In deinen Armen ...

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Als Alison den attraktiven Milliardär Slade Hawkings wiedersieht, spürt sie, dass seine Faszination auf sie noch größer als vor zwei Jahren ist. Und diesmal gelingt es ihr nicht, den starken Gefühlen zu widerstehen! Doch ihre heimlich Hoffnung, dass Slade ihre Liebe erwidert, wird schnell enttäuscht. Wie sie zu ihrem Entsetzen erfahren muss, scheint er bereits gebunden zu sein. Denn als sie die schöne Caroline trifft, macht diese keinen Hehl daraus dass Slade schon seit Jahren zu ihr gehört ...


  • Erscheinungstag 31.07.2019
  • ISBN / Artikelnummer 9783733747688
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Alli Pierce band noch eine Frangipaniblüte in den Kranz. Nachdem sie an der herrlich duftenden Blüte gerochen hatte, sagte sie: „Ich bin fest entschlossen, nach Neuseeland zu fahren, aber ich werde mich nicht verkaufen, um die Überfahrt und den Flug bezahlen zu können.“

„Das ist mir klar“, antwortete ihre Freundin Sisilu freundlich. „Es war doch nur ein Vorschlag. Fili hat es nicht so ernst gemeint.“

„Was hat sie eigentlich neuerdings? Sie ist in der letzten Zeit ziemlich gehässig.“

Sisilu lächelte. „Du bist wirklich naiv. Sie ist in Tama verliebt und wütend auf dich, weil er nur Augen für dich hat. Außerdem findet sie es ungerecht, dass Barry dir ein wesentliches höheres Gehalt bezahlt als allen anderen, nur weil du Neuseeländerin bist. Immerhin hast du beinah dein ganzes bisheriges Leben hier auf der Insel verbracht und bist praktisch eine Einheimische.“

Alli strich sich eine Locke ihres feuchten rotbraunen Haares aus dem Gesicht. „Du hast natürlich recht“, stimmte sie zu. „Ich habe ein schlechtes Gewissen deswegen und mit Barry darüber geredet. Doch er hat behauptet, es sei ganz normal und völlig in Ordnung.“

„Er wird wissen, was er tut. Hast du schon den neuen Besitzer gesehen?“

„Den neuen Besitzer?“ Alli blickte die Freundin verblüfft an. „Sea Winds hat einen neuen Besitzer? Und er ist schon hier?“

In Sisilus dunklen Augen blitzte es belustigt auf. „Ja, stell dir vor, er ist hier, in der Ferienanlage von Valanu.“

„Ich habe ihn noch nicht gesehen. Aber montags habe ich ja frei. Wann ist er angekommen?“

„Gestern Abend, völlig überraschend und mit einem Privatflieger.“

Alli zog die Augenbrauen zusammen. „Ich habe gedacht, Sea Winds sollte an einen großen internationalen Konzern verkauft werden. Der Mann ist vermutlich nur ein Manager. Wie sieht er denn aus?“

„Fantastisch.“ Sisilu seufzte. „Er ist sehr groß, hat eine faszinierende Ausstrahlung und ist kein Manager, sondern der Besitzer höchstpersönlich. Er sitzt schon stundenlang mit Barry zusammen. Während unserer Probe heute Morgen hat er einen Rundgang durch die Ferienanlage gemacht.“

„Wenn er der Besitzer ist, ist er bestimmt nicht mehr ganz jung, hat einen Bauch und nur noch wenig Haare auf dem Kopf“, meinte Alli.

Sisilu verdrehte die Augen. „Wir können ja wetten. Das wäre für mich leicht verdientes Geld. Du irrst dich. Er hat breite Schultern und lange, kräftige Beine. Sein Bauch ist so flach wie deiner und meiner, vielleicht sogar noch flacher“, berichtete sie begeistert. „Slade Hawkings wirkt in jeder Hinsicht wie ein sehr erfolgreicher Unternehmer, er benimmt sich auch so. Alle weiblichen Angestellten schwärmen schon für ihn.“

Hawkings? überlegte Alli überrascht. Es überlief sie kalt. Nein, das musste ein Zufall sein. Ich darf nicht sogleich das Schlimmste annehmen, Hawkings ist ein häufiger Name, mahnte sie sich dann.

