Im Sturm erobert

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Dramatischer Einsatz am Crococile Creek! Hand in Hand arbeiten Dr. Carmichael und die Ärztin Georgie Turner unter der sengenden Sonne Australiens zusammen. Dabei wird Georgie, schön und selbstbewusst, für Alistair zur größten Herausforderung seines Lebens …


  • Erscheinungstag 22.08.2020
  • ISBN / Artikelnummer 9783733718237
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

Prolog

Die Busfahrt nahm einfach kein Ende. Schon seit dreizehn Stunden waren sie unterwegs, und nur zum Tanken wurde gelegentlich eine viel zu kurze Pause eingelegt. Während der ganzen Zeit saß Max in der hintersten Ecke des Reisebusses und hoffte inständig, dass niemand ihn ansprechen würde. Er streichelte Scruffy und sang dem Hund leise ein Lied vor. Eigentlich hätte Scruffy im Gepäckraum reisen müssen, doch der Busfahrer hatte sich von Max’ flehendem Blick erweichen lassen.

„Wir fahren zu Georgie. Wir fahren zu Georgie“, summte Max vor sich hin.

Es war noch ein anderes Kind im Bus, das aber jünger als der siebenjährige Max zu sein schien. Der Junge war offenbar stumm. Zumindest sprach er weder mit der jungen Frau, die ihn begleitete, noch mit sonst einem der Fahrgäste. Doch in regelmäßigen Abständen schlüpfte der Kleine von seinem Sitz und kauerte sich neben Max, um Scruffy ein wenig zu streicheln.

„Wie heißt du?“, hatte Max ihn beim ersten Mal gefragt. Doch der Junge hatte nicht geantwortet. Egal. Hauptsache, er kraulte Scruffy.

War der Kleine wohl auch auf dem Weg nach Crocodile Creek? Vielleicht kannten er und seine Begleiterin Georgie? Die junge Frau sieht nett aus, fand Max. Auf dem letzten Rastplatz hatte sie für ihn ein Sandwich und etwas zu trinken gekauft, und auch Scruffy hatte ein Sandwich bekommen. Dad hatte ihm keinen einzigen Cent für Verpflegung während der Fahrt mitgegeben. Je länger Max darüber nachdachte, desto glücklicher schätzte er sich, dass Dad überhaupt die Busfahrkarte bezahlt hatte.

Na ja, Dad hatte keine Wahl gehabt. Er musste dringend verschwinden, und wenn er Max allein auf den Straßen von Mount Isa zurückgelassen hätte, wäre Georgie sicher auf ihre Harley gestiegen, hätte Dad gesucht und vor Wut umgebracht. Georgie konnte furchtbar zornig werden. Es war noch nie vorgekommen, dass sie ihn angeschrien hatte, doch mit Dad ging sie nicht zimperlich um. Einmal hatte Dad sie geschlagen, aber Georgie hatte sich sofort gewehrt.

Nicht mehr lange, dann würde er, Max, endlich wieder bei ihr sein.

Wie lange mochte es wohl noch dauern?

„Wir sind bald da“, erklärte er Scruffy und dem stummen Jungen. „Bald sind wir bei Georgie, und sie wird jeden verprügeln, der gemein zu uns ist. Falls Dad auftaucht, um uns zu holen, wird sie auch ihn verprügeln.“

Doch Georgie hatte es noch nie geschafft zu verhindern, dass Dad ihn mitnahm, wann immer er wollte.

„Dad wird mich schon nicht mehr haben wollen“, versuchte Max Scruffy, seinen schweigsamen Freund und auch sich selbst zu überzeugen. „Wir werden in Sicherheit sein. Georgie kann meine Mum werden.“

Wie zur Bestätigung schmiegte der kleine Hund sich an Max.

„Ja. Georgie kann auch deine Mum sein“, flüsterte er dem Hund zu. „Wir beide bleiben zusammen, und Georgie kann unsere Mum sein. Sie wartet schon auf uns.“

1. KAPITEL

„Tut mir leid, Gina, aber du musst dich zwischen Alistair Carmichael und mir entscheiden. Beides geht nicht!“

Gina lachte amüsiert.

