellt und trug seinen Laptop so vorsichtig, als wäre er sein Ein und Alles. Das war nicht verwunderlich. Dieser Mann liebte seinen Job. Aber er vernachlässigte sein Privatleben darüber nicht. Melissas Mutter hatte erzählt, dass er oft ausging und sich gern amüsierte.

„Es ist schön hier“, wiederholte sie gemäßigter. Sie hoffte, sie würde neben der Arbeit ein wenig Zeit finden, um die Gegend zu erkunden. Vom Flugzeug aus hatte der Persische Golf fantastisch türkisblau ausgesehen.

Am Ausgang erwartete sie ein großer dunkelhaariger Mann mit fast schwarzen Augen. Er lächelte Max an, und Melissas Herz machte einen Satz. Wenn sie Max für gut aussehend hielt, wie sollte sie dann diesen Mann bezeichnen? Mit seinem glänzend schwarzen Haar, den ausdrucksvollen braunen Augen und der gebräunten Haut wirkte er wie einem Modejournal entstiegen. Der anthrazitfarbene Anzug und die rote Krawatte wirkten sehr westlich. Melissa sah sich um. Die meisten Menschen waren westlich gekleidet, nur wenige trugen traditionelle arabische Gewänder.

Im Grunde hätten sie an jedem beliebigen Flughafen in Europa sein können. Einen Moment war Melissa enttäuscht. Dann sah sie die beiden Männer, die in einigem Abstand warteten. Wahrscheinlich die Leibwächter des Scheichs.

Max stellte sie einander vor. Scheich Surim Al-Thani neigte leicht das Haupt und führte Melissas Hand an seine Lippen. Bei seiner Berührung erschauerte sie, doch es war sein Blick, der sie aus der Fassung brachte. Dieser Mann konnte ihren Seelenfrieden gefährden.

„Willkommen in Qu’Arim“, begrüßte er sie förmlich. Seine Stimme klang tief und sonor, mit einem winzigen Akzent. „Ich hoffe, Sie werden Ihren Aufenthalt hier genießen. Lassen Sie es mich wissen, wenn Sie irgendetwas brauchen.“

„Vielen Dank“, murmelte Melissa. Die ungewöhnliche Anziehungskraft, die der Scheich auf sie ausübte, brachte sie aus dem Gleichgewicht. Seiner Stimme hätte sie den ganzen Tag lauschen mögen, und sein Händedruck war fest und warm, beinahe wie eine Liebkosung. Doch sie war nicht hier, um sich in den Freund ihres Stiefbruders zu verlieben.

Surim führte sie aus dem Flughafen, wo eine luxuriöse Limousine auf sie wartete.

Während der Fahrt unterhielten sich Max und Surim angeregt. Melissa warf ab und zu einen Blick auf den Scheich. Sein Haar glänzte, und sie fragte sich, ob es sich wohl so dicht und weich anfühlte, wie es aussah.

Als er ihrem Blick begegnete, fühlte sie sich ertappt. Es war unhöflich, jemanden so anzustarren. Dennoch wandte sie den Blick nicht ab, und so sahen sie einander in die Augen, bis Melissa schließlich wegschaute. Während sie aus dem Fenster sah, schlug ihr Herz wild. Mit aller Mühe versuchte sie, sich auf die Landschaft zu konzentrieren und nicht an den attraktiven Scheich zu denken, der ihr gegenübersaß.

Sie wünschte, sie hätte Max mehr Fragen zu ihrem Gastgeber gestellt. Bei ihrer Tätigkeit in der Ferienanlage hatte sie Menschen aller Gesellschaftsschichten kennengelernt. Die Anziehungskraft, die Surim auf sie ausübte, hatte nichts mit seinem Reichtum oder seiner Macht zu tun. Er war schlicht und ergreifend sexy. Wie oft würde sie ihn wohl während ihres Aufenthalts hier zu sehen bekommen? Je weniger, desto besser, entschied sie.

Im Vorbeifahren bewunderte Melissa die wunderschönen, großzügig angelegten Blumenbeete. Die prachtvollen Blüten wogten in der milden Brise.

Melissa achtete nicht auf das Gespräch der beiden Männer. Erst als die beiden erwartungsvoll schwiegen, wurde sie aufmerksam.

„Habe ich etwas verpasst?“

„Ich habe Surim gerade erzählt, dass du fließend Französisch sprichst“, erklärte Max.

„Französisch ist unsere zweite Landessprache, obwohl Englisch an Einfluss gewinnt“, sagte Surim auf Französisch.

