Julia Winterträume Band 18

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IM SCHNEE MIT DEM TYCOON von SOPHIE PEMBROKE
Hoteltycoon Ben Hampton ist der letzte Mann, mit dem die ehrgeizige Luce irgendwo festsitzen will, erst recht nicht in einem verschneiten Cottage in den Bergen. Sie weiß, er ist ein Don Juan. Aber kann sie ihm wirklich widerstehen?

WEISSES PARADIES DER LIEBE von SANDRA MARTON
Weiß liegt die verschneite Bergwelt Norwegens vor der jungen Skifahrerin Wendy. Doch plötzlich wird ihr Wintermärchen zu einem Albtraum: Wendy stürzt schwer! Noch im Krankenhaus trennt sie sich von ihrem Freund Sean, denn nie darf er erfahren, warum es zu dem Unfall kam!

ZWÖLF NÄCHTE MIT DEM SEXY COWBOY von MAISEY YATES
Eingeschneit mit der Eisprinzessin! Auf der Ranch streiten Sam und Madison immer erbittert. Aber in der Blockhütte in den Bergen wird das Verlangen zwischen ihnen übermächtig. Und als am nächsten Morgen der Schneepflug kommt, hat sexy Cowboy Sam eine verführerische Idee …


  • Erscheinungstag 04.11.2023
  • Bandnummer 18
  • ISBN / Artikelnummer 9783751520027
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

SOPHIE PEMBROKE, SANDRA MARTON, MAISEY YATES

JULIA WINTERTRÄUME BAND 18

1. KAPITEL

Lucinda Myles geriet normalerweise nicht in Panik. Aber fünf Tage vor Weihnachten im kältesten Dezember, den der Nordwesten Englands seit Jahrzehnten erlebt hatte, kein Hotelzimmer zu haben, war nun wirklich kein Zuckerschlecken. Die Stadt Chester war voll mit Weihnachtskäufern und den Wissenschaftlern, die an der Konferenz „Geschichte fit machen für die Zukunft“ teilnahmen. Wenn das Royal Court Hotel ihre Reservierung nicht fand … Tja, dann brauchte sie einen neuen Plan. Erst einmal würde sie jedoch hartnäckig dranbleiben.

„Ich verstehe ja, dass Sie ausgebucht sind“, sagte Luce. „Aber eines der Zimmer sollte für mich reserviert sein. Dr. Lucinda Myles.“

„Leider haben wir keine Reservierung unter diesem Namen für heute. Und auch nicht für einen anderen Tag.“

Luce biss die Zähne zusammen. Das hatte sie davon, dass sie ihre Zimmerreservierung den Konferenzveranstaltern überlassen hatte. Sie hätte es besser wissen sollen. Verantwortung übernehmen. Die Kontrolle behalten. Lebensmaximen seien das, hatte ihr Großvater immer gesagt. Ein Jammer, dass sie die Einzige in der Familie war, die zugehört hatte.

Als wollte es ihr beipflichten, summte ihr Telefon in der Jackentasche. Seufzend holte Luce es heraus, obwohl sie bereits ahnte, dass es ihr Bruder Tom war. „Und heute Nacht ist überhaupt kein Zimmer frei? Auch keine Suite?“

„Nichts. Das Hotel ist voll belegt. Es ist Weihnachten, falls Sie es noch nicht bemerkt haben. Und jetzt, wenn ich Ihnen nicht weiter behilflich sein kann …“ Die Blondine blickte über Luce’ Schulter.

Luce sah sich um. Hinter ihr wartete eine lange Menschenschlange darauf, einzuchecken. Die Neuankömmlinge würden eben warten müssen. Sie würde sich von diesem luxuriösen Hotel mit dem Marmorboden, dem ganz in Gold geschmückten Weihnachtsbaum, den Kronleuchtern und den Geschäftsleuten nicht einschüchtern lassen. „Eigentlich könnten Sie nachfragen, ob in einem anderen Hotel in der Stadt ein Zimmer frei ist. Da meine Reservierung bei Ihnen verloren gegangen ist.“

„Bei uns ist nichts …“, begann die Blondine, doch Luce schnitt ihr mit einem Blick das Wort ab. „Ich werde mich erkundigen.“

Während die Blondine ihren Kollegen zu sich winkte, damit er half, die Schlange an der Rezeption abzubauen, fuhr Luce mit dem Finger über den Touchscreen ihres Telefons. Drei Textnachrichten und eine Voicemail. Alle in den vergangenen zwanzig Minuten. Sie scrollte zur ersten Textnachricht. Natürlich war sie von Tom.

Hat Mum mit dir über Heiligabend gesprochen? Kannst du das machen?

Heiligabend? Luce runzelte die Stirn. Also war die Voicemail wahrscheinlich von ihrer Mutter, die die Festtagspläne zum sechsten Mal in diesem Monat änderte.

Die nächste SMS war von ihrer Schwester Dolly.

Freue mich auf Heiligabend. Besonders auf die Schokoladentörtchen!

Das bedeutete nichts Gutes. Für den ersten Weihnachtsfeiertag war alles organisiert. Die Lebensmittel sollten am dreiundzwanzigsten Dezember aus dem Supermarkt geliefert werden. Abgesehen vom Truthahn, der schon in ihrer Tiefkühltruhe lag. Aber Heiligabend? Das war ihr neu!

Die letzte Textnachricht war wieder von Tom.

Mum sagt, wir probieren es mal. Fantastisch! Bis dann.

Luce seufzte. Was auch immer sich ihre Mutter jetzt ausgedacht hatte, es war anscheinend schon abgemacht. „Du bist die Verantwortungsbewusste, Lucinda“, hatte ihr Großvater oft gesagt. „Die anderen können da draußen in der Realität nicht eine Minute lang für sich selbst sorgen. Du und ich wissen das. Deshalb wirst du für sie sorgen müssen.“

Offenbar musste sie sich wieder um sie kümmern. Mit einem Essen am Heiligabend. Und Schokoladentörtchen. Vermutlich zusätzlich zu dem perfekten Drei-Gänge-Menü, das sie am folgenden Tag von ihr erwarteten. Na super!

Als die Blondine zurückkehrte, schaltete Luce das Telefon aus. Die Voicemail ihrer Mutter konnte warten, bis sie ein Bett für die Nacht hatte.

„Es tut mir leid“, sagte die Empfangsdame. „Wir haben eine Historikerkonferenz in der Stadt, dazu noch all die Weihnachtsshopper. Die Hotelzimmer hier sind seit Monaten ausgebucht.“

Natürlich sind sie das, deshalb habe ich mein Zimmer vor Monaten reservieren lassen! wollte Luce erwidern. Stattdessen biss sie die Zähne zusammen und dachte nach.

„Ich setze mich in die Bar und rufe selbst ein paar Hotels an“, sagte sie schließlich. Mit einem Gin Tonic wurde der Tag bestimmt besser. „Falls Sie in der Zwischenzeit eine Stornierung haben, wäre ich dankbar, wenn Sie das Zimmer auf mich umbuchen.“

Die Blondine nickte. „Selbstverständlich.“ Aber es hörte sich an wie: Da kannst du lange warten!

Luce wandte sich ab, nur um festzustellen, dass ihr Weg zu einem Gin Tonic von einer breiten Brust versperrt wurde. So eine wunderbar muskulöse Brust, an die Frau ihr Gesicht drückte und ihren Tag vergessen und ihn ihre Probleme lösen lassen konnte.

Nicht, dass sie einen Mann brauchte, der ihre Probleme löste. Sie war sehr wohl in der Lage, das selbst zu tun.

Aber es wäre nett, wenn einer es anbieten würde – bloß ein einziges Mal.

Sie hob den Blick und entdeckte, dass zu der Brust ein fast unglaublich gut aussehendes Gesicht gehörte. Schwarzes Haar, sonnengebräunte Haut. Goldbraune Augen, ein amüsierter Zug um den Mund. Eine kleine Narbe über der linken Augenbraue.

Einen Moment mal. Diese Narbe war ihr vertraut. Sie kannte den Mann. Und sie sollte wahrscheinlich aufhören, ihn anzustarren.

„Gibt es ein Problem mit Ihrer Reservierung?“, fragte er.

„Nur, dass sie anscheinend nicht existiert.“ Luce blickte zur Rezeption und entdeckte, dass die Blondine praktisch über dem Empfangstresen hing, um sich an dem Gespräch zu beteiligen.

„Daisy?“ Der Mann zog die Augenbrauen hoch.

Diesen Gesichtsausdruck erkannte Luce eindeutig wieder. Aber woher? Eine Konferenz? Ein Vortrag? Der Ex einer Bekannten?

„Wir haben keine Reservierung unter ihrem Namen, Sir, und wir sind heute Nacht ausgebucht. Ich habe es in anderen Häusern versucht, aber nirgendwo ist ein Zimmer frei.“

Zum ersten Mal klang Daisy hilfsbereit und tüchtig. Offenbar war der Mann jemand Wichtiges. Oder sie schwärmte für ihn. Oder beides. An seiner Haltung konnte Luce schließlich erkennen, dass er daran gewöhnt war, immer seinen Willen durchzusetzen. Und wirklich, welche junge, gesunde, heterosexuelle Frau würde sich nicht zu ihm hingezogen fühlen?

