Keine Chance für die Liebe?

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Romantische Weihnachtszeit? Jonas hält nichts von solcher Gefühlsduselei. Deshalb ist der reiche Makler sicher: Mary fasziniert ihn nur, weil sie ihm ihr Haus nicht verkaufen will. Mit Liebe hat das nichts zu tun! Doch im Kerzenschein des Heiligen Abends kommen ihm erste Zweifel …


  • Erscheinungstag 21.11.2019
  • ISBN / Artikelnummer 9783733728519
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Abrupt blieb Mary stehen, als sie die hochgewachsene Gestalt am Ende der Metalltreppe entdeckte. Es war bereits dämmrig, und die Stiegen führten von ihrer Wohnung im ersten Stock eines ehemaligen Lagerhauses in eine schmale, schwach beleuchtete Seitenstraße. Abgesehen von dem Mann dort unten war niemand zu sehen.

Er war groß und breitschultrig und trug einen dunklen Mantel, der ihm fast bis zum Knöchel reichte. Das ebenfalls dunkle, etwas zu lange Haar war aus der Stirn gekämmt, und er hatte auffallend markante Gesichtszüge, mit hohen Wangenknochen, aristokratischer Nase und eckigem Kinn. Die Augen waren hell – ob grau oder blau, konnte man aus der Entfernung nicht erkennen.

Zu jedem anderen Zeitpunkt hätte Mary nach Pinsel und Palette gegriffen, um ein solches Gesicht auf der Leinwand festzuhalten, doch nach Malen war ihr im Moment nicht zumute. Sie fragte sich, was der Mann auf ihrem Grundstück zu suchen hatte.

Fröstelnd knöpfte sie die rosa Strickjacke zu, nachdem sie das lange schwarze Haar darunter hervorgezogen hatte. Es war Anfang Dezember und die Abendluft kalt.

„Kann ich Ihnen behilflich sein?“, fragte sie brüsk, während sie sich gleichzeitig die Ju-Jutsu-Griffe, die sie als Studentin erlernt hatte, ins Gedächtnis zurückrief. Man konnte nie wissen …

„Vielleicht“, erwiderte der Fremde. „Wissen Sie zufällig, ob Mary McCoy zu Hause ist?“

Woher kennt er meinen Namen? Sie hatte diesen Menschen noch nie gesehen.

„Was wollen Sie von ihr?“

Er runzelte die Stirn. „Ich verstehe, dass Sie misstrauisch sind, aber …“

„Ach ja?“

„Natürlich. Ich habe Sie erschreckt, und das tut mir leid, es war nicht beabsichtigt. Ich versichere Ihnen, dass der Grund meines Besuchs durchaus legitim ist. Ich möchte lediglich mit Miss McCoy sprechen.“

„Und wenn Miss McCoy nicht mit Ihnen sprechen will?“

Der Mann lachte gezwungen. „Das ist hoffentlich nicht der Fall. Wie dem auch sei, anstatt hier noch lange herumzustehen und rumzurätseln …“

„Das habe ich auch nicht vor, ich bin nämlich in Eile. In genau zehn Minuten machen die Patels dicht.“

„Wer?“

„Die Patels. Die Inhaber des Tante-Emma-Ladens zwei Straßen weiter. Und da ich noch ein paar Sachen einkaufen muss …“ Sie stieg die restlichen Stufen hinab und blieb vor ihm stehen. „Würden Sie mich bitte vorbeilassen?“

Das angenehm würzige Aroma seines Rasierwassers stieg ihr in die Nase. Seine Augen waren von einem leuchtenden Blau, und der Blick war so intensiv, dass es ihr einen Moment lang den Atem verschlug. Er war viel größer als sie und, den breiten Schultern nach zu urteilen, auch viel kräftiger. Was Mary jedoch nicht weiter beunruhigte – bei Ju-Jutsu zählte Technik, nicht etwa Muskelkraft, und die Technik beherrschte sie im Schlaf.

„Da Sie aus Miss McCoys Wohnung kommen, nehme ich an, Sie sind mit ihr befreundet“, bemerkte er.

„So, das nehmen Sie also an.“ Ironisch verzog sie den Mund.

Inzwischen bedauerte Jonas den impulsiven Entschluss, Mary McCoy noch so spät und ohne Voranmeldung aufzusuchen. Hätte er vorher mit ihr telefoniert, stünde er jetzt nicht vor verschlossener Tür. Und eine ihrer Freundinnen hätte er auch nicht behelligen müssen.

