Katie - süßer Wirbelwind

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Diese bezaubernde Schönheit ist Katie, der freche Wirbelwind, der ihm früher das leben so schwer gemacht hat? Nick Kenton, als Banker und bei Frauen erfolgreich, verliebt sich spontan in das temperamentvolle Energiebündel. Doch er ist verlobt mit der kühlen Lilian ...


  • Erscheinungstag 03.09.2022
  • ISBN / Artikelnummer 9783751517782
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Katie. Katie Deakins.

Nick ließ sich beide Varianten durch den Kopf gehen und hoffte, dass ihm ein Gesicht dazu einfallen würde. Umsonst. Die Katie, die er kannte, hatte wie alle anderen Mädchen ausgesehen. Zumindest vermutete er das. Denn eigentlich erinnerte er sich nicht gut genug an sie, um sicher zu sein. Er erinnerte sich nur noch an die Feindschaft, die zwischen ihnen geherrscht hatte.

„Welche Laus ist dir denn über die Leber gelaufen?“

Derek, der sich mit Nick die teure Wohnung teilte, erschien zum Frühstück. Er litt noch immer unter den Nachwirkungen der letzten Nacht. Derek war Ende Zwanzig, hatte lustig blitzende Augen, das Gesicht eines frechen Jungen und mehr Charme, als ihm guttat. Er zog fragend die Augenbrauen hoch, als er sah, dass Nick einen Bogen blassblaues Briefpapier in der Hand hielt.

„Aha! Ein Brief von der Dame“, stellte Derek grinsend fest. „Von der Grausamen, deren Schönheit …“

„Er ist von meiner Schwägerin, falls du das meinst“, unterbrach Nick ihn beherrscht.

„Genau. Isobel, die Dame, die dir den Kopf verdreht hat, als du vierundzwanzig warst, dich beinahe erhört hätte, sich aber dann für deinen Bruder entschied. Kluge Frau.“

„Halt den Mund“, fuhr Nick ihn an.

Derek wurde ernst. „Ich verstehe. Die Narben sind auch nach fünf Jahren noch nicht verheilt.“

„Was hast du gestern Abend getrunken?“

„Ich weiß es nicht mehr“, gestand Derek. „Aber es war eine tolle Party.“

„Ich weiß. Ich konnte alles hören.“

Im Apartment über ihnen wohnten einige sehr lebenslustige junge Frauen, Stewardessen und ein Model. Wenn sie ausnahmsweise alle zusammen zu Hause waren, ging es immer hoch her.

„Du hättest hinaufkommen und mitfeiern sollen“, sagte Derek und lächelte beim Gedanken an die Party.

„Ich musste arbeiten.“

„Das musst du immer, wenn andere Leute Spaß haben. Nimm es doch mal etwas leichter. Die Welt wird nicht gleich untergehen, weil du einen Abschlussbericht nicht rechtzeitig fertig hast.“

„Ich muss im Augenblick keine Berichte schreiben. Zwei meiner wichtigsten Klienten fusionieren, und ich versuche, das Geschäft abzuwickeln, ohne dass sie dabei einen Nervenzusammenbruch bekommen. Dafür bin ich völlig am Ende. Ich nehme es leicht, sobald das Schlimmste vorbei ist.“

„Nie im Leben! Du stürzt dich direkt in die nächste Krise. Gib mir nicht die Schuld, wenn du einen Herzinfarkt hast, bevor du fünfzig bist. Warum starrst du denn immer noch auf den Brief? Gibt es ein Problem?“

„Du bist es“, sagte Nick. „Wie kann ich ein unschuldiges junges Mädchen in deine Nähe bringen?“

„Wie meinst du das?“

„Isobels kleine Schwester Katie kommt nach London, und ich soll mich um sie kümmern.“ Derek lachte schallend, und Nick warf ihm einen finsteren Blick zu. „Das ist nicht lustig!“

„Doch.“ Derek beruhigte sich wieder. „Du bist genau der Richtige dafür, verantwortungsbewusst und früh gealtert.“

