Julia Ärzte zum Verlieben Band 85

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DER LETZTE TANZ IST NUR FÜR DICH von HAMPTON, SUSANNE
"Darf ich dich heimfahren?" Ein Tanz auf dem Klinikball, und Dr. Hamilton ist verzaubert von Hebamme Felicia. So verzaubert, dass er sie über ihre Schwelle trägt - hinein in eine unvergessliche Nacht. Mehr kann er der Schönen niemals geben. Seine Vergangenheit verbietet es ihm ...

HERZKLOPFEN AM BLUE LAKE HOSPITAL von FORBES, EMILY
Annie wird heiß und kalt, als Caspar St. Claire den Kreißsaal betritt. Bis zuletzt hatte sie sich gegen die Dreharbeiten des TV-Stars am Blue Lake Hospital gewehrt. Wegen des Medienrummels! Oder wegen des Sturms der Gefühle, den der attraktive Caspar in ihr auslöst?

AM HORIZONT LEUCHTET DIE LIEBE von GORDON, ABIGAIL
Er wird aus Schwester Leonie einfach nicht schlau! Wann immer Dr. Callum Warrender ihr außerhalb der Kinderklinik begegnet, wirkt sie ängstlich und abweisend. Warum hat die Schöne sich in einen Kokon verkrochen … und könnte sein sanfter Kuss sie daraus befreien?


  • Erscheinungstag 08.04.2016
  • Bandnummer 0085
  • ISBN / Artikelnummer 9783733707514
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Susanne Hampton, Emily Forbes, Abigail Gordon

JULIA PRÄSENTIERT ÄRZTE ZUM VERLIEBEN BAND 85

SUSANNE HAMPTON

Der letzte Tanz ist nur für dich

Wie tapfer das kleine Herz schlägt … Zärtlich betrachtet Felicia ihr Baby im Ultraschall – da schlägt ihr eigenes Herz höher: Tristan Hamilton eilt ins Untersuchungszimmer. Der Vater des Kindes! Will der Chirurg sich doch noch zu ihr bekennen, obwohl er seit ihrer Liebesnacht so kühl war? Felicia schöpft Hoffnung – bis Tristan eine seltsame Frage stellt …

EMILY FORBES

Herzklopfen am Blue Lake Hospital

Sein kranker Dad, sein Job, seine Fernsehserie. Für mehr bleibt Arzt und TV-Star Caspar St. Claire keine Zeit. Schon gar nicht für Dr. Annie Simpson. Nach und nach hatte er sie überzeugt, dem Dreh in ihrer Klinik zuzustimmen: mit Worten, Taten – und Küssen. Doch gerade, als er für Annie einen Platz in seinem Leben schaffen will, enthüllen Paparazzi ihr Geheimnis …

ABIGAIL GORDON

Am Horizont leuchtet die Liebe

In einer Landklinik kleine Patienten retten: So versucht Leonie den Verlust ihres Kindes und ihres Liebestraums zu verkraften. Doch sie hat nicht mit Callum Warrender gerechnet. Ihr neuer Boss berührt ihr verletztes Herz – und in seinen starken Armen findet sie Halt und Trost. Doch wird ein begehrter Mann wie Callum warten, bis sie für Küsse wieder bereit ist?

PROLOG

Alles begann kurz vor Mittag am Strand von Port Melbourne. Felicia Lawrence, oder Flick, wie sie in der Familie und von Freunden genannt wurde, blinzelte in der gleißenden Sonne. In diesem Moment merkte sie, dass sie ihre Sonnenbrille in der Küche hatte liegen lassen.

Als ihre Füße in den weichen warmen Sand einsanken, beschloss sie jedoch, nicht extra wieder zu ihrem Apartment zurückzulaufen. Die Sonne fühlte sich auf ihren bloßen Schultern so herrlich an. Drinnen würden ihr mit Sicherheit irgendwelche Arbeiten im Haushalt einfallen, oder sie würde sogar anfangen zu lernen. Dabei sollte der heutige Tag anders sein als sonst.

Normalerweise stand sie für ihren täglichen Spaziergang sehr früh auf, um noch vor sechs Uhr unter der Dusche zu stehen. Aber heute Abend wollte sie auf den Ball des Victoria Hospital gehen, die erste große Gala-Veranstaltung ihres Lebens. Deshalb sollte der ganze Tag etwas Besonderes sein.

Flick war Hebammenschülerin im letzten Ausbildungsjahr in der Melbourne Maternity Unit, der Geburtsklinik des Victoria. Sophia, die Hebamme, die sie zur Zeit ausbildete, hatte sie dazu ermutigt, an dem glamourösen Event teilzunehmen. Und da sie beide Singles waren, konnten sie zusammen hingehen.

Flick hatte heute etwas länger geschlafen, sich einen leichten Brunch gegönnt und lief nun in Jeans-Shorts und Bikini-Top hinunter ans Wasser. Auf Zehenspitzen ging sie vorsichtig über den breiten Saum aus angespülten Muschelresten. Als sie den festen feuchten Sand erreicht hatte, klingelte ihr Handy. Es war ihre jüngere Halbschwester.

„Hi, Megan.“

„Hi, Flick. Ich hoffe, du tust gerade absolut gar nichts, so wie ich es dir gestern Abend gesagt habe“, meinte Megan. „Kein Haushalt, kein Lernen, null. Genieß diesen Tag ausnahmsweise mal nur für dich.“

„Zu Befehl.“ Sie lachte. „Ich laufe gerade am Strand entlang durchs Wasser.“

„Sehr gut“, lobte Megan. „Und wie wäre es, wenn du dir heute Abend mal einen Freund suchen würdest? Es ist schon eine Ewigkeit her, seit du mit einem Mann zusammen warst.“

Entnervt verdrehte Flick die Augen. „Ich gehe mit Sophia hin. Wir wollen bloß mal was anderes anziehen als Krankenhauskluft und ein bisschen Spaß haben.“

„Na ja, ich schätze, das ist ein Anfang“, antwortete Megan etwas ernüchtert. „Wenigstens gehst du mal aus. Das ist schon ein großer Fortschritt gegen dein sonstiges nicht vorhandenes Privatleben.“

Am Rand der Uferwellen blieb Flick stehen und ließ ihre Zehen im nassen Sand versinken. Das lauwarme Wasser stieg ihr bis zu den Knöcheln. „Ich bin im letzten Ausbildungsjahr und muss lernen. Ich glaube kaum, dass das die beste Zeit ist, um an mein Privatleben zu denken.“

„Ich sag ja nur, falls du heute Abend auf dem Ball einen schönen Prinzen triffst, dann lauf nicht wieder fluchtartig weg, wie du’s so gerne tust“, gab Megan zurück. „Lass es einfach mal zu. Du könntest eine Überraschung erleben.“

„Ich bin nicht auf der Suche.“

„Ich weiß, das warst du noch nie. Du hast insgesamt genau zwei Freunde gehabt, was nicht weiter erstaunlich ist, weil du immer zwei Jobs gleichzeitig hattest, um uns beiden eine Ausbildung zu finanzieren“, erklärte Megan. „Du hast dein Leben darauf aufgebaut, dich ständig um alle anderen zu kümmern. Schau dich doch an, Flick, sogar in deinem Beruf bringst du die Babys anderer Frauen zur Welt. Außerdem hast du noch diesen winzigen Kräutergarten, deine neueste Art der Zeitverschwendung, um eine Beziehung zu vermeiden. Du brauchst dich nicht vor Männern zu verstecken. Es gibt ein paar nette Kerle da draußen in der Welt. Nur hat unsere Mutter nie solche mit nach Hause gebracht. Und bloß, weil keiner deiner Exfreunde der Richtige war, heißt das noch lange nicht, dass es ihn nicht doch irgendwo gibt.“

Während Flick sich die schwesterliche Predigt anhörte, war ihr bewusst, dass Megan durchaus recht hatte. Ihre zwei Freunde waren vielleicht etwas zu nett gewesen. Flick hatte sie gewählt, weil sie ganz anders waren als die Männer, für die ihre Mutter sich interessierte. Bald hatte Flick jedoch festgestellt, dass das Gegenteil von dem Typ ihrer Mutter keine Garantie für Liebe war. Es hatte überhaupt nicht geknistert, es gab keine Funken, kein Feuerwerk. Irgendetwas hatte gefehlt, und Flick hätte es unfair gefunden, ihre Freunde hinzuhalten. Weil es keine Leidenschaft zwischen ihnen gab, hatten sie sich freundschaftlich getrennt. Und beide Männer hatten mittlerweile geheiratet.

Flick wollte ihre Kinder in einer glücklichen Familie aufziehen, aber sie wusste, dass sie dafür in den Vater ihrer Kinder auch absolut verliebt sein musste. Sie wollte im Sturm erobert werden und ihr Leben mit dem Mann ihrer Träume verbringen. Ihr war allerdings schon ziemlich früh klar geworden, dass es eben nur ein Traum war, mehr nicht.

„Machen wir uns nichts vor, wir hatten eine ziemlich üble Kindheit“, unterbrach Megan ihre Gedanken. „Ich kann mich an kein Weihnachten erinnern, an dem unsere Mutter nach einem Essen vom Imbiss nicht verschwunden ist, um einen ihrer potenziellen Freunde zu treffen. Weil sie jede freie Minute mit ihren Online-Dating-Portalen beschäftigt war, hat sie sich nicht mal die Mühe gemacht, unsere Geschenke einzupacken. Und jedes Mal, wenn sie mal wieder von einem Kerl verlassen wurde, hat sie uns die Schuld daran gegeben. Als wären wir Kinder eine Last gewesen, die sie daran hinderte, ihre wahre Liebe zu finden.“

„Die wahre Liebe findet man nicht in einer Hotelbar“, erwiderte Flick.

„Aber dafür unsere beiden Väter“, meinte Megan.

Die zwei Schwestern seufzten gleichzeitig. An ihre Kindheit hatten sie keine schönen Erinnerungen, und sie kannten auch ihre Väter nicht. Aber wenigstens hatten sie einander.

