Kann es Liebe sein?

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Die traumhaften Stunden in Michaels Armen hat Josie genossen. Eine Beziehung mit ihm will sie jedoch nicht. Denn sie ist Single aus Überzeugung und möchte ihre Freiheit nicht aufgeben. Dass aber auch Michael eine feste Bindung scheut, stellt sie fest, als er sie bittet, bei ihm einzuziehen und seine Verlobte zu spielen...


  • Erscheinungstag 06.05.2017
  • ISBN / Artikelnummer 9783733777487
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

„Psst! Hör auf zu bellen, Pip! Sonst wohnen wir bald in einem Pappkarton!“, rief Josie Tate ihren Hund zur Ordnung, als sie sich dem alten Gebäude aus grauem Stein näherten, in dem sie mit drei Freundinnen eine Wohnung teilte. Eine Wohnung, die Pip und sie schon längst geräumt haben sollten.

Aber war die 120 Pfund schwere Bulldogge mit rotbraunem Fell und schwarzem Gesicht, die dafür verantwortlich war, dass sie sich um Mitternacht auf den Straßen von New Yorks East Village herumtrieb, von ihrer Warnung beeindruckt? Nein, natürlich nicht. Kaum waren Josies mahnende Worte verklungen, bellte Pip erneut. Und dieses Mal waren sie der winzigen Souterrain-Wohnung direkt unter der des Vermieters schon gefährlich nahe.

„Ich meine es ernst, Pip! Sei still“, flehte sie das Tier an, das sie vor vier Monaten adoptiert hatte. Auf dem Weg zur Arbeit hatte sie gesehen, wie der abgemagerte Welpe in Mülltonnen nach Nahrung suchte.

Doch der große Hund bellte schon wieder. Drei Mal hintereinander.

„Psst! Das ist mein Ernst!“

Laut Mietvertrag war es verboten, in der Wohnung Haustiere zu halten, und der Hauswirt hatte Josie eine Frist gesetzt, entweder den Hund abzuschaffen oder mit ihm auszuziehen – eine Frist, die bereits abgelaufen war. Deshalb wäre es absolut nicht vorteilhaft gewesen, Mr. Bartholomew jetzt zu wecken. Zumal sie noch keine neue erschwingliche Behausung gefunden hatte, in der Tiere willkommen waren.

Pip schien endlich begriffen zu haben, denn er blieb stumm. Die Nase dicht über dem Boden, als hätte er eine interessante Witterung aufgenommen, folgte er Josie zu der Treppe, die zu ihrer Wohnung führte.

Als er jedoch die erste Stufe erreichte, war es mit der Stille vorbei.

Er bellte noch lauter als zuvor. Und zwar nicht mehr freundlich, sondern so zornig, wie er es nur bei Fremden tat.

Am anderen Ende der Leine betrat auch Josie die Treppe und stellte fest, dass Pip gute Gründe hatte zu bellen. Unter ihnen, im Schatten des unbeleuchteten Treppenhauses, stand ein Mann vor ihrer Tür.

Sie erstarrte, als in der Wohnung des Vermieters das Licht anging und Mr. Bartholomews verkniffenes Gesicht zwischen den Vorhängen auftauchte. Dann wurde das Fenster aufgerissen.

„Jetzt reicht es!“, schrie er. „Ich will, dass Sie und der verdammte Hund sofort aus meinem Haus verschwinden!“

„Es tut mir Leid, Mr. Bartholomew, aber da unten ist ein Mann …“

„Das ist mir egal! Ich brauche meinen Schlaf!“

Pip ignorierte den Vermieter und bellte weiter. „Aber Mr. Bartholomew, da ist ein …“

„Kein Aber. Wenn Sie und Ihr Köter nicht bis morgen früh verschwunden sind, lasse ich Sie von der Polizei hinauswerfen. Und Ihre Freundinnen gleich mit!“

„Ich bin es nur, Josie“, warf ihr nächtlicher Besucher ein, als hätte er auf die Gelegenheit gewartet, auch etwas zu sagen.

Sie erkannte die Stimme, noch bevor sie nach unten schaute, und ihr Puls begann zu rasen. Allerdings nicht vor Angst.

