Königliche Bräute - Königliches Herzklopfen (6-teilige Serie)

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IM PALAST DES GLÜCKS

Im königlichen Palast auf der paradiesischen Insel fühlt Maggie sich wie im Märchen. Und in den Armen des faszinierenden Prinzen Tomasso erlebt sie zärtliche Stunden der Leidenschaft. Aber dennoch nagen Zweifel an ihr: Wird er sie jemals bitten, seine Frau zu werden?

DIE HEIMLICHE GELIEBTE DES PRINZEN

Anfangs reichen Danette die wenigen Stunden gestohlenen Glücks mit ihrem feurigen Liebhaber Marcello Scorsolini. Doch dann wird die Sehnsucht nach ihm immer größer. Als sie eine unerwartete Entdeckung macht, fragt sie sich: Wird der mächtige Prinz weiter zu mir stehen?

DAS GEHEIMNIS DER KRONPRINZESSIN

Bislang konnte Therese ihrem geliebten Ehemann, dem attraktiven Kronprinzen von Isole de Rei, keinen Erben schenken. Und sie kennt den Grund dafür. Das Geheimnis lastet schwer auf ihr, bis sie nur noch eine Möglichkeit sieht: Sie muss Claudio die Trennung anbieten …

DIE PRINZESSIN UND IHR BODYGUARD

Tag und Nacht soll er Prinzessin Lina beschützen! Eine überraschend sinnliche Herausforderung für Sebastian Hawke. Denn die exotische Schönheit ist ebenso unschuldig wie sexy - und scheint sich in den Kopf gesetzt zu haben, ausgerechnet ihren attraktiven Bodyguard zu verführen …

HEIß WIE DIE SONNE IN DER WÜSTE

Eigentlich hat Scheich Amir seine Assistentin Grace nur in seine Heimat mitgenommen, damit sie ihm eine Liste mit Heiratskandidatinnen aufstellt. Aber unter der heißen Wüstensonne entdeckt er plötzlich eine ganz neue, höchst sinnliche Seite an ihr. Ist etwa sie die Richtige?

LEIDENSCHAFT UNTERM WÜSTENMOND

Die Fotos sind unmissverständlich: Scheich Zahir betrügt sie! Tränen steigen Angele in die Augen. Sie wird ihren Verlobten freigeben. Doch eins muss er ihr zugestehen: eine Nacht - die Hochzeitsnacht, die sie nie haben wird …


  • Erscheinungstag 23.05.2019
  • ISBN / Artikelnummer 9783733739980
  • Seitenanzahl 802
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cover

Lucy Monroe

Königliche Bräute - Königliches Herzklopfen (6-teilige Serie)

Lucy Monroe

JULIA COLLECTION BAND 92

IMPRESSUM

JULIA COLLECTION erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Cora-Logo Redaktion und Verlag:
Postfach 301161, 20304 Hamburg
Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0
Fax: +49(0) 711/72 52-399
E-Mail: kundenservice@cora.de

Zweite Neuauflage in der Reihe JULIA COLLECTION
Band 92 - 2016 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg

© 2006 by Lucy Monroe
Originaltitel: „The Prince’s Virgin Wife“
erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
Übersetzung: SAS
Deutsche Erstausgabe 2007 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,
in der Reihe JULIA EXTRA, Band 263

© 2006 by Lucy Monroe
Originaltitel: „His Royal Love-Child“
erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
Übersetzung: SAS
Deutsche Erstausgabe 2007 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,
in der Reihe JULIA EXTRA, Band 264

© 2006 by Lucy Monroe
Originaltitel: „The Scorsolini Marriage Bargain“
erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
Übersetzung: SAS
Deutsche Erstausgabe 2006 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,
in der Reihe JULIA EXTRA, Band 265

Abbildungen: Harlequin Books S.A., alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 04/2016 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733707729

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:
BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY

 

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1. KAPITEL

„Hast du sie eingestellt?“

Principe Tomasso Scorsolini marschierte rastlos in seiner Hotelsuite in Hongkong auf und ab. Vor Ungeduld presste er sein Handy fest ans Ohr. Er musste erfahren, ob der Fisch ins Netz gegangen war.

„Sie ist zu dem Bewerbungsgespräch in den Palast gekommen. Ich muss sagen, sie macht einen sehr guten Eindruck.“ Anerkennung klang in Thereses Stimme am anderen Ende der Leitung mit. „Mir ist nicht ganz klar, wie du von ihr erfahren hast, aber sie ist eine wirklich angenehme und nette Frau, sie wird den Kindern bestimmt guttun. Sie ist ideal, aber ich bin nicht sicher, ob sie die Position tatsächlich antreten will.“

„Wieso?“ Gab es für Maggie Thomson etwa Loyalitätskonflikte wegen ihres jetzigen Arbeitgebers?

„Sie macht sich Gedanken, welche Auswirkungen es auf Gianfranco und Annamaria haben könnte, wenn sie in ein paar Jahren geht, vor allem mit Hinblick auf Lianas Tod.“

„Sie geht davon aus, dass sie nur ein paar Jahre bleibt?“

„Sie hat vor, ihren eigenen Vorschulkindergarten zu eröffnen, sobald sie genug Geld gespart hat.“

Ah, ihren Traum hatte sie sich also bewahrt. Eigentlich sollte ihn das nicht überraschen. Maggie Thomson hatte einen Dickkopf, genau wie er. „Und was hast du ihr nun gesagt?“

„Ich habe deinen Rat befolgt und ihr Gianni und Anna vorgestellt. Die beiden waren sofort begeistert von ihr, und sie ist ihnen auch von einer Sekunde auf die andere verfallen. Du weißt selbst, wie schüchtern Anna ist. Gegen Ende des Interviews saß sie auf Miss Thomsons Schoß.“ Therese hielt inne, als müsse sie ihre Gedanken sammeln. „Ich weiß, es hört sich seltsam an, aber … die Bindung zwischen den dreien war auf Anhieb so stark, wie es bei einer Mutter und den eigenen Kindern eigentlich sein sollte.“

Sie brauchte nicht in Worte zu fassen, was sie damit andeuten wollte: Die Beziehung von Gianni und Anna zu ihrer leiblichen Mutter war noch nicht einmal ansatzweise damit vergleichbar gewesen. Liana als mütterlichen Typ zu bezeichnen wäre einer glatten Lüge gleichgekommen.

„Das ist gut“, ließ Tomasso sich vernehmen. Sehr gut sogar, steigerte er in Gedanken.

„Ich habe ihr auch erzählt, dass, wenn sie sich vertraglich für zwei Jahre verpflichtet, sie von uns einen ansehnlichen Bonus für den Start in die Selbstständigkeit erwarten kann.“

„Hat sie das überzeugt?“

„Nein, keineswegs. Ihre einzige Sorge gilt den Kindern. Aber dann erklärte ich ihr, dass ein Zweijahresvertrag für eine Angestellte in unseren Augen eine langfristige Zusage ist und länger, als wir von jedem anderen erwarten könnten.“

Er hatte nicht vor, Maggie Thomson in zwei Jahren gehen zu lassen, aber das brauchte Therese nicht zu wissen. „Brillant. Und sie hat zugestimmt?“

„Ja.“

„Gut.“ Tiefe Befriedigung erfüllte ihn. „Danke, Therese.“

„War mir ein Vergnügen, Tomasso.“

„Richte Claudio aus, dass ich ihm meine Aufwartung mache, sobald ich mal wieder in der Nähe bin.“

„Dann siehst du ihn wahrscheinlich eher als ich.“

Etwas lag in der Stimme seiner Schwägerin, das ihm nicht behagte. „Geht es dir gut, Therese?“

„Ja, natürlich. Miss Thomson wird ihren Dienst mit sofortiger Wirkung antreten, wie von dir gewünscht.“

„Sehr gut.“

„Es wird mir fehlen, die Kinder um mich zu haben.“

Daran hatte er noch gar nicht gedacht. „Das tut mir leid, Therese.“

„Sei nicht albern. Ich bin gern mit ihnen zusammen, doch es ist wichtiger für sie, eine konstante Bezugsperson zu haben. Würdest du hier im Palast leben, wäre es etwas anderes, aber da du eine der anderen Inseln zu deinem Wohnsitz gewählt hast, kann ich ihnen die Mutter nicht ersetzen.“

„Es klingt ganz danach, als könne Miss Thomson diese Rolle kompetent ausfüllen.“

„Zumindest für die nächsten zwei Jahre.“

Für ein ganzes Leben, wenn sein Plan funktionierte. „Nochmals meinen Dank, Therese.“ Damit klappte er sein Mobiltelefon zu und lächelte leise vor sich hin.

Die Teilchen fügten sich zusammen, besser, als er je zu hoffen gewagt hatte. Es sah fast so aus, als würden Maggie und seine Kinder sich auf Anhieb verstehen. Ebenso wichtig war, dass Maggie wohl die gleiche warmherzige, natürliche Frau geblieben war wie damals auf dem College in den USA. Eigentlich hatte er nichts anderes erwartet, nach dem Bericht, den der Privatdetektiv in seinem Auftrag über Maggie zusammengestellt hatte. Hinzu kamen die Zeugnisse.

Ihre früheren Arbeitgeber behaupteten von ihr, sie sei kompetent, effizient und füge sich perfekt in die jeweilige häusliche Umgebung ein. Zudem war sie eine äußerst angenehme Gesellschafterin. Charakterzüge, die er früher nicht zu schätzen gewusst hatte. Er war zu sehr an äußeren Merkmalen interessiert gewesen, um zu begreifen, was ihre Gesellschaft ihm bedeutete … Bis sie nicht mehr da war.

Er hatte es als selbstverständlich angesehen, wie perfekt sein Leben mit Maggie als Haushälterin verlief. Vier kurze Jahre Ehe mit Liana hatten ihn eines Besseren belehrt.

Das erste Jahr nach Lianas Tod hatte Tomasso sich strikt verweigert, überhaupt eine zweite Ehefrau in Betracht zu ziehen. Die einmal gemachten Erfahrungen reichten ihm völlig. Allerdings wollte er nicht so enden wie sein Vater, und in den letzten Monaten hatte er sich mehr und mehr nach einer harmonischen Beziehung gesehnt, wie sein älterer Bruder sie mit der ausgeglichenen und souveränen Therese führte.

Eine solche Beziehung konnte er sich nur mit einer Frau vorstellen – Maggie Thomson. Er erinnerte sich nur zu gut an ihre sanfte Stimme, mit der sie ihn an grundlegende Regeln erinnerte, und an ihre geschäftigen Hände, die ständig dafür sorgten, dass sein Leben so annehmlich wie nur möglich verlief.

Er wollte diese Harmonie zurückhaben. Und dieses Mal würde er nicht den Fehler begehen, ihr die Möglichkeit zum Gehen offenzuhalten.

Bereits einmal hatte sie ihn verlassen, hatte behauptet, zwischen ihnen bestünde nichts weiter als eine professionelle Beziehung, eine, die nicht länger existieren konnte, da er nicht mehr ihr Arbeitgeber sei.

Er hatte ihr Handeln aus zwei Gründen akzeptiert. Erstens, weil er wusste, dass er sie verletzt hatte. Auch wenn es sicherlich nicht mit Absicht geschehen war, so respektierte er ihren Wunsch, ihn aus ihrem Leben zu verbannen.