„Als Besitzer oder leitender Mitarbeiter eines großen Konzerns würde er sich sicher nicht für die Mitarbeiter einer Ferienanlage auf dieser Insel interessieren“, wandte sie ein. Und wie um ihre Unruhe und die nagenden Zweifel zu verdrängen, fügte sie hinzu: „Die Frauen und Mädchen können aufhören, für ihn zu schwärmen. Männer wie er leben in Amerika, England oder in der Schweiz und interessieren sich nur für weltgewandte, elegante und gebildete Frauen.“

„Wenn er älter als achtundzwanzig ist, esse ich diesen Blütenkranz“, scherzte Sisilu. Dann wurde sie wieder ernst. „Übrigens, ich wollte dich warnen. Du solltest dich vor Barry in Acht nehmen.“

„Vor Barry?“ Alli blickte sie erstaunt an. Als Sisilu nickte, fragte Alli ironisch: „Du meinst Barry Simcox, den Manager der Anlage? Er war doch geradezu verzweifelt, als seine Frau mit dem Jungen nach Australien zurückgegangen ist, weil sie es auf dieser einsamen Insel mitten im Pazifischen Ozean, wie sie es genannt hat, nicht ausgehalten hat. Barry hat mich noch nie beachtet. Meinst du wirklich ihn?“

„Ja, genau diesen Barry meine ich.“ Sisilu warf das lange dunkle Haar mit einer Kopfbewegung nach hinten. „Ich glaube dir, dass es dir nicht aufgefallen ist, wie er dich ansieht. Aber andere haben es gemerkt.“

Alli zuckte gleichgültig die Schultern.

„Okay, ich habe dich gewarnt. Der neue Besitzer wäre jedenfalls ein besserer Liebhaber für dich. Er könnte ein Filmstar sein, so attraktiv ist er.“ Sisilu seufzte wieder. „Man spürt, dass er sich auskennt – bei den Frauen, meine ich. Er hat diese ganz besondere Ausstrahlung. Du weißt schon.“

„Nein, ich habe keine Ahnung.“

Kritisch betrachtete Sisilu eine Hibiskusblüte, ehe sie sie wegwarf. „Doch, du weißt, was ich meine. Tama hat auch diese Ausstrahlung.“

Tama war der zweitälteste Sohn des Stammesführers und Sisilus Cousin.

Alli errötete. „Ich wünschte, er wäre nicht in mich verliebt.“

„Das wünschst du dir nur deshalb, weil du nicht in ihn verliebt bist“, entgegnete Sisilu und nahm eine andere Blüte in die Hand. „Du willst ihn nicht, weil du anders bist. Aber die jungen Frauen hier reißen sich geradezu um ihn. Jede möchte seine Freundin sein. Keine Angst, er wird über seine Verliebtheit hinwegkommen, sobald du die Insel verlassen hast.“

Schweigend arbeiteten sie weiter. Doch plötzlich griff Sisilu das Thema wieder auf, das sie offenbar momentan am meisten beschäftigte. „Der neue Besitzer lebt weder in Amerika noch in England oder in der Schweiz, sondern in Neuseeland.“

„Vier Millionen andere Menschen leben auch dort.“

„Ich kann dir auch verraten, was für Frauen er mag. Als du vorhin durch die Eingangshalle gegangen bist, hat er dich interessiert und sehr genau gemustert. Solche Blicke kenne ich, ich weiß, was sie bedeuten“, fügte Sisilu selbstgefällig hinzu.

Betont gleichgültig erwiderte Alli: „Natürlich. Aber bist du dir sicher, dass er mich und nicht dich betrachtet hat? Immerhin bist du die schönste junge Frau von ganz Valanu.“

„Er hat mich überhaupt nicht bemerkt“, erklärte Sisilu.