Pip bellte immer noch. Mr. Bartholomew zeterte weiter. Josie brachte kein Wort heraus.

„Es ist okay, Junge. Ich bin harmlos“, versicherte ihr Besucher dem Hund mit warmer, freundlicher Stimme, während er langsam die Treppe heraufkam.

Die Bulldogge schien ihm zu glauben, denn sie verstummte, legte den großen Kopf schräg und spitzte ein Ohr, während sie ihn neugierig betrachtete.

Der Vermieter nutzte die plötzliche Stille. „Haben Sie gehört? Ich will Sie raus haben!“, schrie er.

„Ja, Mr. Bartholomew, ich habe Sie gehört“, erwiderte Josie kleinlaut.

„Morgen früh! Oder die anderen drei ziehen auch aus!“

Josies Besucher streckte Pip eine Hand entgegen, damit der Hund daran schnüffeln konnte. Eine große Hand mit langen, kräftigen Fingern. Eine geschickte Hand. Eine zärtliche Hand, die sie an ihrem ganzen Körper gefühlt hatte …

Pip gestattete dem Mann, sich zu ihnen ins Treppenhaus zu stellen.

„Es ist meine Schuld“, rief er nach oben. „Der Hund hat meinetwegen gebellt. Sie dürfen die beiden nicht dafür bestrafen.“

„Die sind raus“, beharrte der Vermieter. „Sie sollte schon vor einer Woche ausziehen. Jetzt werde ich dafür sorgen, dass sie es tut. So oder so.“

Das Fenster knallte zu, und das zornig gerötete Gesicht verschwand hinter dem Vorhang.

„Nett. Richtig nett“, rief der nächtliche Besucher ihm nach.

Josie war klar, dass sie Mr. Bartholomew am nächsten Morgen würde bitten müssen, ihr noch eine Gnadenfrist zu geben, aber im Moment galt ihre Aufmerksamkeit allein dem Mann, der neben ihr stand und die Bulldogge tätschelte.

„Michael Dunnigan“, stellte sie fest, als würde sie ihren Augen nicht trauen.

„Genau der“, antwortete er. „Es tut mir Leid. Ich wollte dir keinen Ärger machen.“

„Trotzdem bist du hier“, erwiderte Josie.

„Trotzdem bin ich hier“, wiederholte er, anstatt ihr zu erklären, warum er gekommen war.

„Das ist nicht die Antwort, die ich hören wollte.“

„Die Antwort auf was?“, fragte er.

„Warum du hier bist.“

Michael Dunnigan zuckte mit den breiten Schultern und lächelte. „Ich hatte heute Abend eine verrückte Idee und wollte mal spontan sein.“

„Aha.“ Josie wartete ab.

Michael Dunnigan zeigte mit dem Daumen auf das Fenster des Vermieters. „Ich glaube nicht, dass wir das hier draußen besprechen sollten.“

Josie schaute nach oben.

„Das ist doch deine Wohnung dort unten, oder? Ich habe geklopft, aber niemand hat aufgemacht.“

„Es ist Samstagnacht. Meine Mitbewohner sind alle unterwegs“, erwiderte Josie, ohne zu überlegen.

„Dann können wir also hineingehen?“

Sie war ein wenig besorgt, dass er nur aus einem Grund hier war. Schließlich hatte sie bei und mit ihm etwas getan, wozu sie sich noch nie im Leben hatte hinreißen lassen. Vor zwei Wochen hatte sie das ganze lange Wochenende des Tags der Arbeiter mit ihm verbracht. Im Bett.

Sie konnte nicht fassen, dass sie das getan hatte, und bereute es noch immer. Ganz sicher hatte sie nicht vor, es zu wiederholen. Für den Fall, dass er deswegen hier war.

Doch da ihr keine Ausrede einfiel, blieb ihr nichts anderes übrig, als ihn hereinzubitten.

„Ich denke, wir können hineingehen“, sagte sie ohne jede Spur von Begeisterung. „Um zu reden“, fügte sie nachdrücklich hinzu.