Ich ausgenommen, natürlich, sagte sich Luce. Dafür hatte sie keine Zeit. Sie musste sich um einen Schlafplatz kümmern. Und sich daran erinnern, wer er war.

Das war so ärgerlich. Normalerweise hatte sie ein gutes Personengedächtnis. Allerdings hatte nichts darauf hingedeutet, dass der Mann sie wiedererkannte, also irrte sie sich vielleicht. Oder sie war einfach weniger einprägsam als er.

Plötzlich war Luce ganz froh, dass sie nicht darauf kam, wer er war. Es wäre peinlich, ihm erklären zu müssen, woher er sie kannte, während er sie ratlos anblickte. Wahrscheinlich würde ihr auf der Bahnfahrt zurück nach Cardiff am Donnerstagmorgen einfallen, wo sie ihm schon begegnet war, und dann spielte es sowieso keine Rolle mehr.

„Was ist mit der King James Suite?“, fragte er.

Daisy wurde rot. „Ich dachte … ich meine …“, stammelte sie.

Luce sah ihre Chance und nutzte sie. „Sie dachten, ich kann mir die Suite nicht leisten? Erstens sollten Sie nicht über die finanzielle Situation Ihrer Gäste spekulieren. Zweitens wäre ein kostenloses Upgrade ja wohl das Mindeste, was Sie tun könnten, da meine Reservierung vergessen wurde. Deshalb bin ich sehr interessiert an Ihrer Antwort auf die Frage des Gentlemans.“

Jetzt wendete sich der Tag zum Guten, dessen war sich Luce sicher. Sie würde heute Nacht den größten Luxus genießen, den das Royal Court Hotel zu bieten hatte. Kein Gin Tonic – sie würde Champagner in der Badewanne trinken.

Daisys Röte nahm noch zu. „Aber, Mr Hampton, Sir … Ich habe ihr die King James Suite nicht angeboten, weil Sie darin wohnen.“

Mr Hampton. Ben Hampton. Im selben Moment, in dem sie Daisys Worte hörte, fiel es ihr ein.

Luce zuckte zusammen. Anscheinend wurde ihr Tag doch nicht besser.

Ben Hampton hatte das Hotel für den Abend verlassen und ausgehen wollen, als er die Brünette gesehen hatte, die die Schlange vor der Rezeption verursachte. Seine erste Reaktion war, einzugreifen und die Sache wieder in Gang zu bringen. Schließlich war er eine Hälfte der „Söhne“ der Hotelkette „Hampton & Sons“, was bedeutete, dass er Probleme beseitigte, wo auch immer er sie entdeckte. Er sorgte dafür, dass die Gäste zufrieden waren, die Angestellten hart arbeiteten und das Hotel gut lief.

Aber natürlich sind Personalbeurteilungen ebenfalls wichtig, hätte sein Bruder Seb gesagt, und hier bot sich die perfekte Gelegenheit, zu beobachten, wie die Rezeptionsangestellten mit einem schwierigen Gast fertigwurden.

Deshalb blieb Ben noch da und beobachtete die Szene. Er hörte die Frau ihren Namen nennen und war geschockt. Lucinda Myles. Die reizbare, verkrampfte Luce. Während des Studiums hatte Ben sechs Monate lang eine Beziehung zu ihrer Mitbewohnerin gehabt. Luce Myles war die Zwanzigjährige gewesen, die sogar an einem Freitagabend für einen Kurs gebüffelt hatte, während der Rest von ihnen im Pub war. Und er erkannte aus drei Metern Entfernung, dass sie noch immer aufs Äußerste angespannt war.

Sie zitterte vor Wut und Ungeduld, ebenso, wie sie es getan hatte, wenn er und die Freundin an einem Werktag erst mittags aus dem Bett gekommen waren. Ben runzelte die Stirn. Wie hieß sie eigentlich, die Freundin? Molly? Mandy? Auch wenn sechs Monate so etwas wie ein Beziehungsrekord für ihn waren, schließlich war es acht Jahre her. Sollte er sich an den Namen jeder Frau erinnern, mit der er jemals zusammen gewesen war? Aber Luce Myles … der Name war all die Jahre hindurch hängen geblieben.

Ben stellte sich so hin, dass er sie sich besser ansehen konnte. Dunkles Haar, am Hinterkopf aufgesteckt, sodass die cremig zarte Haut ihres Halses zu sehen war. Die Schultern starr unter dem Pullover. Während Daisy nach einem Zimmer herumtelefonierte, klopfte Luce mit dem Stiefelabsatz auf den Marmorboden. Sie wirkte so gereizt, als würde ihr jeden Moment der Geduldsfaden reißen, und Ben fragte sich, warum er – abgesehen von der flüchtigen Bekanntschaft – überhaupt vage an ihr interessiert war. Ja, er mochte Frauen, die wussten, was sie wollten. Aber normalerweise wollten sie Spaß haben … und ihn. Lucinda Myles sah nicht aus, als hätte sie in den vergangenen zehn Jahren herausgefunden, was Spaß war.

Erschrocken wurde ihm bewusst, dass ihm ihr Gesichtsausdruck vertraut war. Das ständige Stirnrunzeln, der frustrierte Zug um die Augen, beides hatte er oft genug bei seiner Mutter gesehen.

Was jedoch nicht sein plötzliches Interesse erklärte. Schließlich kam er zu dem Schluss, dass es ihre Kleidung war. Trotz der unnahbaren Aura, die sie um sich verbreitete, schienen ihre Sachen darum zu bitten, angefasst zu werden. Ein gerade geschnittener Samtrock im dunkelsten Pflaumenblau und ein marineblauer Pullover, der so weich aussah, dass es Kaschmir sein musste, dazu braune Wildlederstiefel. An der Universität hatte sich Luce nicht so gekleidet. Ben wusste feine Stoffe zu schätzen, und der Anblick weckte in ihm den Wunsch, ihre Sachen zu berühren.

Er fragte sich, was sie darunter anhatte.

Eine Frau konnte nicht etwas tragen, was man am liebsten streicheln wollte, wenn sie nicht eine gewisse Sinnlichkeit besaß. Selbst ohne es zu wissen. Vielleicht besaß Lucinda Myles eine Sinnlichkeit, die nur darauf wartete, nach all den Jahren freigelassen zu werden. Dabei würde ich ihr gern helfen, dachte Ben. Um der alten Zeiten willen.

Daisy kehrte zurück und bestätigte, dass in der Stadt keine Hotelzimmer verfügbar waren, und Luce entfernte sich von der Rezeption. Was schlicht nicht zu Bens Plänen passte. Weshalb er hinging und die King James Suite vorschlug. Als zusätzlichen Pluspunkt konnte er so ganz aus der Nähe ihr Gesicht beobachten, wenn Luce erkannte, mit wem sie sich die Suite teilen würde.

Nur war ihre Reaktion nicht ganz so, wie er erwartet hatte.

Zunächst einmal deutete nichts darauf hin, dass Luce ihn wiedererkannt hatte, was ein ziemlicher Schlag für sein Ego war. Ben glaubte gern, dass er ein Mann war, den man nicht so leicht vergaß. Aber er war in den acht Jahren erwachsen geworden. Ebenso wie sie hatte auch er sich verändert. Hätte er sie erkannt, wenn er nicht ihren Namen gehört hätte? Wahrscheinlich nicht. Deshalb konnte er ihr das verzeihen.

Nein, wirklich gekränkt hatte ihn, dass sie nicht rot geworden war, wie Daisy, dass sie nicht einmal – wie es jede andere Frau getan hätte – durch ihre Verärgerung hindurch ein flüchtiges interessiertes Lächeln hatte sehen lassen. Stattdessen war Lucinda Myles zusammengezuckt.

Zusammengezuckt. Bei der Aussicht, die Nacht mit ihm zu verbringen.

Daisys Augen wurden immer größer, und Ben dachte, dass es für seinen guten Ruf und sein Ego vielleicht besser war, wenn sie dieses Gespräch woanders weiterführten.

„Bevor Sie meine Absichten völlig falsch verstehen“, sagte er, während er Luce in die Bar führte, „sollte ich wohl erwähnen, dass ich der Besitzer des Hotels bin und nicht etwa ein opportunistischer Gast. Ben Hampton, übrigens.“ Luce blinzelte. Ein Zeichen dafür, dass sie sich an ihn erinnerte? Er machte trotzdem weiter, als würden sie sich nicht kennen. „Und Sie sollten außerdem wissen, dass die King James Suite zwei sehr elegant eingerichtete Schlafzimmer hat.“

Luce musterte ihn abwägend, dann nickte sie. „Spendieren Sie mir einen Gin Tonic, dann können Sie mir erklären, was genau Sie mit Ihrem Vorschlag gemeint haben, während ich versuche, irgendwo anders ein Zimmer für die Nacht zu finden.“

So hatte er sich das nicht gedacht, aber es würde genügen. Es würde ihr Zeit geben, sich an ihn zu erinnern, stimmt’s? Oder ihm die Gelegenheit, sich noch einmal vorzustellen. Und sie noch angespannter zu machen als ohnehin schon, würde es umso wundervoller machen, wenn sie sich in seinen Berührungen völlig verlor.