„Wenn du damit sagen willst, dass ich ernsthafte Interessen habe und mein Leben nicht mit Revuetänzerinnen aus der hintersten Reihe verschwende …“

„Aus der ersten Reihe. Ich habe meine Prinzipien. Nick, du bist zu jung für ernsthafte Interessen. Neunundzwanzig und schon auf dem Weg zur Pension. Du trägst ja sogar Krawatten!“

„Ich bin schließlich Finanzberater. Wir können eben nicht alle in Jeans herumlaufen.“

Derek lächelte schalkhaft und sah besonders jungenhaft aus. Nick hatte ein schmales Gesicht und dunkle Augen und machte dagegen den Eindruck, alles etwas zu ernst zu nehmen, sich selbst eingeschlossen.

„Isobel möchte, dass ich Katie ‚unter meine Fittiche nehme‘“, stöhnte er.

„Wie alt ist Katie?“

„Etwa siebzehn.“

„Aha.“

„Dein Ton gefällt mir gar nicht. Katie ist tabu für dich. Ich vertrete Vaterstelle an ihr.“

„Was heißt das?“

„Das heißt: lass deine gierigen Finger von ihr.“

„Entspann dich doch endlich!“

Das predigte er Nick laufend. Entspann dich, nimm nicht alles so ernst! Doch die Ratschläge stießen auf taube Ohren.

Nick war im Schatten seines großen Bruders aufgewachsen. Brian war ein gut aussehender Hüne, hatte ein fröhliches Lächeln und eine Abneigung gegen Bücher. Er war eine Sportskanone gewesen, der man eine Profikarriere im Football prophezeit hatte. Nick war „der Kluge“, gewesen und hatte Tag und Nacht für Prüfungen gelernt, weil er Brian nur darin übertreffen konnte.

Nick hatte Stipendien bekommen und Brian alle Mädchen. Nick war immer Klassenbester gewesen, doch Brian war überall beliebt. Als er älter wurde, hätten die meisten Menschen Nick als attraktiv bezeichnet. Er war groß, schlank und bewegte sich mit unbewusster Eleganz. Seine leicht melancholische Ausstrahlung schien auf ein komplexes Seelenleben hinzudeuten. Er hatte feine Gesichtszüge, die etwas zu ernst wirkten, was jedoch von einem ausdrucksvollen Mund gemildert wurde. Nicks Lächeln kam immer unerwartet und wirkte deshalb umso sympathischer.

Er hatte zahlreiche Freundinnen gehabt, doch seine Beziehungen hielten nie lange. Er war zu ernsthaft für sein Alter, und seine Freundinnen verließen ihn zumeist wegen unterhaltsamerer Partner. So etwas war seinem Bruder nie passiert, der Frauen magisch anzog und sie auch auf Dauer bezauberte. Nick hasste Brian nicht, denn das war unmöglich. Aber es ärgerte ihn.

Aus der Football-Karriere war nichts geworden, und Brian hatte sich damit begnügt, in seiner Heimatstadt ein kleines Sportgeschäft zu eröffnen. Nick war nach London gezogen und ein erfolgreicher Banker geworden. Aber er hatte die Gewohnheiten seiner Jugend nicht abgelegt. Es gab immer noch eine Prüfung zu bestehen, ein weiteres Ziel zu erreichen, bevor er daran denken konnte, sein Leben zu genießen.

Nick hatte schnell Karriere gemacht und sich zur Feier seiner letzten Beförderung das elegante Apartment hoch über der Themse gekauft. Zur Einweihungsparty waren viele wichtige Leute aus dem Bankwesen gekommen und einige, die Nick noch nie zuvor gesehen hatte. Einen von ihnen hatte Nick schlafend hinter dem Sofa gefunden, nachdem die anderen Gäste gegangen waren. So hatte er Derek kennengelernt.

Dieser entwarf Computersoftware und hatte bereits ein kleines Vermögen damit verdient, aber er besaß die Einstellung eines Landstreichers. Er zog es vor, bei Freunden zu wohnen, statt sich ein eigenes Zuhause zu schaffen. Nick hatte sich mit der Hypothek übernommen und war froh gewesen, dass Derek sein Untermieter wurde.