Der zweite Grund war, dass Liana eifersüchtig auf seine Beziehung zu Maggie gewesen war und unmissverständlich von ihm verlangt hatte, seinen Kontakt mit der anderen Frau vollständig abzubrechen. Damals hatte ihm diese unbegründete Eifersucht geschmeichelt. Er hatte es als Beweis für Lianas leidenschaftliche Liebe zu ihm gesehen. Dass er so unglaublich naiv gewesen war, nagte noch immer an ihm.

Liana hatte nur einen einzigen Menschen geliebt – sich selbst.

Er war für sie nur Mittel zum Zweck gewesen, um so zu leben, wie sie es sich immer gewünscht hatte. Nichts weiter. Einen Prinz heiraten, Prinzessin werden. Tomasso fragte sich, ob es Maggies Einstellung zu ihm ändern würde, wenn sie erfuhr, dass er aus königlichem Hause stammte.

Bei jedem anderen hatte es diese Wirkung. Und genau deshalb hatte er sich auf dem College als Tom Prince eingetragen. Weil er zwischenmenschliche Beziehungen aufbauen wollte, als Mensch, der er war, nicht als was er war. Er wollte es aus eigener Kraft schaffen, nicht, weil er einen berühmten Namen trug. Zumindest das hatte er erreicht. Sein Examen hatte er mit Auszeichnung bestanden. Die zwischenmenschlichen Beziehungen … nun, das war eine andere Sache.

Liana hatte die ganze Zeit über von seiner aristokratischen Abstammung gewusst, ohne dass er es geahnt hatte. Und Maggie hatte dem bürgerlichen Tom Prince ohne einen Blick zurück den Rücken gekehrt.

Hätte sie anders gehandelt, wenn sie wie Liana gewusst hätte, dass blaues Blut in seinen Adern floss?

Nun, das war jetzt nicht mehr wichtig. Denn sie war genau das, was er suchte. Als Ehefrau und Mutter für seine Kinder. Daher war es auch nichtig, aus welchem Grund sie ihn heiratete.

Allerdings war er kein Narr. Er würde eine lebenslange Bindung nicht auf Erinnerungen stützen, die sechs Jahre zurücklagen. Indem er Maggie als Kindermädchen einstellte, würde er Zeit und Muße haben, sie zu beobachten und sicherzustellen, dass sie immer noch so wie früher war. Auch wollte er herausfinden, ob die unterschwellige, geheimnisvolle Anziehungskraft zwischen ihnen noch existierte … Dieser erotische Funke, der in jener unvergessenen Nacht die Leidenschaft zwischen ihnen entfacht hatte.

Denn ein Leben ohne Lust und Leidenschaft kam für ihn nicht infrage. Sein Vater hatte seine sexuelle Erfüllung außerhalb des Ehebetts gesucht und gefunden, doch Tomasso hielt dieses Verhalten für verwerflich. Sein Vater übrigens auch. Aus diesem Grund hatte der König nach dem Scheitern seiner zweiten Ehe nie wieder geheiratet.

König Vincente nannte es den Fluch der Scorsolinis. Wollte man ihm glauben, so gab es im Leben eines jeden Scorsolini-Mannes nur eine einzige Frau, eine einzige wahre Liebe. Claudios und Tomassos Mutter war jene Frau im Leben von Vincente gewesen. Nach ihrem Tod gelang es keiner anderen Frau, ihn wirklich an sich zu binden, ihr treu zu bleiben. Zwar hatte der Herrscher der Inselgruppe Isole dei Re nur wenige Monate nach dem Tode seiner Königin Marcellos Mutter geheiratet, da sie schwanger geworden war, doch diese Ehe hielt nur wenige Monate.

Vincente war seiner jungen Frau untreu geworden, und die ansonsten so sanfte Flavia hatte die Konsequenzen gezogen. Tief verletzt war sie mit dem jungen Marcello nach Italien zurückgekehrt und hatte das Undenkbare getan: Sie hatte die Scheidung eingereicht. Seither folgte eine Mätresse nach der anderen in der langen Reihe von Vincentes Geliebten.

Tomasso interessierte dieser angebliche Fluch nicht. Er wollte keine tiefe, wahre Liebe finden und dann als Witwer enden, ständig auf der vergeblichen Suche, die Leere in seinem Herzen zu füllen.

Er war anders als sein Vater. Selbst oberflächliche Leidenschaft wäre genug für ihn, um treu zu bleiben. So war es auch mit Liana gewesen. Obwohl, bei der Hochzeit hatte er in ihr noch seine einzige wahre Liebe gesehen. Doch diese Einstellung hatte sich bald geändert.

Dennoch war er ihr treu geblieben, trotz der Schwierigkeiten in der Ehe und seiner Erkenntnis, dass das, was er für Liebe gehalten hatte, nichts anderes als Faszination ob ihrer Schönheit gewesen war.

Wie viel leichter wäre es, einer Frau die Treue zu halten, die er respektierte, auch wenn er sie nicht liebte!

Papa wird doch bald nach Hause kommen, nicht wahr?“

Maggie deckte Annamaria zu und lächelte liebevoll. „Aber natürlich, Kleines. In zwei Tagen kommt er zurück.“

„Ich vermisse ihn.“

„Ich weiß.“ Maggie strich dem Mädchen die dunklen Locken aus dem Gesicht und küsste es auf die Stirn. „Gute Nacht, Anna.“

„Gute Nacht, Maggie. Ich bin froh, dass du da bist.“

„Ich auch.“ Das hübsch verzierte Nachttischlämpchen ließ sie brennen, an der Tür schaltete sie das Deckenlicht aus und machte sich auf den Weg zu ihren eigenen Räumen, nicht ohne vorher noch einmal bei Gianfranco ins Zimmer zu sehen. Er schlief – endlich. Ein kleines Bündel unter vielen Decken in einem Rennwagenbett.

Für seine fünf Jahre war er groß, bald schon würde er ein richtiges Bett brauchen. Maggie fragte sich, ob das in ihren Entscheidungsbereich fiel. Es gab so viele Fragen, die sie ihrem noch abwesenden Arbeitgeber stellen wollte, nicht zuletzt, warum es schien, als warte jeder Bedienstete im Haus auf ihre Anweisungen, so als wäre sie die Haushälterin und nicht das Kindermädchen.

Es gab bereits eine Haushälterin, die auch für die Küche zuständig war, zwei Zimmermädchen und einen Gärtner, aber für wichtige Entscheidungen schienen alle auf Maggie zu schauen. Was diese sehr seltsam fand.

Diese Anstellung hier war ganz anders als ihre vorherige. Aber natürlich arbeitete sie jetzt für ein Regentenhaus. Ganz augenscheinlich herrschte hier eine andere Atmosphäre in Bezug auf das Personal. Seltsam oder nicht, ihr gefiel es, von ihren Kollegen respektiert zu werden, ebenso die Bedeutung, die ihr als Erzieherin der Kinder des Prinzen zukam.

Leise schloss sie Gianfrancos Zimmertür. Hoffentlich schliefen er und seine kleine Schwester gut. Ihr Vater hatte heute entgegen seiner Gewohnheit nicht angerufen, und es war schwierig gewesen, die Kinder zu beruhigen und ins Bett zu bekommen.

Die zwei brauchten sie, das war Maggie schon am ersten Tag klar geworden. Das Stellenangebot abzulehnen war eigentlich beschlossene Sache gewesen, doch dann hatte sie Anna und Gianni kennengelernt und sich sofort in die beiden verliebt. Und obwohl sie erst wenige Tage hier war, wurde ihr schon jetzt mulmig, wenn sie daran dachte, dass sie die beiden am Ende ihres Zweijahresvertrags wieder verlassen musste.

Sie selbst war in mehreren Pflegefamilien aufgewachsen, hatte sich während der College-Zeit mit verschiedenen Mitbewohnern die Unterkunft geteilt und bei zwei Familien in Diensten gestanden, aber noch nie hatte sie so schnell eine so tiefe Beziehung zu jemandem aufgebaut wie zu diesen beiden.

Mit Ausnahme von Tom Prince.

Und diese Beziehung hatte nur in Kummer geendet. So wie diese Stelle hier in Kummer enden würde.

Soweit Maggie das bisher beurteilen konnte, vermissten die Kinder ihren Vater unsagbar. Und ob Workaholic oder nicht, der Prinz bemühte sich, für sie da zu sein. Er rief Gianni und Anna täglich an, manchmal zweimal am Tag, und ließ sich erzählen, was die beiden erlebt hatten. Doch mehr Zeit blieb nicht.

Bei ihrer vorherigen Stelle war es ähnlich gewesen. Scheinbar war das in der Welt der Reichen so üblich. Die Zeit, die der Herr des Hauses mit seiner Familie verbrachte, war ebenso knapp bemessen gewesen.

Falls sie jemals heiraten sollte, dann einen Mann, der Teil einer Familie war, nicht nur deren Versorger. Sie wollte etwas Echtes, etwas, das ewig währte und Geborgenheit und Wärme bot … die Art Familie, von der sie während ihrer gesamten Kindheit geträumt hatte.

Mit einem Seufzer ließ sie sich auf das elegante viktorianische Sofa in ihrem kleinen Apartment fallen. Sie war jetzt sechsundzwanzig, langsam kamen ihr Zweifel, dass sie je einen Mann treffen würde, mit dem sie ihr Leben teilen wollte. Was sie am meisten bei diesem Gedanken schmerzte, war, dass sie dann auch keine eigenen Kinder haben würde.

Gähnend griff sie nach der Fernbedienung und schaltete den Fernseher ein.

Hier in diesem erlauchten Kreis würde sie ganz bestimmt keinen passenden Mann treffen, so viel stand fest. Prinzessin Therese war wirklich sehr nett, aber ihr Mann, der Kronprinz, widmete sich ebenso gänzlich seiner Arbeit wie sein jüngerer Bruder. Maggie glaubte auch nicht, dass sich das mit der Ankunft von Nachwuchs ändern würde, und fragte sich, warum das Paar bisher noch keine Kinder hatte.

Sie zappte durch die verschiedenen Kanäle und fand schließlich einen ihrer Lieblingsliebesfilme, bei dem sie die Textpassagen fast schon mitsprechen konnte. Der Held erinnerte sie an den Mann, der als Einziger ihren Puls in schwindelnde Höhen getrieben und ihren Körper in Flammen gesetzt hatte.

Leider, genau wie der Held auf dem Bildschirm, hatte Tom Prince eine andere geheiratet. Eine wunderschöne, weltgewandte Frau mit enormem Sex-Appeal. Der Typ Frau, der alle Blicke auf sich zog, wenn sie einen Raum betrat. Der Typ Frau, der Maggie niemals sein würde.

Tom Prince war ihr Arbeitgeber und Wohngenosse gewesen, und entgegen allem, was sie behaupten mochte, der engste Freund, den sie jemals gehabt hatte. In letzter Zeit musste sie oft an ihn denken. Etwas an Anna und Gianni brachte Erinnerungen an ihn zurück.

Sie träumte auch wieder öfter … erotische Träume, in denen sie noch einmal die Gefühle durchlebte, die sie in jener schicksalhaften Nacht vor sechs Jahren in seinen Armen empfunden hatte.

Es war schwer genug gewesen, ihn an Liana zu verlieren und lernen zu müssen, ohne ihn zu leben. Maggie verstand nicht, warum das alles jetzt wieder aufgerührt wurde, und ihr behagte es noch weniger, diesen Kummer noch einmal durchmachen zu müssen.