„Dann warte ab, bis du ihm auffällst.“ Alli hielt in der Arbeit inne und beobachtete die Freundin, die noch mehr Hibiskusblüten in den Blütenkranz band. Die dunkelroten Blüten schimmerten wie Seide. „Wenn er wirklich so großartig ist, ist er sicher homosexuell.“

Sisilu musste lachen. „Bestimmt nicht. Er hat dich viel zu bewundernd betrachtet. Vielleicht ist er bereit, dir als seiner Landsmännin zu helfen, besonders wenn du ihn ein bisschen ermutigst.“

„Danke, für solche Ermutigungen bin ich nicht zu haben“, erwiderte Alli, während sie einige Blätter in den Kranz steckte. „Wenn er mir helfen will, sollte er dafür sorgen, dass die Ferienanlage nicht geschlossen wird.“

Weiterhin hier zu arbeiten war Allis einzige Chance, genug Geld für den Flug nach Neuseeland sparen zu können.

Sisilu ignorierte die Bemerkung. „Mit ihm zu schlafen wäre bestimmt ein Vergnügen. Ich hätte kein Problem damit. Seine erotische Ausstrahlung geht einem unter die Haut. Ich wünschte, er würde vergessen, dass er der Besitzer ist, und mich beachten.“

Alli schloss die Augen, als das Wasser der Lagune in der Sonne flimmerte. Sie hörte eine Möwe schreien und das Tosen der Brandung des Pazifischen Ozeans, die sich an dem Korallenriff brach.

Die jungen Frauen, mit denen sie auf Valanu aufgewachsen war, hatten ein unverkrampftes Verhältnis zu ihrer Sexualität. Sobald sie verheiratet waren, waren sie treu, aber bis dahin genossen sie die körperliche Liebe ungeniert und mit wechselnden Partnern.

Allis strenger Vater hatte jedoch dafür gesorgt, dass sie sich anders verhielt.

„Warum willst du Valanu eigentlich so unbedingt verlassen?“, fragte Sisilu unvermittelt. „Es ist doch deine Heimat.“

Alli zuckte die Schultern und presste die Lippen zusammen. „Ich will wissen, warum meine Mutter uns verlassen hat und weshalb mein Vater sich ausgerechnet hier versteckt hat.“

„Das weißt du doch. Er ist mit dem Stammesführer in Auckland in die Schule gegangen. Als der Stammesrat jemanden brauchte, der hier alles organisierte und modernisierte, hat man an ihn gedacht.“

Mit ernster Miene nickte Alli. „Trotzdem gibt es zu viele offene Fragen. Mein Vater hat nie über seine Familie gesprochen. Ich habe keine Ahnung, wer meine Großeltern sind.“

Sisilu schnalzte mit der Zunge. Seine Familie nicht zu kennen bedeutete in Polynesien, so etwas wie ein Ausgestoßener zu sein. „Dein Vater war jedenfalls ein guter Mensch“, erklärte sie rasch.

Nach Ian Pierces Tod vor zwei Jahren hatte Alli seine Dokumente und Papiere durchgesehen. Dabei war sie auf den Namen ihrer Mutter gestoßen. Nachdem sie etwas Geld gespart hatte, hatte sie einen Detektiv beauftragt, Marian Hawkings ausfindig zu machen. Vor drei Monaten hatte sie die entsprechenden Informationen erhalten. Sie konnte es kaum erwarten, endlich ihre Mutter kennenzulernen, die sie verlassen hatte.

„Meine Mutter war Engländerin“, entgegnete sie ruhig. „Sie hat meinen Vater in England geheiratet und ist mit ihm nach Neuseeland gegangen. Nach der Scheidung hat sie wieder geheiratet, ist jedoch verwitwet. Sie lebt immer noch in Auckland. Ich will sie nicht belästigen, und ich will nichts von ihr. Aber sie soll mir einige Fragen beantworten, damit ich endlich Bescheid weiß und die Sache für mich abschließen kann.“ Sie konzentrierte sich wieder darauf, Blüten in den Kranz zu winden.

