Julia Royal Band 46

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DIE JUWELEN DES SCHEICHS von MAGGIE COX

Nie hat Gina ihre Affäre mit Zahir vergessen. Umso aufgewühlter ist sie, als sie Jahre später im Scheich von Kabuyadir ihren glutäugigen Liebhaber wiedererkennt! Einem prickelnden Flirt folgt eine heiße Nacht. Dann der Schock: Zahir ist verlobt – mit der Tochter des Emirs!

EIN KÖNIG FÜR SAN RINALDI von PENNY JORDAN

Natalia schwebt im Glück: Sie soll Prinz Kadir heiraten! In den schillerndsten Farben malt sie sich die Zukunft an seiner Seite aus. Doch auf dem Empfang im Palast erkennt sie: Er ist der aufregende Fremde, mit dem sie vor Kurzem eine Nacht voller Zärtlichkeit verbrachte …

IN DEN ARMEN DES PRINZEN von SUSAN MALLERY

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  • Erscheinungstag 15.11.2025
  • Bandnummer 46
  • ISBN / Artikelnummer 8026250046
  • Seitenanzahl 400

Leseprobe

Maggie Cox, Penny Jordan, Susan Mallery

JULIA ROYAL BAND 46

Maggie Cox

1. KAPITEL

Wer liebte je, wenn nicht beim ersten Blick?

William Shakespeare, Wie es euch gefällt

Königreich von Kabuyadir

Der Wind trug das Schluchzen zu Zahir. Zuerst glaubte er an eine Einbildung. Doch als er auf den Balkon trat, der auf den Innenhof mit dem Mosaikboden hinausging, hörte er es wieder.

Eigentlich hatte er sich entschlossen, die Party zu verlassen, da er nicht in der richtigen Stimmung zum Feiern war und nach Hause fahren wollte. Er hatte sich in den Salon seines Freunds Amir zurückgezogen, um ein paar Minuten dem oberflächlichen Geplauder zu entkommen, an dem er sich nur mit größter Mühe beteiligen konnte. Kurz darauf hatte er sich beim Gastgeber entschuldigt, dass er früher gehen würde. Und Amir, der Zahirs Situation zu Hause kannte, verstand ihn voll und ganz.

Doch jetzt ging Zahir plötzlich in den Innenhof hinunter, wo ihn warme Luft und betörende Düfte umfingen. Neugierig sah er sich um. Aber wonach sollte er eigentlich suchen? War es ein Kind gewesen, das geschluchzt hatte? Oder vielleicht ein verwundetes Tier? Möglicherweise hatten sein müder Geist und sein bedrücktes Herz ihm aber auch einen Streich gespielt und er hatte sich das leise Schluchzen nur eingebildet.

Für einen Moment übertönte das plätschernde Wasser, das aus dem Mund einer Meerjungfrau in den wie eine Muschel geformten Springbrunnen lief, jedes andere Geräusch.

Plötzlich sah Zahir aus dem Augenwinkel etwas Rosafarbenes aufblitzen. Er kniff die Augen ein wenig zusammen und starrte zu der im Dunkel liegenden Ecke mit der Steinbank, die beinahe ganz von einem großen Jasminstrauch verdeckt wurde. Zwei ausgesprochen hübsche Füße lugten darunter hervor. Interessiert trat er näher.

„Wer ist da?“

Um nicht bedrohlich zu klingen, hatte er bewusst leiser gesprochen. Trotzdem schwang die ihm eigene Autorität in seiner Stimme mit. Ein Schniefen, ein leises Luftholen, dann tauchte ein langer, schlanker Arm aus dem Busch auf und schob die schützenden Zweige zur Seite. Zahir holte zischend Luft.

„Ich bin’s … Gina Collins.“

Dieser mit lieblicher Stimme gegebenen Erklärung folgte der Anblick der erstaunlichsten blauen Augen, die er je gesehen hatte. Sie leuchteten mit der gleichen kristallklaren Stärke wie der helle Mond.

„Gina Collins?“ Mit dem Namen konnte Zahir nichts anfangen, dafür umso mehr mit der hellhaarigen Schönheit, die barfuß in einem bodenlangen Kleid in Rosa vor ihm stand.

Ein Abbild von Schönheit, das kein Mann so schnell vergessen würde. Kein Wunder, dass sie sich hier draußen vor den Blicken der anderen versteckt. Kein heißblütiger Mann könnte dieser Versuchung widerstehen.

Schniefend wischte sie sich mit dem Handrücken über die feuchten Wangen.

„Jetzt weiß ich immer noch nicht, wer Sie sind“, erklärte Zahir und hob eine Braue.

„Ich … tut mir leid. Ich bin Professor Moyles Assistentin. Wir sind hier, um Mrs. Husseins Bücher zu katalogisieren.“

Vage erinnerte Zahir sich daran, dass Amirs Frau Clothilde, die als Dozentin an der Kunstakademie arbeitete, erwähnt hatte, dass sie sich für ihre große und kostbare Bibliothek Hilfe holen wollte.

„Ist die Arbeit denn so entsetzlich, dass Sie sich hier draußen verstecken müssen?“, zog er die schöne Fremde sanft auf.

Ihre großen blauen Augen weiteten sich. „Ganz und gar nicht. Die Arbeit macht mir Spaß.“

„Dann würde ich gern wissen, warum Sie geweint haben?“

„Ich … ich habe einfach …“

Zahir spürte, dass es ihm nicht das Geringste ausmachte, auf die Antwort zu warten. Für Ungeduld war jetzt kein Platz, als er ihre exquisiten Züge betrachtete. Sie wirkten, als wären sie von einem göttlichen Künstler geschaffen worden, der sie angebetet hatte. Besonders ihre vollen Lippen, die leicht zitterten.

Auch in ihrem leisen Seufzer schwang ein Zittern mit. „Ich habe heute erfahren, dass es meiner Mutter nicht gut geht und sie im Krankenhaus liegt. Meine Arbeitgeber haben mir freundlicherweise sofort einen Flug gebucht, sodass ich morgen früh nach England zurückfliegen kann.“

Eine Welle aus Mitgefühl und Verständnis erfasste Zahir. Er wusste nur zu gut, wie es war, wenn die Mutter erkrankte, wie es sich anfühlte, hilflos zusehen zu müssen, wie es ihr mit jedem Tag schlechter ging, ohne etwas tun zu können. Was ihn aber zutiefst entsetzte war die Verwirrung, die ihn bei ihrer Erklärung befallen hatte, dass sie wieder nach Hause fliegen würde.

„Es tut mir sehr leid, dass Sie diese traurige Nachricht bekommen haben … und trotzdem ist es sehr bedauerlich, dass Sie wieder nach Hause fliegen, bevor wir uns richtig kennengelernt haben.“

Eine Falte erschien auf ihrer glatten Stirn. „Obwohl meine Mutter krank ist, würde ich lieber bleiben. Finden Sie das sehr schlimm von mir? Mir war bisher gar nicht bewusst, wie schmerzlich der Abschied für mich sein würde. Aber über diesem Ort liegt eine Art Zauber, der mich in seinen Bann zieht.“

Ihre Antwort überraschte ihn so sehr, dass Zahir einen Moment kaum wusste, was er denken oder sagen sollte. „Also gefällt Ihnen dieser Teil der Welt? Dann müssen Sie bald zurückkommen, Gina … sehr bald. Vielleicht wenn Ihre Mutter wieder ganz gesund ist?“ Er verschränkte die Arme über der Brust, ein freundliches, wohlwollendes Lächeln auf den Lippen.

„Ja, das würde ich tatsächlich sehr gern. Auch wenn ich es nicht erklären kann, habe ich das Gefühl, hier mehr zu Hause zu sein als in meiner Heimat. Ich liebe dieses Land.“

Plötzlich leuchtete ihr Gesicht auf, als würde es von innen erstrahlen. Und Zahir hatte es mit einem Mal gar nicht mehr eilig, Amirs Anwesen zu verlassen.