Seitdem war ein Jahr vergangen, und die beiden wohnten immer noch unter einem Dach. Sie trieben einander in den Wahnsinn, doch keiner von ihnen hatte es eilig damit, die Wohngemeinschaft aufzulösen. Sie waren wie Feuer und Wasser, und jeder war entsetzt über den Lebensstil des anderen. Doch trotz aller Widrigkeiten hatten sie Freundschaft geschlossen.

Nick verließ das Haus zehn Minuten zu spät und kam in den Berufsverkehr. Er brütete über das schwere Schicksal, das ihn bald ereilen würde.

Katie Deakins! Das Mädchen, das sein Leben ruiniert hatte.

Er konnte sich wieder an alles erinnern. Delford, die verschlafene Kleinstadt, in der er aufgewachsen war. Er hing an dem kleinen Ort und besuchte seine Eltern oft.

Bei einem dieser Besuche hatte er Isobel kennengelernt und war sofort von ihrer Schönheit bezaubert gewesen. Sie war zwei Jahre älter als er, aber was machte das schon? Er verliebte sich von Tag zu Tag heftiger in sie. Isobel war Ärztin und arbeitete seit Kurzem in der örtlichen Praxis. Ihre Eltern waren geschieden, und ihr Vater lebte in Australien. Nach dem Tod ihrer Mutter hatte Isobel ihre kleine Schwester aufgezogen. Katie.

Das Kind hieß genauso wie die Heldin in Shakespeares Der Widerspenstigen Zähmung, und der Name passte zu ihr.

Nick erinnerte sich wieder an Katies Aussehen: klein und schlaksig, mit langen Haaren, die ihr immer in das schmale Gesicht fielen.

Warum mochte sie mich nicht? fragte sich Nick. Zunächst schien sie nur besitzergreifend an Isobel zu hängen. Er hatte Katie oft genug bestochen, damit sie ihn mit Isobel allein ließ, aber sie war immer früh zurückgekommen, und Nick hatte nie gewagt, sie zur Rede zu stellen.

Einmal hatte er einen Wochenendurlaub für Isobel und sich gebucht, um der Beziehung eine neue Dimension zu geben. Der Urlaub war ins Wasser gefallen, weil Katie Bauchschmerzen bekommen hatte und Isobel sie nicht allein lassen konnte. Nick hatte nie an diese plötzliche Krankheit geglaubt. Sie hatte Katie nicht davon abgehalten, auf Bäume zu klettern.

Jedermann war von Katie begeistert gewesen. Auch Nick hätte sie sicher gemocht, wenn sie und er nicht ständig um Isobel gerungen hätten. Katie war immer fürsorglich gewesen und hatte sich um alle Bedürftigen gekümmert. Das Haus war voll streunender Tiere gewesen, um die Katie sich liebevoll gekümmert hatte.

Mit Nick war es etwas anderes gewesen. Katie hatte offenbar einen Blick auf ihn geworfen und gedacht: Igitt! Es war ihr liebster Zeitvertreib gewesen, ihn zur Weißglut zu treiben.

Seine Erinnerungen überschlugen sich plötzlich. Er hatte Isobel seinem Bruder vorgestellt. Die beiden hatten einander angelächelt, und Nick hatte plötzlich ein ungutes Gefühl gehabt.

Eines Nachmittags hatte er Isobel besucht und sie im Morgenmantel in der Küche angetroffen. Brian stand mit nacktem Oberkörper hinter ihr und küsste sie gerade auf den Hals. Als sie Nick sahen, errötete Isobel und sagte nur: „Es tut mir leid, Nick.“

Brian sagte überhaupt nichts, sondern stand nur da und grinste dümmlich.

Und Katie? Wo war Katie, als sie ein einziges Mal etwas Nützliches hätte tun können? Nirgendwo. Sie war verschwunden und hatte Brian und Isobel das Feld überlassen.