„Ich weiß, du hast mich aufgezogen“, fuhr Megan fort. „Und als große Schwester nimmst du normalerweise keine Ratschläge von mir an. Außerdem bin ich ungefähr eine Million Jahre jünger als du …“

„Nicht ganz.“ Lachend setzte Flick ihren Weg am Uferrand fort. „Vier kommt der Sache schon näher.“

„Trotzdem, nimm den Rat deiner kleinen Schwester an und mach dir einfach mal einen schönen Abend, ohne allzu viel darüber nachzudenken“, sagte Megan. „Du bist dein ganzes Leben lang immer wahnsinnig verantwortungsbewusst gewesen. Jetzt solltest du mal ein bisschen abenteuerlich sein, auch wenn es bloß für einen Abend ist. Und verschwende keinen Gedanken an unsere Mutter. Sie denkt jedenfalls nicht an uns, glaub mir.“

„Wie kommst du darauf?“

„Flick, sie hat noch nie an uns gedacht“, stellte Megan fest. „Gestern ist sie nach Bali geflogen, und solange ihr neuester Freund Geld für sie ausgibt, werden wir nichts von ihr hören. Also, befolge meinen außerordentlich klugen Rat und denk heute einfach nur an dich selbst.“

„Vielleicht hast du recht. Danke, Megan.“

„Gern geschehen, große Schwester. Mach mich stolz, genieß das Leben und riskier mal was. Aber poste nichts in den Social Media“, warnte Megan. „Was heute Abend passiert, muss dein Geheimnis bleiben.“

Flick fand, dass sie den Tag genau richtig begonnen hatte. Sie genoss die warme Brise, die vom Meer her wehte, und stieß mit den Füßen spielerisch das salzige Wasser hoch. Wenn sie heute mal abenteuerlich sein wollte, musste sie auch noch unbedingt ihre Zehennägel rot lackieren. Lächelnd dachte sie an den Nagellack, den Megan ihr zum Geburtstag geschenkt hatte und der bisher unbenutzt im Badezimmerschrank stand.

Sie begegnete Joggern und Leuten, die ihre Hunde ausführten. Andere saßen unter Sonnenschirmen und lasen Bücher oder Zeitschriften. Kleine Kinder bauten Sandburgen und rannten kreischend zu den seichten Uferwellen, um dort Wasser für die Burggräben zu schöpfen.

Jeder hier schien sich einen schönen Tag zu machen. Die Leute wirkten entspannt, und manche grüßten auch, als Flick vorbeikam. Inzwischen ging sie schneller, doch als sie fast wieder zu Hause war, erregte eine auffallende Gestalt am Strand ihre Aufmerksamkeit. Plötzlich war sie wie gebannt und konnte ihren Blick nicht mehr abwenden.

Ein kraftvoller, durchtrainierter Mann mit bloßem Oberkörper joggte auf sie zu. Am liebsten hätte Flick ihre Augen mit der Hand beschattet, um ihn besser sehen zu können. Doch sie zügelte ihre Neugier und setzte ihren Weg fort, wobei sie den Blick auf das flache, kristallblaue Wasser gerichtet hielt. Obwohl die Mittagssonne senkrecht am Himmel stand, war ihr aus einem anderen Grund auf einmal heiß geworden. Aus dem Augenwinkel sah sie den Mann näherkommen. Er war tief sonnengebräunt, athletisch gebaut, und auf einmal kam er ihr sehr bekannt vor.

Als er sie fast erreicht hatte, schaute Flick auf und erkannte Dr. Tristan Hamilton, den ausgesprochen attraktiven Säuglingskardiologen aus dem Victoria Hospital. Wieder senkte sie schnell den Blick. Schon im OP-Anzug sah Dr. Hamilton fantastisch aus. Aber jetzt, mit seinen Bermuda-Shorts, die tief auf seinen Hüften saß, wirkte er einfach umwerfend.

Flick spürte, wie sie rot wurde. Zum Glück wusste er nicht, wer sie war, und würde einfach an ihr vorbeijoggen. Ihre Reaktion auf seine Erscheinung war ihr äußerst peinlich. Megan hat recht, ich muss öfter mal ausgehen, dachte sie.

„Felicia?“

Sie erstarrte, und ihre Wangen brannten. Der Mann hatte sie nicht nur erkannt, sondern wusste sogar ihren Namen.

„Dr. Hamilton.“ Sie bemühte sich um einen lockeren Tonfall.

Er blieb neben ihr stehen, seine gebräunte Haut schweißglänzend vom Joggen. „Bitte nennen Sie mich Tristan. Hier ist kein Patient weit und breit, also können wir die Formalitäten beiseitelassen. Ich nehme zwar an, dass Sie um einiges jünger sind als ich, aber bei diesem ganzen Doktor-Ding komme ich mir vor, als wäre ich hundert. Also bitte bleiben Sie bei Tristan.“ Seine Stimme klang rau und atemlos vom Laufen.

Flick war beinahe schwindelig zumute, und ihr Körper reagierte auf eine Weise, wie sie es noch nie erlebt hatte. „Klar“, antwortete sie etwas nervös. „Tristan. Sie joggen also gerne?“

Was für eine dumme Frage.

Aber er nickte nur lächelnd, nahm einen Schluck aus seiner Aluminium-Trinkflasche und schaute hinaus auf das kristallklare Meer. „Ein schönes Fleckchen Erde, oder?“

Sie war überrascht über seine lockere Art. Eigentlich hatte sie angenommen, er wäre eher etwas steif und abweisend. Aber er schien ganz anders zu sein als einige der kühlen, eitlen Fachärzte, die sie in ihren vorherigen Kliniken kennengelernt hatte. Damit hatte Flick nicht gerechnet. Normalerweise verhielt sie sich nicht so unbeholfen, aber mit seinem entspannten, freundlichen Verhalten brachte Tristan Hamilton sie ziemlich aus der Fassung.

Im Krankenhaus hatte er ihr immer nur flüchtig zugenickt. Sie hätte nie gedacht, dass er sie wirklich bemerkt hatte, obwohl er ihr durchaus aufgefallen war. Zwar war Flick häufig außerhalb des Krankenhauses bei werdenden Müttern im Einsatz, doch im Krankenhaus schien er ihr häufig über den Weg zu laufen. Jedes Mal setzte ihr Herzschlag einen Moment lang aus. Allerdings sagte ihr die Vernunft, sie sollte sich lieber von ihm fernhalten. Er war sicher kein Mann zum Heiraten. Auch wenn es in Bezug auf ihn keine Gerüchte gab, hielt sie ihn für einen Junggesellen mit einem kleinen schwarzen Buch voller Frauennamen.

„Ja, das stimmt.“ Flick versuchte, einen beiläufigen Ton anzuschlagen, doch ihr Herzschlag war vollkommen aus dem Rhythmus geraten.

„Ich komme gern hierher, wenn niemand da ist. Morgens ist es manchmal so ruhig, dass das Wellenrauschen und das Geschrei der Möwen das Einzige ist, was man hört“, sagte Tristan. „Es tut der Seele gut, wenn man Zeit hat, dankbar zu sein, weil man lebt.“

Flick bemerkte einen versonnenen Ausdruck in seinen Augen, als ob er wirklich dankbar dafür wäre.

„Wohnen Sie hier in der Nähe oder kommen Sie mit dem Auto her, so wie ich?“, fragte er.

Sie zeigte auf ein weißgetünchtes Gebäude mit blauen Dachziegeln. Unter all den sonstigen Hochhäusern mit ihren modernen Glasfassaden an der Uferstraße fiel es besonders auf. Das Gebäude war etwa vierzig Jahre alt und erinnerte an die Häuser auf einer griechischen Insel. Das war kein Wunder, da Flicks Vermieter das halbe Jahr auf Mykonos lebten und nur die Sommermonate in Australien verbrachten.

„Ich wohne in einem Apartment auf der zweiten Etage mit Blick auf den Strand. Ich liebe es, wenn ich aufwache und auf das Meer schauen kann“, antwortete sie.

„Hübsch“, meinte Tristan. „Eine hervorragende Wohnlage. Allerdings hätte ich mir so was als Student nicht leisten können. Hebammenschülerinnen werden anscheinend gut bezahlt.“

„Die Miete ist nicht so hoch wie in den modernen Häusern hier, nehme ich an. Die könnte ich garantiert nicht bezahlen. Mein Apartment ist ziemlich altmodisch und winzig klein. Aber mir gefällt es, und ich verzichte eben auf andere Dinge, um hier zu wohnen. Das ist kein großes Opfer. Ich fahre ein zwanzig Jahre altes Auto, habe aber dafür eine fantastische Aussicht.“ Auf einmal war ihre Nervosität verschwunden, und Flick konnte sich entspannt mit ihm unterhalten.

Als er lächelnd seine Sonnenbrille abnahm, sah sie, dass in seinen dunklen Augen mit den dichten schwarzen Wimpern ebenfalls ein Lächeln lag. „Eine kluge Wahl, Felicia. Wer würde nicht gerne jeden Morgen mit Meerblick aufwachen?“

Sie bemerkte eine lange Narbe auf seiner Brust, die kurz oberhalb des Nabels endete. Schon ziemlich verblasst, vermutlich von einer lange zurückliegenden Operation.

„Sieht so aus, als hätte das Krankenhaus uns beiden heute frei gegeben“, stellte Tristan fest. „Oder schwänzen Sie etwa?“

Flick lachte ein bisschen verlegen. „Nein, heute ist mein regulärer freier Tag.“ Da er schwieg, wandte sie sich ab und begann den Strand hinauf zu ihrem Haus zu gehen.

„Bleiben Sie doch noch“, rief er ihr nach. „Hätten Sie vielleicht Lust, einen Kaffee oder einen Saft mit mir zu trinken? Oben an der Straße ist ein nettes Café, wo es ausgezeichneten Kaffee und die besten Smoothies gibt.“

Schnell drehte sie sich um. Sie wollte nicht unhöflich sein und ablehnen, fühlte sich jedoch unbehaglich bei dem Gedanken, mit ihrer sparsamen Bekleidung in einem Café zu sitzen. „Ich mache auch guten Kaffee“, rief sie daher zurück. „Zwar nicht gerade wie ein Barista, aber ganz anständig. Wenn Sie mit raufkommen wollen, können Sie einen bei mir kriegen.“

„Ich möchte mich nicht aufdrängen oder Ihren Spaziergang verkürzen“, erwiderte Tristan.

„Das tun Sie nicht.“ Flick spürte, wie ein Gefühl der Wärme sie durchströmte. Aha, sie war also gerne mit ihm zusammen. „Ich bin sowieso auf dem Rückweg und habe in der nächsten Stunde nichts weiter vor. Mit dieser Kleidung fühle ich mich zu Hause jedenfalls entschieden wohler.“

„Na ja, ich schätze, mein Outfit ist auch nicht gerade passend für ein Lokal.“ Prüfend blickte er an sich herunter auf seine Shorts und Laufschuhe und dann zurück zu ihr. „Obwohl Sie toll aussehen. Ich glaube kaum, dass irgendjemand sich beschweren würde, wenn Sie so im Café auftauchen.“

„Folgen Sie mir.“ Sie lächelte etwas nervös und fragte sich, warum sie Tristan zu sich eingeladen hatte. Sie kannte ihn ja kaum. Trotzdem fühlte sie sich sicher. Es war verrückt, aber ihr Instinkt schubste sie in eine Richtung, die ihre Vernunft normalerweise nie zugelassen hätte. „Ach ja, und wenn wir schon dabei sind, die Formalitäten über Bord zu werfen: Meine Freunde nennen mich Flick.“

Sie unterhielten sich mehr als eine Stunde auf dem schmalen Balkon des Apartments. Flick störte es nicht einmal, dass sie ihren Haushalt noch nicht fertig hatte. Dazu fühlte sie sich viel zu wohl. Eigentlich war es mehr ein breiter Sims als ein Balkon. Obwohl die verwitterten Balkonmöbel schon bessere Tage gesehen hatten, erfüllten sie ihren Zweck und gestatteten ihnen, ihren Kaffee mit einem freien Blick auf Strand und Meer zu genießen.