Entschlossen, nicht mehr an die Vergangenheit und den damaligen Schmerz zu denken, versuchte sie sich auf den Bildschirm zu konzentrieren. Doch selbst die Hollywoodromanze schaffte es dieses Mal nicht, ihre Gedanken aus der Vergangenheit zurückzuholen …

Nervös strich Maggie sich den Rock glatt. Die Anzeige hatte um informelle Kleidung für das Interview gebeten, dennoch wollte sie einen guten ersten Eindruck machen.

Also hatte sie ihr langes blondes Haar zu einem Knoten aufgesteckt, in der Hoffnung, so ein wenig älter auszusehen als ihre zarten achtzehn Jahre. Sie trug eine weiße Bluse zu einem knielangen Rock und hatte das einzige Paar schlichte Pumps, das sie besaß, auf Hochglanz poliert. Auf Make-up hatte sie verzichtet. Den Lippenstift hätte sie sich doch nur nervös abgekaut.

Sie brauchte diesen Job. Das Gehalt war zwar nicht königlich, aber da Unterkunft und Verpflegung gestellt wurden, würde das Geld ausreichen, um ihr Studium zu finanzieren.

Sie klingelte und trat hastig einen Schritt zurück, als die Tür fast sofort aufgezogen wurde. Der Mann, der dort stand, war wesentlich jünger als erwartet, um genau zu sein, er konnte nicht viel älter sein als sie. Schwarze Locken und blaue Augen, dazu ein Gesicht und eine Statur wie von Michelangelo erschaffen.

„Es muss sich wohl um ein Missverständnis handeln. Ich muss an der falschen Adresse sein.“ Sie riss den Blick von diesem umwerfenden Mann los und sah die Straße hinunter zu den anderen Häusern.

„Sind Sie hier wegen der Haushälterinnenposition?“ Die tiefe Stimme schickte ihren Magen auf eine Achterbahnfahrt.

„Äh … ja.“

Er musterte sie von Kopf bis Fuß. „Ich hatte gedacht, Sie wären älter.“

„Ja, ich auch.“

„Sie dachten, Sie seien älter?“ Ein amüsiertes Funkeln trat in die blauen Augen.

„Nein, ich dachte, Sie seien älter.“

Er trat beiseite, um sie einzulassen. „Dann sind wir wohl beide überrascht worden.“

„Scheint so.“

„Ich bin Tom Prince. Sie müssen Maggie Thomson sein.“

„Richtig. Freut mich, Sie kennenzulernen, Mr. Prince.“

„Tom, bitte.“

„Nun gut.“ Sie folgte ihm ins Wohnzimmer und nahm ihm gegenüber auf dem Sofa Platz.

„Sie haben Erfahrung im Haushalt?“

Wenn sie an all die Jahre dachte, in denen sie den Haushalt und die Kinder ihrer kränkelnden Pflegemutter versorgt hatte, konnte sie nur nicken. „Ja, sehr viel sogar.“ Da ihr klar wurde, dass das als Antwort kaum reichte, beschrieb sie ihre Pflichten.

Tom runzelte die Stirn. „Sie haben sich um das Haus, die Kinder und Ihre Pflegemutter gekümmert, während Sie noch einem Nebenjob nachgegangen sind?“

„Ich bin gut darin, mehrere Sachen auf einmal zu organisieren.“ Das sprach doch sicherlich für sie.

„Und jetzt, mit achtzehn, sind Sie ausgezogen?“

„Mit achtzehn fällt man aus dem Pflegesystem heraus. Helen erhält keine Zuwendungen mehr für mich. Ich musste gehen, damit sie ein anderes Pflegekind aufnehmen kann.“

Es tat weh zu erfahren, dass Maggie für ihre Pflegemutter nicht mehr als eine Einkommensquelle war, nach allem, was sie für sie getan hatte. Das sagte sie Tom allerdings nicht.

Doch er war empfindsam genug, um auch zwischen den Zeilen zu lesen. Dennoch fragte er nur: „Das geringe Gehalt schreckt Sie nicht ab?“

„Nein. Um ehrlich zu sein, es wäre ein Geschenk des Himmels. Mein Stipendium reicht nicht für die Lebenshaltungskosten.“

„Sie erhalten ein Stipendium für Ihre Universitätsausbildung? Das bekommen nur die Besten.“

Maggie zuckte unbeteiligt die Schultern. Ihre Intelligenz hatte sie immer als gegeben angenommen. Wäre sie nicht fähiger als andere, hätte sie schon auf der Highschool versagt, einfach, weil ihr bei all den anderen Pflichten keine Zeit geblieben war, um zu lernen.

„Was ist Ihr Hauptfach?“

„Frühkindliche Entwicklung.“

Er belächelte sie nicht, so wie viele andere. Die Vorstellung, einen Universitätsabschluss zu machen, um Kinder zu erziehen, fanden die meisten eher amüsant.

„Eines Tages möchte ich meinen eigenen Vorschulkindergarten aufmachen.“

„Dann sollten Sie zusätzlich einen Kurs in Betriebswirtschaftslehre belegen.“ Der Rat klang nahezu wie ein Befehl.

Es störte sie nicht. „Das habe ich vor.“

Er nickte zustimmend, und das Bewerbungsgespräch ging weiter. Überraschenderweise konnten sie viele Gemeinsamkeiten feststellen. Keiner von ihnen beiden sah viel fern, beide lasen die gleichen Autoren und teilten auch einen ähnlichen Sinn für Humor. Es war nett.

Sie hatte erwartet, in seiner Gegenwart befangen zu sein, doch obwohl er der bestaussehende Mann war, der ihr je begegnet war, spielte er sein Aussehen nicht aus. Weder bildete er sich etwas darauf ein, noch war er arrogant.

Als das Gespräch zum Ende kam und Maggie schon gehen wollte, hob er an: „Eines möchte ich noch besprechen, bevor ich meine Entscheidung fälle.“

„Ja?“

Zum ersten Mal in den fünfundvierzig Minuten wirkte er nicht ganz so selbstsicher. „Ich denke, wir könnten Freunde sein.“

Sie nickte zustimmend.

„Ich mag Sie, Maggie.“

„Ich Sie auch.“

Er wurde ernster. „Sie wissen, dass Sie hier wohnen würden.“

„Ja, für mich ist das optimal.“

„Wenn ich Sie anstelle, müssen Sie versprechen, nie den Versuch zu unternehmen, aus unserer Freundschaft mehr zu machen. Aus Ihrem Bewerbungsschreiben hatte ich geschlossen, Sie seien älter … Ich hatte nicht damit gerechnet, dieses Thema überhaupt aufbringen zu müssen, doch es muss vorab geklärt werden. Ich lasse mich nicht mit Leuten ein, die für mich arbeiten. Niemals.“

Sie starrte ihn verständnislos an. Er schien zu jung, um solche Prinzipien zu haben, aber sie erwartete auch nicht, dass er mit ihnen brach.

Als sie schwieg, wurde seine Miene grimmiger. „Sollte ich Sie nackt in meinem Bett vorfinden, entlasse ich Sie fristlos.“

Maggie konnte nicht anders und brach in helles Gelächter aus. Die Vorstellung, sie, Maggie, könnte so etwas tun, etwas so Unverfrorenes, etwas so Absurdes … Sie riss sich zusammen, als sie die tiefen Falten auf seiner Stirn bemerkte. „Entschuldigen Sie, ich hätte nicht lachen dürfen.“

„Es ist mein voller Ernst.“

Seltsam, wie formell er manchmal sprach. „Ist Ihnen das vorher schon mal passiert?“

„Ja“, erwiderte er knapp.

Hoppla. Nun gut. „Ich verspreche hoch und heilig beim Grab meiner Eltern, dass ich niemals in Ihr Bett steigen werde, weder nackt noch anders.“

„Sie werden also nicht versuchen, mich zu verführen?“

Es kostete sie Mühe, nicht wieder loszukichern. „Würden Sie mich besser kennen, wäre Ihnen klar, was für eine lächerliche Vorstellung das ist. Glauben Sie mir, um so etwas brauchen Sie sich bei mir nie Gedanken zu machen. Es ist nicht meine Art, willenlosen Männern den Kopf zu verdrehen. Ich wurde dazu erzogen, bis nach der Hochzeit zu warten, und das habe ich auch vor. Selbst wenn Sie die Reinkarnation von John Wayne wären, ich werde nicht in Ihr Bett klettern und Sie anflehen, mit mir zu schlafen, okay?“

„Sie schwärmen für John Wayne?“

Nun konnte sie das Lachen nicht länger unterdrücken. „Lassen wir das … Auf jeden Fall haben Sie von mir nichts zu befürchten.“

Das Lächeln, das sich jäh auf seinem Gesicht ausbreitete, ließ ihr die Knie weich werden.

„Sie haben den Job.“

2. KAPITEL

Eine Woche später zog Maggie in sein Haus ein.

Der Job war angenehm, Tom ein ordentlicher Mensch, und obwohl er offensichtlich an Geld gewöhnt war, verlangte er keine Luxusmahlzeiten. Maggie blieb genügend Zeit, Haushalt und Studium bequem unter einen Hut zu bringen. Zudem gab Tom ihr das Gefühl, sein Haus sei auch ihr Heim. Solange sie ihre Pflichten zu seiner Zufriedenheit erledigte, sah es so aus, als würde sie für eine lange Zeit ein Dach über dem Kopf haben.

Einen Wermutstropfen gab es allerdings in diesem perfekten Arrangement: Sie verliebte sich Hals über Kopf in Tom. Dabei hatte er ihr doch deutlich klargemacht, dass es nie mehr als Freundschaft zwischen ihnen geben konnte.

Seine Freundinnen waren weltgewandte Schönheiten, bei deren Anblick Maggie sich unendlich unzulänglich vorkam. Jede einzelne von ihnen führte ihr unmissverständlich die Wahrheit vor Augen: Würde sie nicht für ihn arbeiten, Tom Prince sähe sie nicht einmal an.

Mitten in seinem Examensjahr trennte Tom sich von seiner letzten Freundin. Anstatt eine neue Beziehung mit der nächsten Schönheit einzugehen, bat er Maggie, wenn er Gesellschaft brauchte, mit ihm ins Kino zu gehen, in ein Restaurant, ja sogar zu Partys.

Selbst heute, nach sechs Jahren, erinnerte sie sich noch an die Gefühle, die sie damals empfunden hatte.

Es war eine Mischung aus Himmel und Hölle. Auf der einen Seite genoss sie die Zeit mit ihm, andererseits litt sie unsagbar. Sie wusste genau, sollte sie je versuchen, die Freundschaft zu etwas anderem zu machen, würde er sie auf der Stelle feuern. Sie war nicht naiv genug, sich einzubilden, dass sein verändertes Verabredungsmuster auch nur das Geringste mit ihrer Person zu tun hatte.

Bis zu jenem Abend.

Maggie lag mit einem Fachbuch zusammengerollt auf dem Sofa, als Tom nach Hause kam. Er sah umwerfend aus in engen Jeans und dem dunkelblauen Kaschmirpullover und erweckte Bilder in ihr, die ihren jungfräulichen Prinzipien ganz und gar widerstrebten.