Es kam noch schlimmer. Katie mochte Brian. Er hatte sie nicht einmal bestechen müssen, um mit Isobel allein zu sein. Katie hatte nicht alle Verehrer von Isobel fernhalten wollen. Nur Nick.

Natürlich war er darüber hinweggekommen. Nur in kitschigen Liebesfilmen trug ein Mann einen solchen Groll jahrelang mit sich herum. Im wirklichen Leben machte er das Beste daraus, tanzte auf ihrer Hochzeit und wurde Patenonkel ihrer Kinder. Mit der Zeit hatte Nick eingesehen, dass er nicht wirklich betrogen worden war. Isobel und Brian hatten sich auf den ersten Blick ineinander verliebt. Daran war niemand schuld gewesen. Doch Isobel war für Nick noch immer die ideale Frau, an der alle anderen gemessen wurden.

Auf der Hochzeit hatte Katie sich in dem blauen Brautjungfernkleid aus Satin ebenso unwohl gefühlt wie Nick sich in seinem Frack. Isobel war sehr mitfühlend gewesen und hatte ihn sogar besonders liebevoll geküsst. Brian hatte fröhlich lächelnd dabeigestanden und nicht einmal genug Anstand besessen, um eifersüchtig zu werden. Katie hatte auch zugesehen, und Nick hätte schwören können, dass das kleine Biest hämisch gegrinst hatte.

Er hatte Katie schon lange nicht mehr gesehen. Sie hatte ihren Vater in Australien besucht und war drei Jahre lang fortgeblieben. Nick kam zu Weihnachten immer nach Delford und verbrachte die Feiertage damit, von seinen Nichten und Neffen mit Beschlag belegt zu werden. Isobel und Brian hatten drei Kinder, und ein weiteres war unterwegs. Sie waren alle zufrieden und hatten die Vergangenheit begraben.

Doch Nick würde sich immer fragen, ob die Sache ohne Katie anders ausgegangen wäre.

Der Gedanke, auf sie aufpassen zu müssen, gefiel ihm gar nicht. Er würde Isobel anrufen und sie bitten, andere Pläne zu machen. Da der Verkehr schon wieder zum Stillstand gekommen war, griff Nick zum Autotelefon. Er erfreute sich noch immer am Klang ihrer Stimme, sanft, ein wenig rau und charmant weiblich.

„Mein lieber Nick, du hast also meinen Brief bekommen. Ich bin so froh, dass ich mich immer auf dich verlassen kann.“

„Du weißt, ich bin immer für dich da, aber …“

„Du bist ein Schatz! Oh Nick, kann ich dir etwas anvertrauen?“

„Aber natürlich“, sagte Nick, wie üblich unfähig, ihr zu widerstehen.

„Ich mache mir Sorgen um Katie, seit sie aus Australien zurück ist. Sie glaubt, erwachsen zu sein, aber sie ist noch so jung. Sie hat sich in den Kopf gesetzt, nach London zu fahren …“

„Du musst sie davon abbringen, Isobel.“

„Ich weiß, aber ich schaffe es nicht. Wenn ich es ihr verbiete, wird sie weglaufen und womöglich in schlechte Gesellschaft geraten. Du wirst es nicht leicht mit ihr haben. Sie ist ein richtiger Wildfang, und du darfst sie nicht aus den Augen lassen.“

„Aber ich muss doch arbeiten. Bist du sicher, dass es eine gute Lösung ist …?“

„Ich wäre sehr erleichtert, sie außerhalb der Reichweite eines bestimmten jungen Mannes zu wissen. Sie sagt ihm zwar immer wieder, dass sie nicht interessiert sei, aber er gibt einfach nicht auf. Sein Name ist Jake Ratchett, also sei auf der Hut.“

„Isobel, ich …“

„Liebster Nick, du bist wirklich mein Retter in der Not. Vielen Dank, dass du mir diese Sorge abnehmen willst.“

„Du weißt, ich würde alles für dich tun“, sagte Nick und schlug all seine Bedenken in den Wind.