Den winzigen Platz an der Sonne teilten sie sich noch mit einer dreistufigen Blumentreppe, in deren Kästen Flick Küchenkräuter zog. Basilikum benutzte sie am liebsten, wie sie Tristan erzählte. Und ihr Vermieter liebte Oregano. Daher schenkte sie ihm jeden Freitagmorgen ein Sträußchen davon, wenn sie ihre Miete bezahlte.

„Sie kochen also gerne und machen Strandspaziergänge“, meinte Tristan. „Aber was gefällt Ihnen an Ihrem Beruf als Hebamme?“

„Alles“, antwortete Flick sofort. „Es ist etwas Besonderes, eine Frau bis zur Geburt ihres Babys zu begleiten. Aber auch danach, wenn man sieht, wie das neue Familienmitglied allmählich ins Leben hineinwächst. Und wie schnell sich jeder in diesen kleinen Menschen verliebt.“

Bei dem Thema wurde ihr Gesicht lebhaft, und man konnte ihr die Liebe zu ihrer Arbeit ansehen.

„Was finden Sie schöner, Hausgeburten oder die Geburt im Krankenhaus?“, fragte Tristan weiter.

„Hausgeburten“, erwiderte sie. „Ich arbeite gerne auf der Entbindungsstation. Aber draußen vor Ort zu sein und bei einer Hausgeburt mitzuhelfen, dafür lohnt sich alles. Dabei geht es hauptsächlich um eine umfassende Betreuung. Die werdende Mutter fühlt sich sicher, weil sie uns kennt. Und vom vierten Monat bis sechs Wochen nach der Geburt sind wir wie ein Teil der Familie. Es ist eine schöne Zeit, und ich freue mich, an einer so wunderbaren Erfahrung teilhaben zu dürfen.“

Sie plauderten weiter über das Krankenhaus, ihre jeweiligen Berufe und auch über den Gala-Ball am Abend, zu dem beide hingehen wollten.

Schließlich wurde Tristan bewusst, wie lange er schon da war und Flicks Zeit in Anspruch genommen hatte. Widerstrebend stand er auf, um sich zu verabschieden.

„Soll ich Sie heute Abend zur Gala mitnehmen?“, fragte er. „Ich könnte vorbeikommen und Sie abholen, falls Sie noch keine Mitfahrgelegenheit haben.“

Er ging nur selten aus, und dass er eine Kaffee-Einladung von einer Frau annahm, war ebenfalls sehr ungewöhnlich für ihn. Tristan war nicht sicher, was da gerade passierte, denn sein Herz schien sich auf eine Weise zu öffnen, mit der er nicht gerechnet hatte.

Die letzte Stunde war wie im Flug vergangen, und er wünschte, es wäre noch nicht zu Ende. Er wollte mehr. Flick war nicht nur schön, sondern auch intelligent, amüsant und besaß eine große Leidenschaft für ihren Beruf.

„Das ist sehr nett von Ihnen, aber ich bin schon mit meiner Freundin Sophia verabredet“, sagte Flick. „Sie ist Gemeindehebamme, und ich bin ihr für mein letztes Praktikum zugeteilt worden. Sie hat für uns extra eine Limousine bestellt, die uns zum Ball bringt.“

„Das verstehe ich vollkommen“, gab Tristan zurück. „Auch wenn ich einen schönen Wagen habe, mit einer Limousine kann er nicht konkurrieren.“

Flick lächelte. „So sollte sich das eigentlich nicht anhören.“

Er erwiderte ihr Lächeln und stellte sich gleichzeitig vor, wie es wäre, sie zu küssen. Tristan musste sich beherrschen, um sie nicht an sich zu ziehen und ihren weichen Mund zu spüren. Zweifellos wäre ihr Kuss genauso süß wie sie, aber ihre Lippen und ihr Körper auch voller Leidenschaft.

Stattdessen griff er rasch nach dem gekühlten Wasser auf dem Tisch und trank das ganze Glas auf einmal aus. Dann blickte er Flick nach, die gerade barfuß hineinging, um ihr Glas und ihre Kaffeetasse zur Spüle zu bringen. Sie war auf bezaubernd natürliche Weise sexy. Allein ihre Gestalt löste schon das Verlangen in ihm aus, ihren Körper an seinem zu fühlen. So etwas sah Tristan gar nicht ähnlich.

Unwillkürlich musste er schlucken, ehe er ihrem Beispiel folgte. Auf dem Weg zur Tür stellte auch er sein Glas in die Spüle. Flick faszinierte ihn. Noch nie zuvor hatte er nach so kurzer Zeit schon solche Gefühle entwickelt. Diese Hebamme, die wie ein Strandmädchen gekleidet war, ging ihm unter die Haut.

Er lief die Außentreppe hinunter, die bis zur Straße führte, während Flick oben stehen blieb.

Unten wandte er sich noch einmal um. „Vielleicht kann ich Sie ja dazu überreden, heute Abend mit mir zu tanzen.“

Statt einer Antwort lächelte sie nur. Dazu brauchte er sie nicht lange zu überreden.

In einem trägerlosen langen Kleid aus dunkelblauem Satin mit strassbesetztem Mieder stieg Flick aus der Limousine und betrat den roten Teppich. Beim Anblick des Preisschildes hatte es ihr den Atem verschlagen. Doch dann hatte sie beschlossen, dass das Kleid, das sie zu ihrem ersten Ball trug, eines sein sollte, an das sie sich immer erinnern würde. Deshalb hatte sie es trotzdem gekauft. Das blonde Haar hing ihr in sanften Wellen bis zu den Schultern.

Außerdem trug sie Slingbacks mit einem kleinen spitzen Absatz, kleine Kristall-Ohrstecker und eine farblich auf das Kleid abgestimmte Abendtasche. Normalerweise ging Flick sehr vorsichtig mit ihrem Geld um. Daher konnte sie es sich leisten, gelegentlich auch mal über die Stränge zu schlagen.

Als Sophia ebenfalls ausstieg, meinte sie: „Oh, ein roter Teppich. Sehr schön.“ Sie trug ein langes, schulterfreies Abendkleid aus cremefarbener Seide, das einen starken Kontrast zu ihren kastanienbraunen Locken bildete. Dazu Goldriemchen-Schuhe mit einem extrem hohen Absatz, denn Sophia war zierlich und fast fünfzehn Zentimeter kleiner als Flick.

Lächelnd betraten sie gemeinsam den Ballsaal, der von lautem Stimmengewirr erfüllt war, das von der Musik einer Jazzband noch übertönt wurde.

Sophia hakte sich bei Flick unter. „Dann schauen wir doch mal, was der heutige Abend so bringt.“

Sie saßen an einem runden Tisch für acht Personen, gemeinsam mit einem Gefäßchirurgen und seiner Frau, zwei alleinstehenden Krankenschwestern sowie zwei Medizinstudenten, die sich von den attraktiven Schwestern hingerissen zeigten. Diese ignorierten sie jedoch höflich, da sie viel zu jung waren.

Die Tischdekoration bestand aus zwölf langstieligen weißen Rosen in einer großen viereckigen Glasvase, zusammengebunden mit einer cremefarbenen Organza-Schleife. Tischtuch und Servietten waren schwarz. Es war die mit Abstand eleganteste Veranstaltung, an der Flick je teilgenommen hatte. Erleichtert stellte sie fest, dass ihr Kleid dem Anlass genau entsprach.

Einer köstlichen Lachs-Vorspeise folgte als Hauptgang Lammfilet in Rotwein-Sauce. Während die Teller abgeräumt wurden, schaute Flick sich verstohlen nach Tristan um. Beim Apéritif vorhin hatte sie ihn nicht gesehen, und auch jetzt konnte sie ihn unter all den elegant gekleideten Gästen nirgendwo entdecken. Vermutlich war er zu einem Notfall ins Krankenhaus gerufen worden. Die tiefe Enttäuschung, die sie empfand, überraschte sie.

Den ganzen Tag lang hatte sie an ihn gedacht. Zwar spürte sie eine starke Anziehung ihm gegenüber, doch der Gedanke, diesen Gefühlen tatsächlich nachzugeben, erschreckte sie. Eine seltsame Mischung, die sie noch nie zuvor erlebt hatte.

Als sie am Rücken von einem Stück Stoff gestreift wurde, nahm sie an, es wäre ein Kellner, der noch mehr Wein bringen wollte.

„Nein, danke. Ein Glas reicht mir.“ Sie legte eine Hand auf den Rand ihres Weinglases.

„Das werde ich mir merken, Flick. Jetzt, da Sie mich aufgeklärt haben, werde ich Ihnen sicher nicht jedes Mal Wein einschenken, wenn ich an Ihnen vorbeigehe“, erklärte jemand hinter ihr.

Sie erkannte seine Stimme sofort. Als sie sich zu ihm umdrehte, lächelte Tristan zu ihr herunter. Im OP-Anzug bei der Arbeit sah er schon attraktiv aus, und in den Bermudashorts heute Morgen war er umwerfend gewesen. Aber als Flick ihn mit seinen knapp eins neunzig im schwarzen Smoking erblickte, verschlug es ihr den Atem. Das schlichte weiße Hemd betonte seine Sonnenbräune, und er war frisch rasiert. Flick fielen sogar die Manschettenknöpfe aus Platin und Onyx auf, ebenso wie seine glänzend polierten Lacklederschuhe. Er sah aus wie ein männliches Model, nur noch viel besser. Und der Duft seines Aftershaves machte ihr bewusst, wie nahe er ihr war.

„Ich hoffe, Sie amüsieren sich gut“, meinte Tristan.

„Ja, sehr“, antwortete sie. „Sie auch?“

Er nickte nur und begrüßte die anderen Gäste am Tisch, ehe er weiterging.

Flick sah hinreißend aus, was seinen Entschluss bestätigte, erst später zum Ball zu kommen. Er fühlte sich viel zu stark zu ihr hingezogen, und daraus konnte nichts Gutes werden. Zwar wollte er sich auf nichts einlassen, aber dennoch schaffte er es nicht, einfach wegzubleiben. Obwohl es wahrscheinlich besser gewesen wäre. Auf dem Ball gab es sicher mehrere andere Ärzte, die ihr das geben würden, was er ihr nicht geben konnte.

Flick war enttäuscht, dass Tristan so schnell verschwand. Vermutlich musste er sich jedoch auf diesem Event mit allen möglichen wichtigen Leuten treffen.

Wie sie feststellte, war sein Tisch nicht weit von der Bühne vorne im Saal entfernt.