„Sie halten mich jetzt sicher für sehr unhöflich, weil ich allein hier draußen sitze, während alle anderen im Haus sind. Aber die Feier zu Ehren von Mr. Husseins Neffen, der seinen Abschluss gemacht hat, sollte eine fröhliche Angelegenheit sein, die ich durch meine traurige Stimmung nicht verderben wollte. Mir fiel es plötzlich schwer, mich zu unterhalten, weil ich so aufgewühlt bin.“

„Es gibt hier sicher keine Menschenseele, die nicht Verständnis für Ihre Lage hätte, Gina. Aber es ist schön, dass Sie an der Party teilgenommen haben. Es ist hier üblich, Freunde und Bekannte einzuladen, um sie daran teilhaben zu lassen, wenn in der Familie etwas gefeiert wird.“

„Das gefällt mir ja so an den Menschen hier. Die Familie ist ihnen sehr wichtig.“

„Ist es anders, da wo Sie herkommen?“

Sie zuckte mit den Schultern und sah zur Seite. „Einige empfinden vielleicht genauso … aber nicht alle.“

„Jetzt habe ich Sie wieder traurig gemacht.“

„Nein, das haben Sie nicht. Sicher bin ich traurig, weil meine Mutter krank ist. Aber ehrlich gesagt haben wir nicht das liebevolle Verhältnis, das ich mir wünschen würde. Meine Eltern sind eingefleischte Akademiker. Bei ihnen geht es um Fakten, nicht um Gefühle. Die stehen ihnen nur im Weg. Doch jetzt habe ich Sie lange genug mit meinen Problemen gelangweilt. Es war sehr nett, Sie kennenzulernen, aber Sie sollten wohl besser wieder hineingehen.“

„Das eilt nicht. Haben Sie Lust, noch ein bisschen mit mir hier draußen zu bleiben? Ganz egal, was gerade in unserem Leben passiert, es ist doch eine wunderschöne Nacht, oder nicht?“

Als Zahir die Hand ausstreckte, um sie zurückzuhalten, weiteten sich ihre lebhaften blauen Augen überrascht. Er reagierte auf ihren verwunderten Blick nicht nur mit Faszination. Gina Collins’ seidenweiche Haut machte ihn fast schwindelig vor Verlangen. Ihm war, als würde ein heißer Wüstenwind durch seinen Blutkreislauf jagen. Er schaffte es kaum, den Blick von ihr zu lösen.

„Na schön, dann bleibe ich noch ein oder zwei Augenblicke. Sie haben recht, es ist wirklich eine wunderschöne Nacht.“ Gina verschränkte die Arme vor der Brust und trat ein Stück zurück, als wäre ihr plötzlich bewusst geworden, dass sie sich viel zu nah waren. „Sind Sie mit Mr. Husseins Familie verwandt?“

Zahir bemerkte den Anflug von Neugier in ihrem Blick.

„Nein, verwandt sind wir nicht, aber Amir und ich sind seit Langem befreundet. Für mich ist er wie ein Bruder. Ich heiße übrigens Zahir“, stellte er sich mit einer respektvollen Verbeugung vor.

Ob sie wohl wegen der Verbeugung errötet oder weil ich nur meinen Vornamen genannt habe? dachte Zahir. In der westlichen Welt mochte man sich so leger verhalten, wenn man sich ungezwungen auf einer Party kennenlernte. Aber hier in Kabuyadir benahmen sich Männer in seiner Position nicht so – vor allem dann nicht, wenn sie dazu bestimmt waren, einmal ein Königreich zu regieren.

„Zahir …“ Leise wiederholte sie seinen Namen, als wäre er etwas ganz Besonderes. Der sinnliche Klang ihrer Stimme sandte Zahir einen Schauer über den Rücken. „Selbst die Namen hier umgibt ein geheimnisvoller Zauber“, fügte sie schüchtern hinzu.

„Kommen Sie.“ Sein Blut erhitzte sich noch mehr bei dem Gedanken, sie für eine Weile ganz für sich allein zu haben. „Spazieren wir ein bisschen über das Anwesen. Es wäre doch zu schade, diesen herrlichen Vollmond einem leeren Garten zu überlassen, ohne dass jemand ihn gebührend bewundert. Meinen Sie nicht auch?“

„Wird man Sie denn im Haus nicht vermissen?“

„Sollten meine Gastgeber sich Gedanken machen, dass ich so unerwartet verschwunden bin, werden sie zu höflich sein, um es zu sagen. Außerdem muss ich niemandem außer Allah über mein Tun und Lassen Rechenschaft ablegen.“

Die Frau vor ihm verstummte bei diesen Worten. Zahir blickte auf ihre schlanken Füße, deren Nägel den gleichen bezwingenden Farbton hatten wie ihr Kleid.

„Wenn wir zusammen spazieren gehen wollen, brauchen Sie Ihre Schuhe.“

„Sie stehen drüben bei der Bank.“

Gina ging zurück zu dem steinernen Sitz, versteckt hinter grünen Blättern und umweht vom berauschenden Duft weißen Jasmins. Dort schlüpfte sie in ihre flachen Sandalen. Als sie wieder zu Zahir sah, fiel ihr eine goldene Haarsträhne in die Stirn. Lächelnd strich sie die Haare aus dem Gesicht.

Noch nie zuvor hatte ihn das Lächeln einer Frau sprachlos gemacht, so wie jetzt. Er räusperte sich. Ohne weiter darüber nachzudenken, streckte er seine Hand aus. Als sie ihre Hand vertrauensvoll in seine legte, verlor Zahir jedes Gefühl für Raum und Zeit. Die Trauer und der Gefühlsaufruhr, der seit dem Tod seiner Mutter in ihm tobte, lösten sich auf.

Aber auch Gina war fasziniert von ihrem Gegenüber. Ihr gefielen das markante Gesicht mit den unergründlichen dunklen Augen und das lange, glänzend schwarze Haar, das ihm bis auf die Schultern fiel. Mit dem langen Gewand, jalabiya genannt, und dem locker um die schmalen Hüften geschlungenen hellbraunen Gürtel hätte er an den Hof eines reichen Kalifen aus längst vergangenen Zeiten gepasst.

Auch wenn es gefährlich sein mochte, einem Mann zu vertrauen, den sie eben erst kennengelernt hatte, glaubte Gina, dass es ihr vom Schicksal bestimmt war, diesen Mann getroffen zu haben. In diesem Teil der Welt nannte man es Kismet. Gerade jetzt brauchte sie ein starkes, verständnisvolles Gegenüber, das ihr die Unsicherheit nahm. Und etwas sagte ihr, dass Zahir ein Mann war, der Gefühle wirklich verstand – was für ein berauschender Gedanke.

Sie nahmen einen gepflasterten Weg, der sich durch den Garten schlängelte. Eine hohe Steinmauer umgab das Gelände und ließ das gesamte Gebäude wie eine Festung wirken. Während das helle Mondlicht ihnen leuchtete, überlegte Gina einmal mehr, wie sie das lähmende Einerlei des Alltags ertragen sollte, wenn sie wieder zu Hause war.

Sobald ihre Mutter sich wieder erholt hätte, würden ihre Tage zweifellos wieder nach dem gleichen Muster ablaufen – als ob lediglich und unabsichtlich eine falsche Note gespielt worden wäre, die schnell berichtigt und vergessen wurde. Doch in Gina wuchs eine Sehnsucht nach etwas Tieferem in ihrem Leben.

Vermutlich hatte sie sich nur etwas vorgemacht, als sie glaubte, dass ein fleißiges Studium und akademische Grade vor ihrem Namen ausreichen würden, um sie zu begeistern und ihr zu einem erfüllten Leben zu verhelfen. Denn seit sie in Kabuyadir war, fragte sie sich, ob sie tatsächlich den richtigen Weg eingeschlagen hatte.

Natürlich liebte sie ihre Arbeit immer noch. Doch hier, auf der anderen Seite der Erde, hatte sie ein ganzes Paradies an Eindrücken, Klängen und Düften entdeckt, die sie in ihren historischen Büchern nie in dieser Weise kennengelernt hatte.

Ihre Eltern – beide Professoren in ihrem jeweiligen Fachgebiet – fanden genügend Erfüllung in ihren Studien, die sie auch menschlich miteinander verbanden. Ihre Ehe beruhte auf gleichen Interessen und professioneller Bewunderung, aber tiefer gehende Gefühle waren wohl nie im Spiel gewesen. Verantwortungsbewusst hatten sie Gina großgezogen, sie vor Leid und Gefahr beschützt und getan, was richtig war. Es verstand sich von selbst, dass sie eine akademische Karriere einschlug. Nur sehr selten hatte Gina von ihren Eltern gehört, dass sie sie lieb hatten.