Diskret musterte er die halbe Portion vor ihm. Sie hatte wunderschönes schwarzes Haar, das ihr fast bis zur Taille reichte, und ein apartes Gesicht mit mandelförmigen rauchgrauen Augen. Eigentlich war sie sehr hübsch, wenn auch viel zu dünn. In der zu großen, nicht allzu sauberen Latzhose und den mit Farbe beklecksten Turnschuhen machte sie ganz den Eindruck der am Hungertuch nagenden Künstlerin. Was sie wohl auch beabsichtigte.

Kalt schien ihr auch zu sein, was Jonas durchaus nicht verwunderte. Die dünne rosa Strickjacke bot wenig Schutz gegen den scharfen Wind. Da er nach einer einwöchigen Geschäftsreise in Australien erst seit gestern wieder in London war, fand er selbst seinen Mantel aus Kaschmir nicht zu warm.

„Ich bedaure aufrichtig, dass ich Sie erschreckt habe“, entschuldigte er sich erneut, während er zur Seite trat, um sie vorbeizulassen.

Sie sah zu ihm auf – mit dem Scheitel reichte sie ihm gerade bis ans Kinn. „Sie haben mich nicht erschreckt“, versicherte sie spöttisch. Die Strickjacke enger um sich ziehend, wandte sie sich ab und eilte davon. An der zweiten Kreuzung blieb sie kurz stehen, um sich nach ihm umzudrehen. Die Straßenlampe beleuchtete einen Moment lang ihr blasses Gesicht und das glänzende Haar, dann war sie verschwunden.

Schulterzuckend stieg er die Treppe hinauf. Hoffentlich war Mary McCoy nicht ebenso kratzbürstig wie ihre Freundin!

Nach erledigten Einkäufen schwatzte Mary noch ein Weilchen mit den Ladenbesitzern, bevor sie sich wieder auf den Heimweg machte. Doch dann verlangsamte sie ihren Schritt – der Unbekannte war immer noch da. Er saß jetzt auf der untersten Treppenstiege und sah ihr nicht gerade freundlich entgegen.

Die Tüte mit Lebensmitteln auf dem Arm, blieb sie stehen. „Miss McCoy ist wohl nicht daheim“, bemerkte sie leichthin.

Jonas betrachtete sie nachdenklich. Seit einer Viertelstunde wartete er nun schon auf ihre Rückkehr. In der Wohnung hatte niemand auf sein Klopfen geantwortet; da sie jedoch hell erleuchtet war, musste jemand zu Hause sein. Oder war es zumindest bis vor Kurzem gewesen.

Was nur eins bedeuten konnte: Die junge Frau, die er für eine Freundin gehalten hatte, war Mary McCoy in Person. Eine Künstlerin, deren Gemälde seit einiger Zeit von Experten und Sammlern gleichermaßen gepriesen und zu beträchtlichen Preisen verkauft wurden – und die ihm seit sechs Monaten das Leben schwer machte.

Kritisch musterte er sie von Kopf bis Fuß. Diese halbe Portion in der ausgebeulten Latzhose und der rosa Strickjacke? Es war kaum zu glauben!

Er stand auf. „Wäre es nicht einfacher gewesen, Sie hätten mir gleich gesagt, dass Sie Mary McCoy sind?“

Nachlässig hob sie die schmalen Schultern. „Möglich. Aber bei Weitem nicht so amüsant.“

Jonas presste die Lippen zusammen. Zur Unterhaltung seiner Mitmenschen beizutragen gehörte nicht gerade zu seinen Ambitionen. „Nachdem ich nun weiß, wer Sie sind, schlage ich vor, wir setzen uns zu einem ernsthaften Gespräch zusammen“, informierte er sie brüsk.