Sie konnte nur hoffen, dass er es ihr nicht ansah. „Hi. Isst du heute zu Hause?“

Er warf seine Unterlagen auf den Tisch. „Ich dachte, wir könnten zusammen zum Essen ausgehen.“

„Das wäre schön, aber ich muss lernen.“ Sie deutete auf die Bücher um sich herum. „Zwischenprüfung.“

„Du arbeitest zu viel. Du brauchst eine Pause.“

„Nein, brauche ich nicht.“ Ihr Leben war jetzt einfacher, als es je gewesen war. „Du bist verwöhnt.“

„Sicher, du bist es doch, die mich verwöhnt.“ Er kam auf sie zu. „Deshalb möchte ich dir einmal etwas Gutes tun und dich zum Essen einladen.“

„Ich kann nicht, wirklich nicht, Tom. Morgen habe ich drei Tests.“

Er schüttelte missbilligend den Kopf. „Wenn du nicht ständig zusätzliche Seminare belegen würdest, müsstest du auch nicht so viele Arbeiten schreiben.“

„Je eher ich mit dem Studium fertig bin, desto schneller kann ich in die Arbeitswelt hinaus.“

„Wenn du mich für deinen Lebensunterhalt aufkommen lassen würdest, hättest du diese Sorgen nicht.“

„Was du jetzt für mich tust, ist mehr als genug.“

„Du bist nur stur. Ich tue nämlich nichts für dich, was du nicht verdient hättest.“

„Aber wenn du nächstes Jahr nicht mehr hier lebst, kannst du das nicht mehr behaupten.“

„Könntest du es nicht einfach als eine Art Stipendium ansehen?“

„Nein.“

„Und was machst du dann nächstes Jahr?“

„Ich suche mir einen Job oder zwei. Und eine Wohnung. Da ist ein Mädchen im BWL-Kurs. Wir haben schon darüber geredet, zusammenzuziehen.“ Sie hasste es, an die Zeit zu denken, wenn Tom fortging. Ihr drängte sich der schreckliche Verdacht auf, dass sie ihn auf immer vermissen würde.

„Es gibt keinen Grund, warum du nicht weiter hier wohnen solltest.“

„Natürlich gibt es den. Es ist nicht mein Haus.“

„Aber meines. Ich brauche jemanden, der darauf aufpasst.“

„Es wäre wie ein Almosen, und das nehme ich nicht an. Also dränge nicht darauf.“

Er lächelte plötzlich verschmitzt, ganz männliche Überlegenheit. „Ich bin eigentlich ziemlich gut darin, meinen Kopf durchzusetzen.“

„Ich weiß. Schließlich lebe ich jetzt schon eine Weile mit dir.“

Er nahm ihr das Buch aus der Hand, fasste sie bei den Handgelenken und zog sie auf die Füße. „Dann solltest du schlicht akzeptieren, dass ich gerne mit dir zum Essen ausgehen möchte.“

Überrascht schnappte sie nach Luft. „Ich muss lernen.“

„Du musst essen. Und vielleicht gibt’s einen Film, den wir uns hinterher ansehen können. Du brauchst eine Pause, ich weiß das.“

„Für nicht einmal fünfundzwanzig bist du ziemlich überzeugt von dir“, seufzte sie theatralisch.

„Ich weiß. Ich wurde dazu erzogen.“

„Vermutlich.“ Sie hatte ihn nie nach seiner Familie gefragt. Das war ein Thema, über das er eindeutig nicht reden wollte. Man musste allerdings kein Genie sein, um zu ahnen, dass er aus ziemlich gutem Hause kam. „Warum bittest du nicht eine von deinen Freundinnen?“

„Tue ich doch. Dich.“

„Ich bin deine Haushälterin.“

„Und meine Freundin.“

Möglich. Nur konnte sie sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass sie sich nach dem Studium regelmäßig anrufen und Weihnachtskarten schreiben würden.

Dieser Gedanke gab schließlich den Ausschlag. Ihre verbleibende Zeit mit Tom Prince war begrenzt. Sie würde jede Minute auskosten. „Na schön. Ich lerne, wenn wir zurückkommen. Aber wir sollten in eine frühe Vorstellung gehen.“

„Dein Wunsch ist mir Befehl, kleine Maggie.“ Sein Versprechen besiegelte er mit einem Kuss.

Auf ihre Lippen.

Das hatte er noch nie gemacht.

Ihr Verstand sagte ihr, dass es nur eine freundschaftliche Geste war. Ihr Körper jedoch schien anderer Ansicht. Wie von selbst öffneten sich ihre Lippen, hießen ihn willkommen. Tom nahm die unmissverständliche Einladung an und vertiefte den Kuss.

Maggie hatte schon davon geträumt, doch kein Traum kam der Wirklichkeit gleich. Seine Lippen und seine Zunge erkundeten ihren Mund so meisterlich, dass ihr ein wohliger Seufzer entschlüpfte. Er legte die Hände auf ihre Hüften und zog sie enger an sich heran, sodass sie den Beweis seiner Erregung fühlen konnte. Ihr war nicht ganz klar, was das zu bedeuten hatte, aber sie war viel zu beschäftigt, diesen wunderbaren Kuss zu genießen, um genauer darüber nachzudenken.

Die leise Stimme der Vernunft, die streng fragte, was sie da machte, verhallte ungehört. Da war diese andere, viel lautere Stimme, die ihr zuflüsterte, dass sich ihr eine solche Chance nie wieder bieten würde. Die Maggie drängte, alles mit ihm zu erfahren, was sie konnte.

Die Hände an ihrem Rücken, schob Tom sie leicht rückwärts. Maggie stolperte, und bevor er sie auffangen konnte, fielen sie gemeinsam auf das Sofa, dann glitten sie auf den Boden. Erstaunlicherweise, ohne dass sich ihre Lippen voneinander lösten. Tom stöhnte rau auf und legte sich auf sie, drängte seinen Oberschenkel zwischen ihre Beine. Maggie erstarrte regungslos, jedes Nervenende in ihr vibrierte.

Das war zu viel. Etwas zu hastig wandte sie den Kopf zur Seite. Ein leiser, gequälter Laut entrang sich ihren Lippen.

Tom sah auf sie herunter, Gefühle spiegelten sich auf seiner Miene, die sie nicht zu deuten wusste. „Hab ich dir wehgetan?“

Unfähig, etwas zu sagen, schüttelte sie den Kopf und schloss die Augen. Sie würde die Verachtung in seinem Blick nicht ertragen können. Schließlich hatte sie versprochen, so etwas nie zu tun, doch scheinbar hatte ihr Verstand die Kontrolle über ihren Körper verloren. Die Tatsache, dass ihr Körper nur ihrem Herzen gehorchte, war da keine Entschuldigung.

„Maggie, sieh mich an.“ Es klang eher wie ein Befehl als eine Bitte.

Nur zögernd öffnete sie die Augen. „Es tut mir leid“, flüsterte sie erstickt.

Doch in Toms Gesicht war gar kein Ärger zu erkennen. Vielmehr schaute er sie so zärtlich an wie noch nie zuvor. „Wieso?“

Ihr Blick glitt zu seinen Lippen. „Weil ich dich geküsst habe.“

„Ich habe doch dich geküsst.“

Aber sie hatte ihn um mehr gebeten. Sie hatte sich an ihn geschmiegt, ihre Lippen für ihn geöffnet. Wieder schüttelte sie nur den Kopf.

„Du willst mich.“ Er klang erstaunt, und dennoch war da keine Wut, weil sie die Vereinbarung gebrochen hatte. „Seit wann schon?“

Sie wandte das Gesicht ab, ihr Stolz verbot es ihr, eine Antwort zu geben.

Er legte den Finger an ihr Kinn und zwang sie so, ihn wieder anzusehen. „Ich will dich auch.“

Es war wie ein Schock. „Wirklich?“, fragte sie ungläubig.

Mit einem verführerischen Lächeln presste er sie hart an sich. „Nun, es lässt sich wohl nicht verheimlichen.“

Als ihr klar wurde, was er andeuten wollte, lief sie purpurrot an. Wieder lachte er auf, bevor er seine Lippen auf die ihren senkte. Dieses Mal erforschte er das Innere ihres Mundes, kostete von ihrer Süße. Maggie seufzte leise auf. Jede Berührung war neu für sie, jede Liebkosung ein Schritt in eine unbekannte und doch so verlockende Welt. Eine Welt, in der Leidenschaft regierte, in der Sinnlichkeit alles bestimmte.

Er streichelte ihren Rücken, ihren Po. Jede seiner Berührungen entfachte ein Feuer in ihr, das sie nicht für möglich gehalten hatte. Als seine Hand sich schließlich um die sanfte Rundung ihrer Brust legte, glaubte sie vor Sehnsucht vergehen zu müssen. Sie wollte Tom berühren, wollte ihn spüren ohne die störenden Barrieren von Stoff und Kleidung. Mutig schob sie die Hände unter seinen dunklen Kaschmirpullover. Seine Haut war heiß, heißer als erwartet, und diese Hitze schien sich auf ihren Körper zu übertragen. Nur vage nahm sie wahr, dass er ihre Bluse öffnete und sie ihr vorsichtig über die Schultern streifte. Endlich spürte auch sie seine Hand auf ihrer nackten Haut. Ein angenehmer Schauer überlief sie, und die Knospen ihrer Brüste richteten sich auf.

Tom hauchte federleichte Küsse auf ihren Hals, ihren Nacken, ihre Brüste. „Du bist wunderbar, Maggie.“

Sein Mund umschloss zuerst die eine, dann die andere der rosigen Knospen, liebkoste sie, und Maggie entfuhr ein heiseres Stöhnen. „Ich … ich habe immer geahnt, dass es wunderbar sein muss, aber das hier übertrifft alles“, stammelte sie hilflos.

Sie hätte nicht sagen können, wie es geschehen war, aber plötzlich trug er keinen Pullover mehr, und sie konnte seinen bloßen Oberkörper auf ihrer Haut spüren. Seine Hand glitt über ihren Bauch und löste ihren Jeansbund, um seinen Fingern den Weg zu ihrer geheimsten Stelle frei zu machen.

Als er sie dort berührte, schrie sie leise auf.

„So ist es gut, bella, lass mich deine Leidenschaft spüren.“

Sie starrte ihn an. Wer war diese Bella? Doch ihre Gedanken wurden abgelenkt, als sie plötzlich ein unangenehmes Ziehen spürte.

„Du bist noch Jungfrau?“, fragte er verdutzt, ohne jedoch seine Hand fortzunehmen.

„Ja.“

Es flackerte in seinen Augen auf, und er flüsterte Worte in einer Sprache, die sie nicht verstand, während er unablässig Küsse auf ihr Gesicht und ihren Hals regnen ließ. Überwältigt von den Empfindungen, bemerkte sie nicht einmal, dass er ihr die Jeans von den Beinen streifte.

„Tom?“

„Was, bella?“

Dass er schon wieder den Namen der anderen Frau benutzte, brachte sie in die Wirklichkeit zurück. Natürlich hielt er sie für eine andere, sonst würde er sie doch gar nicht begehren. Unter diesen Voraussetzungen konnte sie ihm ihre Jungfräulichkeit nicht schenken. „Was machst du da?“, fragte sie wenig geistreich.