Offenbar verstand er die Botschaft, denn er hob beide Hände. „Natürlich. Nur zum Reden.“

Josie ging die Treppe hinab. Pip und Michael Dunnigan folgten ihr.

„Wir müssen unbedingt die Glühbirne auswechseln“, murmelte sie, während sie mit dem Wohnungsschlüssel nach dem Schlüsselloch suchte.

Dann öffnete sie die Tür.

Fast wäre sie zum zweiten Mal in dieser Nacht zur Salzsäule erstarrt, als ihr Blick auf den Futon fiel. Sie hatte ganz vergessen, dass sie ihn bereits mitten im Wohnzimmer aufgestellt hatte, um sofort zu Bett gehen zu können.

Aber was sollte sie tun? Sie konnte sich schlecht zu dem Mann umdrehen und ihm erklären, dass sie es sich anders überlegt hatte. Sie würde diese schwierige Situation irgendwie meistern müssen. Und diese Situation war verdammt schwierig, denn mit Michael Dunnigan allein in einem Raum zu sein, in dem sich ein Bett befand, fiel ihr selbst jetzt alles andere als leicht.

„Ich wollte eigentlich gleich zu Bett zu gehen“, sagte sie, damit er gar nicht erst auf die Idee kam, länger zu bleiben.

Michael Dunnigan schloss die Tür, während sie Pip das Halsband abnahm. Sie wünschte, sie hätte nicht nur hastig den alten Jogginganzug über das Nachthemd angezogen. Und sich nicht schon abgeschminkt. Und sich wenigstens das Haar gebürstet, bevor sie mit Pip Gassi gegangen war.

Aber das ließ sich jetzt nicht mehr ändern. Sie verstaute die Leine und schob sich das Haar hinter die Ohren.

„Mensch, das ist ja richtig klein hier“, bemerkte Michael.

„Es gibt zwei Schlafzimmer. Zwei meiner Mitbewohnerinnen teilen sich eins. Das andere ist eher ein begehbarer Schrank, und Liz nutzt es allein. Ich habe beim Würfeln verloren, also muss ich im Wohnzimmer schlafen.“ Sie wusste eigentlich nicht, warum sie ihm das alles erzählte.

„Richtig, du hast mir erzählt, dass ihr zu viert hier wohnt. Und der Hund auch noch?“, fragte Michael Dunnigan.

„Vier Frauen und ein Hund“, bestätigte Josie. Das gehörte zu den wenigen Informationen, die Michael und sie während ihres dreitägigen Liebesmarathons ausgetauscht hatten. Irgendwie hatten sie weder die Zeit noch die Konzentration für ein ausgiebiges Gespräch gehabt.

Er ging zu der Wand, die das Wohnzimmer von der winzigen Küche trennte, und betrachtete die vielen Fotos von Freunden, Angehörigen und wichtigen Ereignissen, die Josie und ihre Mitbewohnerinnen dort aufgehängt hatten. Dabei kehrte er ihr das Profil zu, und wieder bemerkte sie, wie fantastisch er aussah. Noch fantastischer, als sie ihn in Erinnerung gehabt hatte. Das pechschwarze Haar war kurz, die Nase gerade und nicht zu lang, das Kinn gerade kantig genug. Unter den hohen Wangenknochen betonten dunkle Stoppeln die markanten Züge.

Es war ein Gesicht, das Josie selbst inmitten von einer überfüllten, verrauchten Bar aufgefallen war. Sie hatte Gedichte vorgetragen, und er hatte im Publikum gesessen. Dieses Gesicht hatte sie vom ersten Blick an fasziniert, ebenso wie sein Körper.

Er war ein Meter neunzig groß, athletisch gebaut, hatte breite Schultern und kräftige Muskeln, und der Feuerwehrmann ließ keinen Zweifel daran, dass er sogar ein Schwergewicht aus einem brennenden Haus tragen konnte. Er trug eine khakifarbene Hose, ein grünes Polohemd und ein Sakko. Unwillkürlich fragte Josie sich, ob er an diesem Abend vielleicht eine Verabredung gehabt hatte.

Plötzlich war ihre Neugier nicht mehr zu unterdrücken. „Woher kommst du gerade?“

„Von einem Date mit der Orthopädin meiner Mutter“, antwortete er kopfschüttelnd.