„Katie wird sicher nach einigen Wochen genug haben, aber du musst gut auf sie aufpassen.“

„Das werde ich.“

„Und sie darf abends nicht zu lange ausgehen.“

„Vertrau mir.“

„Würde es dir viel ausmachen, ab und zu selbst mit ihr etwas zu unternehmen? Nur zur Sicherheit.“

„Für dich tue ich selbst das.“

„Ihr Zug kommt morgen Abend um 17.30 Uhr an. Ich werde ihr sagen, dass du sie abholst.“

„Isobel …“

„Ich muss jetzt Schluss machen, das Baby schreit. Liebe Grüße von Brian. Auf Wiederhören, mein Lieber.“

Patsy Cornell organisierte Nicks Leben. Offiziell war sie seine Sekretärin und nannte ihn vor Kunden „Mr. Kenton“ oder sogar „Sir“. Doch es war nur eine Tarnung. Patsy war Witwe, Mitte Fünfzig, hatte zwei Söhne und vier Enkel und wenig Respekt vor Männern. Indem sie geschickt investiert hatte, war sie finanziell abgesichert und hätte es sich erlauben können, sich zur Ruhe zu setzen. Doch ihre Söhne lebten nicht mehr zu Hause, und Patsy machte die Arbeit Spaß.

Nach dreißig Jahren bei Debenham & Wentworth wusste sie alles über Firmenfinanzierung. Nick machte keinen Hehl daraus, wie viel er Patsy verdankte, was für seinen Charakter und Patsys Taktgefühl sprach.

Sie war mollig und fröhlich, hatte einen überaus scharfen Verstand, und ihre Klugheit war geradezu unheimlich. Als Nick sie zum Lunch in eines der besten Londoner Restaurants einlud, wusste sie gleich, dass etwas dahintersteckte.

„Wozu willst du mich überreden?“, fragte sie ihren Chef, als sie am Tisch saßen und einen Aperitif tranken. Trotz des misstrauischen Tonfalls funkelten ihre Augen.

Nick beschloss, den Stier gleich bei den Hörnern zu packen. „Ich möchte, dass du bei mir einziehst.“

„Nick, wie schmeichelhaft! Aber ich suche keinen Liebhaber. Außerdem bist du nicht mein Typ. Wenn es um deinen gut aussehenden Wohnungsgenossen ginge …“

„Warum sind bloß alle Frauen so begeistert von Derek?“, fragte Nick gereizt.

„Es liegt an seinem jungenhaften Charme. Unwiderstehlich.“

„Das ist ja gerade das Problem. Ich möchte, dass du Derek samt seinem Charme von einer jungen Dame fernhältst, die mir anvertraut wurde.“

Patsy lachte respektlos auf. „Erzähl mir mehr davon“, sagte sie neugierig.

Während des ausgezeichneten Mittagessens vertraute Nick ihr seine Sorgen an.

„Du bist wirklich ungerecht. Das arme Kind“, protestierte Patsy.

„Patsy, versteh doch“, flehte Nick. „Sie ist kein Kind im herkömmlichen Sinn, sondern eine Außerirdische vom Planeten Tharg, die auf der Erde gelandet ist, um mir das Leben zur Hölle zu machen.“

Patsy verschluckte sich daraufhin fast an ihrem Spargel. „Hör auf, wie ein unwissender Junggeselle zu reden. Was du da beschrieben hast, ist eigentlich ein ganz normales Kind. Meine beiden waren damals genauso.“

Nick schüttelte den Kopf. „Nein. Katie ist kein menschliches Wesen. Ihre Ellenbogen sind Messerklingen. Sie hat mir damit ständig in die Rippen gestoßen. Ich habe noch immer blaue Flecke davon.“

„Aber so etwas tut sie doch sicher mit siebzehn nicht mehr.“

„Ihr ist alles zuzutrauen“, sagte Nick finster.