„Abgelehnt.“

„Wie bitte?“

„Sie mögen ja wissen, wer ich bin, aber ich habe immer noch keine Ahnung, wer Sie sind.“

Sein Gesicht verfinsterte sich. „Ich bin derjenige, den Sie schon monatelang an der Nase herumführen.“

Mary runzelte die Stirn. Sie war sich sicher, dass sie ihm noch nie begegnet war. Keine Frau, ob jung oder alt, vergaß einen Mann, der knapp zwei Meter groß war und aussah wie er. „Tut mir leid, aber ich weiß nicht, wovon Sie reden.“

Abfällig verzog er den wohlgeformten Mund. „Ist Ihnen der Name Buchanan Construction ein Begriff?“

Eine Alarmglocke schrillte in ihrem Kopf, und mit schmalen Augen studierte sie erneut das markante Gesicht. Mit diesem Mann war nicht gut Kirschen essen. „Jetzt verstehe ich. Da Mr. Buchanan mit seinen bisherigen Bemühungen keinen Erfolg hatte, schickt er mir jetzt einen seiner Helfershelfer ins Haus.“

Ungläubig sah er sie an. „Sie halten mich für eine Art Gorilla, der Sie einschüchtern soll?“

„Wen sonst?“, konterte sie. „Firmenanwalt, Assistentin und Bauleiter waren schon hier und haben ihr Glück versucht, warum jetzt nicht auch ein Handlanger?“

„Weil es in meinem Unternehmen keine Handlanger gibt“, entgegnete er harsch. Ein kleiner Muskel zuckte deutlich sichtbar an seiner Wange.

In der Hoffnung, die renommierte, aber offenbar ziemlich störrische Mary McCoy mit logischen Argumenten überzeugen zu können, war Jonas heute Abend persönlich hergekommen – mit dem Ergebnis, sich die Beleidigungen einer gerade mal ein Meter fünfzig großen Xanthippe anhören zu müssen.

Marys rauchgraue Augen wurden noch größer. „Sie sind Jonas Buchanan?“

Voll Genugtuung konstatierte er, dass er dem Selbstbewusstsein der aufreizenden Person zumindest einen kleinen Hieb versetzt hatte. „Der bin ich. Sind Sie jetzt überrascht?“, spöttelte er.

Mehr als überrascht – Mary war wie vom Blitz getroffen.

Natürlich war ihr Buchanan Construction ein Begriff, die Anwaltsfirma des Unternehmens hatte ihr schließlich ein Kaufangebot für das Lagerhaus unterbreitet. Außerdem konnte man den Namen seit Monaten an genügend Londoner Baustellen lesen. Aber unter dem Besitzer eines weltweit bekannten Bauunternehmens hätte sie sich eher einen soignierten Herrn in den Fünfzigern oder Sechzigern vorgestellt, der sich sowohl das Essen als auch die Zigarre zum Cognac danach gut schmecken ließ.

Dieser Mann war höchstens Mitte dreißig, sonnengebräunt und athletisch. Mit Sicherheit kein Fan von Mahlzeiten mit fünf Gängen, hochprozentigen Getränken und dicken Zigarren.

„Können Sie sich ausweisen?“

Hörbar sog Jonas die Luft ein. Seit Jahren reiste er geschäftlich um die halbe Welt, und bisher hatte nie jemand bezweifelt, dass er der war, für den er sich ausgab. „Genügt Ihnen meine Kreditkarte?“, fragte er barsch und griff dabei in die Innentasche des Mantels.

„Nein.“

„Warum nicht?“

„Kreditkarten haben kein Foto. Jeder X-beliebige kann im Besitz einer Kreditkarte auf den Namen Jonas Buchanan sein.“

„Sie unterstellen mir, ich könnte sie gefälscht haben?“

„Gefälscht oder gestohlen.“ Sie zuckte die Schultern. „Reisepass oder Führerschein wären mir lieber.“

„Beide kann man ebenfalls fälschen. Oder auch stehlen“, fügte er sarkastisch hinzu.

„Hm, jetzt, wo Sie es erwähnen …“

Frustriert zog Jonas seinen Pass aus der Brusttasche, wo er nach dem Rückflug aus Sydney immer noch steckte. In der Tat, es war keine gute Idee gewesen, Miss McCoy aufzusuchen, aber nach dem erfolgreichen Geschäftsabschluss in Australien war er dummerweise davon ausgegangen, dass ihm auch sonst alles gelingen würde.

„Bitte.“ Mürrisch hielt er ihr den Reisepass hin.

Vorsichtig, um seine Hand nicht zu berühren, nahm Mary das Dokument entgegen, schlug es auf und begutachtete das Passfoto. Im Gegensatz zu ihrem eigenen, auf dem sie mehr einer vorbestraften Halbwüchsigen als einer erwachsenen Frau glich, war seins eine getreue Abbildung des Mannes vor ihr.

Sie überflog die Beschreibung neben dem Bild. Name: Jonas Edward Buchanan. Staatsangehörigkeit: britisch. Das Geburtsdatum besagte, dass er vor Kurzem fünfunddreißig geworden war.