„Wieder mal arrangiert?“, fragte sie. Zu den wenigen Dingen, die sie über ihn wusste, gehörte, dass seine Mutter ihn unbedingt unter die Haube bringen wollte.

„Das fünfte Date, seit wir uns zuletzt gesehen haben“, bestätigte er.

„Sie hat für dich fünf Dates in zwei Wochen organisiert?“, entfuhr es Josie.

Er drehte sich zu ihr um, und der Blick aus seinen strahlend grünen Augen raubte ihr fast den Atem.

Doch er schien es nicht zu bemerken, während er ihre Frage mit einer kompletten Liste beantwortete. „Abendessen mit Moms Friseurin. Mittagessen mit der Sprechstundenhilfe ihres Zahnarztes. Brunch mit der Frau, die ihr ein Paket geliefert hat. Kaffee mit der Nichte der Freundin einer Bridge-Partnerin. Heute Abend Dinner mit der Orthopädin.“

Josie musste lächeln. „Na ja, wenigstens bekommst du genug zu essen.“

„Vorhin gab es etwas aus Tofu, nicht gerade mein Lieblingsgericht.“

Er hörte sich an, als wäre nicht nur das Essen enttäuschend gewesen.

„Und das hat dich auf die verrückte Idee gebracht, mich mitten in der Nacht zu besuchen“, stellte sie fest, um endlich zu erfahren, warum er hier war. Schließlich waren sie sich am Ende des langen Wochenendes einig gewesen, dass keiner von ihnen mehr als ein Abenteuer wollte.

Michael Dunnigan lächelte ein wenig verlegen. „Es war nicht der Tofu, es war die Tatsache, dass die Orthopädin mich unsäglich gelangweilt hat. Noch so eine arrangierte Verabredung, und ich fange an zu schreien. Also habe ich mich gefragt, womit ich meiner Mutter klarmachen kann, dass sie damit aufhören soll.“

„Und da bist du auf eine verrückte Idee gekommen.“

„Eine absolut verrückte Idee.“

Er erzählte ihr allerdings noch immer nicht, was für eine verrückte Idee das war.

Er sah sich um. „Ich kann nicht glauben, dass hier vier Menschen und ein Hund leben.“

Josie biss die Zähne zusammen und gab einen leisen Aufschrei von sich. „Und wie sieht diese verrückte Idee aus?“, fragte sie langsam und betonte dabei jedes Wort.

Michael Dunnigan lächelte wieder. „Mir ist aufgegangen, dass meine Mutter erst dann damit aufhören wird, wenn sie glaubt, dass ich jemanden gefunden habe.“

In Josies Bauch machte sich ein aufgeregtes Gefühl breit.

Ja, sie hatte Michael Dunnigan gemocht. Sehr. Ja, sie hatte sich von ihm angezogen gefühlt. Sehr. Aber sie wollte keine Beziehung. Das hatte sie ihm gesagt, und er hatte erwidert, das sei ihm ganz recht. Warum stieg jetzt in ihr die Hoffnung auf, dass sie dieser Jemand sein könnte?

Entschlossen schob sie den Gedanken beiseite.

„Okay“, begann sie, „deine Mutter wird erst aufgeben, wenn sie überzeugt ist, dass du jemanden gefunden hast. Das klingt logisch.“

„Nicht wahr? Du hast mir erzählt, dass du dringend eine neue Wohnung brauchst. Also habe ich mir gedacht, wenn du noch keine hast, könnten wir uns gegenseitig helfen.“

„Ich verstehe nicht ganz“, gab sie zu.

„Nun ja …“ Er sah etwas unsicher aus. „Ich habe dich gewarnt. Die Idee ist verrückt.“

„Hast du.“

„Na ja, ich dachte mir, was, wenn ich dich in gewisser Weise engagiere, damit du bei mir einziehst und dich als meine Verlobte ausgibst?“

Josie konnte nur lachen.

„Okay, die Idee ist nicht nur verrückt, sondern auch lustig“, gab er zu, lachte jedoch nicht mit. Er wartete darauf, dass sie aufhörte.