„Ich meine es völlig ernst.“

„Nein, tust du nicht.“ Dr. Georgie Turner war bekannt für ihre bühnenreifen Auftritte als das wilde Girl aus dem Crocodile-Creek-Krankenhaus. Georgies bevorzugte Aufmachung bei Partys waren enge schwarze Lederhosen, die ihren durchtrainierten Körper betonten, und tief ausgeschnittene Tops, die den Blick auf ein beeindruckendes Dekolleté lenkten. Ihre kurz geschnittenen Locken glänzten tiefschwarz, und ihre Lippen waren stets knallrot geschminkt. Die geliebte Harley-Davidson, mit der sie im Alltag unterwegs war, sowie eine Crossmaschine für Geländetouren vervollständigten das Bild der Abenteurerin.

Georgie. Immer zu allem bereit.

Dr. Georgiana Turner, die unglaublich begabte Geburtshelferin.

Georgie war Ginas beste Freundin. Unter der betont rauen Schale hatte Georgie ein Herz aus Gold.

„Wer dich kennt, muss dich einfach lieben“, erklärte Gina. „Ich liebe dich. Alle deine Patienten lieben dich. Gib Alistair etwas Zeit, dich kennenzulernen, und auch er wird dich lieben.“

„Genau.“ Georgie schnaubte verächtlich. „Wir kennen uns übrigens schon, vergessen? Er wird mir vermutlich eine Moralpredigt halten, während Cal und du euch das Jawort gebt.“ Georgie holte tief Luft und machte ein finsteres Gesicht.

Gina seufzte. Sie und Georgie arbeiteten als Ärztinnen in Crocodile Creek, dem Basisstandort für die Seerettung und für die Flying Doctors im nördlichen Queensland. Gina war mit Cal verlobt, der ebenfalls Arzt in Crocodile Creek war. Vor sechs Monaten war Alistair, Ginas einziger Cousin, aus den USA zu Besuch gekommen, um sich den Ort anzusehen, an dem seine jüngere Cousine sich niederlassen wollte.

Leider hatte sein Besuch genau zu einem Zeitpunkt stattgefunden, als Georgie in einer schrecklichen Verfassung gewesen war. Ihr Stiefvater hatte ihr gerade ihren kleinen Halbbruder weggenommen, damit dieser ihm in seinem zerrütteten Dasein Gesellschaft leistete. Max war sieben Jahre alt. Schon kurz nach seiner Geburt war ihre gemeinsame Mutter in die Drogenszene abgerutscht und verschwunden. Seitdem hatte Georgie sich um Max gekümmert. Sie liebte ihn über alles.

Doch er war nicht ihr Kind. Und Halbschwestern hatten nun einmal weniger Rechte als Väter; egal wie zwielichtig diese Väter waren. So hatte sie nicht verhindern können, dass er Max mitnahm.

Schweren Herzens hatte sich Georgie von Max verabschiedet und war zu Ginas Verlobungsparty gegangen. Nur mühsam war es ihr gelungen, die Tränen zu unterdrücken. Und dann hatte Alistair Carmichael, dieser herausgeputzte Schönling, sie zum Tanzen aufgefordert.

Damit hatte das Verhängnis seinen Lauf genommen.

Alistair sah einfach toll aus. Er war groß und stark und männlich. Und sie hatte zu viel getrunken. Zu viel und zu schnell. Schon bei ihrer ersten Begegnung früher an jenem Tag war ihr aufgefallen, wie umwerfend attraktiv er war. Auf der Party dann, völlig benommen von ihrer Trauer, hatte sie sich von ihren Hormonen überrumpeln lassen. Bereitwillig hatte sie ihm erlaubt, dass er sie ganz fest an sich zog, hatte schamlos mit ihm geflirtet, und dann …

Er trug sie mehr oder weniger aus dem Saal, und ihnen war beiden klar gewesen, wie es weitergehen würde. Doch das war Georgie egal. Warum sollte es sie auch kümmern, wo doch ihr ganzes Leben gerade den Bach hinunterging?