Jetzt war ihre Mutter krank, und Gina ahnte genau, wie ihr Vater damit umging. Er würde sich noch mehr in die Welt des Intellekts zurückziehen, anstatt Gefühle zu zeigen. Sie selbst würde verlegen im Krankenhaus am Bett ihrer Mutter sitzen und kaum wissen, was sie sagen oder worüber sie reden sollte.

Ihr Herz war voller Mitgefühl, aber sie hätte schon längst gegen den Weg aufbegehren müssen, den ihre Eltern ihr vorgegeben hatten. Um die akademische Welt voller Bücher hätte sie einen großen Bogen machen sollen. Was hat sie mir denn gebracht? dachte Gina. Ich bin völlig abgestumpft. Eine sechsundzwanzigjährige, alleinstehende Frau, die sich von Fertiggerichten ernährt, weil sie nie gelernt hat zu kochen – noch ein Erbe meiner ständig beschäftigten Eltern. Und die bis heute noch nie eine Beziehung zu einem Mann gehabt hat, die wirklich von Bedeutung gewesen wäre.

Sie hatte ein paar Freunde, die ähnlich lebten und dachten. Doch seit Gina in Kabuyadir war, wusste sie, dass der Wunsch nach gegenseitiger Liebe in ihrem Herzen immer stärker wurde. So stark, dass sie ihn nicht länger ignorieren konnte.

„Wussten Sie eigentlich, dass die alten Seher und Astrologen das Schicksal der Könige anhand der Sterne bestimmt haben?“ Ihr Begleiter deutete zu der dunkelblauen Himmelskugel, die übersät war mit kleinen leuchtenden Diamanten.

Ein hilfloser Schauer erfasste Gina. Daran war nicht nur Zahirs dunkles, attraktives Äußeres schuld, sondern auch seine Stimme, in der Kraft und Magie mitschwangen. Zusammen mit der traumhaften Atmosphäre der warmen Wüstennacht wob sich mit zarten, aber unzerstörbaren Fäden ein Zauber um ihr Herz, der seine willige Gefangene für lange, lange Zeit fesseln würde.

„Und was ist mit all denen, die ein normales Leben führen so wie ich, die keine Könige, Königinnen oder etwas Besonderes sind? Offenbart sich deren Schicksal auch in den Sternen?“, fragte sie.

Ihr Herz setzte einen Schlag aus, als Zahir auch ihre zweite Hand nahm und die Handflächen nach oben drehte. Sein dunkler Blick war eindringlich auf die feinen Linien gerichtet, die ihre sonst glatte Haut durchzogen. Eine warme Brise strich durch den Garten und zerzauste ihre blonden Haare.

„Ich glaube nicht, dass Sie in irgendeiner Weise ein gewöhnlicher Mensch sind. Ihnen ist ein wunderbares Schicksal bestimmt, rohi. Wie könnte es auch anders sein?“

„Sie wollen nur freundlich sein. Schließlich kennen Sie mich gar nicht. Mir ist noch nie etwas Außergewöhnliches passiert, außer dass ich hierhergekommen bin.“

„Es betrübt mich, dass Sie offenbar kein Gespür für Ihren Wert haben, Gina … für Ihre strahlende Schönheit.“

„Das hat noch niemand zu mir gesagt.“

„Dann müssen die Menschen in Ihrem Leben blind sein – abgestumpft gegen Schönheit und Anmut.“

Mit großen Augen starrte sie ihn an, als er seinen Kopf zu ihr hinunterbeugte. Ihr kam nicht einmal der Gedanke, sich gegen das zu wehren, was unausweichlich schien. Ginas Trauer und Enttäuschung über das Leben waren gänzlich vergessen und machten einer lächerlichen Hoffnung und Sehnsucht Platz, als Zahir seine starken Hände auf ihre Hüften legte.

Die sinnliche Berührung war wie ein Feuer, das sich durch den dünnen Kleiderstoff brannte. Als sie Zahirs Mund auf ihrem spürte, waren seine Lippen weicher als Daunen und zärtlicher, als Gina es sich hätte ausmalen können.

Er ging sehr behutsam mit ihr um, als wäre sie ein unruhiges Lämmchen oder ein kleiner Vogel, den er mit seiner Kraft nicht ängstigen wollte. Trotzdem spürte sie eine Hitze in sich, die sie dahinschmelzen ließ. Das dunkle gestutzte Haar an Kinn und über der Oberlippe war weicher, als sie gedacht hatte.

Seine Wärme und sein männlicher Duft berauschten ihre Sinne wie eine Droge, und sie spürte, dass ihre Knie zitterten. Dass sie mehr wollte, war eine schockierende Erkenntnis für sie … viel mehr von diesem mächtigen Zauber, den er bot.

„Ist dir kalt?“, fragte er besorgt. Seine Hände lagen immer noch auf ihren Hüften, während er sie ansah und lächelte.

„Nein, mir ist nicht kalt … ich bin nur nervös, das ist alles.“

„Entschuldige, Gina, ich wollte zu viel auf einmal.“

Als Zahir sich respektvoll zurückziehen wollte, streckte Gina die Hand aus und legte sie auf sein Herz. Sein Gewand aus feinster Baumwolle fühlte sich so sinnlich an wie teuerster Samt. Darunter fühlte sie seine Muskeln, die die Stärke und Energie eines geübten Kriegers ausstrahlten.

Das Flackern in den nachtdunklen Augen verriet ihr, was ihre Berührung in ihm auslöste. Im nächsten Moment schlang Zahir seine Arme um ihre Taille, sodass ihr zitternder Körper seiner harten Männlichkeit mit einem Mal sehr nahe war.

Ihre Gedanken verloren sich in einem Abgrund, als sie von unbekannten Gefühlen überwältigt wurde. Würde er sie jetzt loslassen, müsste sie ihn anflehen, sie festzuhalten. Sie würde alles aufs Spiel setzen – ihren Stolz, ihre Angst, ihr ganzes Herz.

Kurz bevor er ihren Mund eroberte, umwehte sie plötzlich ein Duft nach Jasmin, Rosen und Orangenblüten, der vom Garten herüberkam. Diesen intensiven Moment würde sie für immer in ihrer Seele und ihrem Herzen bewahren. Sie verspürte ein Gefühl von Wildheit, ein ursprüngliches Verlangen nach Zahirs leidenschaftlichem Kuss. Ihre Lippen fanden sich, und ihre Zungen tanzten in wildem Spiel.

Sein Atem kam stoßweise, als er sich von ihrem Mund löste und sie mit flackerndem Blick ansah. „Du reist morgen ab, und ich …“ Er wirkte hin und her gerissen. „Ich weiß nicht, wie ich es ertragen soll, dich gehen lassen zu müssen.“

„Ich will ja nicht gehen … aber ich muss, Zahir.“

„Müssen wir auf diese Weise auseinandergehen? Bei meiner Ehre, Gina, ich habe noch bei keiner anderen Frau so etwas gefühlt … Es ist, als ob … als ob du ein Teil von mir wärst, von dem ich gar nicht wusste, dass ich ihn verloren habe, bis ich dich gesehen habe.“

Während sie ihn mit ihrem Blick verschlang, spürte Gina, wie ihr Herz sich bei dem Gedanken, von ihm getrennt zu sein, schmerzhaft zusammenzog. Würde man sie als herzlos, als kalt und gefühllos verurteilen, weil sie lieber bei Zahir bleiben würde, anstatt zu ihrer kranken Mutter nach Hause zu fliegen? In diesem Moment war es ihr egal. Und warum sollte sie sich auch Gedanken darüber machen, da sie schon so lange der Liebe und jeder warmen menschlichen Berührung beraubt worden war.

Warum sollte sie sich schuldig fühlen und sich mit einer schmerzlichen Verantwortung beladen, wenn sein leidenschaftliches Geständnis genau ihre tiefe Sehnsucht nach etwas Wildem, Warmem und Wundervollem ansprach, das jenseits jeder Vorstellungskraft lag?

„Du wohnst vermutlich in einem der Häuser hier auf dem Anwesen, nicht wahr?“ Er zog sie in den Schutz eines schattigen Baums und warf einen Blick über die Schulter, um nachzusehen, ob sie vielleicht beobachtet wurden. Doch der Garten lag verlassen und still da, nur das Zirpen der Zikaden und das Plätschern des Brunnens waren zu hören.