Schlagartig wurde sie ernst. „Du willst, dass ich zu dir ziehe?“, fragte sie fassungslos.

„Rein platonisch“, fügte er rasch hinzu. „Natürlich würde meine Mutter das nicht wissen. Du hättest dein eigenes Zimmer, mietfrei, und könntest alles andere mitbenutzen. Auch den kleinen Garten, in dem der Hund Auslauf hätte. Hin und wieder, vor allem wenn meine Mutter kommt, würdest du meine Verlobte spielen. Meine Mutter wäre zufrieden und würde mich endlich in Ruhe lassen.“

„Das ist wirklich eine verrückte Idee“, fand Josie.

Erneut lächelte er verlegen, und sie wünschte, er würde damit aufhören, denn das machte ihn nur noch attraktiver.

„Wir könnten meiner Mutter erzählen, dass wir uns gerade erst kennen gelernt haben und deshalb eine lange Verlobungszeit wollen“, fuhr er fort, als wäre es tatsächlich möglich. „Egal wie lange, auf jeden Fall würden mir eine Weile diese schrecklichen Verkupplungsversuche erspart bleiben.“

Er hörte sich wirklich an, als hätte er eine Pause dringend nötig.

Und sie brauchte ein neues Dach über dem Kopf …

Josie konnte kaum glauben, dass sie gerade diesen Gedanken gehabt hatte.

Zog sie das Angebot etwa ernsthaft in Betracht?

„Es ist verrückt“, wiederholte sie. Aber noch verrückter als die Idee selbst war die Vorstellung, dass sie sich darauf einließ.

„Ich dachte mir, dass so eine kleine Verrücktheit genau dein Stil ist“, erwiderte er, als würde ihm genau das an ihr gefallen.

Spontan. Offen. Abenteuerlustig. All das war sie. Genau wie ihre Eltern es gewesen waren. Menschen wie Mr. Bartholomew mochten sie für verrückt halten. Aber für sie war allein wichtig, dass das, was sie tat, in ihren eigenen Augen vernünftig war. Oder Spaß machte. Oder anderen half.

Zu Michael Dunnigan zu ziehen und sich als seine Verlobte auszugeben, das würde ihm helfen. Und ihr selbst auch …

„Hast du etwas getrunken?“, fragte sie unvermittelt, weil sie sichergehen wollte, dass er seinen Vorschlag ernst meinte.

„Mit Miss Tofu? Soll das ein Witz ein? Sie hat mir irgend so eine grüne Brühe bestellt, in der garantiert kein Alkohol war. Vielleicht hätte das Zeug dann besser geschmeckt.“

Ohne dass sie ihn dazu eingeladen hatte, setzte er sich auf die Armlehne eines Sessels. „Es wäre gar nicht so kompliziert. Ab und zu ein Essen mit meiner Familie. Gelegentlich eine Hochzeit oder ein Geburtstag. Und du müsstest mich ja nicht überallhin begleiten. Ich könnte sagen, dass du arbeiten musst oder dass es dir nicht gut geht. Den Rest der Zeit macht jeder von uns, was er will. Wie Leute in einer Wohngemeinschaft. Außerdem dauern meine Schichten immer vierundzwanzig Stunden. Danach habe ich vierundzwanzig Stunden frei. Du hättest die Wohnung also oft Tag und Nacht für dich allein. Und du würdest meine Mom sehr glücklich machen“, schloss er mit einem Lächeln, das ihr die Knie weich werden ließ.

Und genau das war das Problem. Sie wusste bereits, dass sie beide einander attraktiv fanden. So sehr, dass sie mit ihm im Bett gelandet war und den besten, leidenschaftlichsten Sex ihres Lebens gehabt hatte. Wie konnte sie danach mit ihm zusammenziehen, ihrer Umwelt eine romantische Beziehung vorspielen und die ganze Zeit platonisch bleiben?

„Ich glaube nicht, dass das sehr vernünftig wäre“, gab sie zu bedenken.