Gina fing sie an der Tür ab. „Georgie“, sagte sie sanft, und in ihrer Stimme lagen so viel Mitgefühl und Liebe, dass Georgie Alistair plötzlich unsanft von sich stieß, sich dann auf die Stufen setzte und in Tränen ausbrach.

„Was zum Teufel …?“ Alistair blickte konsterniert drein.

Unter heftigem Schluchzen brachte Georgie hervor: „Tut mir leid, Kumpel. Es ist nicht so, dass ich dich nicht attraktiv finde. Aber ich bin einfach betrunken.“

In diesem Augenblick hatte er sich in ein spießiges Ekel verwandelt.

„Und das ist deine beste Freundin?“, fragte er seine Cousine Gina ungläubig.

„Ja. Sie ist nur etwas …“

„Ich habe einfach zu viel getrunken“, unterbrach Georgie sie hastig und warf Gina einen warnenden Blick zu. Auf keinen Fall wollte sie, dass ihre Freundin Alistair den Grund für ihr seltsames Verhalten erklärte. „Gina hat recht. Ich sollte zu Bett gehen.“

„Ich werde dich heimbringen“, erklärte Gina resolut.

„Aber das hier ist doch deine Verlobungsfeier“, protestierte Alistair und starrte Georgie dabei angewidert an.

„Ist schon in Ordnung“, winkte Gina ab. „Ich werde bald wieder da sein, aber zuerst muss ich meine Freundin nach Hause bringen.“

„Ich brauche keine Begleitung. Ich bin mit dem Motorrad da. He, möchtest du mitfahren?“, bot Georgie Alistair an und deutete auf ihre geliebte Harley.

„Ich denke, wir sollten die Maschine besser stehen lassen“, sagte Gina lächelnd, aber sehr bestimmt, und zog Georgie hoch. „Ich weiß, du kannst die Harley auch im Schlaf fahren, aber wir wollen das Schicksal doch nicht herausfordern, oder?“

So also war Georgies erstes Zusammentreffen mit Alistair verlaufen. Als Gina ihren Cousin am nächsten Tag im Krankenhaus herumgeführt hatte, war er sprachlos vor Erstaunen gewesen, als er hörte, dass Georgie Geburtshelferin war.

„Sie ist unglaublich kompetent“, hatte Gina betont. „Wir sind sehr glücklich, sie hierzuhaben.“

„Ich wusste ja, dass ihr verzweifelt Ärzte braucht“, hatte Alistair geantwortet, „doch ich würde nicht zulassen, dass jemand wie sie auch nur in die Nähe meiner Patienten kommt.“

Damit war alles gesagt. Am folgenden Tag war Alistair wieder abgereist. Zurück zu seiner unglaublich wichtigen, ruhmreichen Arbeit als pädiatrischer Neurochirurg in einem renommierten amerikanischen Krankenhaus. Georgie war ein Stein vom Herzen gefallen. Aber nun …

„Er wird dich zum Altar führen“, klagte sie. „Wir müssen uns also zur selben Zeit in der Kirche aufhalten.“

„Wenigstens ist er nicht Trauzeuge. Er wird dir nicht bei der Zeremonie assistieren.“

„Er hält mich für eine Schlampe.“

„Na, hör mal! Er wollte doch dich abschleppen. Sein Verhalten war zweifellos ebenfalls alles andere als korrekt.“

„Er wollte mit mir schlafen, weil er mich für eine Schlampe gehalten hat.“

„Stimmt“, räumte Gina ein.

„Eine furchtbare Situation!“, stöhnte Georgie theatralisch.

„Du könntest ihn völlig verwirren, indem du in einem Twinset und mit Perlenkette auftauchst“, schlug Gina vor.