Gina biss sich auf die Unterlippe und nickte.

„Können wir dorthin gehen?“ Zahir strich mit seinem Daumen an ihren Fingern entlang, sodass die Spannung zwischen ihnen fast unerträglich wurde.

„Ja.“

Schweigend gingen sie bis zum Ende des Gartens, wo ein von Weinranken bewachsener Laubengang zu einem weiteren gepflasterten Bereich führte. Ein Stück weiter, unter hohen Dattelpalmen, lag das imposante weiße Gästehaus mit den Adobeziegeln.

Als Gina nach dem Schlüssel in ihrer Tasche griff, erfasste sie ein seltsam wildes Gefühl, weil sie noch nie so spontan einem Verlangen gefolgt war.

Sie betraten die Eingangshalle, hinter der sich ein großer Wohnraum erstreckte.

„Und wo schläfst du?“, fragte er mit leiser Stimme.

Sie legte ihre Hand in seine, dann führte sie ihn in ihr angenehm kühles Schlafzimmer mit dem Marmorboden und weiter zu dem großen Bett mit dem seidenen Baldachin, der in dramatischen Tönen von Orange und Glutrot flammte. Wandlampen aus Messing tauchten den Raum in ein warmes Licht.

Zahir umfasste Ginas Gesicht mit seinen Händen – starke, warme, vertrauenerweckende Hände. Zweifellos die Hände eines Beschützers. Und sein Blick, sein fester Blick … er war wie ein dunkler Ozean, in den Gina aus freien Stücken eintauchen wollte.

Dass er eine Frau noch nie so sehr gewollt hatte, stimmte tatsächlich. Sein Herz hämmerte in seiner Brust. Wie kann eine solch starke Anziehungskraft so plötzlich entstehen und so heftig sein? überlegte er. Mit all seinen Sinnen war er gefangen und konnte kaum noch klar denken, ganz zu schweigen davon, auf irgendeine verständliche Erklärung zu hoffen. Er ertappte sich dabei, wie er jede Einzelheit dieser fesselnden Züge vor ihm betrachtete. Im Gegensatz zu dem hellen Goldton ihrer Haare waren Ginas Brauen dunkel. Sie besaß eine Schönheit, die er nie vergessen würde.

Vielleicht ist das die einzige Nacht für lange Zeit, in der wir zusammen sein können, dachte Zahir. Wer konnte schon wissen, wie lange Ginas Mutter im Krankenhaus bleiben musste und wann deren bildschöne Tochter nach Kabuyadir zurückkehren konnte? Bei dem Gedanken zog sich sein Magen schmerzlich zusammen. Warum hatte das Schicksal ihm solch einen wertvollen Schatz gereicht, wenn er ihm bald wieder entrissen würde?

„Ich hätte nie erwartet …“

Ginas zitternde Lippen zeigten Zahir, wie nervös sie war. Wie konnte er ihr nur verständlich machen, dass er sie nie wissentlich verletzen oder beschämen würde? Darum hatte er sich eben im Garten umgesehen, ob jemand sie beobachtete. Er würde freiwillig die Schuld auf sich nehmen, sollte jemand auch nur daran denken, sie zu verurteilen.

„Ich auch nicht, rohi.“ Er strich mit dem Daumen über ihre volle Unterlippe. „Und wenn das Schicksal uns für eine lange Zeit nur diese eine Nacht zugesteht … dann will ich dafür sorgen, dass es eine Nacht wird, die unsere Körper und Seelen nie vergessen werden. Dieses Versprechen gebe ich dir, von ganzem Herzen.“

Drei Jahre später …

„Dad, bist du da? Ich bin’s nur“, rief Gina, nachdem sie mit ihrem Schlüssel die Tür des dreistöckigen Hauses im viktorianischen Stil aufgeschlossen hatte.

Stirnrunzelnd sammelte sie den Stoß Briefe ein, die auf der Matte innen an der Tür lagen. Dann ging sie durch den halbdunklen Flur nach hinten, wo ihr Vater sein Arbeitszimmer hatte. Er saß an seinem Schreibtisch und starrte versunken auf ein altes, vergilbtes Dokument. Mit den wirren grauen Haaren und den knochigen Schultern in dem blauen Hemd wirkte er einsam und unendlich traurig.

Ein Anflug von Schuldbewusstsein mischte sich in Ginas eigene Trauer. Ihr neuer Job bei einem renommierten Auktionshaus hatte sie ganz gefordert, sodass sie ihren Vater zwar jeden Abend angerufen, aber seit einer Woche nicht mehr bei ihm vorbeigeschaut hatte.

„Wie geht es dir?“ Sie beugte sich vor und hauchte einen Kuss auf seine unrasierte Wange.

Schockiert sah er sie an … als hätte er einen Geist gesehen. Dann verzog er das Gesicht und zwang sich zu einem Lächeln. „Ich dachte, du wärst Charlotte. Du siehst deiner Mutter mit jedem Tag ähnlicher, Gina.“

Diese Bemerkung überraschte sie so sehr, dass ihr Herz einen Schlag aussetzte. Es waren seit Wochen die ersten Worte, die einer persönlichen Bemerkung nahekamen. Gerade seine Frau erwähnte er kaum. Ihr Tod vor drei Jahren hatte ihn härter getroffen, als Gina es sich je hätte vorstellen können. Daher war Gina etwas verwirrt über seine Bemerkung.

Jeremy legte das vergilbte Dokument beiseite und versuchte ein Lächeln. „Wie läuft die Arbeit im Auktionshaus?“

„Sie fordert mich ziemlich, um ehrlich zu sein. Gerade wenn ich glaube, etwas begriffen zu haben, stelle ich fest, dass ich noch sehr viel mehr lernen muss.“

„Hört sich ganz so an, als ob du nebenbei auch noch eine wertvolle Lektion fürs Leben lernst.“

„Ich hoffe doch. Denn trotz all meiner Diplome fühle ich mich in dieser Branche noch wie ein Anfänger, Dad.“

„Verstehe, Liebes. Aber lass dir Zeit. Diese ›Branche‹, wie du es nennst, ist eine lebenslange Passion, die dich nie wieder loslassen wird. Und du bist noch jung … wie alt bist du gleich wieder?“

„Neunundzwanzig.“

„Du meine Güte.“

Sie musste kichern, als sie seine überraschte Miene bemerkte. „Was dachtest du denn, wie alt ich bin?“, erwiderte sie gespielt herausfordernd. Zumindest sieht er jetzt nicht mehr ganz so bedrückt aus, dachte sie.

Ihr Vater kniff die ergrauten Augenbrauen über der Nasenwurzel zusammen. „In meiner Erinnerung bist du immer noch fünf Jahre und greifst mit deiner verklebten Hand nach den Papieren auf meinem Schreibtisch. Schon damals hast du dich für Geschichte interessiert, Hottehü.“

Verblüfft starrte Gina ihn an. „Hottehü?“

„Das war mein Kosename für dich. Erinnerst du dich nicht mehr daran? Deine Mutter fand es sehr amüsant, dass ein Professor für Altertumsforschung und Geschichte sich ausgerechnet so einen Namen ausdenkt.“

„Hier, bitte.“ Sie hatte einen dicken Kloß im Hals, als sie ihm den Stoß Briefe gab, den sie hinter der Tür gefunden hatte.

„Was ist das?“

„Deine Post. Sieht so aus, als ob sie sich schon seit Tagen angesammelt hat. Warum hat Mrs. Babbage sie dir nicht hereingebracht?“

Der Blick aus den blassblauen Augen wirkte jetzt wieder verloren. „Mrs. Babbage hat letzte Woche leider gekündigt. Ihr Mann musste wegen einer größeren Operation ins Krankenhaus, und sie will ihn so oft wie möglich besuchen. Unter diesen Umständen konnte sie natürlich nicht weiterarbeiten. Also muss ich mich wohl nach einer neuen Haushälterin umsehen.“

Kurz legte Gina die Hand auf seine Schulter. „Das ist jetzt die dritte Haushälterin in einem Jahr, die kündigt“, murmelte sie.