Er schien ihre Gedanken lesen zu können. „Wegen des Wochenendes neulich? Ich weiß. Daran habe ich auch schon gedacht. Das war fantastisch, und deshalb wäre es … schwer. Die Versuchung, das zu wiederholen, wäre riesig. Aber wir beide sind uns einig, dass wir das nicht wollen. Wir haben uns nicht wieder getroffen. Und glaub mir, ich habe oft daran gedacht, dich anzurufen. Wir könnten eine Abmachung treffen, dass wir nur Mitbewohner, gute Freunde …“

„Verschwörer sind.“

„Okay, Verschwörer und Komplizen. Wenn wir es uns fest vornehmen, können wir das Wochenende von neulich vergessen und eine platonische Zweckgemeinschaft gründen.“

Bevor Josie darauf antworten konnte, wurde an ihre Wohnungstür gehämmert.

Gedankenverloren ging sie hinüber und riss sie auf, ohne zu fragen, wer es war. Vor ihr stand Mr. Bartholomew, dessen Gesicht noch immer gerötet war.

„Hier“, sagte er und drückte ihr ein Papier in die Hand. „Ich habe meinen Anwalt angerufen …

„Um Mitternacht?“

„Wenn ich nicht schlafen kann, soll es auch sonst niemand!“, schimpfte der beleibte Mann im Unterhemd. „Mein Anwalt hat gesagt, ich soll aufschreiben, dass Sie gegen den Mietvertrag verstoßen haben und dass Sie entweder ausziehen oder ich die Wohnung räumen lassen kann. Da steht es. Entweder Sie sind morgen verschwunden, oder Sie haben ein Problem.“

Josie hatte keine Ahnung, ob er nur bluffte, aber der Vermieter drehte sich um und stürmte die Treppe hinauf. Jedenfalls hielt sie ein Papier in der Hand, auf dem genau das stand, was er gerade gesagt hatte.

Sie schloss die Tür, starrte auf das ramponierte Holz und ging ihre Möglichkeiten durch.

Sie konnte Pip weggeben.

Aber sie liebte die mächtige Bulldogge und würde das nicht fertig bringen.

Sie konnte darauf hoffen, dass Mr. Bartholomew sie am nächsten Tag gar nicht hinauswerfen durfte und sie schnell genug eine neue Wohnung fand.

Aber wenn sie sich irrte, würden sie und ihre Mitbewohnerinnen auf der Straße stehen. Und sie bezweifelte, dass sie mit einem Hund in einem Hotel oder einer Jugendherberge unterkommen würde.

Oder sie konnte Michael Dunnigans Vorschlag annehmen.

Sie konnte bei ihm einziehen, mietfrei dort wohnen und so tun, als wäre sie seine Verlobte.

Irgendwie sah es so aus, als hätte sie keine andere Wahl.

„Garantierst du mir hundertprozentig, dass es eine rein platonische Sache wird?“, hörte Josie sich fragen, noch bevor sie sich wieder zu Michael Dunnigan umgedreht hatte.

„Hundertprozentig. Du wirst mich nicht mal mit freiem Oberkörper sehen.“

Sie schloss die Augen. Das war ein Fehler. Denn es versetzte sie zurück in seine Küche. An dem besagten Wochenende des Tags der Arbeiter. Als sie sich die Zeit nahmen, eine bestellte Pizza aus dem Karton zu essen, und er nichts als Boxershorts trug …

„Ich will dich nicht mal ohne Schuhe und Socken sehen“, erwiderte sie.

„Einverstanden. Nicht mal ohne Schuhe und Socken“, stimmte er zu.

Josie öffnete die Augen, holte tief Luft und atmete seufzend wieder aus. „Na gut. Ich schätze, wir könnten es versuchen. Schließlich brauche ich ein Dach über dem Kopf. Aber ich bin nicht glücklich damit, dass ich deine Mutter anlügen werde.“

„Ich auch nicht. Aber sie hört mir einfach nicht zu, wenn ich ihr zu erklären versuche, warum ich im Moment nicht heiraten und Kinder in die Welt setzen kann.“

Seltsam, aber nach ihrem gemeinsamen Wochenende hatte Josie nur gedacht, dass er sich einfach nicht binden wollte. Jetzt ließen seine Worte sie vermuten, dass mehr dahinter steckte.