Georgie verschluckte sich fast vor Lachen. „Ja. Eine prima Idee!“

„Seine Verlobte kleidet sich auch so.“

„Er hat eine Verlobte?“

„Eloise. Sie sind schon seit Jahren zusammen.“

„Und trotzdem wollte er mich abschleppen?“

„Das meinte ich, als ich sagte, sein Verhalten sei ebenfalls nicht in Ordnung gewesen. Im Grunde hat er sich ziemlich schäbig benommen.“

„Ich muss aber als Brautjungfer nicht wirklich ein Twinset tragen, oder?“

„Zieh an, was du möchtest“, antwortete Gina. „Da du meine einzige Brautjungfer bist, hast du die freie Wahl. Meinetwegen kannst du in Lederhosen kommen.“ Zögernd sah sie Georgie an. „Weißt du eigentlich, wo Max jetzt gerade ist?“

Georgies Lächeln erstarb. Gedankenverloren griff sie nach einem Kissen und drückte es an sich. „Ich habe absolut keine Ahnung. Vor fünf Monaten habe ich das letzte Mal von ihm gehört. Damals waren sie gerade im Begriff, Westaustralien zu verlassen. Wie üblich war mein Stiefvater mit dem Gesetz in Konflikt geraten.“

„O Georgie …“

„Ich wünsche mir wirklich, dass er endlich geschnappt wird“, erklärte Georgie zornig. „Er ist bis zum Hals in Drogengeschäfte verwickelt, das weiß ich. Es würde mich freuen, wenn er für lange Zeit ins Gefängnis müsste.“

„Weil Max dann wieder bei dir leben könnte?“

„Ich bin alles, was er noch hat.“

„Aber dein Stiefvater scheint ihn doch auch zu lieben. Warum würde er sonst darauf bestehen, dass Max bei ihm wohnt?“

„Träum weiter“, erwiderte Georgie resigniert. „Er benutzt ihn nur. Als Ron das letzte Mal im Knast war, hat Max mir erzählt, dass er bei Rons „Geschäften“ Schmiere stehen muss. Und wenn Ron sich verstecken muss, schickt er Max zum Einkaufen. Manchmal muss Max sogar Päckchen übergeben!“

„Nein!“

„Ron ist ein verantwortungsloser Mistkerl“, grollte Georgie. „Meine ganze Familie ist durch und durch verdorben. Deshalb bin ich auch nach Crocodile Creek gekommen. Ich wollte so weit wie möglich weg von ihnen. Nur Max ist anders. Mein kleiner Max … Doch ich kann nichts für ihn tun.“

Eine ganze Weile sagte niemand ein Wort. Gina sah ihre Freundin besorgt an. Georgie hatte sich aus ihrem trostlosen Milieu hochgearbeitet und mit aller Kraft durch ihr Medizinstudium gekämpft. Energisch und zielstrebig war sie ihren schweren Weg gegangen. Auf den ersten Blick strahlte sie die Härte aus, die das Leben von ihr gefordert hatte. Aber unter dieser rauen Schale …

„Wenn du es wirklich so schrecklich findest, meine Brautjungfer zu sein, dann …“, begann Gina zögernd.

Georgie sah sie an. „Wer hat behauptet, dass ich nicht deine Brautjungfer sein will?“

„Ich dachte, Alistair …“

„Mit Alistair Carmichael werde ich schon fertig“, erklärte Georgie grimmig. „Eine meiner leichtesten Übungen. Er ist also verlobt, ja? Na, der kann sich auf etwas gefasst machen.“

„Georgie …“

„Keine Angst, ich werde ihm nichts antun. Ich verspreche es.“

Doch nur für sich selbst hörbar fügte sie hinzu: „Zumindest nichts, wovon du erfahren wirst.“

Der Flug war grässlich gewesen. Als Alistair aus dem Flugzeug stieg, wurde er von dem gleißenden Sonnenschein in Crocodile Creek schmerzhaft geblendet. Da er während der Reise kaum geschlafen hatte, fühlte er sich wie gerädert. Er hatte anstrengende Wochen hinter sich, denn er war gerade dabei, ein neues System für die Verlegung seiner Patienten vom Operationssaal auf die Intensivstation einzuführen. Letztlich hatte er bis zu seiner Abreise alles geschafft, was er sich vorgenommen hatte, doch er war völlig überarbeitet.

Eloise, die ihn zum Flughafen gefahren hatte, war besorgt gewesen.