„Du kommst doch zurück, oder? Wir alle sind deine Familie.“

Alli lächelte. „Ich könnte keine bessere Familie haben. Doch ich brauche unbedingt Klarheit.“

„Das verstehe ich.“ Sisilu lächelte auch. „Neuseeland wird dir bestimmt nicht gefallen. Es ist sehr groß, dort ist es kalt und ganz anders als hier. Für jemanden, der Valanu liebt, ist es nicht der richtige Ort.“ Als sie die Frau erblickte, die auf sie zukam, flüsterte sie: „Oh, es gibt Ärger. Du brauchst dir nur ihre Miene anzusehen.“

„Alli, du musst heute Abend tanzen, Fili ist krank“, erklärte die Leiterin der Tanzgruppe ohne Einleitung. „Wir müssen einen guten Eindruck machen, denn sobald er einen genauen Überblick hat, will der neue Besitzer der Ferienanlage entscheiden, ob Sea Winds geschlossen oder weitergeführt wird.“

Alli und Sisilu sahen sie ungläubig an. „Das kann er nicht tun“, brachte Alli hervor.

„O doch. Ich habe gehört, er hätte in dieser Hinsicht keine Skrupel. In den ersten Jahren war die Anlage fast immer ausgebucht. Doch wegen des Krieges in Sant’Rosa sind die Touristen weggeblieben. In den letzten fünf Jahren kamen immer weniger“, stellte die Frau fest.

Alli runzelte die Stirn. „Warum hat der neue Besitzer die Anlage dann überhaupt gekauft, wenn er sie sogleich schließen will?“

„Wer weiß.“ Die Frau nahm einen der fertigen Kränze in die Hand und prüfte ihn, ehe sie ihn wieder weglegte. „Vielleicht hat man ihn hereingelegt, obwohl er nicht so wirkt, als könnte ihm das passieren. Aber es geht uns nichts an. Heute Abend musst du ganz besonders gut tanzen, Alli.“ Sie drehte sich um und verschwand.

Die beiden blickten hinter der Frau her. Sie war Witwe und arbeitete in der Ferienanlage, um die Schule für ihre drei Söhne bezahlen zu können.

„Es wäre eine Katastrophe für Valanu, wenn die Anlage geschlossen würde“, sagte Alli.

„Dann können wir nur hoffen, dass der neue Besitzer von dir begeistert ist und du nett zu ihm bist“, scherzte Sisilu und verzog das Gesicht. „Vielleicht kannst du ihn dazu bringen, eine für uns positive Entscheidung zu treffen.“

Als Alli sich am Abend für den Auftritt umzog, erinnerte sie sich an Sisilus Bemerkung. Die Freundin war beunruhigt, das war Alli klar. Der Mann, der für die Unruhe in ihrer aller Leben verantwortlich war, war zum Essen nicht in das Restaurant gekommen. Doch er würde sich wahrscheinlich die Aufführung von der großen Terrasse aus ansehen. Die jungen Tänzerinnen, die mit Alli in dem Umkleideraum waren, waren außergewöhnlich still. Es hatte sich schon herumgesprochen, dass die Anlage von der Schließung bedroht war.

„Er ist da. Konzentriert euch bitte“, forderte die Leiterin der Tanzgruppe die Frauen auf, während das Publikum nach dem traditionellen Tanz der Männer begeistert applaudierte. „Alli, du siehst gut aus. Die cremefarbenen Frangipani passen gut zu deiner Haut und dem rötlichen Haar“, fügte sie mit freundlicher Miene hinzu.