Sie klappte den Pass zu und gab ihn zurück. „Was kann ich für Sie tun, Mr. Buchanan?“

„Das hört sich besser an“, sagte er grimmig und steckte das Dokument an seinen Platz zurück. „Ganz offensichtlich haben Sie und ich einiges zu besprechen, Miss McCoy.“

„Der Meinung bin ich nicht.“ An ihm vorbei stieg sie die Treppe hinauf zu ihrer Wohnung. Sie fror, und es bestand kein Grund, noch länger im Freien herumzustehen. An der Eingangstür hielt sie inne und zog den Schlüssel aus der Hosentasche. „Ich lasse das Außenlicht noch zwei Minuten brennen, das gibt Ihnen genug Zeit, um zu der besser beleuchteten Hauptstraße zurückzukommen. Danach schalte ich es aus.“

Den Bruchteil einer Sekunde verharrte Jonas am Fleck, dann folgte er ihr, zwei Stufen auf einmal nehmend. „Ich sagte bereits, dass ich mit Ihnen reden möchte“, sagte er genervt.

Sie schloss die Tür auf, dann drehte sie sich zu ihm. „Wenden Sie sich schriftlich an mich.“

„Das habe ich bereits, mehrmals sogar. Bisher fanden Sie es nicht notwendig, darauf zu antworten, Miss McCoy.“

„Vielleicht tue ich es diesmal, Mr. Buchanan.“

„Das bezweifle ich sehr.“ Er schob einen Fuß in den Türspalt.

Marys rauchgraue Augen blitzten zornig auf. „Nehmen Sie sofort Ihren Fuß zurück, sonst benachrichtige ich die Polizei.“

„Ich möchte lediglich, dass wir ruhig und vernünftig miteinander reden.“

„Ich bin beschäftigt.“

„Nur zwei Minuten, verdammt noch mal.“ Langsam verlor er die Geduld.

„Nein.“ Was sie sagte, stimmte, sie hatte wirklich zu tun. Übermorgen wurde eine Ausstellung ihrer Gemälde eröffnet, und eins davon war noch nicht fertig. Außerdem, jede Unterredung mit ihm war Zeitverschwendung – kein Argument konnte sie je davon überzeugen, das Lagerhaus, das sie so liebevoll restauriert und zu ihrem Heim gemacht hatte, zu verkaufen.

Ihr Großvater hatte es ihr hinterlassen, als er vor fünf Jahren starb. Es war eins der alten Gebäude entlang der Themse, die man nach und nach stillgelegt hatte, weil die alten Frachtschiffe den Anforderungen des modernen Warentransports nicht mehr genügten. Nun enthielt das Lagerhaus im ersten Stock Marys Wohnung, im zweiten ein geräumiges Atelier und im Erdgeschoss die Garage und einen Abstellraum. Es war perfekt, und sie liebte es über alles.

Leider interessierten sich seit einiger Zeit Bauträger wie Buchanan Construction für diese Gegend. Sie erwarben ein Grundstück nach dem anderen, ließen die alten Lagerhäuser niederreißen und ersetzten sie durch luxuriöse Apartmenthäuser für reiche Leute.

Dass ihr Lagerhaus zu diesen Gebäuden gehörte, war sein Pech, nicht ihres.

Sie seufzte. „Sie kennen meine Antwort, ich habe sie bereits Ihrem Anwalt, Ihrer Assistentin und dem Bauleiter mitgeteilt“, erinnerte sie ihn. „An meiner Einstellung hat sich nichts geändert – ich habe nicht vor zu verkaufen, weder jetzt noch später. Niemals. Ist das klar genug?“

Verdrossen schüttelte Jonas den Kopf. „Ist Ihnen bewusst, dass Sie den ganzen Winter oder noch länger auf einer Baustelle wohnen werden?“

Sie zuckte die Schultern. „Sie haben eine Trennmauer errichten lassen.“

„Die wird Sie gegen den Lärm von Lastwagen oder Betonmischern nicht schützen. Denken Sie nur an die vielen Arbeiter, das ständige Hämmern und Klopfen. Wie wollen Sie sich bei dem Getöse auf Ihre Arbeit konzentrieren?“

„So, wie ich das in den letzten Monaten auch getan habe, als die Gebäude um mich herum systematisch abgerissen wurden“, meinte sie spitz.