2. KAPITEL

Während Ben die Getränke holen ging, fragte sich Luce, warum in aller Welt der Besitzer eines Luxushotels wie das Royal Court einer Fremden anbot, sich seine Suite mit ihm zu teilen. Außer wenn er sich auch an sie erinnerte, natürlich. Aber warum hatte er es dann nicht einfach gesagt?

Ben Hampton. Sie sah immer noch vor sich, wie er beim Frühstück spöttisch die Augenbrauen hochgezogen hatte, weil sie wieder in ihrem Zimmer gesessen und gelernt hatte, während Mandy und er aus gewesen waren und sich amüsiert hatten. Sie waren nie Freunde gewesen, hatten nie ein wirklich sinnvolles Gespräch geführt. Nicht einmal an jenem letzten Abend, an Bens einundzwanzigstem Geburtstag, in einem anderen Luxushotel seines Vaters. Luce hatte Ben nicht wirklich gekannt und auch nie Wert darauf gelegt, ihn zu kennen.

Das wenige, was sie beobachtet hatte, hatte ihr seine ganze Persönlichkeit verraten. Und nach ihrem heutigen Eindruck zu urteilen, hatte er sich nicht geändert. Er erwartete noch immer, dass er seinen Willen bekam und ihm die Frauen zu Füßen lagen. Und Luce war noch immer zu beidem nicht bereit. Ben und sie trennten Welten, jetzt vielleicht noch mehr als an der Universität.

Also warum bot er ihr seine Suite an? Um der alten Zeiten willen?

Nicht, dass sie auf sein Angebot zurückkommen würde. Natürlich nicht. Schon gar nicht, wenn er nicht wusste, wer sie war. Trotzdem, sie hatte nichts gegen einen Gratisdrink, während sie ein Hotelzimmer zu finden versuchte.

Luce zog ihr Telefon heraus und sah, dass eine weitere Nachricht eingetroffen war. Großartig. Sie wählte ihre Voicemail an und bereitete sich darauf vor, das zusammenhanglose Gerede ihrer Mutter zu enträtseln.

„Lucinda? Bist du da, Liebling? Nein? Wirklich nicht?“

Es gab eine Pause, während Tabitha Myles abwartete, ob ihre älteste Tochter vielleicht nur tat, als wäre sie ein Anrufbeantworter. Kopfschüttelnd schloss Luce die Augen.

„Tja, wenn das so ist, sollte ich wohl … Vielleicht sollte ich später wieder anrufen? Nur hat Tom gefragt … Die Sache ist die, Liebling, dass sich Tom entschieden hat, den ersten Weihnachtstag mit seiner neuen Freundin zu verbringen. Vanessa. Hat er dir von ihr erzählt? Sie klingt nett. Sie hat zwei Kinder, und du weißt, wie kinderlieb Tom ist … Jedenfalls, weil er am ersten Weihnachtstag nicht mit uns zusammen ist, dachten wir, ein Familiendinner im Haus an Heiligabend wäre doch schön. Damit wir alle Vanessa kennenlernen können! Ich denke, das ist ein echter Fortschritt für ihn … nach allem. Und du sagst doch immer, dass das Haus eigentlich weiter uns allen gehört. Dolly sagt, sie kommt auch, vorausgesetzt, dass du deine Schokoladentörtchen machst. Und du kannst deinen netten Freund einladen. Es ist eine Ewigkeit her, seit wir Dennis gesehen haben. Das ist also geklärt. Freitagabend, ja? Bis dann, Liebling!“

Toll. Es war Montagnachmittag, und sie saß bis Donnerstagmorgen bei der Konferenz hier in Chester fest. Falls sie ein Hotel fand. Was sollte sie denn bloß kochen? Was war Toms erstem Schritt aus den Depressionen heraus und hinein in die Welt der Liebe würdig und passte zu den Schokotörtchen für Dolly? Vielleicht konnte sie die Supermarktbestellung noch abändern.

Damit blieb nur noch übrig, das Haus in einen Zustand zu versetzen, den Tabitha tolerieren konnte, ihr noch einmal zu erklären, dass Dennis nicht ihr Freund war, und ihren Konferenzbericht zu schreiben. Nicht zu vergessen den fertigen Entwurf ihres ersten Buchs, den sie ihrem Verleger versprochen hatte. Die Universitätsleitung sah es gern, wenn die Dozenten veröffentlichten.

„Es sieht so aus, als würde ich im Zug arbeiten“, murmelte Luce. Sie zog ihren Terminkalender aus der Handtasche, um eine neue To-do-Liste aufzustellen. Ihre Voicemail ging weiter zu einer verzweifelt klingenden Konferenzorganisatorin, die sich vielmals für ein „kleines Durcheinander“ bei den Hotelreservierungen entschuldigte. Luce hörte im Hintergrund den Chef der armen Frau schreien.

Also noch immer obdachlos. Vielleicht sollte sie es gut sein lassen und nach Cardiff zurückfahren. Ihren Vortrag hatte sie ja schon gehalten. Nur gab es für ihr Bahnticket keine Rückerstattung, und die zusätzliche Fahrt würde wahnsinnig teuer sein.

Das Telefon summte in ihrer Hand, und Luce öffnete automatisch die E-Mail. Dennis’ zwanglose Worte machten sie sofort kribbelig.

Dr. Luce! Ich wette, du hast es richtig nett in Chester. Denk an die Zusammenfassung des morgigen Vortrags für mich, ja? D.

Luce warf ihr Telefon auf den Tisch und blickte zur Theke, um zu sehen, ob Ben endlich mit ihrem Drink kam. Sie musste einen Plan ausarbeiten, um durch die Woche zu kommen. Und das wäre zweifellos leichter mit einem Gin Tonic in der Hand.

Sein Telefon am Ohr, lächelte Ben Hampton die Rothaarige in dem Minirock an, die auf dem Barhocker neben ihm saß. Typisch, dachte Luce. Als würde sie weitere Beweise dafür brauchen, dass er sich seit der Universität nicht geändert hatte. Dieser Typ Mann änderte sich nie. Luce erinnerte sich noch gut daran, dass Mandy mehr als einmal um zwei Uhr morgens in die Wohnung getrampelt war und gejammert hatte, sie hätte Ben mit einer anderen Frau erwischt. Erinnerte sich an das eine Mal, als er Interesse an ihr gezeigt hatte. Hat er wirklich? fragte sie sich. Er war ziemlich betrunken gewesen.

Mit zusammengekniffenen Augen beobachtete sie ihn. Aber dann drehte er sich um, lehnte sich an die Theke und lächelte sie an. Luce erschauerte, und sie sah weg. Für die Art Ablenkung, die Bens Lächeln versprach, hatte sie wirklich keine Zeit. Schließlich hatte sie Verpflichtungen. Und sie würde sich auf gar keinen Fall mit Männern wie Ben Hampton einlassen. Was für ein Spiel auch immer er spielte.

Luce nahm ihren Terminkalender und begann zu planen, wie sie die Woche in den Griff bekommen konnte.

Ben hörte seinem Bruder nur mit halbem Ohr zu, während er Luce musterte. Sie starrte ihren Terminkalender an. Ihr Kugelschreiber schwebte über dem Papier, doch sie schrieb nichts. Sie sah aus wie eine Frau, die mit einer To-do-Liste nach der anderen die Welt zu retten versuchte. Ben war sicher, dass sein erster Eindruck richtig gewesen war, auch wenn er Luce seit fast zehn Jahren nicht gesehen hatte. Sie war eine Frau, die vor sich selbst gerettet werden musste.

Nicht mein Zuständigkeitsbereich, sagte er sich.

„Und? Was meinst du?“, fragte Sebastian. „Lohnt sich die Rettung?“

„Ganz bestimmt“, antwortete Ben, bevor ihm klar wurde, dass Seb über das Royal Court Hotel und nicht von Lucinda Myles sprach. „Ich meine, ja, ich glaube, es lohnt sich, damit zu arbeiten.“ Das Royal Court war ein relativ neuer Erwerb, und seine Aufgabe war es, herauszufinden, wie das Hotel tickte und wie sie es nach der bei Hampton & Sons üblichen Verfahrensweise betreiben konnten. „Du musst hier doch gewohnt haben, bevor wir es gekauft haben.“

„Dad hat es sich angesehen“, sagte Seb. „Ich habe seinen Bericht, aber …“

Es war schwer, Fragen über den Zimmerservice oder Modernisierungen der Badezimmer zu stellen, während sich der Alte die Radieschen von unten ansah. „Schon klar … Und etwas daran gab zu denken?“

„Vielleicht.“

Seb klang genauso, wie ihr Vater geklungen hatte, wenn er dem jüngeren Sohn Informationen vorenthielt. Weil er ihm nicht zutraute, dass er Verantwortung übernahm und seinen Job gut machte. Ben hatte gehofft, dass Seb ihn besser kannte. Offenbar nicht.

Das passierte wohl einfach, wenn man die Kindheit in verschiedenen Internaten verbracht hatte. Mit fünf Jahren Altersunterschied war Ben immer zu weit zurück gewesen, um seinen begabten älteren Bruder einzuholen.