Das ist auch das Einzige, was ich von meiner Mutter geerbt habe, dachte Alli. Kurz nach dem Tod ihres Vaters hatte sie die Heiratsurkunde mit einem Foto ihrer Eltern gefunden. Ihr Vater wirkte darauf stolz und glücklich, und die junge Frau an seiner Seite lachte. Doch abgesehen von der Haarfarbe hatte Alli keine Ähnlichkeit mit ihrer Mutter.

Der Heiratsurkunde und dem Foto waren die Scheidungsurkunde und ein Zeitungsausschnitt beigefügt gewesen. Daraus ging hervor, dass ihre Mutter zwei Jahre später wieder geheiratet hatte.

Als der Trommelwirbel verklang, stellten sich die Tänzerinnen in einer Reihe auf. Alli zog das unbequeme Oberteil zurecht und stimmte ein traditionelles Liebeslied an. Die anderen Tänzerinnen fielen in den Gesang ein, und alle liefen auf die Bühne.

Die jungen Frauen sind Amateurinnen, aber sie sind gut, dachte Slade. Er hielt sich absichtlich im Hintergrund. Die Oberteile aus halben Kokosnussschalen gefielen ihm jedoch nicht. Wenn er sich entschloss, die Anlage weiterzuführen, mussten die Tänzerinnen etwas anderes tragen.

Dem Publikum schien es egal zu sein, was die Frauen anhatten. Er verzog spöttisch die Lippen, während er die Leute beobachtete, die offenbar begeistert waren.

Wie leicht kann man die Menschen zufriedenstellen, man braucht ihnen nur Liebeslieder und schöne junge Frauen zu präsentieren, die sich anmutig und verführerisch bewegen, Blumenkränze im Haar haben und beim Lächeln strahlend weiße Zähne zeigen, dachte er spöttisch.

Dann musterte er die Tänzerinnen genauer. Immer wieder fiel sein Blick auf Alli Pierce. Die Detektivin, die er mit den Nachforschungen beauftragt hatte, war mit einem Foto zurückgekommen. Darauf hatte Alli jung und fröhlich ausgesehen. Das Foto wurde ihr jedoch nicht gerecht, es sagte nichts aus über die Persönlichkeit. Alli war eine sehr schöne junge Frau mit einer sinnlichen Ausstrahlung, goldbraunen Augen, verführerischen Lippen und hohen Wangenknochen.

Obwohl sie sich geschmeidig bewegte und mit dem Blütenkranz im Haar unschuldig und verführerisch zugleich wirkte, wusste Slade, dass das alles nur Fassade war. Mit ihren gerade erst zwanzig Jahren hatte sich die schöne und sexy wirkende Alli Pierce offenbar für eine Karriere als Betrügerin entschieden.

Er ignorierte das Verlangen, das er plötzlich empfand, und dachte nach. Die Detektivin, die er auf die Insel geschickt hatte, hatte erfahren, dass Allis Vater mit ihr hergekommen war, als sie noch ein Baby gewesen war. Die Einheimischen waren der Meinung, sie hätte keine polynesischen Vorfahren.

„Aber man war mit Auskünften über ihren Vater sehr zurückhaltend“, hatte die Detektivin berichtet.

„Ich war der Meinung, Orte wie Valanu wären Brutstätten für Klatsch und Tratsch“, wandte Slade ein.

„Das mag sein. Fremden gegenüber ist man jedoch sehr reserviert.“ Die Frau mittleren Alters zuckte die Schultern. „Man war sehr darauf bedacht, Alli Pierce zu schützen. Ich habe aber herausgefunden, dass die Frau des Managers der Ferienanlage ihn wegen Miss Pierce verlassen hat, was mein nächster Gesprächspartner dann prompt als Lüge bezeichnet hat.“

„Könnte es stimmen?“

Die Frau hatte ironisch die Lippen verzogen. „Es ist für die Menschen dort völlig normal, vor der Ehe Sex zu haben. Diese junge Frau scheint genauso zu sein wie anderen Frauen, sie flirtet gern und ist sehr sorglos. Ich habe sie einige Male mit dem Manager zusammen gesehen. Er interessiert sich offenbar sehr für sie. Aber auch der zweitälteste Sohn des Stammesführers ist angeblich sehr in sie verliebt. Es wäre natürlich möglich, dass sie mit beiden eine Affäre hat.“

Ja, das wäre möglich, überlegte Slade jetzt, während er Alli beobachtete. Ihr langes rotbraunes, mit einem Blütenkranz geschmücktes Haar glänzte im Schein der Fackeln. Sie war eine rassige Frau und etwas größer als die anderen Tänzerinnen. Ihre Haut schimmerte golden.