„Ich weiß. Das muss wohl an meiner schillernden Persönlichkeit liegen.“

Sie ignorierte seine komische Bemerkung. Stattdessen sah sie ihn aufrichtig besorgt an. „Und wovon hast du die Woche über gelebt, Dad? Es kann nicht viel gewesen sein, wie es aussieht. Warum hast du mir nichts davon gesagt, als ich dich angerufen habe?“

Für einen Moment erinnerte sie das lange schmale Gesicht ihres Vaters an das eines kleinen Jungen, der von seinem Lehrer zurechtgewiesen worden war. Der Kloß in ihrem Hals schien noch zu wachsen.

„Ich wollte nicht, dass du dir Sorgen machst, Liebes … Du bist nicht dafür verantwortlich, verstehst du? Es ist mein Fehler, dass ich nie gelernt habe, mit den Hausangestellten zurechtzukommen. Ich habe mich immer in die Bücher vergraben. Und seit deine Mutter gegangen ist, habe ich für nichts anderes mehr Interesse. Die Leute halten mich für gefühllos, weil ich auf der Beerdigung nicht geweint habe. Aber innerlich habe ich geweint, Gina …“ Seine Stimme brach, und in seinen Augen glänzte es verdächtig. „Innerlich habe ich geweint …“

Darauf wusste Gina keine Antwort. Ihr war, als säße plötzlich ein Fremder vor ihr und nicht der distanzierte, selbstgenügsame, nachdenkliche Mann, der ihr Vater war. Der Mann, den sie nur schwer mit Gefühlen in Verbindung bringen konnte.

Sie tätschelte seine knochige Schulter in der Hoffnung, ihn damit zu beruhigen. „Soll ich uns beiden einen Tee machen? Wir trinken ihn im Wohnzimmer. Und danach gehe ich in den Supermarkt und besorge dir ein paar Vorräte.“

„Hast du es eilig heute Abend, Gina?“ Der verdächtige Schimmer war aus seinen Augen verschwunden. Jetzt lag Wärme darin – und vielleicht sogar Zuneigung.

„Nein, ich hab’s nicht eilig. Warum?“

„Würdest du … ich meine, könntest du noch ein bisschen bleiben? Wir … wir könnten uns unterhalten. Vielleicht erzählst du mir ein bisschen mehr von deiner Arbeit im Auktionshaus?“

War das ein Durchbruch in ihrer schwierigen und manchmal furchtbar distanzierten Beziehung? Warum gerade jetzt? Ihre Mutter war doch schon seit drei Jahren tot. Hatte er so lange gebraucht, um zu merken, dass er Charlotte wirklich geliebt hatte? Dass er seine Tochter liebte?

Gina wusste nicht, ob sie Hoffnung oder Wut verspürte. Sie zog ihre Regenjacke aus und sagte: „Ich habe Zeit. Ich stelle schon mal den Wasserkessel auf den Herd. Und du könntest inzwischen im Wohnzimmer den Kamin anmachen. Es ist kühl im Haus.“

In der Küche schweifte ihr Blick über die Wände mit der abgeblätterten Farbe und die Schränke, in denen vermutlich gähnende Leere herrschte. Sie füllte den Kessel mit Wasser, stellte ihn auf den Herd und schaltete ihn an. Und noch ehe sie sich dessen bewusst war, stiegen Tränen in ihre Augen. Es war schon verstörend genug, ihren Vater so niedergeschlagen und traurig zu sehen, aber noch etwas anderes hatte sie an diesem Tag sehr aufgewühlt.

Ihr Chef hatte sie gebeten, mit einem Team von Forschern an der Herkunft und Geschichte eines kostbaren Schmuckstücks aus Kabuyadir zu arbeiten.

Allein der Name hatte mit aller Macht Erinnerungen in ihr geweckt. Erinnerungen und die Sehnsucht nach einem Mann, dessen Haut den Geruch der Wüste verströmte. Dessen Augen vor Leidenschaft glühten und sie vom ersten Moment an gefesselt hatten. Ein Mann, dem Gina nach einer magischen, unvergesslichen Nacht vor drei Jahren nur widerwillig Lebewohl gesagt hatte, weil sie zu ihrer kranken Mutter nach England zurück musste.

Als Charlotte Collins kurz darauf völlig unerwartet verstarb, war Gina untröstlich gewesen. Und aufgrund ihres starken Verantwortungsgefühls hatte sie sich ihrem Vater gegenüber noch mehr verpflichtet gefühlt. Darum hatte sie sich auch, als Zahir ein paar Tage nach der Beerdigung ein zweites Mal anrief, bewusst entschieden, ihre gemeinsame Nacht voller Leidenschaft zu vergessen und sich stattdessen auf ihre akademische Laufbahn zu konzentrieren. Ihre Mutter hätte sicher gewollt, dass sie beruflich glänzte.

Mit heißen Tränen in den Augen hatte Gina Zahirs aufrichtigen Wunsch, sie möge bald nach Kabuyadir zurückkehren, abgelehnt. Sie hatte ihm erklärt, dass es ihr leidtue. Ihre Nacht sei zwar wundervoll und einmalig gewesen, aber es wäre vollkommen unrealistisch, dass sie wieder zusammenkommen würden. Jetzt, da sie wieder in England war, müsste sie sich auf ihre Karriere konzentrieren, nicht auf eine Affäre. Es wäre dumm von ihr, auf ein flüchtiges Glück zu vertrauen.

Bei diesen Worten hatte sie sich gefühlt, als hätte eine Fremde ihren Körper und Geist übernommen … eine Fremde ohne Hoffnung, die nicht an Liebe auf den ersten Blick oder an ewiges Glück glaubte. Sie wäre sicher, er würde es nach einiger Zeit genauso sehen, hatte sie leise hinzugefügt.

Zahirs Abschiedsworte hatten ihr das Herz zerrissen. „Wie kannst du mir das antun, Gina? Wie kannst du uns das antun?“

2. KAPITEL

Als Zahir durch den Garten ging, den schwerer Blütenduft erfüllte, entdeckte er seine Schwester auf der langen Holzbank bei dem wunderschönen Brunnen. Ihr trauriger Blick wirkte wie immer abwesend, als würde sie in einem fernen Land leben, wo er sie nicht erreichen konnte.

Zahir spürte, wie sich seine Bauchmuskeln unter der schwarzen jalabiya unangenehm anspannten. Sie hatten sich immer sehr nahegestanden, doch seit Farida vor sechs Monaten ihren Mann Azhar verloren hatte, war jegliche Freude aus ihren dunklen Mandelaugen verschwunden, und sie hatte sich immer mehr in sich selbst zurückgezogen. Würde es je wieder anders werden? Er verabscheute den Gedanken, nie wieder ein Strahlen in ihren Augen zu sehen. Und er würde alles dafür geben, um sie wieder glücklich zu sehen. Da ihre Eltern tot waren, hatten sie jetzt nur noch einander.

„Farida?“

Ihr Blick zeigte, dass sie ihn kaum wahrnahm, bevor sie wieder verträumt zum Brunnen sah.

„Ich muss heute geschäftlich in die Stadt und dachte, du würdest vielleicht gern mitkommen. Wir könnten über Nacht im Apartment bleiben und in unserem Lieblingsrestaurant zu Abend essen. Was hältst du davon?“

„Ich würde lieber hierbleiben, wenn du nichts dagegen hast, Zahir. Mir ist heute nicht nach der Hektik in der Stadt – auch wenn ich all die Menschen nur durch die getönten Autoscheiben sehen würde.“

Statt zu antworten, seufzte Zahir schwer. Seit sein Vater tot war und ihm die Herrschaft über Kabuyadir übertragen worden war, erwartete jeder von ihm, dass er die Menschen seines Königreichs mit Weisheit und Umsicht lenkte und ihnen jede Hilfe zuteilwerden ließ. Doch trotz seiner Macht und seiner Stellung schien er bei seiner Schwester komplett zu versagen.

„Was willst du denn den ganzen Tag allein machen?“ Er konnte seine Enttäuschung nicht ganz verbergen.