Die Augenbrauen fragend erhoben, beugte Sophia sich zu ihr herüber. „Flick?“, flüsterte sie erstaunt. „Seit wann nennt der begehrteste, aber unzugänglichste Kardiologe im Victoria Hospital dich Flick und nicht Felicia oder Ms. Lawrence?“

„Seit heute Morgen am Strand.“ Schnell wechselte Flick das Thema, indem sie in die Speisekarte schaute. „Was es wohl als Hauptgang gibt?“

„Den hatten wir gerade.“ Sanft nahm Sophia ihr die Karte ab und senkte die Stimme. „Heute Morgen am Strand? Davon hast du auf der Fahrt hierher überhaupt nichts erwähnt. Was genau ist passiert? So leicht kannst du mich nicht ablenken. Ich erzähle dir alles, und du machst ein Geheimnis aus deiner Begegnung mit Dr. Oh-mein-Gott-ist-der-heiß!“

Genauso gedämpft erwiderte Flick: „Ich habe einen Strandspaziergang gemacht, er ist dort gejoggt. Wir sind ins Gespräch gekommen, und dann hat er bei mir auf dem Balkon noch einen Kaffee getrunken. Ende der Geschichte.“

„Wie bitte? Na, wohl kaum“, erklärte Sophia. „Das ist erst der Anfang. Ich habe den Ausdruck in seinen Augen gesehen. Er ist total in dich verschossen, das ist doch offensichtlich. Also, meine hübsche Single-Freundin, du gehst jetzt sofort rüber an seinen Tisch und machst da weiter, wo ihr heute Morgen aufgehört habt.“

„Ich kann dich doch nicht einfach alleine lassen“, widersprach sie unbehaglich.

„Flick, ich kenne einen Haufen Leute hier. Du lässt mich also nicht allein.“

„Aber Oliver Evans hat sich gerade zu ihm gesetzt, und ich möchte sie nicht unterbrechen“, sagte Flick. „Bestimmt ist es irgendwas Wichtiges, Medizinisches.“

„Das ist genau der Grund, weshalb du jetzt da hingehst, um Tristan vor einer langatmigen medizinischen Diskussion zu retten“, entgegnete Sophia. „Morgen kann er wieder so viel über Medizin reden, wie er will. Aber heute Abend sollte er Spaß haben, genau wie du. Wie oft kriegen wir schon eine solche Gelegenheit?“

„Ich weiß nicht.“ Sie zögerte.

Sophia blickte ihr eindringlich in die Augen. „Glaub mir, er will gerettet werden. Und du bist die Einzige, die das kann. Hör auf, dich zu verstecken, Flick. Man muss das Leben mit beiden Händen packen.“

Sophias Worte erinnerten Flick an den Anruf ihrer Schwester heute Vormittag, und sie stand auf. „Hoffentlich werde ich das nicht bereuen.“

Sophia lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück und trank etwas von ihrem Wein, während sie ihrer Schülerin nachschaute. „Ich denke, du wirst heute Abend gar nichts bereuen, meine Liebe“, murmelte sie vor sich hin.

Sobald Flick an den Tisch trat, leuchtete Tristans Miene auf, was Oliver keineswegs entging.

Er erhob sich. „Ich glaube, ich sollte mal wieder zurück an meinen Tisch. Ich komme dann morgen mal in deinem Büro vorbei, Tristan. Ein schönen Abend noch.“ Mit einem Lächeln zu Flick ging er davon.

„Hoffentlich habe ich Dr. Evans nicht verscheucht“, meinte sie.

„Flick, das ist ein Kompliment, und ich hoffe, Sie verstehen es auch so: Sie könnten nicht mal eine Maus verscheuchen, geschweige denn Oliver Evans“, antwortete Tristan. „Er würde nie vor einer schönen Frau weglaufen. Er wollte nur höflich sein, wofür ich ihm sehr dankbar bin.“

Als er einen Stuhl für Flick vorzog, wurde sie unwillkürlich rot.

Sie plauderten bei dem guten Wein und dem Limettendessert, das kurz danach serviert wurde. Und als sie später zusammen tanzten, spürte Flick die prickelnde erotische Spannung zwischen ihnen. All das, was sie bei ihren vorherigen Freunden vermisst hatte, war bei Tristan und seinen Berührungen da. Er brauchte sich gar nicht sonderlich anzustrengen, um erregende Gefühle auszulösen, die ihren ganzen Körper durchströmten.

Während eines langsamen Songs ließ sie ihren Kopf an seiner Schulter ruhen, und er flüsterte ihr zu: „Darf ich dich nachher nach Hause fahren? Oder habt ihr wieder eine Limousine gebucht?“

Flick hatte bemerkt, wie Sophia vor einer halben Stunde den Ball verlassen hatte. Sie hatte ihr zugewinkt und sich früh verabschiedet.

Da Flick sich so wohl fühlte, hob sie nicht einmal den Kopf. „Es gibt keine Limousine. Ich würde mich freuen, wenn du mich nach Hause bringst.“

Während sie mit Tristan darauf wartete, dass der junge Mann vom Parkservice das Auto vorfuhr, sagte Flick: „Das war ein wirklich schöner Abend.“

„Ja, viel schöner, als ich erwartet hatte.“ Als der Wagen kam, öffnete Tristan ihr die Beifahrertür und hielt sie auf, bis sie mit dem langen Kleid eingestiegen war. Dann schloss er die Tür, ging zur Fahrerseite hinüber und gab dem jungen Mann sein Trinkgeld, ehe er losfuhr.

Lächelnd blickte Flick aus dem Fenster auf die Leute, die über die noch immer stark befahrene Straße in der Innenstadt zu ihren Autos gingen. Viele von ihnen waren offenbar auch auf dem fantastischen Gala-Ball gewesen. Denn die Männer trugen alle einen Smoking, die Frauen hingegen zeigten unterschiedliche Kleidervarianten. Einige hatten sich für ein langes Abendkleid entschieden, eine ganze Reihe der jüngeren Frauen trug jedoch wunderschöne Cocktail-Kleider, die gerade bis zu den Knien reichten. Mit ihrem funkelnden Schmuck und den eleganten Frisuren sahen sie alle sehr festlich aus.

Flick liebte die glamouröse Atmosphäre des Abends. Ein bisschen fühlte sie sich wie Aschenputtel, nur dass sie nicht um Mitternacht geflüchtet war. Nein, sie wurde von einem unglaublich attraktiven und interessanten Herzchirurgen nach Hause gebracht. Bei dem Gedanken wurden unvermittelt ihre Wangen heiß.

„Ich bin froh, dass du an meinen Tisch gekommen bist“, meinte Tristan.

„Das war Sophias Idee. Sie fand, ihre beide hättet einen viel zu ernsten Eindruck gemacht und wärt wahrscheinlich gerade dabei, die allerneuesten Forschungsergebnisse pränataler Diagnostik zu besprechen. Und obwohl das ein außerordentlich wichtiges Thema ist, war sie der Meinung, der heutige Abend sollte dazu da sein, sich zu amüsieren“, erklärte Flick. „Ich wollte euch nicht unterbrechen.“

„Das heißt, Sophia hat dich dazu gedrängt, dich zu mir zu setzen?“, fragte er leicht ironisch.

„So hört es sich beinahe an, oder?“ Sie lachte. „Nein, ich wollte sehr gerne mit dir sprechen.“

„Wie gut, dass du es getan hast.“ Seine Stimme klang tief und rau, und als Tristan kurz den Blick von der Straße wandte, um sie anzusehen, setzte Flicks Herzschlag einen Moment lang aus. „Und danke, dass du mich zum Kaffee auf deinen Balkon eingeladen hast.“

„Du meinst, meinen leicht heruntergekommenen, mit Kräutern bewachsenen, überdimensionalen Fenstersims!“, korrigierte Flick belustigt.

Lächelnd sah er sie an. Sie wusste wahrscheinlich gar nicht, wie schön sie war. „Einigen wir uns darauf, dass er zwar klein ist, aber eine perfekte Aussicht hat.“

Ihr Lächeln wirkte etwas nervös. Noch nie hatte sie sich so schnell zu einem Mann hingezogen gefühlt. Ihr Pulsschlag beschleunigte sich immer stärker, und sie hatte Schmetterlinge im Bauch. Sie dachte an Megan. Ja, dieser Abend gehörte ihr. Es war an der Zeit, mal etwas zu riskieren.

Vor dem Haus am Strand parkte Tristan seinen Wagen und begleitete Flick die Treppe hinauf bis zu ihrer Wohnungstür. Sein Blick war eindringlich, und er stand dicht vor ihr, als er gute Nacht sagte. Dann, ohne Vorwarnung und ohne jeden Widerstand von ihrer Seite, presste er unvermittelt seine Lippen auf ihre und küsste sie leidenschaftlich.

Als Flick mit ihren bebenden Fingern Schwierigkeiten hatte, die Tür zu öffnen, tat er es an ihrer Stelle. Mit seinen kraftvollen Armen hob er sie hoch und stieß die Tür mit dem Fuß zu. Ohne seinen Mund von ihrem zu lösen, trug er sie durch das von Straßenlampen erhellte Apartment zum Schlafzimmer.

Von heißem Verlangen überwältigt streifte er ihr das Kleid ab und ließ es zu Boden fallen. Während Tristan sie aufs Bett legte, bedeckte er ihren zarten Hals mit zahllosen Küssen. Dann richtete er sich auf, zog Jackett, Krawatte und Hemd aus, wobei er bewundernd die schöne, fast nackte Frau betrachtete, die ihre Arme nach ihm ausstreckte. Flick ließ die Finger über seine warme glatte Haut gleiten, während sie ihn gemeinsam vom Rest seiner Kleidung befreiten, ehe er ihr mit sinnlichen Berührungen die schwarze Spitzenunterwäsche auszog.

Ohne jede Eile legte Tristan sich dann neben sie auf das weiche Bett. Langsam streichelte er jeden Zentimeter ihres verführerischen Körpers, brachte sie bis zum Höhepunkt und ließ ihr Verlangen kurz verebben, bevor er ihre Erregung erneut bis zur Ekstase steigerte. Noch nie war Flick so bereit und so sicher gewesen, als er endlich Besitz von ihr nahm und sie zum ersten Mal in dieser Nacht eins wurden.

Als das blasse Morgenlicht durch den Spalt der Vorhänge drang, erwachte Flick nackt in ihrem Bett neben dem schlafenden Tristan. Sie war glücklicher als je zuvor, aber auch beunruhigt über die Tragweite und die möglichen Folgen dessen, was geschehen war. Sie hatte gleich am ersten Abend mit ihm geschlafen, und er war ein wundervoller Liebhaber gewesen.

Seine zärtlichen, erotischen Berührungen hatten ihre Zweifel, dass es zu früh wäre, einfach beiseitegewischt. Doch jetzt tauchten sie wieder auf, und Flick dachte, sie hätten lieber noch warten sollen. Leise schlüpfte sie aus dem Bett und ging ins Bad. Sie brauchte etwas Abstand, um ihre Gedanken zu sortieren, ohne von Tristan abgelenkt zu werden.