Er war sich bewusst, dass er sie nicht wie ein Lüstling betrachten, sondern sich auf die Aufführung konzentrieren sollte. Deshalb richtete er die Aufmerksamkeit auf die anderen Tänzerinnen, die Art der Darbietung, die Effekte, mit denen gearbeitet wurde, und die Wirkung auf das Publikum.

Das Lied und der Tanz endeten leicht melancholisch. Nach sekundenlanger Stille brach stürmischer Beifall los. Die Tänzerinnen lächelten und fingen an, eine lebhafte, schnelle Hula in einer etwas abgewandelten Version zu tanzen.

Die Hüften wurden verführerisch geschwungen, die Handbewegungen wirkten ausgesprochen reizvoll, und das Lächeln ließ jeden männlichen Zuschauer in Verzückung geraten. Auch Slade war beeindruckt, wie er sich eingestand. Plötzlich spürte er, dass sich jemand neben ihn stellte.

„Für Amateure sind sie wirklich gut“, erklärte der Manager der Ferienanlage. Seine Stimme klang für einen Mann, der wusste, dass sein Job gefährdet war, zu unbekümmert.

„Ja, auf ihre Art sind sie großartig“, stimmte Slade gleichgültig zu. „Wer sind diese jungen Frauen?“

„Einheimische. Die meisten gehören zum Personal. Die Frau ganz links ist Lehrerin, und die zweite von rechts ist Alli Pierce. Ihr Vater war Neuseeländer, ein Landsmann von Ihnen. Sie gehört eigentlich nicht zu der Tanzgruppe, sie ist nur für eine erkrankte Tänzerin eingesprungen.“

„Arbeitet sie nicht in dem Souvenirladen?“ Möglicherweise ist sie auch die Geliebte des Mannes neben mir, fügte Slade insgeheim hinzu. Die Vermutung lag nahe, dass die beiden eine Affäre hatten, denn Simcox bezahlte ihr ein wesentlich höheres Gehalt als den anderen Mitarbeiterinnen. Außerdem wohnte sie in dem Haus, das direkt neben seinem lag.

Simcox nickte, ohne den Blick von den Tänzerinnen abzuwenden. „Ian Pierce ist mit Alli nach Valanu gekommen, als sie noch ein Baby war. Angeblich ist ihre Mutter zwei Wochen nach ihrer Geburt bei einem Unfall ums Leben gekommen.“ Seine Stimme klang auf einmal etwas rau. „Sie ist eine wunderbare junge Frau. Sie hat etwas Besseres verdient als das, was Valanu ihr bieten kann.“

Und das würde er ihr gern bieten, dachte Slade gereizt. Er kniff die Augen zusammen und sah hinter Alli Pierce her, während sie mit den anderen Tänzerinnen die Bühne verließ. Doch ehe sie in der Dunkelheit verschwand, drehte sie sich um und sah Slade an.

Er versteifte sich und war so verblüfft über die heftige Reaktion seines Körpers, dass er die drei Männer kaum bemerkte, die im Trommelwirbel mit einem wilden Schrei auf die Bühne sprangen.

Ärgerlich versuchte er, sich zu beherrschen. Es war schon viele Jahre her, dass er sich von seinen Hormonen hatte durcheinander bringen lassen.

Wie aus weiter Ferne hörte er die Stimme des Managers.