Er lachte heiser auf. „Ich werde dich lieben.“

Mit Liebe hatte es nichts zu tun, es war nur Sex. Und sie wusste nicht, ob sie das wollte. „Ich bin Jungfrau.“

„Ich weiß.“

„Ich nehme die Pille nicht.“

Tom fuhr unbeirrt fort, sie weiter auszuziehen. „Ich kümmere mich um den Schutz.“

„Aber …“ Abwehrend bedeckte sie die Brüste mit ihren Händen. „Bitte, Tom, warte.“

Er hielt überrascht inne. „Willst du jetzt einen Rückzieher machen?“

„Du hast mich Bella genannt.“

„Ja. Und? Muss ich dir das erklären?“

„Nein!“ Allein der Gedanke, von einer anderen Frau zu hören, die er liebte, war entsetzlich.

Jetzt sah er verwirrt drein. „Wo liegt dann das Problem?“

War er wirklich so begriffsstutzig? „Ich will nicht mit dir schlafen, während du an eine deiner anderen Freundinnen denkst.“

„So etwas würde ich nie tun.“ Er schien ehrlich beleidigt.

Sie wünschte, sie könnte ihm glauben. Doch die Angst, nur Ersatz zu sein, war stärker. „Ich bin noch nicht so weit.“

„Ich denke schon.“

„Außerdem sagtest du, du würdest mich feuern, sollte ich dich verführen. Was würde passieren, wenn wir jetzt miteinander schliefen?“

Enttäuschung blitzte in seinen blauen Augen auf, seine Miene wurde verschlossen. „Es würde mit Sicherheit eine gute Freundschaft ruinieren“, kam die zynische Antwort.

Das hatte sie nicht hören wollen. Sie schluckte trocken. „Du hast recht. Es wäre dumm, das für eine Nacht zu opfern.“

Tom wich ein paar Schritte zurück. „Ich werde dich zu nichts zwingen, wenn du meinst, es schadet dir“, erklärte er bitter.

„Das weiß ich.“

Ohne zu antworten, ließ er sich auf das Sofa sinken. Er hatte den Blick auf den Boden gerichtet, und nur sein heftiger Atem ließ darauf schließen, dass er aufgewühlt war.

Maggies Wangen brannten vor Scham, während sie sich hastig anzog. „Tom, ich …“

Als er sich jetzt an sie wandte, war sein Blick leer, und seine Stimme klang kühl. „Wenn ich dich nackt in meinem Bett finden sollte, würde ich dich nicht feuern.“ Das war alles, was er sagte, dann stand er auf, griff nach seinem Pullover und verließ ohne weiteres Wort das Haus.

Das Echo der zuschlagenden Tür hallte wie Donner in ihren Ohren, und Maggie war allein.

Hatte er sie wirklich begehrt?

Und wer war Bella?

Ungeweinte Tränen brannten in ihren Augen. Hatte sie gerade den größten Fehler ihres Lebens verhindert oder begangen?

Diese Fragen gingen Maggie die ganze nächste Woche über nicht mehr aus dem Kopf. Sie wachte morgens mit ihnen auf, wurde während des gesamten Tages von ihnen verfolgt, und abends hinderten sie sie am Einschlafen.

Wenn sie dann schlief, träumte sie von Tom und den Freuden, die er ihr bereitet hatte. Ihr Verlangen nach ihm wuchs ins Unermessliche. Nur zwei Dinge hielten sie davon ab, in sein Bett zu kriechen: die Erinnerung daran, wie er sie mit dem Namen einer anderen Frau angesprochen hatte, und die Tatsache, dass er kaum noch zu Hause war. Wenn sie ehrlich war, musste sie sich eingestehen, dass Ersteres weniger Bedeutung hätte, wenn Letzteres nicht der Fall gewesen wäre.

Auch wenn sie nicht als Ersatz herhalten wollte, so war die Versuchung doch unendlich groß, es darauf anzulegen, seine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Vor allem, da die Distanz zwischen ihnen mit jedem Tag wuchs und Tom immer weniger Zeit mit ihr oder im Haus verbrachte.

Er hatte sie gewollt, und er hatte sie praktisch in sein Bett eingeladen. Zwei Sachverhalte, die sie nicht vergessen konnte.

Letztendlich war es die Angst, das zu verlieren, was sie mit ihm hatte, die ihr die Entscheidung abnahm. Tom hatte angerufen und Bescheid gesagt, sie solle sich keine Gedanken um das Abendessen machen, er nehme an einer Studiengruppe teil. An einem Freitagabend. Als ob das je vorgekommen wäre! Nein, er ging ihr aus dem Weg. Und das konnte sie nicht länger ertragen!

Mittlerweile war es nach elf. Natürlich hatte sie gewusst, dass es schwer werden würde, ihn im Frühjahr gehen zu sehen. Niemals geahnt hätte sie jedoch, wie unmöglich es war, im gleichen Haus zu leben und ihn schon vorab zu verlieren. Falsch oder nicht, sie würde mit ihm schlafen. Vielleicht konnte das die Nähe wiederherstellen, die vor dieser dummen Episode zwischen ihnen bestanden hatte. Für eine Zukunft mit dem Mann, den sie liebte, wollte sie alles versuchen … selbst wenn diese Zukunft nicht von langer Dauer sein würde.

Maggie zog sich ihr Nachthemd über. Um sich nackt in sein Bett zu stehlen, war sie nicht mutig genug. Wäre er im Haus, hätte sie es niemals gewagt, so aber ging sie mit zögernden Schritten über den dunklen Gang zu seinem Schlafzimmer. Wenn er zurückkam und sie in seinem Bett vorfand, würde er verstehen. Er war feinsinnig und empfindsam, sie brauchte dann nichts zu erklären.

An diesen Gedanken klammerte sie sich, als sie unter die Decke schlüpfte. Sie würden sich lieben, und diese schreckliche Leere in ihrer Brust würde endlich aufgefüllt werden.

Während sie auf ihn wartete, wurden ihr die Lider schwer. Eine Woche voll schlafloser Nächte forderte ihren Tribut. Die letzte Erinnerung, die Maggie hatte, war der Blick auf den Digitalwecker neben dem Bett. Inzwischen war es nach Mitternacht.

Maggie wachte auf, als sie flüsternde Stimmen am Bett hörte. Die Matratze senkte sich, im gleichen Moment flammte die kleine Nachttischlampe auf. Maggie schnappte hilflos nach Luft.

Tom stand da, die Hand auf der Schulter einer umwerfend aussehenden Brünetten mit dunkelbraunen Augen, deren Bluse offen stand und damit perfekte weibliche Kurven, verhüllt in schwarzer Spitze, erkennen ließ.

„Maggie! Was machst du denn hier?“ Schockiert riss Tom die Augen auf.

„Schlafen“, entfuhr es ihr. Mehr hätte sie nicht herausgebracht, und wenn ihr Leben davon abgehangen hätte.

Die Brünette musterte sie mit einem abschätzigen Blick. In Toms Augen jedoch war Verstehen zu erkennen. Und Bedauern. Ein Bedauern, das mehr schmerzte als der verächtliche Blick seiner Freundin.

„Maggie, ich …“ Zum ersten Mal, seit sie Tom Prince kannte, war er um Worte verlegen.

Seine Begleiterin allerdings nicht.

„Warum liegt deine Haushälterin in deinem Bett?“, fragte sie voller Argwohn.

„Ich hatte vergessen, ihr zu sagen, dass ich heute nach Hause komme. Es ist Waschtag, ihr Bettzeug ist wohl noch in der Reinigung.“ Als improvisierte Ausrede war das gar nicht mal so schlecht.

Die aparte Schönheit verzog abfällig die Lippen. „Dann hätte sie auf dem Sofa schlafen sollen.“

„Hätte ich wohl“, murmelte Maggie. Vorwurfsvoll schaute sie zu Tom. „Es war ein Fehler, in dieses Zimmer zu kommen.“

„Das Timing ist wirklich sehr unglücklich“, gab er bedeutungsvoll zurück.

„Nun, das lässt sich sicherlich schnell richten, nicht wahr?“, mischte sich die Brünette hochmütig ein.

„Natürlich, sofort.“ Maggie kletterte aus dem Bett und dankte dem Himmel für das biedere weiße Nachthemd. Wäre sie nackt gewesen, sie hätte es nicht überlebt. So oder so war die Erniedrigung kaum zu ertragen.

Wortlos hastete sie zur Tür hinaus und in ihr Zimmer. Wie hatte sie sich nur einbilden können, Tom Princes Interesse an ihr könne mehr als ein Ausrutscher sein? Sie war so dumm gewesen zu glauben, er könne sie wirklich begehren. Alles nur ein Produkt ihrer überaktiven Fantasie, Wunschträume, mehr nicht! Aber dann hätte er nicht sagen sollen, was er gesagt hatte. Es war nicht fair.

Maggie fühlte sich, als würde sie den Boden unter den Füßen verlieren. Zitternd ließ sie sich auf ihr Bett sinken. Und zum ersten Mal seit Jahren ließ sie den Tränen freien Lauf.

In diesem Moment hasste sie Tom Prince ebenso stark, wie sie ihn liebte.

3. KAPITEL

Die Aussprache mit Tom am nächsten Morgen brachte keine Klärung. Fest stand nur, dass ihre Beziehung sich unwiederbringlich verändert hatte. Also begab Maggie sich unverzüglich auf die Suche nach einer anderen Stelle – und einer anderen Wohnung. Für sie und Tom gab es keine Zukunft mehr.

Es überraschte Maggie deshalb nicht, als er der anderen Frau schon nach kurzer Zeit einen Antrag machte. Seine Einladung zu der pompösen Hochzeitsfeier schlug sie aus. Sie hätte es nicht ertragen können, ihn mit einer anderen vor den Altar treten zu sehen. Doch wünschte sie ihm alles Glück der Welt. Schließlich liebte sie ihn.

Bei seiner Abschlussfeier jedoch war sie anwesend gewesen. Von ihm unbemerkt hatte sie auf einem der hinteren Plätze Platz genommen und war nach Überreichung der Urkunde sofort wieder verschwunden.

Danach hatte sie Tom Prince nie wieder gesehen. Aber vergessen konnte sie ihn auch nicht. Manche Menschen liebten nur einmal, offensichtlich gehörte sie dazu. Tom Prince hatte eine Frau geheiratet, die seiner würdig war. Doch ein Teil von Maggies Herzen würde immer ihm gehören …

Maggie mochte vielleicht eine knappe Stunde geschlafen haben, als sie einen kleinen Körper neben sich im Bett spürte.

Sie öffnete die Augen. „Gianni?“

„Anna hat Angst bekommen, Maggie. Sie will bei dir schlafen.“

Wie zum Beweis für die Worte ihres Bruders kuschelte sich jetzt das kleine Mädchen auf der anderen Seite an Maggie.

„Und du hast auch Angst?“, fragte Maggie flüsternd.

Im Halbdunkel nickte der kleine Junge. „Ich hatte einen bösen Traum.“

Papa fehlt mir“, hörte sie Anna sagen.

Maggie war zu müde, um sich auf große Debatten einzulassen. Also zog sie die beiden an sich heran, schaltete den Fernseher aus und schlief ebenfalls wieder ein.

Zwei Stunden später jedoch und nach mehreren Treffern von kleinen spitzen Ellbogen in empfindlichen Körperteilen ergab Maggie sich ihrem Schicksal und kletterte aus dem Bett. Sie würde sich einen anderen Ort zum Schlafen suchen müssen.

Doch wo? Die Kinderbetten waren zu klein, das viktorianische Sofa zu kurz. Ihres Wissens nach war das Bett im Zimmer von Giannis und Annas Vater das einzige, das fertig bezogen war.