„Das, was ich immer tue. Hier sitzen und daran denken, wie glücklich ich mit Azhar war und dass es nie wieder so sein wird.“

„Du hättest dich auf eine arrangierte Ehe einlassen sollen, wie es Brauch ist.“ Unruhig ging Zahir auf den Steinplatten auf und ab, die den Brunnen säumten. „Dann wäre es nicht so ein Tiefschlag für dich gewesen, deinen Mann zu verlieren. Diese … diese Liebesheirat war ein Fehler. Hat unsere tragische Familiengeschichte dich das nicht gelehrt?“

Endlich sah Farida ihn an. „Wie kannst du so etwas Schreckliches sagen? Die Ehe unserer Eltern ist auch nicht arrangiert worden, und sie haben genau die Freude und das Glück erlebt, um das jeder sie beneidet hat. Hast du das schon vergessen? Vater hat mir einmal erzählt, dass nichts auf der Welt ihn so glücklich macht und mit Zufriedenheit erfüllt wie die Liebe zu unserer Mutter.“

Mit verschränkten Armen blieb er vor ihr stehen. „Und er war ein gebrochener Mann, als sie starb. Er war so unglücklich, dass er ihr bald gefolgt ist. Das wirst du wohl nicht vergessen haben, oder?“

„Ich mache mir Sorgen, Zahir, weil du dich so verändert hast“, sagte Farida traurig. „Du regierst Kabuyadir beispielhaft. Vater wäre stolz auf dich. Aber die starren Regeln, die du deinem Herzen auferlegst, machen dich kalt. Erinnerst du dich noch an die Prophezeiung des Heart of Courage – das mutige Herz –, das seit Generationen der Familie gehört? Es besagt, dass alle Söhne und Töchter des Hauses Kazeem Khan aus Liebe heiraten werden und nicht aus strategischen Gründen.“

Da Zahir bereits daran arbeitete, dieses verfluchte Schmuckstück zu verkaufen, zuckte er leicht zusammen. „Ja, ja … ich erinnere mich. Aber ich selbst werde mich nicht daran halten. Vielmehr geht es bei meiner Geschäftsbesprechung heute darum, dass ich mit dem Emir von Kajistan in Vorverhandlung um die Hand seiner Tochter trete. Sie ist gerade achtzehn geworden und hat damit das Recht zu heiraten. Eine passende Verbindung, Farida … und vernünftig obendrein.“

„Du hast also vor, die nichtssagende Tochter unseres Nachbarn zu heiraten? Bist du noch bei Sinnen? Sie wird dich innerhalb weniger Stunden zur Weißglut bringen.“

Ihr Bruder kniff die Augen leicht zusammen. „Ja, sicher, aber da es eine Vernunftehe ist, bin ich ja nicht gezwungen, jede wache Stunde mit der Dame zu verbringen. Sie wird ihren eigenen Interessen nachgehen und ich meinen.“

„Und wie sehen die wohl aus, frage ich mich? Regelmäßige Besuche in den Schönheitssalons der Stadt, in der Hoffnung, dort ein Elixier zu finden, das ihr Schönheit schenkt? Ich glaube zwar an die Kraft der Magie, aber dass es einen so starken Zauber gibt, bezweifle ich. Da könntest du genauso gut auf ein Pulver hoffen, das einen Maulesel in einen eleganten Araber verwandelt.“

„Farida!“ Obwohl er sich verpflichtet fühlte, seine potenzielle Braut zu verteidigen, amüsierten Zahir die Worte seiner Schwester insgeheim. Sie erinnerten ihn daran, wie spitzbübisch sie sein konnte. Ein letztes Mal warf er ihr einen flehenden Blick zu. „Willst du nicht doch mitkommen? Wenn meine Geschäftsbesprechung vorbei ist, würde ich deine Gesellschaft wirklich zu schätzen wissen.“

„Tut mir leid, Zahir. Aber du kennst meine Antwort. Ich möchte lieber allein sein. Trotzdem, ich bete darum, dass du zur Vernunft kommst und diese langweilige Ehe mit der Tochter des Emirs vergisst. Hast du dir nie gewünscht, dich so zu verlieben wie unser Vater? Wie unsere Vorfahren … und wie ich auch?“

Zwei leuchtend blaue Augen, umrahmt von langen Wimpern, blitzten in Zahirs Erinnerung auf. Er verspürte plötzlich eine so heftige Sehnsucht danach, Gina wiederzusehen, dass er um Haltung kämpfen musste. Doch die kalte Vernunft sagte ihm, dass selbst die schmerzliche Erinnerung ihn unweigerlich auf einen Weg führen würde, auf dem es nur Verbitterung und Enttäuschung gab.

Die Frau mit den blauen Augen hatte seine inständige Bitte zurückgewiesen, nach Kabuyadir und in seine Arme zurückzukehren. Nie wieder würde er sein Herz so offen auf der Zunge tragen oder einer Frau Vertrauen schenken.

Als er endlich sprach, klang seine Stimme schroff. „Dieser Prophezeiung zu folgen ist sinnlos. Außerdem bin ich kein Masochist, der freiwillig noch mehr Schmerz und Leid ertragen möchte. Nein, das ist kein Weg für mich. Und – kann ich dir irgendetwas aus der Stadt mitbringen?“, fügte er in bemüht heiterem Ton hinzu.

„Nein, danke. Aber fahr vorsichtig und komm bald wieder zurück.“ Pflichtbewusst brachte Farida ein verhaltenes Lächeln zustande, bevor sie sich wieder in ihre einsame Betrachtung des Brunnens verlor.

Gina hatte hart darum gekämpft, nach Kabuyadir fliegen und das Schmuckstück ansehen zu dürfen, über das sie und ihre Kollegen in den vergangenen Wochen Nachforschungen angestellt hatten. Und sie hatte die Schlacht gewonnen. Trotzdem war es für sie eine zweischneidige Sache, an den Ort zurückzukehren, an dem sie die größte Freude und Lust ihres Lebens empfunden hatte. Dennoch hatte sie ihre Chance, mit dem Mann zusammen zu sein, den sie liebte, damals mit Füßen getreten.

Als ihr Kollege Jack Rivers sie beide nun in seinem kleinen Fiat zum Flughafen fuhr, starrte sie schweigend aus dem Fenster und dachte daran, dass sie an den Ort zurückkehren würde, an dem sie ihr Herz an einen attraktiven geheimnisvollen Fremden verloren hatte. Einen Fremden, von dem sie in den vergangenen drei Jahren fast jede Nacht geträumt hatte. Wieder und wieder hatte sie im Traum diese unglaubliche Nacht erlebt, die sie gemeinsam verbracht hatten.

„Zahir.“ Leise murmelte sie seinen Namen.

Nicht zum ersten Mal überlegte sie, wo er wohl war und was er gerade tat. Ob er jetzt mit einer Frau aus seinem eigenen Land verheiratet war? War er Vater eines Kindes, das glücklich zu seinen Füßen spielte und ihn mit Stolz erfüllte? Dachte er je an sie und die unglaubliche Verbundenheit, die sie beide sofort verspürt hatten?

Oder hatte er all das als einen Moment der Verrücktheit abgetan, den er zutiefst bereute, nachdem sie seine Einladung zurückgewiesen und es stattdessen vorgezogen hatte, sich ihrer Karriere zu widmen?

Wütend biss sie sich auf die Unterlippe. Sie hatte das Andenken ihrer Mutter in Ehren halten und ihren Vater stolz machen wollen. Damit hatte sie vielleicht die einzige Chance auf ihr wahres Glück verspielt. Es war schon schlimm genug, dass sie Zahir nach dieser einen Nacht nicht wiedergesehen hatte, die Vorstellung aber, dass er sie wegen ihrer Entscheidung vielleicht verachtete, ertrug sie kaum. Bitte, Gott, nein …

„Was hast du gesagt?“

Erst jetzt merkte Gina, dass sie laut gesprochen hatte, und lief rot an, während sie ihren bebrillten Kollegen von der Seite ansah. „Nichts … ich habe nur laut gedacht.“

„Warst du wirklich schon mal in Kabuyadir? Wie ist es denn da so?“, fragte Jack im Plauderton und nahm die Einfahrt zum Dauerparkplatz.

Einen Moment schloss Gina die Augen und spürte, wie alles zurückkam: der Duft nach exotischen Gewürzen und Räucherstäbchen, der Klang der Sprachen, die ihren Ursprung in den alten persischen und byzantinischen Reichen hatten, die leuchtend bunten Farben der Waren auf dem Markt, der zarte Duft in Husseins Garten.