„Habe ich Ihnen nicht mehrmals einen Umzug angeboten?“, verteidigte er sich gegen den unausgesprochenen Vorwurf.

„Ich will aber nicht umziehen, Mr. Buchanan. Dies ist mein Heim und wird es auch bleiben, trotz Ihrer Apartmenthäuser.“

Ihr Heim war ein Schandfleck und jedem der zukünftigen millionenschweren Wohnungsbesitzer ein Dorn im Auge, wie Jonas sehr wohl wusste. „Hören Sie mir doch wenigstens zu. Nach meiner Erfahrung hat alles im Leben seinen Preis, Mary …“

„Für Sie und Ihresgleichen mag alles im Leben seinen Preis haben, Mr. Buchanan.“ Verachtung glitzerte in den rauchgrauen Augen. „Meine Familie, meine Freunde und ich, wir denken da anders.“

Jonas presste die Lippen zusammen. So viel Verbohrtheit – von mangelndem Geschäftssinn ganz zu schweigen – war ihm noch nie begegnet. „Falls Sie Ihre Meinung ändern wollen, wissen Sie, wo ich zu finden bin“, sagte er knapp.

„An Ihrer Stelle würde ich darauf nicht zählen, Mr. Buchanan. Und wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen – meine Zeit ist kostbar.“

Und meine? dachte er erbittert. Mit den zahlreichen millionenschweren Projekten war seine Zeit mindestens ebenso kostbar wie ihre. Nicht eine Sekunde länger würde er mit diesem Dickkopf vergeuden!

Er trat einen Schritt zurück. „Wie gesagt, Sie wissen, wo Sie mich erreichen können.“

„Gute Nacht, Mr. Buchanan.“ Sie lächelte honigsüß, bevor sie ihm die Tür vor der Nase zuschlug.

Finster starrte Jonas auf die geschlossene Holztür, auch noch, nachdem sie wie angekündigt das Außenlicht ausgeschaltet und ihn im Dunkeln stehen gelassen hatte. Die Arbeiten für dieses Bauprojekt, in das er eine Menge Zeit und Geld investiert hatte, begannen nächsten Monat, und ihretwegen würde er das Datum ganz gewiss nicht verschieben.

Den Kaufpreis noch weiter zu erhöhen wäre sinnlos, denn offensichtlich hatte sie an Geld kein großes Interesse. Also musste er sich etwas anderes einfallen lassen, um Miss McCoy zum Umzug zu bewegen.

2. KAPITEL

„Kopf hoch, Mary“, ermunterte Jeremy Lyndhurst sie, als die ersten Gäste zur Vernissage ihrer Ausstellung in der Lyndwood Gallery eintrafen. „In ein paar Stunden hast du es hinter dir, dann kannst du dich wieder in deine eigenen vier Wände verkriechen und wie ein Tramp anziehen.“

Mary lachte pflichtschuldig. Jeremy war einer der beiden Galeriebesitzer und ein soignierter Herr Mitte fünfzig, der sie ständig wegen ihres mangelnden Sinns für Kleidung aufzog – wozu sie ihm in den letzten Wochen beim Abliefern ihrer Gemälde weiß Gott oft genug Gelegenheit gegeben hatte. Magnus Laywood, ein blonder Riese in den Vierzigern und Jeremys Partner – nicht nur beruflich, sondern auch privat –, stand am Eingang, um jeden sorgfältig ausgesuchten Gast persönlich willkommen zu heißen. Die meisten waren Kritiker oder ernsthafte Sammler, die übrigen ganz einfach steinreich.

Zwanzig von Marys Gemälden hingen heute Abend an den cremefarbenen Wänden der Galerie, fachgerecht präsentiert und individuell beleuchtet. Es war ihre erste bedeutende Ausstellung, und Mary war so aufgeregt, dass sich ihre Knie wie Watte anfühlten.

Jeremy nahm einem der Kellner, die im Saal die Runde machten, ein Glas Champagner vom Tablett und reichte es ihr. „Trink etwas! Du bist ja auf einmal ganz blass.“

„Danke.“ Sie trank ein Schlückchen. „In meinem ganzen Leben war ich nicht so nervös wie jetzt.“

„So jung müsste man noch mal sein.“ Jeremy seufzte.