„Du arbeitest zu viel.“

„Sagt die jüngste Frau, die jemals eine Professur für Neurologie bekommen hat.“

„Aber ich kenne meine Grenzen, Alistair.“

„Ich kenne meine ebenfalls. Ich werde im Flugzeug schlafen.“

Doch dazu war es nicht gekommen. Es hatte Turbulenzen gegeben, und der Pilot hatte einen Umweg über Neuseeland machen müssen. Dort musste Alistair über acht Stunden in der Flughafenlounge warten, bis der Flug fortgesetzt werden konnte. Doch die Turbulenzen gingen weiter, und diesmal war es so schlimm, dass es Verletzte unter den Passagieren gab. Anscheinend trieb gerade ein Zyklon östlich von Australien sein Unwesen.

Zum Glück lag Crocodile Creek weiter nördlich, sodass der letzte Teil der Reise ohne Zwischenfälle verlaufen war. Erschöpft schritt Alistair die Gangway hinab und hielt erwartungsvoll nach Gina Ausschau.

Doch die war nicht unter den Abholern. Stattdessen …

Seine Vorfreude bekam einen gewaltigen Dämpfer. Georgie. Dr. Georgiana Turner.

Zu seiner Enttäuschung hatte sie während seiner Abwesenheit nicht die Stadt verlassen. Beim besten Willen konnte er sich nicht erklären, was seine Cousine an dieser Frau fand.

„Hallo, Alistair“, rief sie winkend, als er das Rollfeld überquerte.

Sie kaute Kaugummi. Zu ihrer engen Lederhose trug sie knallrote Stilettos. Und ihr Top war so kurz und eng, dass er Mühe hatte, den Blick von ihren Kurven zu nehmen. Georgie war ganz in Schwarz gekleidet. Die einzigen Farbtupfer bildeten ihr leuchtend roter Lippenstift und die unglaublichen Schuhe.

„Na, wie geht’s, Al?“, fragte sie und machte eine Kaugummiblase.

„Prima.“ Es fiel ihm schwer, höflich zu bleiben. „Wo ist Gina?“

„Sie hatte dich gestern erwartet. Heute musste sie zusammen mit Cal nach Wallaby Island, um dort die wöchentliche Sprechstunde abzuhalten.“

„Hättest du nicht den Dienst für sie übernehmen können?“

„He, ich bin für Geburten zuständig. Gina ist Kardiologin. Unsere Aufgabengebiete überschneiden sich normalerweise nicht. Hast du Gepäck?“

„Ja, einen Koffer.“

Sie verzog das Gesicht, als wollte sie ausdrücken, dass richtige Männer kein Gepäck brauchen. Wortlos drehte sie sich um und stöckelte in die Flughafenhalle. Während Alistair ihr folgte, konnte er nicht verhindern, dass sein Blick immer wieder zu ihrem wohlgeformten Po wanderte.

Sie war wirklich attraktiv.

Und dies war genau die Art von Gedankengang, die er sich keinesfalls erlauben durfte. Damit war er schon beim letzten Mal gehörig auf die Nase gefallen. Georgie war ein Flittchen. Auch wenn es ihr irgendwie gelungen war, Ärztin zu werden, blieb sie dennoch ein Flittchen.

Und er hätte niemals versuchen dürfen, sie abzuschleppen.

Nun warteten sie nebeneinander am Gepäckband eine quälend lange Zeit auf seinen Koffer. Zwei weitere Ärzte, die er im Flugzeug kennengelernt hatte, standen in der Nähe.

„Es gibt noch eine weitere Hochzeit, habe ich gehört“, sagte er in dem Versuch, ein unverfängliches Gespräch zu beginnen.

Georgie nickte, blickte jedoch weiterhin konzentriert auf das Gepäckband. „Stimmt. Eine Feier ist diesen Samstag, die andere nächstes Wochenende. Sie haben es absichtlich so kurz nacheinander gelegt, damit Gäste, die zu beiden Hochzeiten eingeladen sind, nicht zweimal anreisen müssen. Wir befürchteten schon, dass wegen des schlechten Wetters kaum jemand zur ersten Party erscheinen würde.“

„Im Süden scheint ein ziemlich starker Sturm zu toben“, meinte Alistair nachdenklich. „Während des Flugs von Auckland nach Cairns sind wir in ein Luftloch geraten, und mehrere Passagiere wurden verletzt.“

„Ist das hier dein Koffer?“, unterbrach sie ihn.