Am stärksten aber war die Erinnerung an Zahirs markantes Gesicht und an seine Augen von der Farbe dunkler Schokolade. Ein Blick hatte genügt, und ihr Herz gehörte ihm, für immer …

„Jede Beschreibung, die ich dir geben könnte, würde dem Ort nicht im Geringsten gerecht werden. Sieh es dir doch einfach selbst an, wenn wir dort sind.“

Er stellte den Wagen ab und lächelte. „Also gut. Wie geht es übrigens Professor Collins? Woran arbeitet er im Moment?“

Sein Ton verriet sowohl Bewunderung als auch Neugier, und Gina bemühte sich um eine neutrale Miene. Normalerweise trennte sie Privates strikt von Beruflichem, doch es wunderte sie nicht, dass ihr ambitionierter junger Kollege neugierig war. Schon gleich zu Anfang ihrer Zusammenarbeit hatte er ihr gestanden, dass er Jeremy Collins’ größter Bewunderer sei, da dieser sich in seiner langen Laufbahn größte Verdienste erworben hatte.

„Ich habe keine Ahnung, woran er gerade arbeitet. Um ehrlich zu sein, ist er in letzter Zeit ein bisschen angeschlagen. Zum Glück habe ich eine neue Haushälterin für ihn gefunden, die sehr umsichtig zu sein scheint. Also wird es ihm wohl gut gehen, solange ich weg bin.“

Sie hoffte, dass Jack ihr die Angst nicht anhörte, die sie verspürte. Ihr Vater war plötzlich besorgniserregend vergesslich und wirkte noch zerbrechlicher. Ihr Herz klopfte schneller, als sie daran dachte, wie schwer er sich mit den einfachen Aufgaben des Alltags tat, die anderen Menschen spielend von der Hand gingen.

Darum war sie sehr dankbar, dass sie Lizzie Eldridge gefunden hatte, die Gina als neue Haushälterin für die Idealbesetzung hielt. Sie war um die vierzig, alleinerziehende Mutter eines Elfjährigen, praktisch veranlagt, freundlich und konnte zupacken. Sie und Ginas Vater hatten sich von Anfang an prächtig verstanden. Bei ihr ist er in guten Händen, dachte sie, als sie mit ihrem Trolley zu dem Bus ging, der sie zum Flughafeneingang bringen würde.

„Ich kann es gar nicht abwarten, das Schmuckstück ›leibhaftig‹ zu sehen“, schwärmte Jack. „Der Diamant in der Mitte – oder Almas, wie sie ihn dort nennen – ist schon etwas ganz Besonderes. Der Eigentümer kann eigentlich nicht so knapp bei Kasse sein, wenn man bedenkt, dass er so etwas wie ein Scheich ist. Darum frage ich mich, warum er ihn überhaupt verkaufen will.“

„Das ist nicht unser Problem“, erwiderte Gina. „Ich weiß nur, dass es ein ungeheures Privileg ist, die Geschichte dieses Schmuckstücks studieren zu dürfen. Wie die Nachforschungen ergeben haben, hat man es schon im 7. Jahrhundert in Persien als Meisterwerk gepriesen.“

„Ich frage mich, wie er wohl ist, dieser Scheich aller Scheiche. So wird er jedenfalls genannt. Kaum zu glauben, dass wir in seinem Palast eingeladen sind, anstatt in einem verwanzten Hotel im nächsten Dorf übernachten zu müssen.“

„Mit solchen Äußerungen würde ich vorsichtig sein, wenn wir in Kabuyadir sind. Es könnte als respektlos angesehen werden … was nebenbei bemerkt stimmen würde“, entgegnete Gina streng.

„Bist du schon immer so ein braves Mädchen gewesen, Gina?“ Fragend und etwas spöttisch sah er sie durch seine moderne Brille mit dem schwarzen Rand an. „Benimmst du dich nicht mal daneben?“

Seine Wortwahl empörte sie so sehr, dass sie errötete. Ein einziges Mal hatte sie sich „danebenbenommen“ – und das ausgerechnet in Kabuyadir. Doch damals war es ihr ganz und gar nicht falsch erschienen. Vielmehr war es ihr unter den gegebenen Umständen als das Natürlichste der Welt vorgekommen, weil es rein instinktiv geschehen war. Sie bedauerte keineswegs, was andere als Moment der Verrücktheit betrachten würden, wenn sie davon wüssten. Nicht eine Sekunde hatte sie es je bereut.

Plötzlich verspürte sie eine überwältigende Sehnsucht danach, Zahir wiederzusehen. „Ich bin nicht vollkommen, Jack. Ich habe auch meine Schwächen – wie jeder andere. Und dabei sollten wir es jetzt belassen.“

Es gab Momente im Leben, in denen allein ein Anblick reichte, um einen Eindruck in Seele und Herz zu hinterlassen, der nie mehr auszulöschen war. Und der weitläufige Innenhof des Scheichs Kazeem Khan gehörte ganz sicher dazu.

Schützend schirmte Gina ihre Augen mit der Hand gegen das gleißende Sonnenlicht ab, das von den hohen goldenen Türmen zurückgeworfen wurde. Sie warf einen Blick zu Jack, der genauso fasziniert war, und schüttelte den Kopf. Worte schienen unnötig.

Als sie das Gesicht wieder zum Himmel hob, bemerkte sie den beeindruckenden Wachturm aus Stein, der sich noch über die Spitze des goldenen Dachs erhob. Früher musste dieser Palast einmal eine sehr beeindruckende und nicht zu überwindende Festung gewesen sein. Noch vieles zeugte davon, da sein Äußeres von der Moderne des 21. Jahrhunderts kaum berührt war.

Ein schlanker junger Mann mit wachsamen, bernsteinfarbenen Augen, traditionell gekleidet in jalabiya und einen Turban mit bunter Kordel, stand geduldig wartend da, während die beiden Europäer das bestaunten, was für ihn zweifellos alltäglich war. Er erklärte, dass sein Name Jamal sei und er sehr stolz darauf wäre, für Scheich Kazeem Khan als Diener zu arbeiten.

Obwohl Gina erschöpft und verschwitzt von der Reise war, spürte sie aufgeregt, dass sie sich nichts von all der Schönheit entgehen lassen wollte.

„Wir müssen uns nicht in der Nachmittagshitze aufhalten. Wir können auch hineingehen. Hier entlang.“ Mit ausladender Geste deutete Jamal auf einen gewölbten Durchgang aus Sandstein. „Ein anderer Diener wird Ihnen Ihre Zimmer zeigen. Dort können Sie sich eine Weile ausruhen. Später werden Sie dann Seine Königliche Hoheit kennenlernen.“

Als sie die Unterkunft für die Gäste sah, verflog Ginas Müdigkeit schlagartig.

War sie schon hingerissen gewesen von dem Haus, in dem sie bei den Husseins gewohnt hatte, so kam es ihr jetzt vor, als würde sie das prächtige Boudoir einer orientalischen Prinzessin betreten. Erlesene Möbel, schwerer Brokat in jeder Schattierung, luftige Vorhänge vor den beiden Fenstern mit azurblauen Läden, die die Hitze abhielten. Der Boden war aus kühlem Marmor. Vor dem riesigen Bett lag ein großer Perserteppich in Gold- und Bronzetönen.

Hätte Gina eine poetische Ader besessen, hätte sie ein Sonett über dieses Bett verfasst. Es war ausladend, mit arabischen Schnitzereien im Kopfteil aus Rosenholz. Unzählige Kissen aus Seide und Brokat lagen auf der Tagesdecke.

Sie seufzte voller Zufriedenheit, als sie sich auf das Bett fallen ließ. Ein wundervoller, wenn auch bittersüßer Tagtraum mit Zahir als Hauptfigur schwirrte durch ihren Kopf. Ob es eine Möglichkeit gibt, ihn wiederzusehen? überlegte sie. War es verrückt von ihr, überhaupt darauf zu hoffen, dass er einem Treffen zustimmen würde?

Die letzte Umarmung damals hatte sie beide mit einer unendlichen Sehnsucht erfüllt. Sie hatte ihm ihre Telefonnummer gegeben, und er hatte versprochen, sie gleich am nächsten Tag anzurufen.