Irgendwie gewann Melissa den Eindruck, er wollte sie testen. Also antwortete sie in derselben Sprache: „In dem Teil der Schweiz, wo ich bis vor kurzem gearbeitet habe, ist Französisch die erste Landessprache, deshalb konnte ich meine Kenntnisse dort gut vertiefen. Ich habe übrigens die Unterlagen übersetzt, die Sie Max vom Konstruktionsunternehmen haben zukommen lassen.“

Anerkennend neigte er den Kopf. Mit Blick auf Max verlegte er sich wieder aufs Englische. „Ich hoffe, der Ort, an dem das Bella Lucia entsteht, gefällt dir. Das Restaurant wird direkt am Wasser liegen, umsäumt von Palmen. Wir können an der Baustelle vorbeifahren, wenn du willst.“

Max nickte begeistert, und auch Melissa war gespannt.

Und es war so schön, wie sie es sich erhofft hatte. Da heute nicht gearbeitet wurde, war die Baustelle menschenleer. Das Fundament stand bereits. Max ließ sich alles von Surim erklären.

„Sie kommen lieber nicht mit auf die Baustelle“, meinte Surim. „Es ist zu gefährlich.“

Unter anderen Umständen wäre Melissa vielleicht beleidigt gewesen. Im Moment jedoch beschäftigten sie die Eindrücke und die atemberaubende Landschaft viel zu sehr. Sie fand es ohnehin spannender, am Strand herumzulaufen statt auf einer Betonbaustelle.

Einer der Leibwächter folgte den Männern, der andere wartete am Wagen. Anscheinend nahmen sie ihre Aufgabe sehr ernst, obschon weit und breit keine Menschenseele zu sehen war.

Melissa stieg aus der Limousine und ging zum Wasser hinunter. Ihre Schuhe waren alles andere als geeignet für einen Strandspaziergang, also streifte sie sie kurzerhand ab. Zweifellos wären ihre Strümpfe bald voller Sand, doch das war ihr gleichgültig.

Der feine weiße Sand fühlte sich weich und warm unter ihren Füßen an. Als sie an den von Wellen benetzten Sandabschnitt nahe der Wasserkante kam, wurde das Laufen leichter. Das tiefe Blau des Persischen Golfs erstreckte sich vor ihren Augen bis zum Horizont. Glücklich sog sie die salzige reine Luft ein. Hinter sich erblickte sie die Ferienanlage. Das Hauptgebäude würde zweistöckig sein. Am anderen Ende der Anlage entdeckte sie Max und Surim. Dort würde also das Restaurant entstehen. Es war ein wunderschöner Ort.

Erst jetzt fiel ihr auf, dass sie ganz allein am Strand entlang­spazierte. Wo sie ganze Familien vermutet hätte, war keine Menschenseele.

Am liebsten wäre Melissa schwimmen gegangen. Aber das kam nicht infrage, jedenfalls nicht am ersten Tag. Vielleicht würde sie ihm Laufe ihres Aufenthaltes Gelegenheit dazu haben.

Max und Surim gingen zur Limousine zurück. Widerstrebend machte auch Melissa sich auf den Weg zum Wagen. So gut es ging, befreite sie ihre Strümpfe vom Sand, bevor sie wieder in die Schuhe schlüpfte.

„Gefällt Ihnen der Strand?“, fragte Surim, als sie am Auto ankam.

Ihre Blicke trafen sich.

„Er ist fantastisch. Aber ich wundere mich, dass niemand hier ist. An einem solchen Tag erwartet man Horden von Kindern im Wasser.“

„Die erhoffe ich mir für die Zukunft auch. Aber erst nach dem Bau der Anlage. Bis dahin ist es zu gefährlich, deshalb habe ich den Strand für Besucher geschlossen.“

„Ich verstehe.“ Dann würde sie hier also nicht schwimmen gehen dürfen.

Sie nahmen ihre Plätze in der Limousine wieder ein, und kurze Zeit später passierten sie eine breite Auffahrt, die riesige Palmen säumten. Als Melissa Surims Anwesen erblickte, weiteten sich ihre Augen vor Staunen. Das Gebäude war wunderschön, weiß und terrakottafarben mit bogenförmigen Fenstern und in die Mauern eingelassenen Mosaiken von atemberaubender Farbenpracht. Die breite Veranda führte um das gesamte Haus herum. Insgesamt war es ein schlichter Bau, doch die vielen liebevollen Details verliehen ihm eine majestätische Schönheit.

„Wie wunderhübsch“, entfuhr es ihr. Palmen wiegten sich sanft im Wind, und die Veranda war mit Blumenkästen geschmückt, aus denen sich ein wahres Blütenmeer ergoss. Ein Springbrunnen zauberte einen Regenbogen in die gleißende Sonne.

„Sind wir noch in der Nähe des Golfs?“, wollte sie wissen. Denn obwohl sie das Meer nirgends mehr sah, roch die Luft immer noch leicht salzig.