Das warme Wasser, das über ihren Körper strömte, tat gut. Sie versuchte zu verstehen, was ihr vor wenigen Stunden noch als ganz natürlich erschienen war. Normalerweise ließ Flick sich nie so von ihren Gefühlen überwältigen. Aber als Tristan sie an der Tür küsste, hatte sie ihm nicht widerstehen können. Und nun brauchte sie ein paar Minuten für sich allein, um wieder klar zu denken.

Sobald Tristan aufwachte, tastete er nach Flick, doch er war allein. Im Badezimmer hörte er das Wasser laufen. Ob das ein Zeichen dafür war, dass er gehen sollte? Einfach verschwinden, ohne einen unbehaglichen Abschied? Ein solches Ende wollte er eigentlich nicht, und es schien auch nicht zu ihr zu passen. Obwohl sie sich erst so kurz kannten, war er sicher, dass sie nicht oft einen Mann gleich am ersten Abend mit nach Hause nahm.

Die Hände hinter dem Kopf verschränkt, dachte er an die vergangene Nacht. Es war unglaublich gewesen, und er wünschte, es könnte der Anfang einer tieferen Beziehung sein. Doch das durfte er Flick nicht antun. Er würde die Sache so schnell beenden, wie sie begonnen hatte, so wie immer. Aber diesmal fühlte es sich anders an.

Als er aufstand, spürte Tristan ein schmerzliches Bedauern. Ganz anders als sonst, wenn er das Bett einer Frau verließ. Wäre Flick jetzt aus dem Bad gekommen und hätte ihn mit ihrem umwerfenden Lächeln angelächelt, wäre er nicht gegangen. Dieses Mal wollte er bleiben.

Aber sie kam nicht. Das Wasser lief nicht mehr, und trotzdem blieb sie im Bad. Womöglich wollte sie ja doch, dass er ging. Und vielleicht war es auch wirklich besser so.

Tristan suchte nichts Langfristiges. Es wäre unfair, Flick in dem Glauben zu lassen, er wollte eine ernsthafte Beziehung. Eine Ehe kam für ihn nicht infrage. Dafür hatte er gute Gründe.

Ihr diplomatisches Verschwinden unter der Dusche deutete darauf hin, dass sie eine peinliche Abschiedsszene am Morgen danach vermeiden wollte. Nur durch eine dünne Holztür waren sie voneinander getrennt, was eine seltsame, nie gekannte Sehnsucht in ihm auslöste.

Eine atemberaubende Nacht war alles, was sie jemals miteinander teilen würden. Vorsichtig stieg Tristan über die zahlreichen Kleidungsstücke auf dem Fußboden hinweg und suchte seine Sachen zusammen. Schnell zog er sich an, steckte Schlüssel und Handy ein und verließ das Apartment. Die Badezimmertür öffnete sich gerade in dem Moment, als er leise die Wohnungstür hinter sich schloss und die Außentreppe hinunterlief.

An seinem Wagen schaute er noch einmal hoch und seufzte tief. Er wünschte, es wäre anders, aber eine Nacht war alles, was er Flick geben konnte. Und offenbar wollte sie auch nicht mehr als das.

Flick kam aus dem Bad, denn schließlich hatte ihr Herz doch gegen ihre Vernunft gewonnen. Vielleicht konnten sie und Tristan tatsächlich etwas aus ihrer verrückten, aufregenden Nacht machen. Vielleicht würde sie lernen, ihm zu vertrauen. Zumindest war sie bereit, es zu versuchen. Genau das wollte sie ihm sagen, wenn sie zurück in seine Arme kam. Bei diesem Gedanken leuchtete ihr Gesicht auf.

Aber dann sah sie das leere Bett, und ihr sank der Mut. Tristans Kleidung, sein Schlüssel, alles weg. Er war einfach verschwunden, ohne Abschied.

Das zeigte deutlicher als alle Worte: Es gab nichts weiter zu sagen.

Für ihn war es nur ein One-Night-Stand gewesen, mehr nicht.

1. KAPITEL

Tristan trank seinen Kaffee und blickte aus dem Fenster seines Dienstzimmers auf der dritten Etage des Victoria Hospital. Er hatte gerade seine Frühvisite beendet und noch eine Stunde Zeit, ehe er mit seinem Operationsplan begann.

Einen Moment lang dachte er an Flick, so wie jeden Tag in den vergangenen drei Monaten. Er hatte gehofft, seine Gefühle würden im Laufe der Zeit verschwinden, aber das war nicht der Fall. Einundneunzig Tage und Nächte hatten diese eine Nacht, die sie zusammen erlebt hatten, nicht ausgelöscht.

Flick war anders als alle Frauen, die er bisher in seinem Leben kennengelernt hatte. Sie war bezaubernd, witzig und begehrenswert. Alles, was er sich von einer Frau nur wünschen konnte, und noch mehr. Doch es war unmöglich, mit ihr zusammen zu sein. Tristan fürchtete, dass er, wenn er seinen Gefühlen nachgab, gar nicht mehr imstande wäre, sich von ihr zu trennen.

Nachts erinnerte er sich an die Leidenschaft und das Verlangen, das sie miteinander erlebt hatten. Und er dachte an Flicks schönes Lächeln, das den ganzen Ballsaal erhellt hatte. Ihre strahlenden Augen, als er sie auf der Tanzfläche in den Armen hielt. Und schließlich die überwältigende Ekstase, als sie miteinander geschlafen hatten. All diese Erinnerungen quälten ihn, bevor er schließlich in einen unruhigen Schlaf fiel. Sogar in seinen Träumen erschien Flick manchmal. Sie wirkte so real, dass er ihre glatte Haut spüren, ihren süßen Mund schmecken konnte.

Doch sie hatte etwas Besseres als ihn verdient. Schon allein wegen ihrer Berufswahl wollte sie bestimmt irgendwann mal eine Familie. Aber die konnte er ihr nicht geben.

Er schaute zu dem Familienfoto auf seinem Schreibtisch. Die Abschlussfeier seines Medizinstudiums. Ein Tag, der für ihn und seine Eltern mehr bedeutete als für viele andere. Es war sein erster Schritt auf dem Weg zum Säuglingskardiologen gewesen. Diesen Beruf hatte er sich mit sechzehn zum Ziel gesetzt, nachdem er seine Herztransplantation überstanden hatte. Davor war er jahrelang in Watte gepackt worden, während er auf der Warteliste für ein Spenderherz immer weiter vorrückte.

Auf dem Foto strahlte seine Mutter vor Freude, während sein Vater ein etwas angestrengtes Lächeln aufgesetzt hatte. Seine Mutter war überglücklich, dass Tristan seinen Traum leben konnte. Seinen Vater hingegen hatten die vielen sorgenvollen Jahre zermürbt.

Tristan war fest entschlossen, das Leben schwerkranker Neugeborener mithilfe der Chirurgie zu verändern. Er wollte ihnen die Chance auf eine unbeschwerte Kindheit ermöglichen. Etwas, das ihm nie vergönnt gewesen war. Schon früh hatte er entschieden, dass er niemals eigene Kinder haben würde. Bei seiner genetischen Vorbelastung war es das Risiko nicht wert.

Erneut gingen seine Gedanken zu Flick. Eines Tages würde sie einem Mann begegnen, der ihr alles geben könnte, was sie sich wünschte. Und Tristan wollte ihrem Glück nicht im Weg stehen. Vielleicht hasste sie ihn jetzt, aber indem er Abstand hielt, erlaubte er ihr, den richtigen Mann zu finden. Jemand, der ihr ein perfektes Leben bieten konnte. Ihm blieb zumindest diese eine gemeinsame Nacht, die er nie vergessen würde.

Das Piepen seines Pagers brachte Tristan zurück in die Realität. Nach einem schnellen Blick aufs Display rief er in der Notaufnahme an. „Tristan Hamilton. Sie haben mich gerufen?“

„Dr. Hamilton, ich verbinde Sie mit dem Oberarzt der Notaufnahme“, antwortete eine junge weibliche Stimme.

„Tristan, hier ist Dylan Spencer. Bei einer Patientin, die vor zehn Minuten eingeliefert wurde, haben gerade die Wehen eingesetzt. Siebenunddreißigste Woche“, berichtete sein Kollege. „Während der Untersuchung stellte sich heraus, dass sie wegen eines Herzfehlers bei ihrem ungeborenen Sohn überwacht wird. Transposition der beiden großen Arterien. Ich wollte nicht, dass die Geburt weitergeht, ohne dich vorher um Rat zu fragen.“

„Gibt es sonst noch Probleme?“, fragte Tristan besorgt. „Wer ist für die pränatale Betreuung zuständig?“

„Ihr Mann sagte, dass sie in der zwanzigsten Woche über den Herzfehler informiert wurden. Seine Frau wurde von Dr. Hopkins im Sydney Eastern Memorial betreut“, erwiderte Dylan.

„Was tun sie dann in Melbourne?“

„Ein Familientreffen. Sie sind wohl zum Geburtstag einer Tante hier“, meinte Dylan.

Verständnislos schüttelte Tristan den Kopf, ohne jedoch seine Besorgnis zu äußern. Bei diesem für das Baby lebensbedrohlichen Herzfehler so kurz vor dem Geburtstermin zu reisen, war seiner Ansicht nach unverantwortlich. Die Patientin konnte von Glück sagen, dass die Wehen nicht unterwegs eingesetzt hatten.

„Ich rufe Nate Hopkins an“, sagte Tristan. „Aber in der Zwischenzeit sag bitte im OP Bescheid. Sie sollen den Oberarzt der Geburtsabteilung kontaktieren, alles für einen Notkaiserschnitt vorbereiten und dann den benachbarten OP für eine Atrioseptostomie vorbereiten. Du hast vollkommen recht, die Wehentätigkeit darf nicht fortgesetzt werden, ohne dass wir eingreifen. Das Baby würde den Geburtskanal sonst möglicherweise nicht überleben.“

Tristan hatte gerade das Telefonat mit seinem Kollegen in Sydney beendet, da erschien bereits eine Krankenschwester mit den Unterlagen aus der Notaufnahme an seiner Tür.

„Dr. Hamilton, hier ist die Patientenakte für die Notentbindung.“

Während er hinauseilte, nahm er die Akte entgegen und fügte seine eigenen Notizen von dem Telefonat hinzu.

„Nach dem letzten Ultraschall wird das Kind auf knapp sechs Pfund geschätzt“, informierte sie ihn auf dem Weg zum Lift.

„Wie geht es der Mutter?“

„Den Umständen entsprechend gut. Ihr wurde eine Epiduralanästhesie verabreicht, aber sie steht immer noch unter Schock, dass sie jetzt ihr Baby bekommt“, antwortete die Schwester. „Sophia, eine Gemeindehebamme unserer Geburtsklinik, ist bei ihr, zusammen mit ihrer Schülerin Flick. Sie sind zur emotionalen Unterstützung der Patientin dabei.“

Tristan fuhr unmerklich zusammen, als sie Flick erwähnte. Allein ihr Name reichte, um seine Gefühle wieder aufzuwühlen. Er musste so tun, als hätte ihre gemeinsame Nacht nie stattgefunden, bis er sie eines Tages vielleicht wirklich vergessen konnte. Er durfte sich nicht verlieben, weder in Flick noch in irgendeine andere Frau. Bis jetzt war ihm das nicht schwergefallen, aber sie hatte etwas tief in ihm berührt, und ihretwegen hatte er schlaflose Nächte.