Patsy bemühte sich, ernst zu bleiben. „Wie alt warst du, als das alles passierte?“

„Vierundzwanzig. Warum?“

„Das dachte ich mir. In dem Alter geht eine seltsame Wandlung in Männern vor. Sie sind der irrigen Meinung, nun eine gewisse Reife erreicht und Respekt verdient zu haben. Katie hat dich aufgezogen, und das hat dir zu schaffen gemacht.“

Ein wehmütiges Lächeln breitete sich auf Nicks Gesicht aus und ließ es sehr attraktiv wirken. „Nein, Patsy, das ist nicht wahr! Na, vielleicht ein wenig. Aber im Ernst, Katie ist in einem schwierigen Alter und London eine gefährliche Stadt für ein naives junges Mädchen.“

„Kann dir Lilian nicht helfen? Schließlich ist sie deine Freundin.“

„Meine Beziehung zu Lilian ist noch zu ungeklärt“, sagte Nick vorsichtig. „Ich glaube nicht, dass sie einen solchen Schock überstehen würde. Es geht nur um wenige Wochen, aber ich habe Isobel versprochen, Katie nicht aus den Augen zu lassen, also muss sie bei mir wohnen.“

„In der Nähe des fabelhaften Derek.“

„In seiner Nähe. Genau. Wie soll ich Isobel je wieder unter die Augen treten, wenn Katie in Schwierigkeiten gerät? Und da dachte ich …“ Sein Tonfall wurde flehend.

„Du dachtest an mich“, beendete Patsy den Satz belustigt.

„Jeder weiß, dass du ein Herz aus Gold hast, Patsy. Du wirst mich doch nicht im Stich lassen, oder?“

Sie überlegte. „Ich müsste aber Horace mitbringen.“

Horace war Patsys Kater, ein langhaariger, schlecht gelaunter Perser. Nick hatte seine Bekanntschaft gemacht, als Patsy ihn für einige Tage mit ins Büro gebracht hatte, weil er krank gewesen war und alle vier Stunden eine Tablette hatte einnehmen müssen. Horace war betagt, hatte eigenartige Angewohnheiten, betete Patsy an und verabscheute den Rest der Menschheit. Alle waren froh gewesen, als er wieder gesund genug war, um zu Hause bleiben zu können.

„Horace ist mir willkommen“, log Nick resigniert.

„In diesem Fall ziehe ich sofort ein.“

„Vielen Dank, du rettest mir damit das Leben.“

„Nein, du rettest meins. Ich hatte mich schon gefragt, ob ich mir den Urlaub in der Karibik überhaupt leisten kann.“

Nick hatte gerade das Glas gehoben, hielt aber plötzlich inne. „Wie bitte?“

„Wenn ich Tag und Nacht im Dienst bin, bringt mir das einen dicken Bonus ein.“

„Was ist aus deinem goldenen Herzen geworden?“

„Hast du dich in letzter Zeit über den Goldpreis informiert?“

Am nächsten Abend war Nick pünktlich am Bahnhof. Er war fest entschlossen, seine Pflicht zu erfüllen, und hatte sich den ganzen Abend für Katie freigenommen. Doch sein etwas gequältes Lächeln verschwand, als die Menschen an ihm vorbeiströmten, ohne dass Katie dabei gewesen wäre. Schließlich hatte sich der Bahnsteig geleert.

„Sie hat den verdammten Zug verpasst!“, sagte Nick wütend. „Ich hätte es mir denken können!“

Er ging zum Auto zurück und hatte vor, Isobel anzurufen, als ein schnittiger roter Sportwagen vorfuhr. Ein junger Mann stieg aus und öffnete die Beifahrertür, um einer Göttin aus dem Wagen zu helfen. Das war wirklich die einzig passende Bezeichnung für sie. Sie hatte ein schmales Gesicht, feine Zügen und geheimnisvolle grüne Augen. Hellbraune, kupferrot schimmernde Locken fielen ihr bis über die Schultern. Sie war zierlich und mit einem edlen Hosenanzug aus Leinen bekleidet, der ihre sanft geschwungenen Hüften betonte. Dazu trug sie eine weiße Seidenbluse und eine silberne Halskette. Nick hielt den Atem an.