„Ich schreibe heute Abend eine neue Bewertung und schicke sie dir. Okay?“ Es würde nicht lange dauern, wenn er sich den ursprünglichen Bericht aus der Zentrale mailen ließ. Aber die Arbeit konnte bis später warten. Zuerst wollte er herausfinden, ob Dr. Lucinda Myles unter ihrer Kleidung wirklich zum Streicheln war. Natürlich hatte sie noch ihren Doktor gemacht. Die Frau war für die akademische Welt geboren.

„Das wäre großartig“, sagte Seb.

Er hörte sich müde an, und Ben sah ihn im Geiste an Dads Eichenholzschreibtisch sitzen und sich die Stirn reiben. Jetzt waren es nicht mehr Lebensjahre und Internate, was sie trennte. Es war die Last der Verantwortung.

Zusammenzuarbeiten – besonders nach dem Tod ihres Vaters – hatte es Ben ermöglicht, seinen Bruder besser kennenzulernen als jemals zuvor. Sie standen sich nahe, auf ihre Art. Vielleicht, weil keiner von ihnen beiden eine Partnerin oder eine Familie hatte.

Und Seb war an erster Stelle sein Bruder und an zweiter sein Chef. Das durfte er nicht vergessen.

Weil er bei dem Gedanken Gewissensbisse bekam, fragte Ben: „Gibt es noch irgendetwas, wofür du mich brauchst?“

Das kurze Schweigen am anderen Ende deutete darauf hin, dass es etwas gab. Offensichtlich traute Seb ihm jedoch nicht zu, es zu erledigen. „Nein. Genieß deine Woche in Chester. Sieh dir römische Relikte an oder … Nein, du hattest vor, zu deinem Cottage zu fahren, stimmt’s?“

„Ich habe daran gedacht“, erwiderte Ben vorsichtig. Nach den vergangenen zwölf Monaten wollte er sich nur noch am Ende der Welt verkriechen. „Aber wenn du mich im Büro brauchst …“

„Nein. Du hast seit einem Jahr keinen Urlaub mehr gehabt.“ Seit Dads Tod. Das blieb unausgesprochen. „Du hast eine Pause verdient.“

Nicht so sehr wie Seb. Der Gedanke daran, seinen extrem verantwortungsbewussten älteren Bruder zu überreden, sich freizunehmen, war lachhaft. Er dagegen war anscheinend nicht so wichtig für den Erfolg von Hampton & Sons, und Ben beschloss, dass er das ebenso gut ausnutzen konnte. „Du weißt ja, wo ich bin, wenn du mich brauchst.“

„Im Bett mit einer heißen Blondine?“

„Mit einer Brünetten, hoffentlich.“ Ben musterte Luce erneut. Sie ignorierte ihn noch immer. Falls sie sich überhaupt an ihn erinnerte, dachte sie wahrscheinlich genauso über ihn, wie es sein Vater getan hatte – dass er der Gleiche war wie mit zwanzig, unfähig, erwachsen zu werden. Vielleicht bekam er heute Nacht die Chance, ihr zu zeigen, was für ein Mann aus ihm geworden war.

Seb lachte humorlos. „Dann wünsche ich dir Glück. Bestimmt hast du sie im Nu so weit, dass sie um mehr fleht.“

„Das ist der Plan.“

„Und dann musst du sie nur noch wieder loswerden, wenn sie deinetwegen den Verstand verliert.“

Ben konnte sich nicht vorstellen, dass Lucinda Myles wegen irgendjemandem den Verstand verlor. Abgesehen davon nagten Sebs Worte an ihm. „Hey, sei fair. Ich bin immer ehrlich zu ihnen. Sie wissen genau, was sie zu erwarten haben. Keine Bindung, keine Bedingungen, keine Zukunft und …“

„Niemals zwei Nächte hintereinander. Ich weiß. Aber jede glaubt, sie ist diejenige, die dich ändert.“

„Dafür bin ich nicht verantwortlich. Eine Langzeitbeziehung ist nichts für mich.“

„Nur das Kurzzeitvergnügen.“ Seb lachte leise. „Tja, wenn das alles ist, was du willst, viel Spaß.“ Er legte auf.

Ben tat den Spott seines Bruders mit einem Schulterzucken ab. Als wäre Seb besser. Ben konnte sich nicht erinnern, wann er ihn zuletzt mit einer festen Freundin gesehen hatte.

Alles dreht sich darum, Prioritäten zu setzen, hatte sein Vater immer gesagt. Ben hatte David Hamptons Prioritäten niemals geteilt, aber das machte seinen Leitsatz ja nicht weniger richtig.

Für ihn hatten Liebe und Ehe keinen Vorrang. Und heute Abend hatte Luce Myles den Vorrang vor Seb und dem Unternehmen. Während er vom Barkeeper zwei Gin Tonic entgegennahm, war Ben ziemlich sicher, zu wissen, wie er ihr unter die Haut gehen konnte.

Als Ben endlich zurückkehrte und die Gläser auf den Tisch stellte, war ihre To-do-Liste mehrere Seiten lang. Luce zog die Augenbrauen hoch. „Schlange an der Theke?“

„Anruf aus dem Büro“, erklärte Ben entschuldigend.

Eine Hotelkette zu managen erforderte wohl ein gewisses Maß an Verantwortungsbewusstsein, so schwer es Luce auch fiel, sich das bei Ben Hampton vorzustellen. Vielleicht führte er ja nur für Daddy Aufträge aus, und es war bei dem Anruf nur darum gegangen, dass Ben die Firmenkreditkarte überzogen hatte.

Er setzte sich in den Schalensessel und zeigte auf ihre Liste. „Anscheinend haben Sie sich ganz gut allein beschäftigt.“

„Viel zu erledigen. Wie das so ist vor Weihnachten.“ Luce klappte den Terminkalender zu, aber Ben schob die Hand zwischen die Seiten und schlug ihn wieder auf.

„Mal sehen, was Dr. Lucinda Myles alles zu tun hat.“

Während er den Terminkalender zu sich zog, ließ er ein Lächeln aufblitzen, bei dem ihr ziemlich heiß wurde. Sie erinnerte sich nicht daran, dass er früher so attraktiv gewesen war. Er war aufdringlich und verletzte ihre Privatsphäre, ihre To-do-Liste ging ihn überhaupt nichts an. Und dennoch stoppte sie ihn nicht. Nur, weil sein Lächeln unglaublich einnehmend war. Offensichtlich verlor sie ihren Biss.

Ich brauche eine Pause, dachte sie, doch sie wusste aus Erfahrung, dass nichts dabei herauskommen würde. Ja, es wäre gut, ein bisschen Zeit zu haben, um neue Kräfte zu tanken, es würde schon helfen, ein bisschen Zeit zu haben, um sich auf ihr Buch zu konzentrieren. Aber woher sollte sie die Zeit nehmen?

Ben blätterte durch die Liste und stieß einen leisen Pfiff aus. „Konferenz, anschließend ein Konferenzbericht, Familienessen am Heiligabend, Gäste am ersten Weihnachtstag, Hausreparaturen, die Katze Ihrer Nachbarin versorgen, Silvesterfeier an der Universität, Studentenbeurteilungen, Ihre eigentliche Arbeit. Wann haben Sie Schlafen eingeplant?“

„Habe ich nicht.“ Luce trank einen großen Schluck Gin Tonic. „Besonders, da ich noch immer kein Bett für die Nacht habe.“

„Eine Lösung für das Problem habe ich Ihnen angeboten.“ Ben klappte den Terminkalender zu, behielt jedoch die Hand darauf. „Nachdem ich Ihre To-do-Liste gesehen habe, schlage ich Ihnen sogar etwas noch Schöneres vor.“

„Also machen Sie mir wirklich ein unmoralisches Angebot?“ Luce versuchte, vorwurfsvoll zu klingen und nicht amüsiert. Oder erregt. So ein Benehmen war inakzeptabel, besonders vom Besitzer eines Hotels. Und sie war keine Frau, die sich auf One-Night-Stands in Hotels einließ, nur um ein Bett für die Nacht zu haben. Wie attraktiv auch immer der Mann war. Würde er sich wirklich einer Wildfremden gegenüber so verhalten? Oder würde er ein solches Angebot machen, wenn er wüsste, wer sie war? Sie hatte noch immer keinen Hinweis darauf, ob er sich an sie erinnerte.

Ben lächelte sinnlich, verführerisch. „Hattest du wirklich Zweifel daran? Willst du meinen Vorschlag hören oder nicht?“ Er war einfach zum Du übergegangen.

Sie sollte nicht. Aber ihre Neugier hatte sie in die akademische Welt geführt, in das Fach Geschichte. Luce wollte wissen, was passiert war, wann und warum. Sie dachte an all die langen, langweiligen Abende, an denen sie zu Hause gelernt hatte, bis Ben und Mandy in die Wohnung kamen und ihr erzählten, was sie verpasst hatte. Dabei hatten die beiden sie mitleidig angeblickt. Sie musste wissen, was Ben jetzt an ihr fand, warum er versuchte, sie zu verführen. „Na gut, weiter.“

„Nimm dir den Abend frei.“

Luce blinzelte. „Das war’s?“

„Es ist in seiner Schlichtheit sehr elegant.“ Ben lächelte.