Noch nie war ihr etwas so schwergefallen wie der Abschiedskuss bei der unvermeidlichen Trennung. Der einzige Beweis, dass er überhaupt da gewesen war, war sein männlicher Duft auf ihrem Körper und der prickelnde Schmerz zwischen ihren Schenkeln. Sie hatte ihm ihre Unschuld geschenkt – aus tiefstem Herzen und mit dem stillschweigenden Versprechen, ihn für immer zu lieben, ganz egal, was kommen mochte.

Es hieß, eine Frau würde ihre erste Liebe nie vergessen. In Ginas Fall war es ihre einzige Liebe. Darum würde sie die kostbaren Erinnerungen an diese Nacht auch nie aufgeben. Aber sie hatte auch dafür gesorgt, dass die Erinnerung das Einzige war, was ihr bleiben würde, als sie Zahirs Einladung abgelehnt hatte, zu ihm nach Kabuyadir zurückzukommen.

Selbst jetzt konnte sie immer noch nicht glauben, dass sie ihn zurückgewiesen hatte. Die Trauer um ihre Mutter und die Sorge um den Vater mussten sie damals verrückt gemacht haben, sodass sie nicht mehr klar hatte denken können.

Der Schmerz und die Fassungslosigkeit in Zahirs stolzer Stimme hatten in den letzten drei Jahren immer wieder in Ginas Kopf nachgeklungen. Sie vergrub ihr Gesicht in dem weichen Seidenkissen und spürte, wie Tränen des Bedauerns und der Sehnsucht in ihren Augen brannten, als sie seinen Namen flüsterte … wie ein Gebet.

Farida hatte sich in ihre Räumlichkeiten zurückgezogen, sodass Zahir sich seinen Gästen aus England widmen konnte. Denn sollte sie von seiner Absicht erfahren, das Heart of Courage zu verkaufen, würde sie nur unruhig werden und weinen. Seine Schwester schien davon überzeugt, dass diese Juwelen eine prophetische Kraft besaßen. Aber er war sicher, sie von der Richtigkeit des Verkaufs überzeugen zu können, wenn erst genügend Zeit vergangen war und sie wieder zu sich selbst gefunden hatte.

In den vergangenen Jahren hatte Farida sehr viel mitmachen müssen. Ihre Eltern waren kurz nacheinander gestorben. Dann war ihr Mann Azhar bei einem Autounfall in Dubai ums Leben gekommen.

Was seine geliebte Schwester jetzt brauchte, waren Frieden und genügend Zeit, damit ihre Wunden verheilten. Und dieses Familienerbstück, das er insgeheim für einen Fluch hielt, würde ihr dabei bestimmt nicht helfen. Für ihn selbst war es nur ein Sinnbild all dessen, was er verloren hatte und woran er immer wieder schmerzlich erinnert wurde.

Die Prophezeiung hatte für ihn jede Bedeutung verloren, als die Frau, in die er sich verliebt hatte, ihn so gefühllos zurückgewiesen hatte.

Das Geld aus dem Verkauf des Schmuckstücks würde er Farida geben. Sie sollte damit tun und lassen, was sie wollte. Er jedenfalls wollte es ganz gewiss nicht haben.

Auch wenn es in den Aufzeichnungen des Palasts genügend Beweise für die Echtheit des Schmuckstücks gab, wollte er diese noch von einem unabhängigen Kenner bestätigen lassen, ehe er es verkaufte. Er hatte sich für das Auktionshaus in Mayfair entschieden, das einen international anerkannten Ruf genoss.

Seine beiden Gäste waren ein Historiker und seine Kollegin, die auf alte Kunstschätze spezialisiert war. Zahir kannte ihre Namen nicht. Die Einzelheiten hatte er seinem persönlichen Sekretär und langjährigen Freund Masoud überlassen, der ausgerechnet jetzt krank geworden war.

Zahir hatte sichergestellt, dass dem weiblichen Gast einer der schönsten Prunkräume im Palast zur Verfügung stand, um ihr seine Achtung und seinen Respekt zu erweisen.

Als er nun im großen Salon wartete, wo er immer seine Gäste empfing, packte ihn eine seltsame Vorahnung, ohne dass er sagen konnte, warum. Ungehalten schüttelte er den unwillkommenen Schauer ab, der ihm über den Rücken lief. Vielleicht wurde er schon genauso seltsam wie seine Schwester, die an alle möglichen übernatürlichen Phänomene glaubte.

Er schob den Ärmel der jalabiya zurück und warf einen Blick auf seine goldene Uhr. Da öffnete sich die reich verzierte Doppeltür am Ende des langen würdevollen Raums, und sein Diener Jamal erschien.

„Königliche Hoheit.“ Er verbeugte sich respektvoll. „Darf ich Ihnen Dr. Rivers und seine Kollegin Dr. Collins vorstellen?“

Zahir war schon ein paar Schritte mit ausgestreckter Hand auf die Tür zugegangen, als er plötzlich wie erstarrt stehen blieb. Neben einem schlanken Mann mit Brille stand eine Frau mit elegant hochgesteckten Haaren, die anmutige Gestalt in einen langen, fließenden Seidenkaftan in einem wunderschönen Blauton gehüllt. Doch was ihm den Atem nahm, waren ihr schönes Gesicht und die fesselnden blauen Augen mit den langen Wimpern.

Gina … träumte er?

Er konnte es nicht glauben. Alle starrten ihn an und warteten darauf, dass er etwas sagte. In diesem Augenblick hätte er sich Flügel gewünscht, um davonfliegen zu können. Stattdessen räusperte er sich und trat zuerst zu dem Mann.

Schon als er dessen Hand schüttelte, wurde sein Mund trocken und seine Brust eng. Denn er wusste, dass er anschließend Gina begrüßen musste, die genauso schockiert und verblüfft war wie er selbst. Ihre kühle, schlanke Hand zitterte leicht unter seiner Berührung. Ihre Blicke trafen sich, und plötzlich schien es nur noch sie beide zu geben.

„Dr. Collins“, hörte er sich mit barscher Stimme sagen, „es ist mir eine Ehre, Sie kennenzulernen.“

Dann entzog er ihr seine Hand, weil er sich nur allzu deutlich bewusst war, dass sie beobachtet wurden. Er deutete auf die eleganten Liegen, die um einen geschnitzten Beistelltisch gruppiert waren.

„Setzen wir uns doch und machen es uns gemütlich. Jamal, du kannst jetzt bitte auftragen.“

„Selbstverständlich, Königliche Hoheit.“ Der Diener verbeugte sich und zog sich mit geschmeidigen Bewegungen zu der Flügeltür zurück, wobei er sorgsam darauf achtete, Zahir nicht den Rücken zuzukehren.

„Fühlen Sie sich wohl in Ihren Zimmern? Sind sie nach Ihrem Geschmack?“ Sein Blick glitt von Jack Rivers zu Gina und wieder zurück, bevor er sich auf eines der längeren Sofas setzte. Er hoffte, dass sein Lächeln höflich und entspannt wirkte. Vor allem sollte es nicht den Verdacht erwecken, dass Gina und er sich schon kannten und allein ihr Anblick ihm den Boden unter den Füßen weggezogen hatte.

Was für eine höchst prekäre Lage, die all seine diplomatischen Fähigkeiten und sein Taktgefühl forderte. Doch jedes Mal, wenn sein Blick zu ihr ging, wünschte er sich, mit ihr allein zu sein, um von ihr zu erfahren, warum sie ihn zurückgewiesen hatte.

Hatte ein anderer in England auf sie gewartet? Wie oft hatte er sich während der let...

Autor

Penny Jordan
<p>Am 31. Dezember 2011 starb unsere Erfolgsautorin Penny Jordan nach langer Krankheit im Alter von 65 Jahren. Penny Jordan galt als eine der größten Romance Autorinnen weltweit. Insgesamt verkaufte sie über 100 Millionen Bücher in über 25 Sprachen, die auf den Bestsellerlisten der Länder regelmäßig vertreten waren. 2011 wurde sie...
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Susan Mallery
<p>Die SPIEGEL-Bestsellerautorin Susan Mallery unterhält ein Millionenpublikum mit ihren herzerwärmenden Frauenromanen, die in 28 Sprachen übersetzt sind. Sie ist dafür bekannt, dass sie ihre Figuren in emotional herausfordernde lebensnahe Situationen geraten lässt und ihre Leserinnen und Leser mit überraschenden Wendungen zum Lachen bringt. Mit ihrem Ehemann, zwei Katzen und einem...
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