Sobald sie den Lift betraten, fuhr die Schwester fort: „Wie von Ihnen gewünscht, sind der Röntgenassistent und der Kinderanästhesist im benachbarten OP und bereiten sich auf die Atrioseptostomie vor.“

Unten wartete die OP-Schwester, die Tristan zum Waschraum begleitete. „Dr. Hamilton, der Vater des Kindes möchte mit Ihnen sprechen. Aber ich habe ihm erklärt, dass dies erst nach der Entbindung möglich ist, wenn Sie das Baby untersucht haben und eine genauere Prognose abgeben können.“ Ihrer ruhigen, aber festen Stimme merkte man die jahrelange Erfahrung an. „Beiden Eltern ist bewusst, dass ihrem kleinen Sohn in den kommenden Tagen ein großer Eingriff bevorsteht. Der pädiatrische Oberarzt hat ihnen erklärt, wie wichtig die sofortige Atrioseptostomie ist, und Mr. Roberts hat die Einverständniserklärung unterschrieben. Außerdem haben wir bei der Operation einen Medizinstudenten als Zuschauer.“

Tristan nickte zustimmend, zog nach dem Waschen den OP-Anzug an und ging in den OP-Raum. Während er die sterilen Instrumente überprüfte, stellte er sich dem Studenten vor und erklärte ihm den Eingriff. Dabei wurde ein kleines Loch in der Herzwand geöffnet, sodass arterielles und venöses Blut sich mischen konnten. Auf diese Weise würde das Neugeborene vorerst mit genügend Sauerstoff versorgt.

In diesem Augenblick wurde das winzige Baby durch die Schwingtür hereingerollt. Als Tristan aufschaute, sah er Flick neben dem Bettchen stehen. Er fing ihren Blick auf und hielt ihn fest. In ihren schönen blauen Augen erkannte er Schmerz und Enttäuschung, aber keinen Groll. Das war fast noch schlimmer. Am liebsten hätte er sie sofort in die Arme genommen. Doch dann ermahnte er sich streng, dass er nicht sich selbst schützen wollte, sondern sie.

„Das Kind wurde gesäubert, und Mund und Nase wurden abgesaugt“, erklärte Flick. Sie übergab das in steriles grünes Tuch gewickelte Baby in die Obhut der OP-Schwester und ging dann hinaus, ohne noch einmal zurückzuschauen.

Tristan fand es schrecklich, dass es zwischen ihnen vorbei war, aber es gab keine andere Möglichkeit. Entschlossen konzentrierte er sich auf das winzige Kind, das ihn jetzt brauchte. Ein Säugling, auf den eine ähnliche Kindheit wie seine wartete, falls diese Operation nicht gelang.

Tristan und seine beiden Kollegen erklärten Jon Clarke, dem Studenten, jeden Schritt des Eingriffs.

Nachdem er die Operation durchgeführt hatte, wies Tristan auf die Monitore. „Über den Herzultraschall können wir alles genau verfolgen. Die arterielle Sauerstoffsättigung ist stark gestiegen, wir waren also erfolgreich. Dem kleinen Kerl wird es daher gut gehen, bis wir im Laufe der nächsten zwei Tage seine große Operation ansetzen.“

Während das Pflegeteam das Baby für den Transport auf die Neugeborenen-Intensivstation vorbereitete, traten Tristan und Jon zur Seite. Nachdem Tristan dem jungen Mann zugesagt hatte, dass er auch bei der arteriellen Switch-Operation dabei sein durfte, bei der die beiden großen Herzarterien vertauscht wurden, lud er ihn ein, ihn später mit zu den Eltern des Babys zu begleiten. Tristan lag viel daran, die Studenten auch im Patientenumgang zu schulen, denn dieser war genauso wichtig wie die fachlichen Fähigkeiten eines Arztes.

Wenig später ging er zur Neugeborenen-Intensivstation, weil er dem Pflegeteam dort seine Anweisungen für das Baby geben musste. Danach kehrte er in sein Büro zurück, um Schreibarbeiten zu erledigen und etwas zu essen. Da er am Nachmittag noch Sprechstunde und Visite hatte, brauchte er vorher noch etwas zur Stärkung.

Unruhig ging Flick vor Tristans Büro auf und ab. Nachdem sie mit Sophia eine junge Mutter auf der Entbindungsstation besucht hatte, konnte sie jetzt ihre Mittagspause machen. Obwohl sie ihren Beruf liebte, fühlte sie sich heute irgendwie distanziert. Sie war bedrückt, weil sie Tristan unbedingt etwas sagen musste.

Nach zwei Wochen des Nachdenkens hatte sie ihre Entscheidung getroffen. Sie konnte es nicht länger hinauszögern.

Sie holte tief Luft und klopfte.

„Herein.“ Tristan nahm einen Bissen von seinem Sandwich, während er gleichzeitig seine E-Mails checkte.

Mit zittrigen Knien trat sie ein. Als sie von der Tür her den Mann sah, der sie in dieser schicksalhaften Nacht so leidenschaftlich geliebt hatte, wusste sie sofort, dass sie es nicht bereute. Da war kein Zorn und auch keine Schuldzuweisung, denn sie hatte ihn ja nur allzu bereitwillig zu sich eingeladen.

„Flick“, sagte er überrascht. Sie sah noch schöner aus als sonst. Trotz ihres weiten Krankenhaus-Anzugs schien sie von innen heraus zu strahlen. Tristan wusste, dass darunter einen fantastischer Körper verborgen war, doch ihre Schönheit ging viel tiefer. Sie besaß ein wunderbares, warmherziges Wesen, und es schmerzte ihn, dass sie nicht zusammen sein durften.

Da Flick ihm jetzt so nahe war, kostete es ihn noch viel größere Willenskraft, distanziert zu bleiben.

Sie atmete tief durch und hoffte inständig, ihr Anliegen möglichst ohne Emotionen vorbringen zu können. „Tristan, ich muss dir was sagen.“

„Wegen Mrs. Roberts?“, fragte er kühl.

Verständnislos sah sie ihn an. Es dauerte einen Moment, bis sie begriff, dass er glaubte, sie sei aus beruflichen Gründen hier. „Nein, es betrifft nicht Jane Roberts, sondern mich.“

Er stand auf. Hoffentlich war alles in Ordnung mit Flick. Er musste gegen sein Bedürfnis ankämpfen, sie in die Arme zu schließen und an sich zu ziehen. Und sie am liebsten nie wieder gehen zu lassen.

„Ich bin schwanger, Tristan“, brachte sie tatsächlich ohne Tränen hervor. „Wir bekommen ein Baby.“

2. KAPITEL

Schwer ließ Tristan sich auf seinen Stuhl zurückfallen. Unvermittelt stürzten Erinnerungen auf ihn ein: an Krankenhäuser, chirurgische Stationen, an die Wartezimmer von Kardiologen und daran, wie er bei Footballspielen immer vom Rand aus zuschauen musste, weil er nicht mitspielen durfte.

Dazu kamen lebhafte Bilder von den Operationen, die er täglich an winzigen Babys durchführte, in der Hoffnung, dass sie überleben würden. Das hier war sein schlimmster Albtraum. Flick bekam ein Kind von ihm, und er konnte sich nicht darüber freuen. Stattdessen brachte ihm die Neuigkeit nur furchtbare Sorgen.

Ob sein Kind denselben Herzfehler haben würde wie er? Für die Beantwortung dieser Frage war es noch viel zu früh. Und ein solches Risiko hatte Tristan niemals eingehen wollen. Würde das Baby eine Operation am offenen Herzen benötigen, um zu überleben? Oder gar eine Operation im Mutterleib, um die Schwangerschaft zu überstehen? All diese Gedanken erschreckten ihn mehr, als er je für möglich gehalten hatte.

Er war sprachlos. Aber er glaubte Flick sofort, dass sie die Wahrheit sagte. Dazu kannte er sie gut genug. Schnell rechnete er nach. Sie müsste inzwischen in der zwölften Woche sein.

Plötzlich fragte er sich, weshalb sie es ihm nicht schon früher erzählt hatte. Warum ausgerechnet jetzt? Tristan brauchte ein paar Minuten, um wieder klar denken zu können. In dieser Situation musste er richtig reagieren, wusste jedoch nicht, wie.

Flick sah Tristan an, der schweigend an seinem Schreibtisch saß. Von ihm kam nichts. Gar nichts. Auf einmal war es ihr unglaublich peinlich, dass sie überhaupt zu ihm gekommen war. Sie fühlte sich wie der letzte Idiot und wich unwillkürlich einige Schritte zurück.

„Flick, ich weiß nicht, was ich sagen soll.“

„Ich verstehe“, erwiderte sie. „Ich werde dich deshalb nicht wieder belästigen. Niemand im Krankenhaus braucht zu erfahren, dass du der Vater bist. Und ich komme gut allein zurecht. Ich will nichts von dir, Tristan. Es war bloß ein Höflichkeitsbesuch, um es dir mitzuteilen, mehr nicht.“ Auf gar keinen Fall wollte sie bedürftig erscheinen. So verhielt sich ihre Mutter immer. Sie bettelte einen Mann an, bei ihr zu bleiben, und opferte dafür lieber ihre Kinder.

Flick würde das ganz sicher nicht tun. Sie würde auf eigenen Beinen stehen und ihrem Kind die Hand halten. Sie hätte sich gewünscht, dass ihr Kind ein anderes Leben kennenlernte als sie selbst, und es sollte auch ein Vater dabei sein. Aber das blieb Tristan überlassen. Und seine Reaktion zeigte, wie wenig Interesse er offensichtlich an einem Kind hatte.

Wortlos drehte Flick sich auf dem Absatz um und verließ das Zimmer, wobei ihr die Tränen übers Gesicht strömten. Es zerriss ihr das Herz, aber wenigstens hatte er sie nicht weinen sehen. Schnell flüchtete sie in die nächste Toilette, die sie fand. Denn die Morgenübelkeit überfiel sie regelmäßig zwischen dem Erwachen und der Mittagszeit.

Tristan lief ihr nach. Sie mussten sich gemeinsam hinsetzen und in aller Ruhe über die ganze Sache reden. Für ihn war es nicht bloß ein Höflichkeitsbesuch, er wollte ihr mehr bieten. Was genau, wusste er zwar noch nicht, aber das würden sie schon herausfinden. Schließlich waren sie zwei intelligente Menschen, die die Zukunft ihres Kindes planen sollten. Auch wenn er keine Ahnung hatte, ob diese Zukunft seiner Kindheit ähneln würde, mit zahllosen Besuchen bei Fachärzten, Krankenhausaufenthalten, Herzoperationen oder sogar einer Herztransplantation, hatte Tristan die Absicht, für dieses Kind da zu sein. In guten und in schlechten Zeiten.