„Hinter dem Haus führt ein Pfad zu unserem Privatstrand. Es ist nur ein kurzer Fußweg. Vielleicht haben Sie Lust, einmal schwimmen zu gehen?“

Sie schenkte ihm ein Lächeln. „Das wäre wunderbar.“

Ob er ihr Gesellschaft leistete? Melissa wandte den Blick ab, damit er ihre Gedanken nicht lesen konnte.

Dann folgten sie ihrem Gastgeber durch die große hölzerne Tür. Melissa fragte sich, warum Max sie überhaupt mitgenommen hatte, da Surim doch selbst Französisch sprach. Um eine unparteiische Person an seiner Seite zu haben? Doch Surim war sein Freund, und Melissa konnte sich nicht vorstellen, dass er Max gegenüber unehrenhaft handeln könnte. Wahrscheinlich war er einfach zu beschäftigt.

Im Inneren des Hauses war es kühl. Die Fenster standen offen, und eine leichte Brise wehte herein. An den hohen Decken zirkulierte die Luft frei, was eine Klimaanlage überflüssig machte.

Farbenprächtige Möbel zierten den Raum. Als Melissa hinter den Männern herging, plagte sie das lästige Kratzen des Sandes in ihren Schuhen.

„Sie sind sicher erschöpft von der langen Reise“, bemerkte Surim. „Meine Haushälterin wird Ihnen Ihr Zimmer zeigen. Um acht gibt es Abendessen.“

„Vielen Dank.“ Melissa warf Max einen Blick zu.

„Gute Idee. Dann können Surim und ich schon mal die Pläne durchsehen. Ich habe noch ein paar Änderungswünsche für den Küchenbereich.“

Melissa zog die kühlen Laken von dem hohen Bett, schlüpfte unter die leichte Decke und schloss die Augen. Es war nach elf, und sie war sehr müde. Das Abendessen hatte sie mit Surim und Max verbracht, die sich fast ausschließlich über die Ferienanlage und das Restaurant unterhalten hatten. Viel lieber hätte sie ihr Essen auf der Veranda eingenommen und mehr über Qu’Arim erfahren.

Im Geiste ging Melissa noch einmal die Pläne für den kommenden Tag durch. Um sieben Frühstück und danach das Treffen mit dem Bauleiter im Büro. Und dann …

Ein Schrei riss sie aus ihren Gedanken. Abrupt setzte sie sich auf und lauschte angestrengt in die Stille. Dann hörte sie ein Kind weinen.

Der Scheich war nicht verheiratet. Doch da draußen weinte eindeutig ein Kind. Sie stand auf, zog den Bademantel über und stürzte auf den Flur hinaus.

Das Weinen kam aus dem oberen Stockwerk. Ein Kind so verzweifelt weinen zu hören, tat Melissa in der Seele weh. Rasch eilte sie die Treppen hinauf zu einer Tür, die offen stand und den Flur erhellte. Der Anblick, der sich ihr hier bot, erschütterte sie zutiefst.

Surim stand mit aufgekrempelten Hemdsärmeln bei der Tür. Neben ihm rang eine ältere Frau verzweifelt die Hände, während drei Kinder sich auf einem Sofa aneinanderklammerten. Das älteste Kind, etwa sieben oder acht Jahre alt, legte schützend einen Arm um ein Kleinkind. Das dritte Kind, ein kleiner Junge von etwa fünf oder sechs Jahren, weinte zum Erbarmen.

Ohne zu zögern, lief Melissa ins Zimmer.

„Was ist hier los?“ Energisch schob sie Surim zur Seite und nahm den kleinen Jungen in den Arm. „Was ist los, mein Kleiner?“, fragte sie sanft.

Die beiden anderen Kinder sahen sie erstaunt an und blickten dann nervös zu Surim.

Den Jungen im Arm, funkelte Melissa den Scheich an.

„Diese Kinder gehören längst ins Bett. Es ist nach elf.“

„Genau das sage ich auch“, nickte er. „Aber ihre Kinderfrau scheint nicht in der Lage zu sein, sie zu Bett zu bringen. Hamid hatte einen Albtraum und hat mit seinem Weinen die anderen aufgeweckt. Und jetzt wollen sie nicht mehr ins Bett. Wenn sie sich allerdings nicht benehmen, werde ich eine andere Bleibe für sie finden müssen.“

„So etwas Kaltherziges habe ich noch keinen Vater sagen hören.“

„Ich bin nicht ihr Vater.“

Der kleine Junge legte den Kopf an Melissas Schulter, und sein Schluchzen verebbte. Sie wiegte ihn leicht und sah die anderen Kinder an. Beide sahen müde und verzweifelt aus.