Genau wie bei ihr.

Sie ging auf ihn zu. „Also gut, wir haben eine Abmachung.“ Sie sah in sein markantes Gesicht und hoffte inständig, dass sie beide sich wirklich daran halten würden.

Sein umwerfendes Lächeln ließ sie schon jetzt an ihrer Willenskraft zweifeln. „Also heiratest du mich?“, fragte er scherzhaft.

Josie verdrehte die Augen. „So wird es jedenfalls aussehen.“

„Das reicht mir.“

„Ich werde wohl schon morgen bei dir einziehen müssen.“ Sie nickte zu der Tür hinüber, vor der gerade eben noch Mr. Bartholomew gestanden hatte. „Wie willst du deiner Mutter erklären, dass du am Samstagabend mit ihrer Orthopädin ausgegangen bist und am Sonntag schon deine Verlobte bei dir wohnt?“

„Ich werde mir etwas ausdenken. Sie wird so begeistert sein, dass sie nicht auf Einzelheiten achtet.“

„Also, wann willst du mich?“ Schlechte Wortwahl. „Ich meine, wann soll ich einziehen?“

„Jederzeit. Brauchst du einen Transporter für die Möbel?“

„Alles, was ich besitze, passt in meinen Wagen.“

„Kein Problem. Ich bin komplett ausgestattet.“

Irgendwie klang das zweideutig, aber da er es bei ihr hatte durchgehen lassen, schwieg sie.

„Okay, dann sehen wir uns, wenn du morgen bei mir ankommst“, fuhr er fort.

„Ich muss alles einpacken und in den Wagen laden, also wird das wohl erst gegen Abend sein.“

„Wann auch immer. Ich werde da sein“, versprach er, bevor er aufstand und die Tür ansteuerte.

Doch bevor er sie erreichte, blieb er stehen, und der Duft seines Rasierwassers stieg ihr in die Nase. Er beugte sich zu ihr, und sein Atem strich warm über ihr Ohr. „Sollen wir unsere Abmachung mit einem Kuss besiegeln?“, fragte er.

Josie warf ihm einen vernichtenden Blick zu.

Er lachte. „War nur ein Scherz“, versicherte er und ging weiter.

Mit der Hand auf dem Türknauf lächelte er ihr zu. „Danke. Du weißt gar nicht, was für eine Last du mir von den Schultern genommen hast.“

„Es ist gut zu wissen, dass ich mit Pip irgendwo unterkomme“, gestand sie.

Das entsprach allerdings nicht ganz der Wahrheit. Sicher, sie hatte ein neues Dach, unter dem sie mit ihrem Hund leben konnte. Doch als Michael Dunnigan die Tür hinter sich schloss, fragte sie sich, ob sie ihr altes Problem nicht gegen ein neues eingetauscht hatte.

2. KAPITEL

„Wie war das Date? Fandst du sie nicht einfach bezaubernd?“

„Hallo, Ma“, erwiderte Michael, um der Frage seiner Mutter auszuweichen, als er am Sonntagvormittag um zehn bei ihr ankam. Sie wohnte ebenfalls in Brooklyn, nur ein paar Querstraßen von ihm entfernt.

Wie immer um diese Zeit stand sie am Herd und bereitete Pfannkuchen zu. Sie trug einen roten Jogginganzug, ein aufwendiges Make-up und einen Turban aus Toilettenpapier, der die füllige Frisur über Nacht schützen sollte.

„Es ist Tag, Ma. Du kannst das Ding abnehmen“, sagte Michael, nachdem er sie auf die Wange geküsst hatte.

Elsa Dunnigan ließ den goldbraunen Pfannkuchen auf einen Teller gleiten und folgte der Bitte ihres Sohnes. Abgesehen vom Hinterkopf, an dem sie ein wenig flacher war, saß die Frisur tadellos.

„Das Date, Mikey. Ich will wissen, wie es war.“

Michael nahm einen Schluck Orangensaft aus dem Glas, das sie ihm schon an seinen Platz am Küchentisch gestellt hatte, und bemerkte dabei, dass nur für zwei Personen gedeckt war. Das sonntägliche Frühstück mit ihrer Mutter war in seinem Kalender und dem seiner jüngeren Schwester ein fester Termin. Also ignorierte er ihre Frage ein zweites Mal.