„Sie ist auch sehr intelligent“, fuhr der Mann fort. „Aber ihr Vater wollte sie nicht auf eine Universität in Neuseeland schicken. Es ist schade, dass sie hier festsitzt. Sie könnte viel mehr aus sich und ihrem Leben machen.“

Um das zu erreichen, will sie einer ihr völlig fremden Frau Geld aus der Tasche ziehen, sagte Slade sich ironisch. Marian würde Alli bestimmt nicht dazu verhelfen, ein besseres Leben führen zu können. Seine Stiefmutter war über den Brief, den Alli Pierce ihr geschrieben hatte, schockiert und bestürzt gewesen. Sie hatte sich an Slade gewandt. Das tat sie immer, wenn sie sich nicht zu helfen wusste.

Das Bild der jungen Frau mit dem verführerischen Lächeln stieg vor ihm auf. Morgen werde ich mit ihr reden, und ich werde sie gehörig zurechtweisen, nahm er sich vor. Erpressung war seiner Meinung nach eins der schlimmsten Vergehen.

Er war fest entschlossen herauszufinden, warum sie sich mit dem Erpressungsversuch ausgerechnet an seine Stiefmutter gewandt hatte.

In dem kleinen Umkleideraum zogen die Tänzerinnen sich um.

„Er hat dich immer wieder angesehen, Alli“, erklärte Sisilu belustigt. „Ich habe dir ja gesagt, dass er sich für dich interessiert. Und du interessierst dich auch für ihn.“

„Nein, ganz bestimmt nicht.“

„Warum hast du dich dann am Schluss umgedreht und ihn angeblickt?“, fragte die Freundin.

Alli rieb die kalten Arme mit den Händen. „Ich wollte nur wissen, wie er aussieht“, erwiderte sie leise.

„Du hast gespürt, dass er dich beobachtet hat.“ Sisilu nickte verständnisvoll und zitierte ein Sprichwort der Einheimischen, in dem es um die Pfeile der Liebe ging.

„Das ist Unsinn“, entgegnete Alli und verknotete den Pareo über ihren Brüsten.

Sie wusste selbst nicht, warum sie sich noch einmal umgedreht hatte. Doch sie hatte ein genaues Bild von diesem Mann gewonnen. Er war groß, breitschultrig und wirkte Furcht einflößend. Er strahlte Macht und Autorität aus und war so attraktiv, dass ihr Puls immer noch jagte.

„Was hältst du von ihm?“

„Er hat eine faszinierende Ausstrahlung“, gab Alli widerwillig zu und strich sich das Haar aus dem Gesicht.

Sisilu lachte und ließ zu Allis Erleichterung das Thema fallen.

Ungefähr eine Stunde später saß Alli in dem Wohnzimmer des kleinen Hauses, in dem sie mit ihrem Vater gelebt hatte. Als sie den neuen Besitzer der Ferienanlage angeblickt hatte, hatte ihr die Haut gekribbelt. In der Stille, die sekundenlang geherrscht hatte, ehe der Applaus einsetzte, hatte sie das Gefühl gehabt, dass sie einander mit den Blicken maßen wie alte Feinde oder Liebende. Das war natürlich reine Fantasie, denn so genau hatte sie es gar nicht erkennen können. Sie bildete es sich nur ein.

Einem plötzlichen Impuls folgend, stand sie auf, ging zu dem Safe und nahm den Ordner heraus, in dem sie alle Unterlagen abgeheftet hatte, die ihre Familie betrafen.

Warum hatte ihr Vater nach der Ankunft auf Valanu seinen und Allis Familiennamen geändert? Sie kam sich vor, als hätte sie zwanzig Jahre mit einer Lüge gelebt.

Behutsam nahm sie den Zeitungsausschnitt auseinander. Der Artikel über Marian Carters und David Hawkings’ Hochzeit war drei Jahre nach Allis Geburt und ein Jahr nach der Scheidung ihrer Eltern erschienen.