Mary nahm noch einen Schluck. „Was ist, wenn ihnen meine Bilder nicht gefallen?“

„Sie können nicht alle blind sein, Darling“, versicherte Jeremy mit Nachdruck. „Nur Mut, du wirst sehen, es wird ein Riesenerfolg. Ich weiß, wie schwer dieser Empfang für dich ist, Mary, aber versuche trotzdem, den Abend zu genießen.“

Ihr Problem war, dass sie Empfänge wie den heute Abend nicht mochte. Gemälde verkaufen – ja. Mit Besuchern plaudern und die Salonlöwin spielen – nein. Leider kam sie nicht darum herum, wenn sie von ihrer Kunst leben wollte.

„Ich werd’s versu… Ach, du meine Güte!“ Sie rang nach Luft, als sie den Neuankömmling erkannte, der sich am Eingang mit Magnus unterhielt.

Jonas Buchanan!

Die beiden waren gleich groß, doch sonst hatten sie nichts gemeinsam – der eine war blond und liebenswürdig, der andere dunkelhaarig und unangenehm. Seine Züge waren genauso arrogant, wie Mary sie in Erinnerung hatte. Und das Blau seiner Augen, deren Blick jetzt kühl durch den Saal schweifte, noch intensiver.

Das Herz schlug ihr bis zum Hals, während sie ihn diskret musterte. Wie alle Männer war er im Smoking mit blütenweißer Hemdbrust und schwarzer Fliege, aber aus einem unerklärlichen Grund sah er darin zehnmal besser aus als die übrigen Herren.

„Was hast du?“ Jeremy folgte Marys Blick, dann schnalzte er leise mit der Zunge. „Wer ist denn das?“, murmelte er mit Kennermiene.

„Das fragst du mich?“ Vorwurfsvoll sah sie ihn an. „Du hast ihn doch eingeladen.“

„Nicht dass ich wüsste.“

Mary schluckte. „Das ist Jonas Buchanan.“

Der Jonas Buchanan?“

„Ja.“ Sie kannte nur einen – was ihr auch genügte!

„Ah, jetzt verstehe ich.“ Jeremy nickte. „Amy Walters hat ihn mitgebracht.“

Mary sah erneut zu Jonas hinüber und beobachtete, wie er einer attraktiven Rothaarigen die Hand unter den Arm legte und ihr etwas ins Ohr flüsterte. Worauf die beiden den Saal durchquerten, um sich einer kleinen Gruppe von Besuchern anzuschließen. Abrupt wandte sie sich ab.

„Amy ist die Kunstkritikerin der Zeitschrift The Individual“, klärte Jeremy sie völlig unnötig auf. Mary wusste, wer Amy Walters war. Dass sie in Mr. Buchanans Begleitung erschien, komplizierte allerdings die Situation – wie sollte Mary der für sie so wichtigen Journalistin mit der erforderlichen Liebenswürdigkeit begegnen, solange dieser Mensch neben ihr stand? Unwillkürlich presste sie die Lippen zusammen, als sie seine herablassende Miene bemerkte.

Er ist nur hier, um mich in Verlegenheit zu bringen, dachte sie erbittert. Die Einladungen für den Empfang hatte man bereits vor zwei Wochen verschickt, demnach wusste er vorgestern Abend auch, dass sie sich zwei Tage später wieder begegnen würden. Was er natürlich mit keiner Silbe erwähnt hatte.

Ekelhafter Kerl!

Wenn er dachte, dass sie sich von ihm einschüchtern ließ, dann konnte er …

„Wie schön, Sie so bald wiederzusehen, Mary.“

Beim Klang der wohlbekannten Stimme versteifte sie sich, doch ihre Nervosität verschwand wie durch Zauberhand. Betont langsam drehte Mary sich um. „Sie? Welch eine Überraschung!“, flötete sie.

Nichts in seinen Zügen verriet, wie sehr ihre Erscheinung Jonas überraschte. Hätte Amy ihm vorhin nicht mitgeteilt, dass es sich bei der jungen Frau in dem roten Kleid um den Star des Abends handelte, hätte er sie nicht wiedererkannt.

Autor

Carole Mortimer
Zu den produktivsten und bekanntesten Autoren von Romanzen zählt die Britin Carole Mortimer. Im Alter von 18 Jahren veröffentlichte sie ihren ersten Liebesroman, inzwischen gibt es über 150 Romane von der Autorin. Der Stil der Autorin ist unverkennbar, er zeichnet sich durch brillante Charaktere sowie romantisch verwobene Geschichten aus. Weltweit...
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