Allerdings müssten die möglichen genetisch bedingten Probleme wohl noch nicht sofort angesprochen werden. Denn er wollte Flick nicht unnötig aufregen. Wenn sie Bescheid wusste, barg das ein gewisses Risiko in sich. Ängste über vielleicht gar nicht vorhandene Probleme konnten möglicherweise eine Fehlgeburt auslösen.

Tristan brauchte Zeit zum Nachdenken. Doch er wusste auch, wie entsetzt Flick sicher über seine Reaktion gewesen war. Er musste ihr sagen, dass alles gut gehen würde und sie gemeinsam eine Lösung finden würden.

Als er um die erste Ecke im Flur rannte, prallte er beinahe mit Oliver Evans zusammen. Abrupt blieb er stehen und blickte suchend den leeren Korridor entlang. Flick war verschwunden. Tristan machte ein langes Gesicht. Andererseits war es vielleicht besser so. Auf diese Weise hatte er mehr Zeit, zu überlegen, was er tun sollte. Ob Flick wirklich von seiner Erkrankung erfahren sollte. Und wenn ja, wann der beste Zeitpunkt dafür wäre.

Auf jeden Fall wollte er das Richtige tun und ihr zeigen, dass er ohne Wenn und Aber für sie und das Baby sorgen würde. Noch einmal durfte er nicht einfach erstarren und sie weglaufen lassen.

„Wirst du dringend irgendwo gebraucht, oder hast du eine Minute, um runterzukommen und mit einer meiner Patientinnen zu sprechen?“, erkundigte sich Oliver. „Bei ihrem Baby wurde in der zwanzigsten Schwangerschaftswoche ein hypoplastisches Linksherz-Syndrom diagnostiziert. Ich würde natürlich lieber pränatal im Mutterleib operieren, aber die Eltern möchten gerne etwas über die Möglichkeiten postnataler Eingriffe erfahren.“

Tristan atmete tief durch. „Klar, ich kann gleich mitkommen.“

Jetzt war nicht der passende Moment, um mit Flick zu reden. Sie mussten irgendwo miteinander sprechen, wo sie ungestört waren und niemand zuhören konnte.

Gerade als Flick die Toilette verließ, wandte er sich ab, um mit Oliver in sein Büro zurückzugehen.

Da Oliver seinem Freund jedoch anmerkte, dass irgendetwas nicht stimmte, blieb er stehen. „Ich kann auch nachher wiederkommen, wenn du dich um etwas Wichtiges kümmern musst.“

„Nein, lass uns zu deiner Patientin gehen. Mit meinem anderen Problem kann ich mich später noch befassen“, erwiderte Tristan.

Flick war wie gelähmt. Als sie hörte, dass er ihr gemeinsames Baby als „anderes Problem“ bezeichnete, wurde ihr erneut übel. Auch wenn es ein Schock für sie gewesen war, als ihr Hausarzt sie vor zwei Wochen über ihre Schwangerschaft informierte, hatte sie diese keine Sekunde lang als ein Problem betrachtet.

Von Tristan hätte sie mehr erwartet. Nicht für sich, sondern für ihr Baby. Obwohl sie wusste, dass es auch für ihn ein Schock sein würde, hatte er dennoch ein Recht darauf, es zu erfahren.

Doch er hatte vollkommen anders reagiert, als sie es sich vorgestellt hatte. Auch wenn die Schwangerschaft das Ergebnis einer einzigen leidenschaftlichen Nacht war und Tristan seitdem kein Wort mehr mit ihr gesprochen hatte, hatte Flick gehofft, er würde zumindest ein gewisses Interesse zeigen. Aber das war nicht der Fall. Da wurde ihr bewusst, dass sie ihm nicht das Geringste bedeutete. Genauso wenig wie das Kind, das sie in sich trug.

Als Flick vor drei Monaten in Tristans Armen aufgewacht war, hätte sie nicht im Traum daran gedacht, schwanger zu sein. Die Verhütung mittels Diaphragma hatte versagt, so einfach war das. Und Tristan sollte es zwar wissen, aber brauchte nicht zu handeln, was er offensichtlich auch nicht vorhatte. Zum Glück war Flick nicht auf ihn angewiesen, um ihr Kind großzuziehen. Aber etwas mehr als nur Schweigen hätte sie von ihm schon erwartet.

Egal, ob er mit dem Kind etwas zu tun haben wollte oder nicht, das würde ihre Entscheidung nicht beeinflussen. Sie war fest entschlossen, dieses Kind zu behalten.

Da Tristan seit jener Nacht überhaupt kein Interesse mehr an ihr gezeigt hatte, war dies ein klares Zeichen dafür, was die Nacht ihm bedeutet hatte. Nämlich nichts außer lockerem Sex. Eine nette Art, den Abend zu beenden, aber garantiert nicht der Beginn einer festeren Beziehung. Trotz ihrer Enttäuschung machte Flick ihm daraus keinen Vorwurf. Schließlich hatte er sie ja nicht gezwungen, mit ihm zu schlafen. Sie war mehr als bereit dazu gewesen, und nun würde sie den Preis dafür bezahlen.

Aber ihr Kind ganz sicher nicht. Der Zeitpunkt war nicht gerade ideal, aber sie würde ihr Baby aus tiefstem Herzen lieben. Daran bestand kein Zweifel.

Jeden Augenblick war sie sich bewusst, dass ein neues Leben in ihr heranwuchs. Und ihre Angst wich sofort einer überwältigenden Liebe, wenn sie ihre Hände schützend auf die kleine Wölbung an ihrem Bauch legte.

Während Flick zum Lift ging, tauchte Tristans Gesicht vor ihrem inneren Auge auf, wie er sie zum ersten Mal geküsst hatte. Sie erinnerte sich an den dunklen Bartschatten an seinem Kinn, als er sie in seinen Armen gehalten hatte. Ihr tat das Herz weh, weil es alles so unecht gewesen war. Sie hatte viel zu viel in die Sache hineininterpretiert. Jedes Mal, wenn sie sich danach auf dem Korridor im Krankenhaus begegneten, hatte Tristan so kühl und distanziert reagiert, als wollte er sich möglichst nicht an diese Nacht erinnern. Flick war am Boden zerstört gewesen, mochte sich jedoch nicht eingestehen, dass sie nur ein One-Night-Stand gewesen war.

Sie hatte niemandem davon erzählt. Sophia hatte nicht nachgefragt, und Megan wusste von nichts. Beide gingen davon aus, dass das Ganze nach der Heimfahrt an ihrer Haustür geendet hatte. Eigentlich hätte Flick diese Nacht lieber als Geheimnis für sich behalten, was jetzt allerdings nicht mehr möglich war. Sie musste es beiden bald sagen. Megan wurde demnächst Tante, und Sophia war hoffentlich bereit, ihre Hebamme zu werden.

Tristan hatte ihr keinerlei Versprechungen gemacht, und auch wenn Flick ihre gemeinsame Nacht nicht bereute, wünschte sie, sie würde sich nicht ständig daran erinnern, wie wunderschön es gewesen war. Dass sich nicht jedes Mal ihr Herz zusammenzog, wenn sie seinen Namen hörte oder ihn flüchtig auf dem Gang erblickte. Sie wünschte, sie könnte ihre Gefühle betäuben, doch bisher war ihr dies nicht gelungen. Durch seine Reaktion von eben hatte sich das jedoch geändert.

Mit einem liebevollen Blick auf ihren Bauch schwor sie sich, dass sie ihrem Baby ein glückliches Leben ermöglichen würde. Und zwar ohne Dr. Hamilton.

Auch nachdem Tristan mit Olivers Patientin gesprochen hatte, war die Nachricht von Flicks Schwangerschaft in seinem Kopf noch immer an vorderster Stelle. Doch jetzt musste er die Gedanken daran beiseiteschieben, um sich auf seine Patienten zu konzentrieren.

Er wünschte, er könnte sich über die Neuigkeit freuen. Falls er eine Mutter für seine Kinder gesucht hätte, wäre seine Wahl sicher auf Flick gefallen. Aber es ging darum, ob er überhaupt als Vater geeignet wäre.

Was geschehen war, konnte er nicht rückgängig machen. Und trotz der möglicherweise tragischen Folgen hätte Tristan jene Nacht vor drei Monaten nicht ungeschehen machen wollen. Nur das Ergebnis.

Diese Nacht hatte sich für immer in seinem Herzen eingeprägt.

Inständig hoffte er, dass das Baby gesund war und eine normale Kindheit erleben durfte. Keine solche, wie er sie ertragen musste. In Watte gepackt und mit dem Gefühl, vor Langeweile verrückt zu werden. Er hatte sich danach gesehnt, Tore zu schießen, mal auf einem nassen, schlammigen Footballfeld auszurutschen oder beim Gokart-Rennen heftig mit jemandem zusammenzustoßen. Stattdessen hatte er seine Zeit mit Büchern und Filmen verbracht. Und die einzigen Rennen, die er fahren durfte, waren die auf der Modellauto-Rennbahn auf dem Fußboden in seinem Zimmer.

„Guten Tag, Mr. und Mrs. Roberts. Ich bin Dr. Hamilton, Säuglingskardiologe hier am Victoria Hospital. Und dies ist Jon Clarke, einer unserer Medizinstudenten“, stellte Tristan vor.

Dann wandte er sich sofort dem winzigen Patienten zu, der mit zahlreichen Schläuchen und Kabeln an diverse Monitore angeschlossen war. Der kleine Callum schlief, und Tristan war zufrieden mit seinen Werten.

Danach erklärte den Eltern noch einmal genau den Eingriff, den er am Vormittag durchgeführt hatte. „Von Dr. Hopkins wissen Sie, dass bei Callum die beiden großen Herzarterien vertauscht sind und sich an der falschen Stelle befinden.“

„Können Sie das operieren, oder müssen wir dafür nach Sydney fahren?“, fragte David Roberts schließlich. Seine Stimme klang unnatürlich hoch vor Sorge, und er legte den Arm um seine Frau, die er im Rollstuhl hereingefahren hatte.

„Ich kann die Operation ohne Weiteres hier durchführen“, antwortete Tristan. „Die Rückreise nach Sydney ist nicht notwendig, und ich würde sie auch nicht empfehlen. Ich habe ich mich mit Dr. Hopkins in Verbindung gesetzt, und er ist sehr dafür, dass wir Callums Behandlung übernehmen. Wie Dr. Hopkins bereits mit Ihnen besprochen hat, würde ich im Laufe der nächsten beiden Tage eine arterielle Switch-Operation durchführen, um die beiden Arterien an der richtigen Stelle anzuschließen.“

„Ich erinnere mich nicht mehr an alles, was er uns gesagt hat. Es war so ein Schock für uns“, meinte David. „Ist es eine einfache Operation?“

„Der arterielle Switch an sich ist nicht kompliziert.“ Tristan nahm einen Notizblock und einen Stift zur Hand, um ein Skizze zu zeichnen. „Schwieriger ist die Tatsache, dass wir gleichzeitig auch die Koronararterien versetzen müssen.“ Er deutete auf die Skizze. „Diese kleinen Arterien haben einen Durchmesser von etwa zwei Millimetern und versorgen das Herz mit Blut. Sie müssen während der Operation entfernt, gedreht und wieder neu angeschlossen werden.“

Callums Mutter hatte sich bisher zusammengerissen. Aber bei dieser Nachricht brach sie in Tränen aus.