„Ja.“

Georgie griff danach und hob das schwere Gepäckstück vom Band, um es ihm Sekunden später vor die Füße zu knallen. Alistair fühlte sich wie ein Versager.

„Dann los“, sagte sie. „Meine Maschine steht auf dem Parkplatz.“

„Meinst du dein Auto?“

„Nein, meine Maschine“, wiederholte sie, während sie sich in Bewegung setzte.

Alistair fühlte sich wie ein kleiner Junge.

„Hallo, Georgie!“, klang es freundlich aus mehreren Richtungen. Zahlreiche Menschen hier schienen sie zu kennen. Doch Georgie ging unbeirrt weiter. Trotz ihrer schwindelerregend hohen Absätze legte sie ein Tempo vor, bei dem Alistair kaum mithalten konnte. Sie sah aus wie ein Model aus einem Biker-Magazin. Wie eine Motorradbraut …

„Ähm … Georgie. Wegen des Motorrads …“

„Was ist damit?“

„Ich werde mir ein Taxi rufen.“

„Das Taxi ist gerade abgefahren.“

„Es muss doch mehr als ein Taxi in der Stadt geben.“

„Im Moment nicht. Heute wird in Crocodile Creek der nordaustralische Fliegenfisch-Angelwettbewerb ausgetragen. In diesem Jahr ist der erste Preis eine Reise auf die Fidschi-Inseln. Fast alle Männer nehmen daran teil. Du wirst dich mit meiner Harley begnügen müssen.“

Inzwischen waren sie auf dem Parkplatz angekommen, wo Alistair fassungslos die riesige Maschine mit dem völlig lächerlichen Beiwagen anstarrte.

„Ich würde lieber darauf verzichten, in diesem Gefährt mitzufahren“, erklärte er steif.

Verwundert sah sie ihn an. „Warum?“

„Ich möchte nicht …“

„Dass deine Frisur zerstört wird? Dein Haar ist doch echt, oder trägst du ein Toupet?“ Georgie streifte ihre Stilettos ab und kramte ein zerschlissenes Paar Turnschuhe aus der Satteltasche. „Na, komm schon. Riskier es! Ich werde mir auch Mühe geben, mich ausnahmsweise an die Geschwindigkeitsbegrenzungen zu halten.“

„Danke, kein Bedarf.“

„Ich habe dir sogar einen Helm mitgebracht. Du wirst dein Toupet nicht verlieren“, spottete sie.

„Nein.“

Einen Moment herrschte Stille. Dann zuckte Georgie die Achseln. Noch ehe er ahnte, was sie vorhatte, hatte sie seinen Koffer in ihren Beiwagen geworfen, sich ihren Helm aufgesetzt und die Maschine gestartet.

„Wie du meinst“, schrie sie über das ohrenbetäubende Motorengeknatter hinweg. „Wenn dir dein Toupet so wichtig ist … Ich werde deinen Koffer im Krankenhaus abstellen. Du kannst den Weg dorthin gar nicht verfehlen: Geh drei Meilen nach Norden, immer geradeaus und dann über die Brücke.“

„Du kannst doch nicht …“

„Bis später!“ Mit quietschenden Reifen brauste sie in einer Wolke aus Staub und Benzingestank davon.

„Du hast ihn einfach stehen gelassen?“

„So kann man das nicht sagen. Ich bin schließlich extra zum Flughafen gefahren, um ihn abzuholen. Doch er hat mein freundliches Angebot abgelehnt, mein Sozius zu sein.“

„Georgie! Es ist heiß heute. Brütend heiß.“ Ginas Stimme am anderen Ende der Telefonleitung klang zugleich besorgt und verärgert.