„Kommt Cindy nicht?“

„Sie muss zu einer Geschenkparty. Eine ihrer Freundinnen heiratet“, erklärte Elsa, während sie eine Platte mit Schinkenspeck und Würstchen aus dem Ofen nahm und sie zusammen mit Pfannkuchen und Spiegeleiern auf den Tisch stellte. „Und wenn du mir nicht sofort antwortest, rufe ich Dr. Miranda selbst an und sage ihr, dass du das Date mit ihr wunderschön fandst und sie unbedingt schon heute Abend wiedersehen willst.“

Michael wusste, dass seine Mutter genau das tun würde, also gab er auf. „Das Date war gut und schlecht“, begann er, als sie sich zu ihm setzte. „Schlecht war das Date an sich, gut war die Tatsache, dass es mir etwas klargemacht hat.“

Auf dem Nachhauseweg von Josie Tates Wohnung am Abend zuvor hatte er sich zurechtgelegt, wie er seiner Mutter diese plötzliche Wendung erklären würde.

„Ich verstehe nicht“, erwiderte sie. „Du mochtest Dr. Miranda nicht?“

„Nein, Ma.“

Elsa Dunnigan runzelte so heftig die Stirn, dass ihre Augen schmal wurden und fast zwischen den Falten verschwanden.

„Sie ist eine nette Person“, beharrte seine Mutter. „Sie ist eine gute Ärztin mit einer florierenden Praxis und will unbedingt heiraten. Sie will Kinder und wird eine gute Ehefrau sein. Dafür, dass sie Probleme mit den Nebenhöhlen hat und sich alle fünf Minuten die Nase putzen muss, kann sie nichts. Und wenn sie das Haar länger trägt, sieht man die großen Ohren nicht mehr. Ich könnte ihr einen Termin bei Cissy besorgen. Ich meine, jetzt, da ich die Wogen geglättet habe, nachdem du sie ja nicht zurückgerufen hast.“

Cissy war Elsas Friseurin. Sie trug ihr Haar noch fülliger und kastenartiger als ihre Kundinnen. Beim Date mit ihr hatte Michael sich die ganze Zeit gefragt, warum sie nicht begriff, dass ihre Frisur seit mindestens zwanzig Jahren out war. Allein die Erinnerung daran war Anstoß genug, seiner Mutter die Geschichte aufzutischen, mit der er sich weitere Verabredungen ersparen konnte.

„Ich bin verlobt“, verkündete er.

Elsa stieß einen nicht sehr schmeichelhaften Laut aus. Offenbar glaubte sie ihm nicht. „Mit Dr. Miranda?“, versuchte sie zu scherzen.

„Nein, nicht mit Miranda.“

„Mit wem dann? Ich glaube dir nicht.“

„Es ist aber wahr“, beteuerte Michael. „Ich bin verlobt.“

„Mit wem?“

„Du kennst sie nicht“, erwiderte er ruhig. Er wusste, wie riskant sein Plan war. Er war nie ein guter Lügner gewesen. Seine Mutter hatte ihn jedes Mal durchschaut. Aber jetzt stand einfach zu viel auf dem Spiel. Dieses Mal musste er sie überzeugen. „Ihr Name ist Josie Tate. Sie arbeitet als Empfangssekretärin bei Manhattan Multiples. Erinnerst du dich an den Bericht in der Zeitung? Dort wird Frauen geholfen, die mehr als ein Baby bekommen. Du hast ihn mir selbst gezeigt.“

Autor

Victoria Pade
Victoria Pade ist Autorin zahlreicher zeitgenössischer Romane aber auch historische und Krimi-Geschichten entflossen ihrer Feder. Dabei lief ihre Karriere zunächst gar nicht so gut an. Als sie das College verließ und ihre erste Tochter bekam, machte sie auch die ersten schriftstellerischen Gehversuche, doch es sollte sieben Jahre dauern, bis ihr...
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