Kopfschüttelnd griff Luce nach ihrem Terminkalender. „Das ist nicht möglich. Ich muss meine Notizen von heute tippen, ich muss mit meinem Bruder über das Abendessen sprechen, und ich muss …“

„Du musst kürzer treten.“ Ben löste ihre Finger vom Terminkalender und schob ihn in die Tasche seines Jacketts.

„Den brauche ich. Du kannst nicht einfach …“

„Glaub mir, es ist nur zu deinem Besten.“ Als Luce ihn wütend anfunkelte, seufzte Ben. „Okay, ich sag dir was. Du hörst dir den Rest meines Plans an. Und wenn du wirklich meinst, dass es eine schlechte Idee ist, gebe ich dir diesen dummen Kalender zurück, und du kannst auf der Suche nach einem Hotelzimmer durch die Straßen von Chester wandern. Einverstanden?“

Selbst sie musste einräumen, dass ihre Alternativen ziemlich begrenzt waren. „In Ordnung. Wie sieht der Plan aus?“

„Ein freier Abend. Mit mir. Du ziehst dich schick an, lässt dich von mir zum Essen ausführen. Du sprichst über dich, nicht über die Dinge, die du erledigen musst. Ich schenke dir ein paar schöne Stunden. Du entspannst dich. Wir trinken einen Schlummertrunk in meiner Suite, und dann schläfst du dich richtig aus.“

„In meinem eigenen Zimmer?“

Bens Lächeln wurde draufgängerisch. „Tja, also … das hängt von dir ab.“

„Wirklich?“, fragte Luce ausdruckslos.

„Natürlich.“ Er sah ein bisschen beleidigt aus. „Ich behaupte nicht, dass ich nicht alles versuchen werde. Du bist eine schöne Frau, und ich bin gern mit schönen Frauen zusammen. Aber am Ende des Abends hast du die Wahl zwischen meinem Bett und dem zweiten Schlafzimmer. So oder so, du hast ein Bett für die Nacht.“

Wie gebannt erwiderte Luce seinen Blick. Ben Hampton fand sie schön, begehrte sie? Er war nüchtern, erwachsen, nicht offenkundig verrückt … und wollte sie. Sie könnte mit ihm zu Abend essen, flirten, küssen und mehr. Sie brauchte nur Ja zu sagen.

Sie sah weg. „Und morgen?“

Bens Lächeln verschwand. „Morgen verlasse ich die Stadt. Wir haben Spaß zusammen, danach trennen sich unsere Wege. Ich lade dich nicht zu irgendetwas ein, was über heute Nacht hinausgeht.“

„Wie romantisch“, murmelte Luce. Sie hasste es, dass er ihr das Gefühl gab, weltfremd zu sein. Er schlug ihr sachlich einen One-Night-Stand vor. Das war meilenweit entfernt von jedem Date, das sie in den vergangenen zehn Jahren gehabt hatte. Und der Grund, weshalb sie ihm nicht nachgeben konnte. Eine Nacht voller Leidenschaft und am Ende ein Kuss auf die Wange und auf Nimmerwiedersehen? Nein, sie brauchte mehr.

„Dies ist keine Romanze“, sagte Ben. „Es macht viel mehr Spaß. Und ich wette, dass du dich am Morgen auf jeden Fall besser fühlst.“

Ja, bestimmt. Abgesehen vom Sex würde sie einen stressfreien Abend verbringen. Sie konnte sich einfach entspannen und für ein paar Stunden jemand anders die Sache in die Hand nehmen lassen. Würde sie das überhaupt schaffen? Luce war nicht sicher, ob sie das schon einmal getan hatte.

„Gib es zu, du bist in Versuchung.“

In mehr als nur einer Hinsicht. „Abendessen“, sagte Luce energisch. „Nichts sonst.“

Ben lächelte sie sinnlich an. „Wie du willst.“

Gut möglich, dass es die schlechteste Idee war, die sie jemals gehabt hatte. Aber zumindest kam sie heute Nacht irgendwo unter. Und nach einem erholsamen Abend und vollen acht Stunden Schlaf war die ganze Woche zweifellos leichter zu bewältigen. Und vielleicht würde sie Ben morgen früh sagen, wer sie war. Dann könnte sie beobachten, wie seine amüsierte Gelassenheit verschwand, wenn ihm klar wurde, dass er Loserin Luce hatte verführen wollen. Allein dafür würde es sich fast schon lohnen.

„Unter einer Bedingung.“

„Alles, Luce.“

„Zuerst möchte ich dein hoffentlich luxuriöses Bad ausnutzen.“

Bens Lächeln wurde breiter. „Abgemacht.“

„Dann gib mir meinen Terminkalender zurück.“ Sie fing bereits an, ein bisschen nervös zu sein ohne ihn.

„Gleich morgen früh gehört er wieder ganz dir. Nicht einen Moment eher.“

„Aber ich brauche …“

„Vertrau mir.“ Ben nahm ihre Hand. „Alles, was du brauchst, bekommst du heute Abend von mir, Luce.“

Eine glühende Hitze durchflutete sie.

3. KAPITEL

Noch nie hatte Luce ein so luxuriöses Badezimmer gesehen. Die Größe der Wanne ließ sie fast vergessen, dass Ben ihren geliebten, in rotes Leder gebundenen Terminkalender in den Minisafe der Suite gelegt hatte. Und das Glas Champagner, das er ihr eingeschenkt hatte, tröstete sie darüber hinweg, wie ihr eben die Röte ins Gesicht gestiegen war. Weil Ben gefragt hatte, ob sie wirklich nicht wolle, dass er ihr den Rücken einseife.

Luce schloss die Tür ab. Sie hatte ihm deutlich gesagt, dass sie nur am Abendessen und am zweiten Bett in der Suite interessiert sei. Jetzt falsche Vorstellungen zu wecken hatte keinen Sinn.

Natürlich, sie war nicht sicher, was die richtigen Vorstellungen waren. Es war nicht gerade typisch für sie, das Angebot eines tollen Mannes zu akzeptieren, einen Abend lang mit ihm auszuspannen.

Aber jetzt war die Entscheidung getroffen. Also konnte sie ebenso gut das Beste daraus machen. Luce drehte die Wasserhähne auf, sah sich die Auswahl luxuriöser Badezusätze an und wählte ein Schaumbad, das „Entspannung und Beruhigung“ versprach. Sie kippte den ganzen Inhalt der Flasche ins Wasser. Entspannung war schließlich der Zweck dieses Abends, richtig?

Luce trank einen Schluck Champagner, dann zog sie sich aus und stieg in das duftende heiße Wasser.

Sich entspannen. So schwer konnte das doch wohl nicht sein?

Es wäre sehr viel einfacher, wenn Ben Hampton nicht draußen auf sie warten würde. Sie lehnte den Kopf nach hinten an den Wannenrand und versuchte, den Abend heraufzubeschwören, an dem sie Ben zuletzt gesehen hatte. So viele Jahre hatte sie nur vergessen wollen. Deshalb hätte sie es für schwieriger gehalten, sich zu erinnern. Aber ihr war noch frisch im Gedächtnis, was sie vor acht Jahren an Bens einundzwanzigstem Geburtstag im prunkhaften Palace Hotel in London erlebt hatte.

Hinzugehen war von vornherein eine dumme Idee gewesen. Mandy hatte keine Lust gehabt, allein mit der Bahn nach London zu fahren. Und Ben hatte überrascht die Augenbrauen hochgezogen und gesagt: „Sicher kannst du kommen. Wenn du es wirklich willst.“ Luce hatte es gewollt, zumindest ein bisschen. Nur, um einmal zu sehen, wie die Reichen und Privilegierten Geburtstage feierten.

Ungefähr so, wie sie erwartet hatte. Zu viel Champagner. Zu viele Leute, die zu laut lachten. Lichterglanz und Tanzen. Schimmernde teure Abendkleider. Extravagante Frisuren. In ihrem grünen Baumwollkleid und mit langen offenen Haaren fühlte sich Luce genauso fehl am Platz, wie sie vermutet hatte.

Deshalb versteckte sie sich in einem anderen Raum, einer Art Bibliothekszimmer. Sie konnte lesen, bis Mandy bereit war, zu ihrem Hotel zurückzufahren, in dem sie sich ein winziges Zimmer teilten. Kein Hampton-Hotel, sondern ein billiges Haus drei U-Bahn-Stationen entfernt. Es war der perfekte Plan. Bis Ben sie dort fand.

„Du hattest den richtigen Einfall“, sagte er, während er in den Sessel neben ihr torkelte.

Luce, die ihn an diesem Abend schon ein Glas Champagner nach dem anderen hatte runterkippen sehen, beugte sich langsam von ihm weg. „Macht dir deine Party keinen Spaß?“

Er zuckte die Schultern. „Es ist eine Party. Schwer, auf einer Party keinen Spaß zu haben.“ Mit zusammengekniffenen Augen musterte er Luce. „Aber du schaffst das anscheinend.“

„So eine Party ist wirklich nicht mein Fall.“

„Meiner auch nicht.“ Ben starrte die Tür an. Als er Luce wieder anblickte, lag ein breites, nicht ganz glaubhaftes Lächeln auf seinem Gesicht. „Mein Vater wollte ordentlich angeben, das ist alles. Hier sind mehr von seinen Geschäftspartnern als von meinen Freunden.“

„Und du hast mich trotzdem eingeladen?“

Darüber lachte er. „Wir sind Freunde, stimmt’s?“

„Eigentlich nicht.“ Außer dass sie beide mit Mandy befreundet waren, hatten sie keine Gemeinsamkeiten. Bis zu diesem Moment, als sich ihre Blicke trafen und Luce sich mit ihm verbunden fühlte. Bis sie sich bewusst wurde, dass sie sich ihm zuneigte, während sie auf seine Antwort wartete.