„Du brauchst nicht zu warten, Freddy.“ Ihre Stimme klang sanft und stellte seltsame Dinge mit Nicks Puls an.

„Natürlich warte ich“, sagte der junge Mann. „Ich kann dich doch nicht allein dem Feind überlassen.“

Ihr fröhliches Lachen hielt Nick davon ab, nach dem Telefonhörer zu greifen. Er lauschte, weil es ihm Freude machte, ihre Stimme zu hören. „Er ist kein Feind.“

„Du hast ihn immer als Monster beschrieben“, wandte Freddy ein.

„Ich bin ein großes Mädchen. Ich werde auch mit Monstern fertig.“

„Darling, du bist sehr mutig. Ruf mich sofort an, wenn er gemein zu dir ist.“

„Ich bin sehr froh, dass ich mich auf dich verlassen kann“, sagte sie ernst.

Sie hat ihn fest im Griff, dachte Nick amüsiert. Armer Teufel.

Schließlich fuhr der eifrige Verehrer wieder ab. Die Göttin drehte sich um und sah Nick an. Ein angenehmer Schauer überlief ihn, als er ihr in die Augen blickte, die amüsiert funkelten.

„Was hätten Sie getan, wenn er nicht gegangen wäre?“, fragte Nick lächelnd.

„Ich hätte ihn irgendwie überzeugt.“

Mit Sicherheit, dachte Nick. Sie war dafür geschaffen, Männer um den Finger zu wickeln.

„Wurden Sie auch versetzt?“, fragte er.

„Wie bitte?“

„Von dem Mann, mit dem Sie sich treffen wollten, dem ‚Feind‘. Er scheint nicht gekommen zu sein.“ Er bemerkte einen seltsam fragenden Ausdruck in ihren Augen, der sehr charmant wirkte. „Darf ich Sie zu einer Tasse Kaffee einladen, während Sie auf ihn warten?“

Sie sah ihn verblüfft an. „Sie wollen …?“

„Oder müssen Sie einen Zug erreichen?“

„Warten Sie denn nicht auf jemanden?“, fragte sie zögernd.

„Doch, aber sie ist nicht aufgetaucht. Ich hätte mir denken können, dass sie mich versetzt.“

„Wer?“

„Die Schwägerin meines Bruders. Ich habe mich dazu überreden lassen, den Babysitter für die Göre zu spielen, solange sie in London ist. Ich muss verrückt gewesen sein. Aber bisher hat sie sich nicht blicken lassen. Wenn ich Glück habe, kommt sie vielleicht nicht.“

„Man kann nie wissen“, meinte sie und betrachtete Nick interessiert. „Ich würde gern eine Tasse Kaffee trinken, danke.“

„Großartig. Aber ich muss erst die Schwester der Kleinen anrufen und herausfinden, was passiert ist.“

„Warum denn?“, fragte die Göttin schnell. „Sie kommt bestimmt mit dem nächsten Zug. Rufen Sie später an. Erzählen Sie mir von sich.“

Als sie in dem gemütlichen Café saßen, sagte er: „Ich heiße Nick.“

„Ich bin … Jennifer.“

„Sie scheinen sich nicht ganz sicher zu sein.“

„Meine Eltern haben mir und meinen Schwestern zahlreiche Vornamen gegeben. Ich habe fünf. Mary, Jennifer, Alice und noch einige mehr. Ich suche mir immer nach Lust und Laune einen aus.“

„Und heute sind Sie Jennifer?“

Er bemerkte ein Blitzen in ihren Augen, das er nicht deuten konnte. „Ich bin in diesem Moment Jennifer. Erzählen Sie mir mehr von der Göre. Sie müssen ja ein sehr gutmütiger Mensch sein, da Sie sich dazu bereit erklärt haben, auf sie aufzupassen.“

„Es wird vermutlich nicht lange dauern. Einige Wochen werde ich schon überstehen. Ich tue es für jemanden, der mir sehr viel bedeutet.“

Sie blickte ihn mitfühlend an, und Nick begann plötzlich, von Isobel zu erzählen. Hin und wieder nickte Jennifer. Sie hatte etwas an sich, das Nick an Isobel erinnerte, obwohl sie ihr äußerlich überhaupt nicht ähnelte. Doch beide Frauen besaßen eine Ausstrahlung, die Wärme und Verständnis verhieß.