Schlaftrunken taumelte Maggie über den Gang. Ihr Arbeitgeber würde es nie erfahren. Am Morgen würde sie sofort die Wäsche wechseln, und wenn er dann am nächsten Tag zurückkam, wäre alles ganz normal. Niemand würde etwas merken.

Sie schob das aufwendig bestickte Zierkissen und die Brokatdecke beiseite und schlüpfte ins Bett. Der Duft der seidenen Laken erinnerte sie schwach an etwas, aber sie war viel zu müde, um sich darüber Gedanken zu machen.

Tomasso zwang seinen müden Verstand, sich an die richtige Kombination des Sicherheitscodes zu erinnern und öffnete leise das Tor zur Villa. Endlich zu Hause. Endlich wieder auf Diamante, der zweitgrößten Insel der Isole dei Re-Gruppe. In den letzten fünf Tagen hatte er fast ohne Pause gearbeitet. Er vermisste die Kinder. Und er war neugierig auf Maggie.

Sechsunddreißig Stunden war er jetzt auf den Beinen, nur im Flugzug hatte er ein wenig geschlafen. Er stöhnte leise auf. Das Glas Wein und der Scotch, den er sich zum Dinner genehmigt hatte, vertrugen sich scheinbar nicht gut mit den Tabletten gegen die Reiseübelkeit, die er vor jedem Flug einzunehmen pflegte. In den ganzen dreißig Jahren seines Lebens war er nie betrunken gewesen, aber sein jetziger Zustand musste dem wohl sehr nahe kommen.

Vorsichtig schlich er die Treppen hinauf. Sein Herz klopfte aufgeregt. Morgen würde Maggie erfahren, dass sie für ihn arbeitete. Er hatte nicht die geringste Ahnung, wie sie reagieren würde, aber da ihr die Kinder bereits ans Herz gewachsen waren, würde sie wohl kaum auf dem Absatz kehrtmachen und gehen.

Bislang lief alles bestens. Er hatte nichts dem Zufall überlassen und alles genauestens geplant. Genau wie er es in seinem Unternehmen machte. Im Gegensatz zu seiner katastrophalen Ehe, wo er sich von Lust und unvernünftigen Gefühlen hatte leiten lassen, gedachte er die Situation mit Maggie anzugehen wie jedes Geschäft – kühl, gelassen, den Blick einzig darauf gerichtet, das anvisierte Ziel zu erreichen.

Ganz gleich, wie ihre Reaktion ausfallen sollte, weil sie wieder für Tom Prince arbeitete – oder genauer, für Principe Tomasso, den zweitgeborenen Sohn des Königshauses Scorsolini der kleinen Inselgruppe Isole dei Re … er hatte keineswegs die Absicht, sie noch einmal gehen zu lassen.

Er stellte seine Aktenkoffer in dem großzügigen Arbeitszimmer ab und ging mit der Reisetasche ins angrenzende Schlafzimmer. Auf einen Knopfdruck illuminierte gedämpftes Licht den Raum. In seinen Augen jedoch brannte es grell wie Spotlights. Himmel, diese Reisetabletten würde er nie wieder nehmen!

Tomasso lockerte sich gerade die Krawatte, als sein Blick auf das Brokatkissen fiel, das neben dem Bett auf dem Boden lag. Überrascht runzelte er die Stirn. Seit wann herrschte hier so eine Unordnung? Das Personal war praktisch unfehlbar, und seine Kinder hatten zu viel Respekt, um sich in seinem Schlafzimmer eine Kissenschlacht zu liefern.

Sein Blick glitt zum Bett – und er erstarrte.

Da lag jemand!

Wer besaß eine solche Unverfrorenheit, hier einzudringen? Keine Frau, die er kannte, würde an den Sicherheitsleuten vorbeikommen, keine Glücksjägerin konnte von seinem absolut loyalen Personal Hilfe erwarten.

Allerdings wusste auch niemand, dass er heute zurückkommen würde. Jeder vermutete ihn noch außer Landes.

Er trat näher an das Bett heran und riskierte einen Blick. Um die Frau überhaupt erkennen zu können, musste er eine blonde Strähne aus ihrem Gesicht streichen. Er tat es sehr vorsichtig, um sie nicht zu wecken.

Unglaube mischte sich mit Triumph, als er den Eindringling erkannte.

Maggie.

Was tat sie in seinem Bett?

Bilder an ein anderes Bett, an eine andere Zeit stiegen in ihm auf.

Bilder, die ihn heute noch immer erregten.

Sie hatten sich leidenschaftlich geküsst und fast miteinander geschlafen – obwohl sie noch Jungfrau gewesen war. Doch im letzten Moment hatte sie die Notbremse gezogen und sich für ihren Job – und gegen ihn – entschieden.

Er war enttäuscht und wütend zurückgeblieben, auch sein Ego war in Mitleidenschaft gezogen worden. Deshalb hatte er sich nach dieser herben Zurückweisung von Maggie ferngehalten und sich darauf konzentriert, sein Selbstbewusstsein und seine Libido wieder unter Kontrolle zu bekommen.

Dann war sie in jener Nacht vor sechs Jahren in sein Bett gekommen. Eine Einladung, die er hatte ausschlagen müssen. Denn Liana war bei ihm gewesen und damit die letzte Chance, die er je mit Maggie gehabt hatte, endgültig vorbei.

Jetzt lag Maggie wieder in seinem Bett. Ein völlig unerwarteter Wink des Schicksals, Fehler aus der Vergangenheit zu berichtigen. Sein Verstand sagte ihm, dass etwas an diesem Szenario nicht stimmte. Sie wusste ja nicht einmal, dass sie für ihn arbeitete, also konnte das hier auch nicht als Einladung gedacht sein. Dass sie hier lag, hatte wahrscheinlich eine banale Erklärung, so wie er sie damals vor sechs Jahren für Liana erfunden hatte.

Diese logische Schlussfolgerung gefiel ihm ganz und gar nicht.

Na schön, er war vielleicht übermüdet und sein Verstand arbeitete nicht so effektiv wie sonst, dennoch … Maggie Thomsons Anwesenheit in seinem Bett war eindeutig Schicksal. Sie gehörte zu ihm. Er hätte es schon früher erkennen müssen …

Nein, Moment. Er wollte doch erst herausfinden, ob sie so perfekt in sein Leben passte wie damals. Gab es einen besseren Weg, das zu testen, als das Bett mit ihr zu teilen? Eigentlich war es der Kernpunkt. Dass Maggie mit seinen Kindern zurechtkam, wusste er bereits von Therese.

Er wägte das Für und Wider ab, während er begann, sich auszuziehen. Letztendlich war es die pure körperliche Erschöpfung, die ihm die Entscheidung abnahm. Er war zu müde, um sich einen anderen Schlafplatz zu suchen.

Vorsichtig schlüpfte er unter die Laken. Nackt. Er hatte noch nie Pyjamas getragen, und er würde auch jetzt nicht damit anfangen. Trotz seiner Erschöpfung konnte er nicht sofort einschlafen, sondern betrachtete Maggies im Schlaf entspanntes Gesicht. Ihre Lippen waren leicht geöffnet. Perfekt, um sie zu küssen …

Ob sie etwas gegen einen Gutenachtkuss hätte? Nein, er war ein Prinz. Natürlich hätte sie nichts dagegen. Keine Frau hatte ihm bisher einen Kuss verweigert.

Langsam rückte er näher zu ihr heran. Sein Körper reagierte sofort und mit erstaunlicher Macht. Auf ihren süßen, femininen Duft. Auf sie. Als er sanft die Lippen auf ihren Mund presste, wurde das Verlangen fast schmerzhaft.

Maggie öffnete die Augen und sah ihn an, als wäre er ein Geist. „Tom?“

„Ja, kleine Maggie.“ Morgen würde er ihr erklären, wer er war.

Sie entspannte sich wieder und schloss die Augen. „Das war schön“, murmelte sie.

Also küsste er sie noch einmal. Schmeckte den Mund, der ihn in seinen Träumen schon so lange verfolgte. Maggie seufzte leise auf und ließ ihre Finger auf Erkundungsreise gehen, wie damals vor sechs Jahren. Und er vertiefte den Kuss mit einer Leidenschaft, wie er sie seit Ewigkeiten nicht mehr verspürt hatte.

Als Maggies Hand über seinen flachen Bauch strich, zuckte er zusammen. Ein letzter Rest von Vernunft und Selbstbeherrschung ließ ihn den Kuss abbrechen. „Maggie … bella … Weißt du, was du mir da antust?“

Ihre Augen blieben geschlossen, doch ihre Lippen verzogen sich zu einem sinnlichen Lächeln. „Ich küsse dich.“ Damit presste sie unverwandt ihren Mund auf seinen.

Er zwang sich, kurz innezuhalten. „Wer bin ich, bella?“

„Du bist Tom.“ Sie runzelte die Stirn. „Nenn mich nicht Bella, das mag ich nicht. Aber die anderen Sachen, die mag ich.“ Sie öffnete die Augen nur einen Spalt, sodass Tomasso das helle Grau sehen konnte. „Küss mich, Tom. Das ist so schön.“

Diese Frau war eine Sirene. Maggie hatte ganz offensichtlich nicht viel Erfahrung mit Männern gesammelt, aber es war genau diese Aura von Unschuld, die ihn mehr lockte und verführte, als jede Berührung es gekonnt hätte.

„Ist es sicher?“ Selbst wenn sie Nein sagen sollte, er wusste nicht, ob er sich würde bremsen können.

„Mit dir ist es immer sicher, Tom“, flüsterte sie an seinen Lippen und küsste ihn herausfordernd.

Heiße Befriedigung strömte durch Tomasso. Auch sie erinnerte sich also daran, wie gut es zwischen ihnen gewesen war. Sie wollte es genau wie er.

Dieses Mal jedoch war sie keine verängstigte Jungfrau mehr. Umso besser. Er hatte sich heute Abend nicht genügend unter Kontrolle, um sich zurückzunehmen. Hatte er bisher auch noch nie gemacht. Und die Art, wie Maggie ihn jetzt küsste, verbot jeden Gedanken daran, es langsam angehen zu lassen.

Er berührte sie überall, streichelte sie und befreite sie irgendwann voller Ungeduld aus dem Pyjama. Sie erschauerte, als endlich nackte Haut auf nackte Haut traf und Tomasso sich verlangend an sie drängte.

Hatte sie vorher noch kleine Laute ausgestoßen und sich weich an ihn geschmiegt, verhielt Maggie jetzt plötzlich regungslos. „Das ist gar kein Traum.“

„Oh doch, ist es.“ Tomasso lachte leise an ihrem Hals. „Einer, der viel zu lange gebraucht hat, um wahr zu werden.“

„Aber …“

Er erstickte jedes weitere Wort mit seinem Kuss, doch Maggie lag steif und unnachgiebig in seinen Armen. Wollte sie ihn etwa wieder zurückweisen wie vor sechs Jahren? Das würde er nicht zulassen. Sie wollte ihn, das konnte er ihrer Reaktion entnehmen. Wenn er etwas mit Liana gelernt hatte, dann wie man Leidenschaft in einer Frau weckte. Liana hatte sich nur gehen lassen, wenn er alle seine Künste anwendete und sie verführte, bis sie sich nicht mehr gegen die eigene Lust wehren konnte.