„Wir könnten es sein.“

Auch Ben bewegte sich langsam näher, indem er sich über die Armlehne seines Sessels beugte, so nah, dass Luce seine Champagnerfahne roch.

„Du bist viel netter als Mandy.“

„Mandy ist meine Freundin.“ Luce versuchte, die Energie aufzubringen, sie zu verteidigen, doch sie konnte nicht denken mit ihm so nah. „Und deine auch.“

„Sie flirtet da draußen mit einem Geschäftsmann Anfang vierzig. Sie ist sich darüber im Klaren, dass er niemals seine Frau verlassen wird, ihr aber vielleicht ein paar schöne Schmuckstücke kauft.“

Luce zuckte zusammen. Wahrscheinlich hatte Ben recht. Zum ersten Mal überhaupt hatte sie Mitleid mit ihm.

Dann legte er ihr die Hand an die Wange, und Luce wusste, dass sie sich zurückziehen, weglaufen, für immer von Ben Hampton loskommen sollte.

Seine Lippen waren weich gewesen, sanft auf ihren. Nur ganz kurz. Eine flüchtige Geistesverwirrung, bevor sie zurückgewichen und aufgesprungen war. Sie war weggerannt, so, wie sie es schon hätte tun sollen, als sie auf der Party angekommen war und gesehen hatte, dass sie nicht in diese Kreise passte.

Luce seufzte und versuchte, ihr Schaumbad zu genießen. Nur nicht daran denken, was für ein Gesicht Ben gemacht hatte, als sie sich an der Tür noch einmal umgedreht hatte. Wie gedemütigt sie sich gefühlt hatte, als sie, sein Lachen in den Ohren, hinausgelaufen war und Mandy von ihrem Geschäftsmann und von der Party weggezerrt hatte.

Wahrscheinlich erinnerte sich Ben nicht daran. Er war betrunken gewesen, jung und dumm. Nüchtern hätte er es mit Sicherheit nicht getan. Warum sonst hatte er wohl gelacht? Der ganze Vorfall war lächerlich. Sie war jetzt eine erwachsene Frau und hatte Wichtigeres zu tun, als sich zu sorgen, was Ben Hampton von ihr dachte.

Nur wartete er in der Suite auf sie, um sie zum Abendessen auszuführen. Und später …

Luce schloss die Augen und tauchte den Kopf unter Wasser.

Was trieb sie so lange da drin?

Ben sah auf seine Armbanduhr, dann schenkte er sich noch ein Glas Champagner ein. Eine Dreiviertelstunde. Offenbar nahm Luce das mit dem Entspannen ernst.

Zumindest hatte er dadurch Gelegenheit, Nachforschungen anzustellen. Ben öffnete den Safe, nahm den Terminkalender heraus, und setzte sich in den Sessel am Fenster, um zu lesen. Also wirklich, Luce war der Inbegriff des Termindrucks. Zwei Weihnachtsdinner für Verwandte, Vorträge für Kollegen besuchen, auf die Katze der Nachbarin aufpassen … Und dann, an einem Sonntag Ende Januar der Eintrag LETZTER ABGABETERMIN BUCHENTWURF in roten Großbuchstaben. Interessant. Zweifellos ein Thema, über das sie sich beim Essen unterhalten konnten.

Luce stellte ihn vor ein Rätsel. Deshalb wollte er mehr wissen. Sie hatte etwas an sich, was er nicht gesehen oder nicht beachtet hatte, als sie jünger waren. Etwas, was ihn faszinierte, auch wenn er sich nicht eingestehen wollte, warum. Ja, sie war attraktiv. Das für sich genommen war nichts Neues. Aber diese aufopfernde Mentalität? Ein Märtyrerkomplex? Eine herrschsüchtige Mutter? Luce hatte niemals schwach gewirkt, also warum tat sie das alles für andere?

Offenbar besonders für Familienangehörige. Ben klappte den Terminkalender zu und versuchte, sich gegen die Erinnerungen zu wehren, die auf ihn einstürmten. Aber sie waren zu stark. Eine andere dunkelhaarige Frau, genauso müde, genauso aufopferungsvoll – bis zu dem Tag, an dem sie zerbrach.

„Es tut mir leid, Benji“, hatte sie gesagt. „Mummy muss gehen.“

Und es spielte keine Rolle, dass er sich alle Mühe gegeben hatte, ein ganz braver Junge zu sein, damit sie blieb. Er war nicht fähig gewesen, die Dinge für sie in Ordnung zu bringen.

Vielleicht konnte er es für Luce tun.

Ben lachte über sich selbst und schüttelte die Erinnerungen ab. Was konnte er überhaupt in einer Nacht erreichen? Außer ihr zu helfen, sich zu entspannen. Vielleicht genügte das. Vielleicht musste sie nur einsehen, dass sie Bedürfnisse hatte. Und er war sehr gut darin, die Bedürfnisse von Frauen zu erfüllen.

Ein Piepen unterbrach seine Gedanken. Es dauerte einen Moment, bis er registrierte, dass es ein Klingelton war. Bens Blick fiel auf die violette Jacke, die Luce aufs Sofa geworfen hatte. Ihren Koffer und die Handtasche hatte sie ins Badezimmer mitgenommen – eindeutig paranoid, nach seiner Meinung –, aber er hatte sie das Telefon in die Jackentasche stecken sehen, bevor sie die Bar verlassen hatten.

Interessant.

Wahrscheinlich sollte er sich schuldig fühlen, doch es war ja alles zu ihrem Besten. Luce musste vor sich selbst gerettet werden. Sie brauchte seine Hilfe.

Das Klingeln hatte aufgehört, als Ben das Telefon aus der Jackentasche holte. Er starrte den Bildschirm an. Ein Anruf von ihrer Mutter, drei Textnachrichten von einem Typ namens Tom, eine E-Mail von einem Dennis und ein weiterer Anruf von irgendeiner Dolly. Alles in der Stunde, seit sie aus der Bar gekommen waren. Die Informationsschnipsel auf dem Bildschirm sagten Ben alles, was er wissen musste: Jede Person, die sich bei Luce gemeldet hatte, wollte etwas von ihr. Er steckte das Telefon zurück in die Jackentasche und dachte über den Abend nach, der vor ihm lag.

Er hatte vorgehabt, einen Abend und hoffentlich eine Nacht Spaß zu haben, Luce eine schöne Zeit zu schenken und sie dann daran zu erinnern, wer er war, sodass sie darüber lachen konnten. Aber jetzt … war er fasziniert.

Wer war Lucinda Myles heutzutage?

Wann hatte er sie zuletzt gesehen? Es musste auf der katastrophalen Party zu seinem einundzwanzigsten Geburtstag gewesen sein. Er erinnerte sich, Luce entdeckt zu haben, als sie sich aus dem Ballsaal in einen der Salons verzog. Zu viel Champagner hatte alles danach verschwimmen lassen. Bis zum nächsten Morgen und der Standpauke seines Vaters über angemessenes Benehmen und Verantwortung für den guten Ruf der Familie. Freunde hatten ihn über die amüsanteren seiner Mätzchen an dem Abend ins Bild gesetzt, doch niemand hatte Luce erwähnt.

Dann hatte Lucindas Freundin mit ihm Schluss gemacht, weil er sie gedemütigt und „vielleicht ihre Zukunft ruiniert“ habe, was auch immer das bedeutete. Ben hatte keinen Grund gehabt, Luce wiederzusehen.

In Anbetracht dessen, wie er sie an diesem Tag erlebt hatte, konnte sie sich in den Jahren dazwischen nicht allzu sehr verändert haben. Wenn dem so war …

Ben nahm sein Telefon und rief die Rezeption an. „Daisy? Würden Sie bitte meine Tischreservierung im ‚Edge‘ stornieren?“ Trendy, rostfreier Stahl, Fusionsküche. So ein Avantgarderestaurant war einfach nicht Luce’ Stil. „Nein, danke. Ich suche mir selbst etwas anderes.“

Ein weiterer Anruf, und er wusste, dass es das Restaurant noch gab, das er im Sinn hatte. Perfekt. Und jetzt war es Zeit, zum nächsten Abschnitt des Abends überzugehen. Er legte den Terminkalender zurück in den Safe, bevor er an die Badezimmertür klopfte. „Du hast noch fünf Minuten, dann versuche ich, das Passwort deines Telefons zu erraten.“

Zu seiner Überraschung machte Luce fast sofort auf.

„Drohungen sind nicht gerade entspannend, weißt du.“

Ein Bad war es offensichtlich. Besonders für Dr. Lucinda Myles.