„Wissen Sie, was ich glaube?“, fragte Jennifer, nachdem sie Nicks Geschichte gehört hatte. „Ich glaube, Sie lieben Isobel immer noch.“

„Vielleicht ein wenig. Sie ist so etwas wie ein Ideal für mich, an das keine andere Frau heranreicht. Ich würde für niemand anders auf den Giftzwerg aufpassen.“

„Den was?“

Nick lächelte schalkhaft. „Es ist mir gerade wieder eingefallen. Ich habe Katie früher immer so genannt.“

Die Stimme der Göttin hatte plötzlich einen seltsam angespannten Klang. „Womit hatte sie den Spitznamen verdient?“

„Erinnern Sie mich bloß nicht daran.“

„Aber Sie haben sich bestimmt nicht getraut, es ihr ins Gesicht zu sagen.“

„Stimmt. Sie hätte mir lebendige Aale ins Bett gelegt. Nein, ich habe den Namen für mich behalten. Jedenfalls hat sie mir auch einige gemeine Schimpfnamen gegeben.“

In Jennifer war eine beunruhigende Veränderung vor sich gegangen. Als sie Nick ansah, blitzten ihre Augen eindeutig feindselig.

„Aber sie hatte auch einen geheimen Namen für dich“, sagte sie, „von dem du nichts weißt. Nick die Nervensäge!“

„Was?“

„Die Nervensäge“, sagte sie aufgebracht. „Nick der Niederträchtige. Davon hattest du keine Ahnung!“

„Wovon reden Sie?“

„Denk mal nach. Ich weiß alles über dich, Nick. Ich weiß, dass du nur Grapefruit zum Frühstück isst und bis spät in die Nacht liest, weil du nicht viel Schlaf brauchst. Ich weiß sogar, dass einer deiner Füße eine halbe Nummer größer ist als der andere.“

„Woher wissen Sie das alles?“, fragte Nick fassungslos.

Er hätte sich die Frage sparen können. Plötzlich wurde ihm alles klar. Er erkannte sie: seine Nemesis, seine Erzfeindin, sein unheimlicher Schatten.

Katie!

2. KAPITEL

Es war Katie. Die kratzbürstige Göre, an die er sich erinnerte, hatte sich in diese Göttin verwandelt. Nick stöhnte auf, als er daran dachte, was er ihr im Verlauf des Gesprächs alles anvertraut hatte.

„Moment mal“, sagte er verzweifelt, „du kannst unmöglich Katie sein. Sie war …“

„Ja?“, fragte sie drohend. „Überleg dir genau, was du sagst.“

„Ich weiß, dass inzwischen fünf Jahre vergangen sind, aber niemand kann sich so sehr verändern. Du warst doch noch ein Kind.“

„Ich war sechzehn.“

„Das kann nicht sein!“

„Ich weiß doch, wie alt ich war!“

„Aber du hast wie höchstens dreizehn ausgesehen.“

„Ich war ein Spätzünder“, erklärte Katie eisig. „Ich war klein und dünn für mein Alter, aber ich habe aufgeholt. Ich bin einundzwanzig Jahre alt und einssechzig groß.“

„Ist das etwa meine Schuld?“, fragte Nick unlogischerweise.

Autor

Lucy Gordon
<p>Die populäre Schriftstellerin Lucy Gordon stammt aus Großbritannien, bekannt ist sie für ihre romantischen Liebesromane, von denen bisher über 75 veröffentlicht wurden. In den letzten Jahren gewann die Schriftstellerin zwei RITA Awards unter anderem für ihren Roman „Das Kind des Bruders“, der in Rom spielt. Mit dem Schreiben erfüllte sich...
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