Maggie erwachte vollständig, als Tom ihre Brüste zu liebkosen begann. So lange Jahre hatte sie sich danach gesehnt. Sie hatte keine Ahnung, wie er in ihr Bett gekommen war, woher er gekommen war, aber das war jetzt unwichtig. Hier war der Mann, den sie liebte, und er berührte sie, wie sie es sich immer erträumt hatte. Alles war völlig unwirklich, dennoch war es real. Unwichtig war auch, ob es Sinn machte oder nicht. Es passierte, und sie war glücklich. Nur dieser eine Mann konnte solche Gefühle in ihr wecken, konnte ihre Bedürfnisse stillen. Sie verstand nicht, wie und warum, aber er musste sie ebenso wollen, sonst könnte er sie nicht so zärtlich streicheln. Sie ergab sich dem Gefühl und den Erinnerungen.

Er hatte Liana geheiratet.

Maggie wand sich aus seinen Armen. „Nein. Nicht. Du bist verheiratet.“ Sie schlug mit der Faust gegen seine Schulter. „Du hast eine Ehefrau.“

Tomasso stöhnte auf, dann hielt er inne. „Nein, habe ich nicht“, sagte er mit einer Stimme, die keinen Zweifel duldete.

Und bevor sie fragen konnte, was mit Liana geschehen war, küsste er sie erneut.

Liana war also fort. Niemand stand mehr zwischen Maggie und ihrem Traum. Das Bedürfnis, geliebt zu werden, zu jemandem zu gehören, hallte wie ein stummes Echo durch ihren Körper. Die Leere, die sie seit dem Tod ihrer Eltern quälte, und der Wunsch nach einer Familie verlangten danach, erfüllt zu werden. Nur dieses eine Mal und nur mit diesem Mann.

Als sie seine Hand zwischen ihren Schenkeln spürte, wehrte sie sich nicht. Als seine Lippen die aufgerichteten Knospen ihrer Brust umschlossen, protestierte sie nicht. Als er ihre Beine auseinanderdrängte, ließ sie es geschehen. Und da sie nicht wusste, was sie tun sollte, tat sie nichts. Ihn schien es nicht zu stören … Im Gegenteil, er war erregt, und seine Leidenschaft ließ sie sich begehrenswert fühlen, auch wenn sie wusste, dass sie es nicht war.

Er hob den Kopf. „Willst du mich, Maggie?“

„Ja. Ja, so sehr …“

Ein triumphierender Ausdruck trat auf seine Miene, und dann drang er in sie ein.

Schmerz erfüllte sie, so überraschend, dass sie einen kleinen Schrei ausstieß. Doch schon hatte er ihren Mund wieder gierig in Besitz genommen, während er sich schneller und schneller in ihr bewegte. Kleine Flammen der Lust leckten in ihrem Innersten auf, doch sie konnten den Schmerz nicht besänftigen. Tränen rannen über ihre Wangen, während sie Toms Küsse erwiderte.

Zumindest dieser Teil war schön.

Dann erschauerte Tom mit einem tiefen Stöhnen und sackte auf ihr zusammen, bedeckte sie schwer mit seinem Gewicht.

Jetzt tat es nicht mehr so weh, aber das Gefühl, um etwas Wertvolles gebracht worden zu sein, nagte an ihr, so als hätte ein wunderbares Versprechen sich von jetzt auf gleich verflüchtigt. Nicht zu fassen, dass sie sechsundzwanzig Jahre gewartet hatte, um das zu erleben.

Außerdem konnte sie mit seinem Gewicht auf sich kaum atmen. Sie drückte mit beiden Händen gegen seine Schultern. „Tom? Bitte, geh runter von mir.“

Er rollte sich auf die Seite. „Ich bin zu schwer für dich.“ Er lallte, als hätte er zu viel getrunken. Dann griff er nach ihr, zog sie zu sich heran und war in der nächsten Sekunde eingeschlafen. Einfach so.

Da hatte er sie entjungfert, sie zur Frau gemacht und schlief dann ein, ohne auch nur mit einem einzigen Wort zu erklären, wie, zum Teufel, er in ihr Bett gekommen war!

4. KAPITEL

Maggie blieb unbeweglich liegen. Für Stunden, für Minuten … sie hätte es nicht sagen können. Sie stand zu sehr unter Schock, um ein Gefühl für Zeit zu haben.

Sie hatte gerade mit Tom Prince geschlafen! Sie konnte nicht begreifen, dass er tatsächlich hier war. Dass sie ihm Freiheiten erlaubt hatte, die sie keinem Mann vor ihm erlaubt hatte.

Wie war er überhaupt in ihr Bett gekommen? Nein, nicht ihr Bett, sondern das ihres Arbeitgebers. Waren die beiden Männer etwa Freunde? Wie war Tom ins Haus gelangt? Und noch wichtiger … war er noch verheiratet? Er hatte es abgestritten, aber konnte sie ihm glauben? Seit Jahren hatte sie ihn nicht gesehen. Änderten Menschen sich nicht mit der Zeit?

Tom Prince wäre zu ehrenhaft gewesen, um sich als verheirateter Mann so zu verhalten. War er das immer noch?

Himmel … vielleicht hatte er sie ja für Liana gehalten! Aber nein, er hatte sie „kleine Maggie“ genannt, wie früher.

Eine Welle der Übelkeit überrollte sie bei dem Gedanken, möglicherweise mit einem verheirateten Mann geschlafen zu haben. Maggie kletterte aus dem Bett, um dem Ort ihres Sündenfalls zu entkommen.

Der Prinz würde sie auf der Stelle feuern, sobald er herausfand, dass sie mit einem seiner Freunde geschlafen hatte. Sie würde die Kinder allein lassen müssen … Bei dem Gedanken daran zog Maggies Herz sich schmerzvoll zusammen. Sie wollte die Kinder nicht verlassen, sie brauchten sie doch. Was hatte sie nur getan?

Taumelnd flüchtete sie sich in das angrenzende Bad, ließ die Wanne volllaufen und glitt in das warme Wasser. Sie musste unbedingt versuchen, mit der Situation klarzukommen.

Absolut bizarr, dass ausgerechnet in der Nacht, in der sie beschloss, im Bett ihres Arbeitgebers zu schlafen, besagter Arbeitgeber einen Freund ins Haus einlud. Und dass es sich bei dem Freund auch noch um den einzigen Mann auf der Welt handelte, dem sie solche Intimitäten erlauben würde. Sie erinnerte sich schwach an seine Frage, ob es sicher sei. Bei ihm war sie immer sicher. Denn er war ihr Traumliebhaber – im wahrsten Sinne des Wortes. Er kam in ihren Träumen zu ihr.

Wieso waren der Prinz und Tom Prince Freunde? Oder, Moment mal …

Ein kalter Schauer rann Maggie über den Rücken, trotz des heißen Wassers. Was, wenn Tom Prince und Tomasso Scorsolini nicht Freunde waren, sondern ein und dieselbe Person? Tom Prince – Principe Tomasso. Es war verrückt, aber es ergab Sinn. Schließlich … wer würde es wagen, im Bett des Prinzen zu schlafen, außer dem Prinzen selbst?

Tom … Prince Tomasso musste gewusst haben, wer sie war, als seine Schwägerin sie in seinem Auftrag eingestellt hatte. Oder sollte ihn ihr Name nicht gekümmert haben? Doch, bestimmt. Er war ein aufmerksamer Vater, er überprüfte bestimmt jeden, der mit seinen Kindern zu tun hatte.

Ein anderer Gedanke schoss ihr in den Kopf. Die Mutter von Gianni und Anna war vor zwei Jahren gestorben. Also war Tom nicht verheiratet, sondern Witwer. Er hatte nicht gelogen.

Aber warum hatte er dann mit ihr geschlafen? Hatte er vielleicht auch geträumt, so wie sie anfangs, und gedacht, er schliefe mit Liana? Sie meinte gehört zu haben, wie er sie bei ihrem Namen nannte, aber war sie wirklich wach und bei klarem Verstand gewesen?

Fragen über Fragen und ein wirres Szenario, das keinen rechten Sinn ergab. So verwirrt und aufgewühlt, wie Maggie war, würde sie jetzt auch keine Antworten finden. Sie musste erst ihre Gedanken ordnen und ihren Puls auf ein normales Tempo bringen. Dieses mittlerweile nur noch lauwarme Schaumbad half nicht dabei.

Maggie stieg aus der Wanne und trocknete sich ab. Dann schlich sie zurück in das Schlafzimmer des Prinzen, zog leise ihren Pyjama an und verließ den Raum. Wie vom Donner gerührt blieb sie stehen, als sie im Flur auf den völlig verschlafenen Gianni traf.

„Wieso schläfst du in papas Zimmer?“, fragte er gähnend.

Maggie wurde blass. „Anna und du, ihr habt euch so breit gemacht. Da war gar kein Platz mehr für mich.“

„Ach so. Ich gehe zurück in mein eigenes Zimmer. Der böse Traum ist fort.“ Er rieb sich die Augen.

„Komm, Schatz, ich bringe dich hin und decke dich zu.“

Während sie mit dem Jungen über den Korridor ging, raste ihr Herz. Wie sollte sie Tomasso morgen gegenübertreten? Wenn er glaubte, alles sei nur ein Traum gewesen … Vielleicht erinnerte er sich gar nicht daran …

Es war weit hergeholt, aber im Moment gab sich ihr aufgewühlter und erschöpfter Verstand damit zufrieden. Es schien eine gute Erklärung. Und die einzige Hoffnung.

Tomasso erwachte mit einem wunderbaren Gefühl von Gelöstheit und freudiger Erwartung.

Instinktiv fasste er auf den Platz neben sich, bis ihm wieder einfiel, dass er weder eine Frau noch eine Geliebte hatte, die mit ihm das Bett teilte. Seltsam, dass ihm so etwas entfallen konnte, schließlich war es schon seit zwei Jahren so. Doch dann stürzten die Bilder der letzten Nacht auf ihn ein. Maggie … in seinem Haus … in seinem Bett … in seinen Armen!

Er riss die Augen auf und sah sich um, doch das Zimmer war leer.

Zeigte sie Diskretion wegen der Kinder? War sie überhaupt hier gewesen? Der ganze gestrige Tag war seltsam nebulös verlaufen, sogar der Rückflug. Aber der war auf jeden Fall kein Traum gewesen. Und Maggie in seinem Bett auch nicht.

Aber was hatte sie hier gemacht? Und welcher Teufel hatte ihn geritten, sie zu verführen?

Er konnte kaum fassen, dass er mit ihr geschlafen hatte. Oder dass sie es zugelassen hatte. Die Maggie, die er kannte, hätte einem Mann so etwas nie erlaubt. Normalerweise war er auch nicht der Mann, der so etwas tat. Das lag nur an den verflixten Reisetabletten, gemischt mit dem Alkohol. Er hatte nicht mehr vernünftig gedacht.

Dabei hatte er erst testen wollen, ob Maggie in sein Leben passte. Ob sie die Frau war, an die er sich erinnerte, und ob diese Anziehungskraft von damals noch immer zwischen ihnen bestand. Nun, Letzteres hatte er wohl bewiesen. Maggie erregte ihn mehr als jede andere Frau, aber er freute sich nicht wahrhaft darüber.

Wie sollte er auch, wenn Maggies Verhalten vermuten ließ, dass sie mit jedem Mann ins Bett ging, der es ihr anbot? Waren die Berichte der Detektei so falsch gewesen? Aber vielleicht hatte sie mit ihrem Handeln auch einen anderen Plan verfolgt. Schließlich hatte Liana ihm auch etwas vorgespielt, um ihr eigentliches Ziel – finanzielle Absicherung – zu erreichen. Er gedachte nicht, den gleichen Fehler zweimal zu machen.