„Wessen Kinder sind es dann, und warum sind sie hier?“

Surim trat einen Schritt vor. „Mein Haushalt geht Sie nichts an. Sie sind mein Gast, weil Max es so wünscht.“

„Kinder gehen mich durchaus etwas an. Und wenn Sie sie nicht ordentlich behandeln, werde ich Sie anzeigen“, gab sie wütend zurück. Im gleichen Moment erkannte sie, wie albern diese Drohung klang. Er war das Oberhaupt des gesamten Reichs. Bei wem sollte sie ihn wohl anzeigen?

Der Scheich kniff die Augen zusammen. Zorn schnürte ihm die Kehle zu. Doch die Absurdität der Drohung brachte ihn zur Vernunft. Er sah Melissa an. Dann wanderte sein Blick zu den Kindern, die verängstigt zu ihm aufblickten. Sie wichen förmlich vor ihm zurück. Er war doch kein Ungeheuer! Niemals würde er ein Kind schlagen, und doch bewegten sie sich in seiner Gegenwart wie auf rohen Eiern. Kein Wunder. Er wusste nicht, was er mit Kindern anfangen sollte. Aus diesem Grunde hatte er ja Annis eingestellt. Doch anscheinend war sie mit drei Kindern überfordert. Obwohl er nicht vorgehabt hatte, diese Information mit seinem Gast zu teilen. Möglicherweise wäre ein Internat die beste Lösung.

Surim sah wieder zu Melissa. Sie war vielleicht zierlich, aber sie hatte ihm die Stirn geboten. Dabei kannte sie die Kinder gar nicht.

„Es sind die Kinder meiner Cousine. Nadia, Hamid und Alaya sind erst vor kurzem hier eingezogen, und wir kommen noch nicht so gut miteinander zurecht. Daher würde ich es begrüßen, wenn Sie von einer Anzeige absehen.“ Ihm war noch nie mit einer Anzeige gedroht worden, und er musste schmunzeln. Es war einfach köstlich.

„Vielleicht sollten sie lieber wieder nach Hause zurückkehren?“, schlug Melissa vor.

„Das ist leider unmöglich. Ihre Eltern sind bei einem Autounfall ums Leben gekommen, und sie haben kein Zuhause mehr. Als ihr Vormund sorge ich nun für sie.“

Surim beobachtete, wie Melissa Hamid in ihrem Arm schaukelte. Langsam musste er ihr doch zu schwer werden. Aber immerhin weinte der Junge nicht mehr. Die Albträume kamen regelmäßig, und Annis war dagegen machtlos. Max’ Freundin jedoch hatte anscheinend einen Draht zu dem Kind.

Erst jetzt fiel ihm ihre Aufmachung auf. Sie trug einen Bademantel, und das weiche Haar fiel ihr offen über die Schultern. In ehrlicher Empörung funkelten ihre Augen faszinierend, und ihre Wangen waren gerötet.

Max hatte ihn gebeten, seine Assistentin mitbringen zu dürfen. Waren die beiden ein Liebespaar? Surim konnte sich an keine Vertraulichkeiten zwischen den beiden erinnern. Was allerdings nicht bedeutete, dass sie ungebunden war. Möglicherweise wartete in London ein Mann auf sie.

„Vielleicht könnten Sie uns helfen, die Kinder heute Abend zu Bett zu bringen …“, setzte er mit Blick auf Annis an. Die Kinderfrau hatte sich als ungeeignet erwiesen. So schwer konnte es doch nun auch wieder nicht sein, drei Kinder jeden Abend zu einer vernünftigen Zeit ins Bett zu bringen. Sollten sich Kinderfrauen nicht mit Albträumen und anderen Problemen auskennen?

„Vielleicht sollte ich das.“ Melissa sah die Mädchen an. „Hi, ich bin Melissa. Wollt ihr mir helfen, Hamid ins Bett zu bringen? Danach bringe ich euch ins Bett und lese euch noch eine Geschichte vor.“

„Unser Zimmer ist gegenüber“, erklärte das ältere Mädchen. „Hamid kann die Geschichte aber dann nicht hören.“

„Wieso schlaft ihr dann nicht eine Nacht alle drei zusammen in einem Zimmer? So könnt ihr alle meine Geschichte hören.“

„Ich liebe Geschichten“, sagte Hamid.

„Die Kinder sprechen ja fließend Englisch.“ Melissa sah fragend zu Surim.

Autor

Barbara Mc Mahon
<p>Barbara McMahon wuchs in einer Kleinstadt in Virginia auf. Ihr großer Traum war es, zu reisen und die Welt kennenzulernen. Nach ihrem College-Abschluss wurde sie zunächst Stewardess und verbrachte einige Jahre damit, die exotischsten Länder zu erforschen. Um sich später möglichst genau an diese Reisen erinnern zu können, schreib Barbara...
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