„Mir ist bewusst, wie schwer das für Sie und Ihre Familie ist. Aber ich möchte hinzufügen, dass Callum ein ansonsten kerngesundes Baby mit einem guten Geburtsgewicht ist. Und die Überlebenschancen bei derartigen Eingriffen sind inzwischen sehr hoch“, sagte Tristan.

„Ich möchte bloß meinen kleinen Jungen im Arm halten.“ Jane Roberts hatte Mühe zu sprechen, während sie sich mit einem Taschentuch die Tränen abwischte.

Tristan umschloss ihre Hand. „Das werden Sie. Auch wenn Sie beide sich ziemlich überfordert fühlen, für mein Team ist dies eine Routine-Operation. Callum ist bei uns in guten Händen.“

„Wann wollen Sie operieren?“, erkundigte sich David.

„Die Operation dauert etwa fünf Stunden, aber sie ist dringend und hat daher Priorität“, erwiderte er in beruhigendem Ton. „Deshalb habe ich sie für übermorgen angesetzt.“

„Kann ich ihn mit nach Hause nehmen, wenn ich entlassen werde?“, fragte Jane.

„Nein. Nach Ihrem Kaiserschnitt können Sie in ein paar Tagen nach Hause gehen, aber Callum muss mindestens zwei Wochen im Krankenhaus bleiben“, erklärte Tristan. „Sie dürfen ihn jederzeit besuchen. Allerdings würde ich Ihnen jetzt raten, sich etwas auszuruhen, Mrs. Roberts. Sie müssen sich von Ihrer eigenen Operation erholen. Callum wird rund um die Uhr überwacht, und Sie können mit einer Krankenschwester wiederkommen, sobald Sie sich fit genug fühlen.“

Da bemerkte er eine Krankenschwester mit einem Klemmbrett an der Tür. Er verabschiedete sich von Callums Eltern und ließ sie dann mit ihrem Söhnchen allein.

„Das hier wurde vor zehn Minuten am Tresen für Sie abgegeben.“ Die Schwester gab ihm einen Briefumschlag, auf dem handschriftlich sein Name stand.

Tristan bedankte sich und entfernte sich, um ihn zu öffnen. In dem Umschlag fand er eine Kopie der Karte von Flicks erstem Ultraschall-Termin in zwei Tagen. Ein beigefügter Zettel besagte, er sei nicht verpflichtet, an dem Termin teilzunehmen. Auch hierüber wollte sie ihn lediglich informieren.

Als er sich die Zeit für den Ultraschall ansah, stellte er fest, dass er am gleichen Tag Callum Roberts operieren würde. Deshalb wusste er nicht, ob er es zu dem Termin schaffen würde oder ob Flick ihn wirklich dabeihaben wollte. Tristan steckte den Umschlag in seine Kitteltasche.

Falls es irgendwie möglich war, wollte er da sein, auch wenn der Ultraschall seine schlimmsten Befürchtungen bestätigen sollte. Allein die Tatsache seiner Vaterschaft könnte schon das Schicksal des ungeborenen Kindes besiegelt haben.

3. KAPITEL

Flick versuchte, vor Sophia zu verbergen, dass sie geweint hatte. In letzter Zeit litt sie zwar unter Stimmungsschwankungen, doch ihre Anleiterin hatte hoffentlich nichts davon mitbekommen.

Da rief Sophia sie zu sich. „Flick, kann ich dich mal einen Moment sprechen?“

Flick arbeitete gerne mit ihr und den anderen Hebammen zusammen, und sie wollte sich unter keinen Umständen anmerken lassen, wie sehr ihre Schwangerschaft sie belastete.

„Natürlich.“ Sie folgte Sophia in ein kleines Büro auf der Entbindungsstation.

Sophia schloss die Tür, und nachdem beide sich hingesetzt hatten, sagte sie: „Du weißt, dass ich dich für eine wunderbare Hebamme halte. Aber in letzter Zeit scheinst du irgendwie abgelenkt oder beunruhigt zu sein. Ist irgendwas nicht in Ordnung? Gefällt es dir hier doch nicht, oder hast du Probleme?“

„Nein, ich liebe meine Arbeit“, antwortete Flick. „Mich hat bloß eine private Angelegenheit beschäftigt, und es tut mir leid, wenn ich abgelenkt gewesen bin. Aber es geht mir gut. Ich habe die Sache geklärt und kann mich jetzt wieder voll auf meine Aufgaben konzentrieren. Versprochen.“

Prüfend musterte Sophia ihre Schülerin. „Ich glaube, es geht dir nicht besonders gut. Seit zwei Wochen wirkst du ziemlich niedergeschlagen. Ich weiß, du dachtest, du hättest eine Magenverstimmung. Aber du bist schon eine ganze Weile anders als sonst, und ich mache mir Sorgen.“

„Doch, wirklich, es geht mir gut“, betonte Flick.

Sophia war jedoch nicht überzeugt. „Du solltest einen Arzt aufsuchen und ein paar Bluttests machen lassen.“ Sie zögerte, ehe sie fortfuhr: „Flick, ich will nicht noch mal ins Fettnäpfchen treten, aber wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich annehmen, dass du schwanger bist.“

Plötzlich schossen Flick die Tränen in die Augen. Ja, sie war schwanger und ganz auf sich allein gestellt.

Sophia schien verblüfft. Dann sah sie Flicks gequälten Gesichtsausdruck. „Ach, das ist es also.“

Flick nickte stumm.

„Ich hätte es wissen müssen“, meinte Sophia. „Die Anzeichen sind ziemlich eindeutig. Neulich war es mir so peinlich, als ich dich für schwanger hielt. Also dachte ich, es wäre tatsächlich nur eine Magenverstimmung.“

„Da hatte ich es gerade erst erfahren“, brachte Flick unter Tränen hervor. „Entschuldige, aber ich konnte einfach nicht darüber reden.“

„Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Aber ich bin für dich da, das weißt du“, antwortete Sophia. „Als Freundin und als Mentorin kannst du mir vertrauen. Vor allem bei einem solchen Thema.“

„Ich war verwirrt und schockiert und wusste nicht, was ich tun sollte.“ Weinend stützte Flick den Kopf in die Hände. Sie konnte ihre Gefühle nicht länger unterdrücken.

Sophia legte den Arm um sie. „Lass es raus. Es hat sich schon zu lange aufgestaut, und das ist nicht gut, weder für dich noch für das Baby.“ Sie schob ihr eine Schachtel mit Papiertaschentüchern hin. „Ich habe Zeit. Wenn du so weit bist, können wir über alles reden.“

Ein paar Minuten später verließ sie den Raum, um ein Glas Wasser zu holen. Nach einer Weile war Flick dann bereit zum Reden. Sie berichtete, dass der Bluttest bei ihrem Hausarzt die Schwangerschaft bestätigt hatte und sie in der zwölften Woche war.

„Hattest du diesen Verdacht nicht schon früher?“, fragte Sophia. „Als deine Regel sich verspätete?“

„Nein. Ich hatte schon immer einen unregelmäßigen Zyklus“, erwiderte Flick. „Manchmal, wenn ich Stress habe, zum Beispiel vor Prüfungen, kann meine Regel auch mal ganz ausbleiben.“

„Dann ist es kein Wunder, wenn du von deiner Schwangerschaft nichts gemerkt hast“, meinte Sophia.

„Es war ein ziemlicher Schock“, gestand Flick bedrückt.

„Weiß der Vater Bescheid? Unterstützt er dich?“

Unwillkürlich versteifte Flick sich. Sie konnte es noch immer nicht fassen, dass ein Mann, dessen Beruf darin bestand, Neugeborenen das Leben zu retten, kein Interesse an seinem eigenen Kind zeigte. „Er weiß es, möchte jedoch anscheinend nicht am Leben meines Kindes teilhaben. Ich habe ihn informiert, aber ich glaube, er will nichts mit mir oder dem Baby zu tun haben.“

„Das ist schade, für ihn und dein Baby.“ Sophia reichte ihr noch ein Taschentuch, obwohl die Tränen bereits nachgelassen hatten. „Vielleicht ändert er seine Meinung ja noch. Das ist ein großer Schock für euch beide, und möglicherweise braucht er ein bisschen mehr Zeit, um sich an den Gedanken zu gewöhnen. Hoffentlich. Und wenn nicht, dann hat dein Kind eine wunderbare Mutter und so viele Hebammen-Tanten, dass es keine Rolle spielt.“

Flick zuckte die Achseln. „Ich gehe nicht davon aus, dass er es sich anders überlegt. Wahrscheinlich sollte es wohl nicht sein.“

„Ich will dir nicht zu nahe treten, aber er ist doch nicht verheiratet, oder?“, fragte Sophia besorgt.

„Nicht mit einer Frau“, antwortete Flick. „Aber offenbar mit seiner Arbeit.“

Kopfschüttelnd erklärte Sophia: „Das ist eine der schlimmsten Entschuldigungen eines Mannes, der keine Verantwortung übernehmen will. So was habe ich schon öfters gehört. Auf diese Weise kann er so tun, als wäre an seinem mangelnden Pflichtgefühl etwas anderes schuld als sein Egoismus. Er ist viel zu sehr damit beschäftigt, die Welt zu retten, was ihm dabei sehr entgegenkommt. Ich finde den Kerl schon unsympathisch, ohne ihn überhaupt zu kennen. So jemanden kannst du in deinem Leben nicht gebrauchen.“

Sie blieben so lange in dem Büro, bis Flick sich wieder gefasst hatte und Sophia zu einem Hausbesuch begleiten konnte. Sophia hatte Flick zwar angeboten, sich etwas auszuruhen, aber Flick hatte abgelehnt.

„Ich habe mich in der letzten Stunde übergeben, und ich habe geweint“, sagte sie. „Eine Weile müsste jetzt also alles gut gehen.“

Sophia lächelte. „Ich habe noch drei pränatale Hausbesuche geplant, wenn du meinst, dass du das schaffst.“

Autor

Abigail Gordon
Abigail Gordon ist verwitwet und lebt allein in einem Dorf nahe der englischen Landschaft Pennines, deren Berggipfelkette auch das „Rückgrat Englands“ genannt wird.
Abigail Gordon hat sich besonders mit gefühlvollen Arztromanen einen Namen gemacht, in denen die Schauplätze meistens Krankenhäuser und Arztpraxen sind.
Schon immer war Abigail Gordon ein Fan von...
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