„Deshalb habe ich auch nicht kapiert, weshalb er nicht mitfahren wollte. Er trägt einen Anzug, Gina. Einen eleganten italienischen Anzug. Und dann seine intellektuellen grauen Schläfen. Alistair sieht wirklich so aus, wie man sich einen Spezialisten aus der Großstadt vorstellt. Umso unverständlicher, dass er den weiten Weg zu Fuß gehen wollte.“

„Wahrscheinlich war ihm nicht klar … Er hat sicher gedacht, er könne sich ein Taxi nehmen.“

„Ich habe ihm gesagt, dass es heute keine gibt.“

„Georgie, ich möchte, dass du zurückfährst und ihn einsammelst.“

„Kommt nicht infrage!“

„Und zwar mit einem Auto. Warum hast du keins der Klinikfahrzeuge genommen?“

„Was hast du gegen mein Motorrad?“

„Georgie Turner, bist du nun meine beste Freundin und meine Brautjungfer oder nicht?“

„Ich glaube schon“, antwortete Georgie vorsichtig.

„Dann ist es deine Aufgabe als Brautjungfer, dafür zu sorgen, dass der Mann, der mich zum Altar führen soll, bei seiner Wanderung durch Crocodile Creek keinen Hitzschlag erleidet.“

„Er hätte nicht …“

„Georgie!“

„Der Typ behandelt mich wie eine Aussätzige.“

„Hattest du deine Lederkluft an?“

„Warum denn nicht?“

„Und deine Stilettos?“

„Ich habe mich extra für ihn umgezogen! Wollte einen guten Eindruck machen.“

„Georgie, fahr los und finde ihn!“

„Nein“, protestierte Georgie, doch sie konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Sie hatte ihren Spaß gehabt. Dann würde sie das Ekel jetzt eben abholen. „Meinetwegen.“

„Mit dem Auto“, ermahnte Gina sie.

„Wenn es sein muss.“

„Es muss sein. Sag ihm bitte, dass Cal und ich zum Abendessen wieder zurück sind.“

„Ist gut.“ Georgie verzog das Gesicht. „Er wird sicher erleichtert sein zu hören, dass er endlich wieder auf zivilisierte Menschen treffen wird.“

Das Kind saß mitten auf der Brücke. Es hätte den Verkehr blockiert, wenn es welchen gegeben hätte. Doch ganz Crocodile Creek schien Siesta zu halten. Während der letzten Meile war Alistair noch nicht einmal einem Fahrrad begegnet.

Schon längst hatte er sein Jackett ausgezogen, und es war so heiß, dass er ernsthaft darüber nachdachte, es am Straßenrand liegen zu lassen. Er war furchtbar durstig, hatte einen schrecklichen Jetlag, und seine Wut wuchs von Minute zu Minute.

Da entdeckte er das Kind auf der Brücke. Es war ein kleiner Junge.

„Hallo.“ Alistair näherte sich vorsichtig. Doch das Kind antwortete nicht. Es starrte ausdruckslos hinunter in den Fluss. Der Anblick beunruhigte Alistair, denn der Junge sah weder gelangweilt noch ängstlich aus – sein Blick war einfach nur auf erschreckende Weise leer.

Er musste etwa sechs Jahre alt sein und sah aus, als sei zumindest ein Elternteil von ihm ein Aborigine.

„Ist alles in Ordnung?“

Der Junge antwortete nicht.

„Wo sind deine Mum und dein Dad?“

„Dad ist beim Angeln“, erklärte das Kind zögernd und mit leiser Stimme. Alistair spürte die Hoffnungslosigkeit, die in den Worten mitklang.

„Und du wartest darauf, dass er nach Hause kommt?“

„Ja.“

„Vielleicht solltest du lieber irgendwo warten, wo es kühler ist“, schlug Alistair vor. Hier mitten auf der Brücke war es so heiß, dass die Luft zu flimmern schien.

Autor

Marion Lennox
Marion wuchs in einer ländlichen Gemeinde in einer Gegend Australiens auf, wo es das ganze Jahr über keine Dürre gibt. Da es auf der abgelegenen Farm kaum Abwechslung gab, war es kein Wunder, dass sie sich die Zeit mit lesen und schreiben vertrieb. Statt ihren Wunschberuf Liebesromanautorin zu ergreifen, entschied...
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