Leider hatte man kein Foto von ihrer Mutter mit ihrem zweiten Mann veröffentlicht, sonst hätte Alli vielleicht eine Ähnlichkeit zwischen David Hawkings und Slade erkennen können.

Nein, das ist zu weit hergeholt, solche Zufälle gibt es nicht, versuchte sie sich zu beruhigen und ging ins Bett. Dann lag sie noch stundenlang wach, ehe sie in einen unruhigen Schlaf fiel und von Albträumen gequält wurde.

Am nächsten Morgen wachte sie erst so spät auf, dass sie keine Zeit mehr hatte, in der Lagune zu schwimmen. Sie öffnete den Laden wenige Minuten vor dem ersten Kundenansturm. Es handelte sich dabei um eine Gruppe junger Amerikaner, die hier Urlaub machten, um zu tauchen.

Die jungen Männer lachten und flirteten mit ihr, doch es war nicht ernst gemeint. Weil sie alle sehr harmlos wirkten, lachte Alli mit und flirtete auch.

Aber es gab immer einen, der zu weit ging. Einer der jungen Amerikaner fing an, sie zu berühren. Alli entzog sich ihm und wies ihn mit einer witzigen Bemerkung zurück, so dass er lachen musste. In dem Moment, als er scherzhaft antwortete: „Heute Abend um dieselbe Zeit, Süße?“, erschien Barry Simcox.

Er runzelte die Stirn und beobachtete den jungen Mann mit seltsamer Miene. Normalerweise hätte Alli sich nichts dabei gedacht. Doch nach Sisilus Andeutungen vom Tag zuvor war die bisher so unkomplizierte Freundschaft mit dem Manager etwas belastet.

Nachdem die Taucher den Laden verlassen hatten, kam der neue Besitzer der Ferienanlage herein.

Allis Herz klopfte so heftig, dass sie am liebsten die Hand darauf gelegt hätte. Sie beherrschte sich jedoch. In dem weichen, klaren Licht des Morgens wirkte Slade Hawkings noch bedrohlicher als am Abend zuvor im Schein der Fackeln.

Umständlich stellte Barry ihn und Alli einander vor. „Mr. Hawkings ist hier, um uns zu überprüfen“, scherzte er, doch niemand lachte. An Slade gewandt, fügte er hinzu: „Wie die Umsatzzahlen beweisen, hat Alli den Souvenirladen erfolgreich geführt.“

Alli reichte Slade die Hand. „Es freut mich, Sie kennenzulernen“, begrüßte sie ihn.

Er musterte sie mit seinen grünen Augen abschätzend. Seine Hand war warm und sein Händedruck fest und kräftig.

Als Alli sich an Sisilus Worte erinnerte, errötete sie. Dieser Mann kannte sich bestimmt gut aus bei Frauen.

„Es freut mich auch“, antwortete er kühl und deutete ein Lächeln an.

Okay, er ist der Besitzer, trotzdem braucht er nicht so zu tun, als wäre ich nur ein Staubkörnchen unter seinen Füßen, dachte Alli. Sie drehte sich um und wollte sich um die Ware kümmern.

„Bleiben Sie bitte hier“, forderte Slade sie jedoch auf.

Während die beiden Männer sich über den Laden unterhielten, stand Alli schweigend daneben.

„Für Schnitzerei sind die Bewohner der Pazifischen Inseln nicht bekannt. Weshalb bieten Sie solche Artikel hier an, Alli?“, fragte Slade schließlich.

Autor

Robyn Donald
<p>Die Neuseeländerin Robyn Donald ist überzeugt, dass Schreiben und Gärtnern viel gemeinsam haben: Beide Tätigkeiten sind mit Fantasie, Gefühlen, Visionen, viel Arbeit und Rückenschmerzen verbunden - und machen, wenn sie erfolgreich abgeschlossen sind, sehr glücklich. Schon als Kind erzählte Robyn ihren vier jüngeren Schwestern und ihrem Bruder sehr gern haarsträubende...
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