Sie trug ein violettes Seidenkleid und hatte die Haare hochgesteckt, einige noch feuchte Strähnen lockten sich hinter den Ohren und auf der Stirn. Ihre tiefrot geschminkten Lippen verzogen sich zu einem belustigten Lächeln. „Ich hätte nicht gedacht, dass du ein Mann bist, dem es die Sprache verschlagen kann. Das gefällt mir.“

Als Luce an ihm vorbeiging, atmete Ben einen berauschenden Hauch von Lavendel ein, der ihn an das Château im Sommer erinnerte. Ihm wurde bewusst, dass er noch immer nichts gesagt hatte. „Wenn ich geahnt hätte, dass du die Zeit so gut nutzt, hätte ich mich noch länger geduldet.“

Sie schlüpfte in ihre Jacke und schob die Hand in die Tasche, in der ihr Telefon war. Mit den Nachrichten von Leuten, die viel weniger amüsante Dinge von ihr wollten als er. Um sie abzulenken, bot Ben ihr seinen Arm, und Luce hakte sich bei ihm ein. „Wenn du so weit bist, führe ich dich jetzt zum Abendessen aus, ja?“

Obwohl sie immer noch argwöhnisch blickte, nickte sie und verließ mit ihm die Suite, sicher auf den Beinen trotz der hohen Absätze. Ben hatte sie nicht für eine Frau gehalten, die gern High Heels trug. Er lächelte. Das wurde ein netter Abend, davon war er überzeugt. Geschäftlich lief es gut, und er war für die Nacht mit einer schönen, interessanten Frau zusammen, der er vielleicht sogar ein bisschen helfen konnte. Danach würde er es sich für den Rest der Woche im Cottage gut gehen lassen.

Das Leben war wundervoll.

Kein Mann sollte in einem Anzug so toll aussehen dürfen, dachte Luce. Jedenfalls keiner, dem sie unbedingt widerstehen wollte. Hätte Dennis jemals auch nur halb so gut ausgesehen, hätten sie vielleicht mehr zustande gebracht als gelegentliche vorgetäuschte Dates, wenn er eine Partnerin für ein Dinner an der Universität oder sie einen Begleiter für eine Familienfeier brauchte.

Nein, hätten sie nicht. Dennis ging ihr wahnsinnig auf die Nerven, wenn sie länger als zwei Stunden mit ihm zusammen war. Außerdem hatte sie nie diesen … Funken gespürt, den sie brauchte, um sich auf eine echte Beziehung einzulassen. Zu ihrer Überraschung hatte es bei Ben Hampton sofort gefunkt. Nicht im Hinblick auf eine Beziehung, natürlich. Aber vielleicht für etwas Leidenschaftliches. Etwas, was sie ganz bestimmt nicht empfunden hatte, als sie sich zuletzt begegnet waren. Zum Glück, weil er damals mit ihrer Mitbewohnerin zusammen gewesen war. Jetzt lag zweifellos irgendetwas in der Luft.

Fast schade, dass sie nicht die Zeit, die Energie oder den Mut hatte, auf Bens Angebot zurückzukommen, um herauszufinden, wie es wäre.

Ihr Telefon piepte in der Jackentasche, und Luce wollte es herausholen. Sie sollte wirklich ihre Mutter zurückrufen.

Aber Ben drückte mit dem Arm ihre Hand an seinen Körper. Luce spürte seine Wärme sogar durch den Mantel und das Jackett. War das Absicht? Versuchte Ben, sie von ihrem wirklichen Leben abzuschneiden und sie in dieser Traumwelt festzuhalten, die er erzeugt hatte?

Er war in ihr Leben eingedrungen und hatte ihre Privatsphäre verletzt, seit sie ihn vor zwei Stunden zufällig wiedergetroffen hatte. Und sie hatte zugelassen, dass er die Pläne für den Abend bestimmte, dass er sie auf die Probleme in ihrem Leben hinwies. Was war daraus geworden, Verantwortung und die Kontrolle zu übernehmen?

Okay, sie musste sich irgendetwas ausdenken, um ihm die Kontrolle wieder zu entreißen. Vor allem musste sie wissen, ob er sich an sie erinnerte …

Als sie aus der Hotelhalle nach draußen traten, zitterte Luce in der bitterkalten Abendluft. Eiszapfenlichterketten hingen über den kopfsteingepflasterten Straßen und glitzerten in der Dunkelheit wie echte Eiszapfen. Ben zog sie ein bisschen enger an sich, und Luce fragte sich, wie er in der Winterkälte so warm blieb.

„Wohin gehen wir?“ Verspätet war ihr bewusst geworden, dass er ihr nicht einmal gesagt hatte, wohin er sie mitnahm. In irgendein Luxusrestaurant, hatte sie gedacht, als sie das Kleid angezogen hatte, das sie für das Galadinner zum Abschluss der Konferenz eingepackt hatte.

„Ein kleines französisches Restaurant, das ich kenne“, beantwortete Ben ihre Frage. „Es ist in den Arkadengalerien The Rows. Kannst du in den Schuhen zu Fuß gehen?“

„Natürlich“, sagte Luce automatisch, obwohl ihr auf dem Kopfsteinpflaster schon die Füße wehtaten. Keine Schwäche zeigen. Noch eine Lebensmaxime ihres Großvaters.

„Früher hast du nie solche Schuhe getragen.“

„Dann erinnerst du dich also an mich?“, platzte sie heraus, bevor sie sich bremsen konnte. „Ich war nicht sicher.“

„Glaubst du etwa, ich lade wildfremde Frauen in meine Suite ein?“

Luce zuckte die Schultern. „Die Universität ist lange her. Ich habe keine Ahnung, was für ein Mensch du jetzt bist. Und tatsächlich …“

„Ja, ja.“ Ben verdrehte die Augen. „Vor acht Jahren hätte ich alle Frauen in mein Zimmer eingeladen.“

„Ich hoffe, du bist seitdem ein bisschen erwachsener geworden. – Was ist?“, fragte sie, als seine Schritte stockten.

„Nichts.“

Er ging wieder schneller und führte sie die steilen Stufen hoch auf die Rows, eine zweite Ebene mit Geschäften und Restaurants über denen auf Straßenhöhe. Als Historikerin war Luce fasziniert von den alten Fachwerkhäusern mit ihren Arkaden im ersten Stock. Sie sollte jedes Detail genießen.

Stattdessen konnte sie nur daran denken, dass sich Ben an sie erinnerte. Was nicht hieß, dass er sich daran erinnerte, wo und wann sie sich zuletzt gesehen hatten.

Vielleicht hatte er es völlig vergessen. Und das bedeutete vielleicht, dass sie es auch tun konnte.

„Wir sind da“, sagte Ben.

Ihr ganzer Körper entspannte sich beim Anblick eines gemütlichen kleinen Restaurants. „Ein Glück“, sagte sie und lächelte Ben an. „Ich bin völlig durchgefroren.“

4. KAPITEL

Während sie lächelnd über die Kälte klagte, machte Luce zum ersten Mal einen gelösten Eindruck. Als wäre dies ein normales Date und nicht eine seltsame Vereinbarung, die einer verkrampften Frau helfen sollte, lockerer zu werden. Das war ein Anfang. Und sie erinnerte sich an ihn. Ben war nicht sicher, ob er es durch das ganze Abendessen geschafft hätte, ohne Bescheid zu wissen.

Er stieß die Tür auf und ließ Luce vorangehen. In dem von Kerzenlicht beleuchteten Restaurant namens La Cuillère d’Argent hellte sich ihr Gesicht auf, und sie blickte ihn überrascht an.

Ein Kellner näherte sich ihnen. Ben lächelte ihn an. „Ein Tisch für zwei Personen, bitte.“

Am Tisch zog Luce ihre Jacke aus und fragte: „Woher kennst du dieses Restaurant?“

„Nicht, was du erwartet hast?“

Sie schüttelte den Kopf.

Ben wusste, was sie gerade dachte. Sie hatte ein elegantes und teures Restaurant erwartet, eins, das sagte: Ich bin Ben Hampton und habe die Hälfte einer Hotelkette geerbt, die viele Millionen Pfund wert ist. Trotzdem nehme ich mir die Zeit, dich mit einem schicken Essen zu verwöhnen. Bist du beeindruckt? Vielleicht so beeindruckt, dass sie mit ihm schlief, wenn sie zurück im Hotel waren.

Aber das hätte den Zweck des Abends durchkreuzt. Luce sollte sich entspannen, und sie war sowieso nicht die Frau, die sich von einem überteuerten, überraffinierten Menü beeindrucken ließ.

Nein, dieses gemütliche, intime Restaurant war ideal dafür, mit ihr zu reden und herauszufinden, wie sie tickte. Ben blinzelte im Kerzenlicht, während ihm verspätet klar wurde, dass er Luce wirklich kennenlernen wollte. Dass er sie nicht nur gut unterhalten oder verführen wollte.

Natürlich war sie zu verführen weiterhin Teil des Plans. Ben hatte nur nichts dagegen, vorher etwas Small Talk zu machen.

„Bist du schon einmal hier gewesen?“, fragte Luce. „Lebst du in Chester?“

„Ich bin nur in der Stadt, um das Hotel zu prüfen. Vor vielen Jahren habe ich mit meiner Mutter hier gegessen. Sie war gebürtige Französin und kannte jedes hervorragende französische Restaurant im Land.“

„Was bedeutet es?“ Luce las langsam den Namen des Restaurants, der oben auf der Speisekarte stand. „La Cuillère d’Argent?“

„Der Silberlöffel“, übersetzte Ben.

„Das gefällt mir.“ Luce lächelte ihn an.

Eine Anspannung, der er sich nicht bewusst gewesen war, fiel von ihm ab. Das war falsch. Luce war diejenige, die sich entspannen sollte. Er war eigentlich immer entspannt.

„Gut“, sagte er ein bisschen entnervt und winkte einem Kellner, um eine Karaffe Weißwein zu bestellen. Den könnte er heute Abend wohl nötig haben.

Sie machten höflich Konversation über die Menüwahl und das frisch gebackene Brot mit Olivencreme, das der Kellner ihnen brachte, bevor Luce fragte: „Und? Wo bist du inzwischen zu Hause?“

Ben zuckte die Schultern. Mit dem Begriff „Zuhause“ verknüpfte er seine minimalistische Penthousesuite eigentlich nicht. Und in seinem Cottage in Wales war er schon über ein Jahr nicht gewesen, im Château in Frankreich noch länger nicht. Deshalb zählten sie wohl nicht.

„Ich wohne in London, aber meistens bin ich unterwegs. Überall, wo es ein Hampton & Sons Hotel gibt, habe ich ein Bett für die Nacht, also bin ich zufrieden.“

„Das muss hart sein. Keinen Ort zu haben, den man Zuhause nennt.“

„Ich bin daran gewöhnt. Während ich aufgewachsen bin, habe ich auch in Hotels gelebt.“ Ein anderes jedes Mal, wenn er aus dem Internat kam, nachdem seine Mutter die Familie verlassen hatte. „Ich habe eine Penthousesuite in einem unserer Londoner Hotels, Service und Reinigung gehören dazu.“

„So entgeht man sauber den Freuden des Hauseigentümers“, sagte Luce sarkastisch.

Ben erinnerte sich an den Eintrag „Hausreparaturen“ auf ihrer To-do-Liste. „An deinem Haus muss viel getan werden?“

„Es zerfällt. Aber es war das Haus meines Großvaters, und ich bin darin aufgewachsen. Ich könnte es niemals verkaufen.“

„Trotzdem, es klingt nach einer Menge zusätzlicher Arbeit neben all deinen anderen Verpflichtungen. Bist du sicher, dass du in einer gemütlichen kleinen Wohnung in der Nähe der Universität nicht glücklicher wärst?“ Ben meinte das nicht ganz ernst, deshalb überraschte ihn ihre heftige Reaktion.

„Niemals!“

„Ist ja gut.“

„Entschuldige.“ Luce lächelte ihn an. „Es ist nur … das Haus macht mir große Sorgen. Aber eines Tages werde ich es renovieren, und dann ist es das perfekte Heim für eine Familie.“

„Tja, ich verstehe es nicht wirklich. Ich besitze Häuser und habe sogar eins davon renoviert. Trotzdem sind sie bloß Backsteine und Mörtel für mich. Ich hätte kein Problem damit, sie zu verkaufen.“

„Du hängst an nichts? Wahrscheinlich ist das gut so, wenn du ständig umherziehst.“

„Genau. Sich nicht binden. Das ist eine meiner Lebensregeln.“

„Ja? Wie lauten die anderen?“

Ben konnte nicht sagen, ob Luce ehrlich interessiert war oder sich über ihn lustig machte. „Das Leben genießen. Und Verantwortung meiden, natürlich.“

„Natürlich.“ Lächelnd griff Luce nach dem Brotkorb. „Darauf warst du nie scharf.“

Ein peinliches Schweigen herrschte, während sich Ben vorstellte, wie Luce gerade im Geiste jede seiner Dummheiten an der Universität noch einmal durchging. Zeit, das Thema zu wechseln.

„Du bist also wegen einer Konferenz in Chester?“

Luce nickte. „‚Geschichte fit machen für die Zukunft‘.“

Er lächelte über ihren sarkastischen Ton. „Du bist kein Fan davon?“

„Das ist es nicht. Aber nach einem Weg zu suchen, wie sich unsere komplexe Geschichte in eine Serie von dreißigminütigen Fernsehsendungen mit Begleitbüchern packen lässt, stört die eigentliche wissenschaftliche Arbeit.“

„Aber wenn Geschichte für die breite Masse nicht mehr wichtig ist …?“

„Dann fehlt uns die Finanzierung, und wir können keine Fundstätten und Dokumente mehr untersuchen. Ich weiß, ich weiß. Ich verstehe ja, dass es notwendig ist, nur würde ich mich manchmal lieber in einer Bücherei verkriechen und wirklich wissenschaftlich arbeiten.“

„Dein Buch ist also wissenschaftlich?“ Ben brach noch ein Stück Brot ab und bestrich es mit Olivencreme.

Luce verzog das Gesicht. „Mein Buch bewegt sich irgendwo dazwischen. ‚Populärwissenschaft für Amateurhistoriker‘ nennt mein Verleger es. Oder das wird es sein, falls ich es jemals fertig bekomme.“

„Worum geht es darin?“

„Ich schreibe über eine walisische Prinzessin, die die Geliebte von König Heinrich I. wurde, und deren Entführung das Ende des Waffenstillstands zwischen den Normannen und den Walisern bewirkte.“

„Wohnst du noch immer in Wales?“

Luce nickte. „Cardiff. Nicht nur wegen der Geschichte. Ich bin dort aufgewachsen. Meine Familie lebt dort. Es ist meine Heimat. Und als Grandad mir das Haus vermacht hat, wusste ich, dass ich in Cardiff bleiben will.“

„Das ist schön“, sagte Ben geistesabwesend, während er wieder an das überwucherte Château dachte, dass ihm seine Großmutter mütterlicherseits hinterlassen hatte. Dort sollte er bald mal nach dem Rechten sehen.

Der Kellner brachte das Essen, und sie bewunderten kurz ihre Gerichte.

„Erzähl mir mehr über deine walisische Prinzessin“, sagte Ben, nachdem sie übereinstimmend festgestellt hatten, dass das Essen köstlich war.

Überrascht zog Luce die Augenbrauen hoch. „Das interessiert dich?“

„Ich besitze ein Cottage in Wales“, erklärte er. „Im Süden, in den Brecon Beacons. Ich will morgen hinfahren. Eine gute Geschichte bringt mich vielleicht in die richtige Stimmung für meinen Zufluchtsort auf dem Land.“

„Gut … Also Prinzessin Nest ferch Rhys. Sie war die Tochter eines walisischen Königs, und sie schenkte Heinrich I. einen Sohn, bevor er sie mit seinem Verwalter in Wales verheiratete. Owain, der Anführer des walisischen Widerstands, verliebte sich in sie. Er überfiel mit seinen Leuten Cilgerran Castle und nahm Prinzessin Nest mit.“

„Was passierte dann?“

„Vieles.“ Luce lächelte. „Wenn du die ganze Geschichte erfahren willst, musst du mein Buch lesen.“

„Werde ich“, versprach Ben. Wenn sie es jemals fertig bekam, natürlich.

Luce musste Ben Hampton zugestehen, dass er ein besserer Restaurantkenner war, als sie erwartet hätte. Und ein besserer Gesprächspartner, als sie ihn in Erinnerung hatte. Er hatte tatsächlich interessiert geklungen, als er sie nach ihrem Buch und Prinzessin Nest gefragt hatte. Natürlich tat er das nur, um sie ins Bett zu kriegen. Sie war nicht dumm und schließlich hatte er sie vorgewarnt, dass er alles versuchen würde. Und sie hatte trotz des netten Abends keine Skrupel, ihm später an der Schlafzimmertür einen Korb zu geben. Ein Mann mit seinem Charme und Selbstvertrauen würde so eine Zurückweisung problemlos wegstecken.

Der Kellner räumte die Dessertteller ab und brachte den Kaffee und zwei große Likörgläser mit einer kleinen Menge bernsteinfarbener Flüssigkeit.

„Calvados“, erklärte Ben, als er das Glas an den Mund hob. „Apfelbranntwein.“

Luce probierte ihn. „Er ist gut.“

Während sie langsam ihren Calvados trank, bezahlte Ben die Rechnung. Was sie zu spät bemerkte, um darauf zu bestehen, ihre Hälfte zu zahlen. „Lass mich dir wenigstens etwas für mein …“

„Natürlich nicht.“

Ben legte die Hand auf ihre, als Luce nach ihrem Portemonnaie griff. Bei seiner Berührung schoss ein elektrisierendes Prickeln von ihrer Hand bis zur Schulter hoch. Das liegt bestimmt am Calvados, ...

Autor

Sophie Pembroke
<p>Seit Sophie Pembroke während ihres Studiums der englischen Literatur an der Lancaster University ihren ersten Roman von Mills &amp; Boon las, liebte sie Liebesromane und träumte davon, Schriftstellerin zu werden. Und ihr Traum wurde wahr! Heute schreibt sie hauptberuflich Liebesromane. Sophie, die in Abu Dhabi geboren wurde, wuchs in Wales...
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