Allerdings erklärte das nicht, wie Maggie seine wahre Identität noch vor seiner Rückkehr herausgefunden haben sollte. Die Familienporträts hatte er bewusst abhängen lassen. Möglich, dass ihr irgendwo ein Foto von ihm mit den Kindern in die Finger gefallen war. Hatte sie in seinem Bett auf ihn gewartet, um den Vorteil sofort zu nutzen? Nein, das ergab keinen Sinn. Niemand hatte ihn früher zurückerwartet.

Nun, was auch immer ihre Gründe gewesen sein mochten, jetzt war sie nicht mehr hier. Er wollte wissen, warum. Und warum sie mit ihm geschlafen hatte. Ohne Gegenwehr. Ohne Protest. Vor sechs Jahren wäre das anders gewesen. Aber Menschen änderten sich. Er hatte sich ja auch geändert.

Tomasso schlug die Decken zurück und verharrte verdutzt. Da war Blut auf den Laken. Nicht viel, aber eindeutig Blut. Seines war es nicht. Hatte Maggies Periode in der Nacht eingesetzt? War sie deshalb verschwunden?

„Papa!“

Der freudige Aufschrei riss Maggie aus dem Schlaf. Abrupt setzte sie sich auf, gerade noch rechtzeitig, um zu sehen, wie ihre kleine Bettgenossin dem großen, umwerfend aussehenden Mann, der neben dem Bett stand, in die Arme flog.

„Hallo, stellina, hab ich dir gefehlt?“

Anna schlang die Ärmchen fest um seinen Hals. „Ja!“

„Ich hab dich auch vermisst, piccola mia.“

„Und mich auch“, tönte es da überzeugt von Gianni, der in der Tür auftauchte.

Tomasso beugte sich vor, nahm den Jungen ebenfalls auf den Arm und strahlte seine beiden Kinder an. Maggies Herz zog sich schmerzhaft zusammen, als sie die Liebe in seinen Augen sah.

Dann richtete er den Blick auf sie, und seine Augen wurden ausdruckslos. Ihr Puls begann zu rasen, während die Bilder der letzten Nacht mit voller Macht auf sie einstürmten und sie ihnen schutzlos ausgeliefert war. Sie hatte keine Zeit gehabt, sich auf diese Begegnung einzustellen. Oder auf den Schmerz, der sie jetzt durchzuckte. Und sie hatte nicht die geringste Ahnung, warum er mit ihr geschlafen hatte. Nur eines stand fest: Dieser Mann war noch unerreichbarer für sie als Tom Prince.

„Hallo, Maggie.“

„Guten Morgen …“ Himmel, wie sollte sie ihn anreden? Tom Prince war er ja nicht, nicht wirklich. „… Euer Hoheit.“

„Tomasso reicht völlig“, meinte er spöttisch.

Papa, ist Maggie nicht lieb?“, wollte Anna wissen.

„Sie ist die beste Nanny überhaupt.“ Gianni grinste Maggie begeistert an.

Maggie lächelte zurück, auch wenn sie sich viel lieber unter der Decke verkrochen hätte. „Bei so bezaubernden Kindern ist es nicht schwierig, eine gute Nanny zu sein.“

„Ja, die beiden sind wunderbar, die wunderbarsten auf der ganzen Welt“, erklärte Tomasso stolz.

Gianni und Anna freuten sich enorm über das Kompliment ihres Vaters und strahlten ihn glücklich an. Und Maggie verspürte eine schier unerträgliche Sehnsucht. Sie hatte immer eine eigene Familie gewollt, aber nie zuvor hatte sie sich gewünscht, dass Kinder, die man in ihre Obhut gegeben hatte, ihr gehören würden. Das war alles andere als professionell und machte sie extrem verletzlich.

„Sicher habt ihr euch viel zu erzählen.“ Es war ein Wink, damit Tomasso ihr Zimmer verließ. Bisher hatte sie den Raum für riesig gehalten, doch durch Tomassos Gegenwart schien er zu einer erdrückenden Kemenate geworden zu sein.

Tomasso gab Anna einen Kuss auf die Wange. „Ich dachte, wir könnten alle zusammen frühstücken und dann für ein paar Stunden an den Strand gehen.“

Der Vorschlag stieß bei den Kindern auf ein begeistertes Echo, Maggie jedoch stockte der Atem. Sie sollten den Tag gemeinsam verbringen? Er wollte sie also nicht fristlos entlassen?

„Ich habe in den letzten Wochen unglaublich viel gearbeitet und kann jetzt ein paar freie Tage gut gebrauchen.“

Jubelnd stürmten Anna und Gianni aus dem Zimmer. Der kleine Junge wollte unbedingt seinen neuen Drachen holen, und das Mädchen verkündete, sie müsse „gaaanz“ schnell seine Lieblingsshorts anziehen.

Tomasso allerdings ging nicht.

Er blieb neben dem Bett stehen und musterte Maggie mit ausdrucksloser Miene. Gegen seinen Willen überfiel ihn heißes Verlangen. Für einen Moment verdrängte es sogar die Scham und Reue, die er empfand, seit er heute Morgen so zufrieden aufgewacht war. Das sogenannte Wechselbad der Gefühle beschrieb wohl am ehesten seine Gemütslage. Und Scham war eine seiner vorherrschenden Empfindungen.

Und Selbstverachtung. Er war beileibe kein dummer Mann, im Gegenteil, schließlich führte er ein internationales Unternehmen. Aber was Frauen anbelangte, schien er nichts aus seinen Fehlern zu lernen.

„Wenn ich mit den Kindern helfen soll, muss ich mich anziehen“, sagte Maggie in das sich dehnende Schweigen.

„Lass dich durch mich nicht abhalten.“ Er bot ihr seine Hand, um ihr beim Aufstehen zu helfen, doch sie zuckte zurück.

„Ich bin noch im Pyjama.“ Mit einer übertriebenen Geste zog sie die Decke bis unter ihr Kinn.

Tomasso hob ironisch die Augenbrauen. „Letzte Nacht warst du nicht so schüchtern.“

„Letzte Nacht?“, tat sie unschuldig.

Langsam verlor er die Geduld. Sie war fast so gerissen wie Liana, aber warum schob sie jetzt Unwissenheit vor? „In meinem Bett.“

„Ich weiß nicht, wovon du redest.“ Maggie log grundsätzlich nicht und hatte dementsprechend wenig Erfahrung. Ihre Stimme klang schrill und gekünstelt. „Du musst geträumt haben.“

„Ich habe keineswegs geträumt.“

„Bist du sicher?“

„Allerdings. Wir hatten gestern Nacht Sex miteinander.“

Seine harschen Worte ließen sie zusammenzucken. Wenn er wach gewesen war, gab es keine Entschuldigungen mehr. Er hatte ihre Hilflosigkeit ausgenutzt und sich einfach genommen, was er hatte haben wollen.

„Ich …“

„Du brauchst dein Verhalten nicht zu leugnen, so als wäre es nie passiert. So dumm bin ich nicht.“

„Mein Verhalten?“ Maggie glaubte, sich verhört zu haben. „Du wagst es, mir mein Verhalten vorzuwerfen?“

„Wahrscheinlich gehst du davon aus, dass ich dir kündige, aber meine Kinder haben sich bereits zu sehr an dich gewöhnt, als dass ich solch drastische Maßnahmen ohne vorherige genaue Prüfung ergreife.“

„Und wie willst du das anstellen?“ Ärger über seine Unverfrorenheit und Erleichterung, dass sie nicht sofort gehen sollte, erfüllten sie gleichermaßen.

„Ich möchte eine Erklärung für dein Verhalten. Außerdem muss ich mich darauf verlassen können, dass so ein … freizügiges Verhalten nicht wieder vorkommt. Ich wünsche nicht, dass meine Tochter in diesem Sinne aufgezogen wird.“

„Freizügig …? Du hältst mich für sittenlos!“

„Bitte, sprich nicht so laut. Die anderen Bediensteten müssen dich nicht hören.“

Die anderen Bediensteten! Sie war also nicht mehr als eine Bedienstete, mit der er geschlafen hatte. Wie praktisch! Und eindeutig. Als Person war sie völlig unwichtig für diesen Mann. Einst war sie seine Haushälterin gewesen, jetzt war sie Kindermädchen in seinem Haushalt. Eine gut bezahlte Angestellte, mehr nicht.

Die Erkenntnis tat weh, schürte aber auch die Wut in ihr. „Ich habe keineswegs lockere Sitten!“

„Vielleicht siehst du es anders. Doch gestern bist du in meine Arme gesunken ohne ein Wort des Protests. Nach sechs Jahren.“

„Daraus ziehst du also deine Schlüsse? Und was macht das aus dir? Einen unmoralischen Prinzen?“

„Mein Verhalten steht hier nicht zur Debatte, sondern deines. Und welche Wirkung diese Einstellung auf meine Kinder haben könnte.“

„Es wird keine Auswirkungen haben!“ Ein Teil von ihr rebellierte gegen die unverschämte Unterstellung, ein anderer Teil fürchtete, Gianni und Anna zu verlieren, die sie in so kurzer Zeit so bedingungslos lieben gelernt hatte. „Ich dachte, es wäre ein Traum“, murmelte sie.

„Du enttäuschst mich, Maggie. Du hast nie gelogen. Gestern Nacht warst du mit Sicherheit wach. Ich weiß es, ich war dabei.“

„Nur halb wach. Kaum“, verstärkte sie. „Anfangs habe ich wirklich geschlafen. Und als ich langsam zu mir kam, tatest du Dinge mit mir, gegen die ich mich nicht mehr wehren konnte.“ Ihre Augen begannen zu funkeln. „Du hast mich verführt!“ Die Wut verdrängte die Angst. „Ich war nicht die Einzige in diesem Bett, die mit jemandem schlief, den sie seit sechs Jahren nicht mehr gesehen hat. Allerdings war ich nicht diejenige, die das Ganze angeregt hat, oder? Wie kannst du es wagen, mir lockere Moral vorzuwerfen, wenn du mich derart benutzt hast! Das ist ein solch unterstes, verabscheuungswürdigstes Niveau, dass mir die Worte fehlen!“

Seine Wut stand der ihren in nichts nach. „Ich habe dich nicht benutzt! Du warst wach!“

„War ich nicht! Am Anfang zumindest nicht!“

„Du hast mit mir geredet, du hast mir völlig verständlich geantwortet. Du hast mich geküsst!“

„Weil ich dich für Tom Prince hielt!“

„Der bin ich auch!“

„Nein. Du bist Principe Tomasso Scorsolini. Wäre mir das bewusst gewesen, hätte ich nie zugelassen, dass du mich so berührst!“

„Das ist eine glatte Lüge. Du hast mich angefleht, mit dir zu schlafen.“

Die Erinnerung an ihr schamloses Benehmen verbesserte ihre Laune nicht, auch nicht die Erinnerung daran, wie weh es getan hatte, als ihr Wunsch erfüllt worden war, und wie schrecklich leer sie sich danach gefühlt hatte. „Glaub doch, was du willst“, fauchte sie. „Ich kann nicht fassen, dass ich mich von dir habe anfassen lassen, selbst in meinen Träumen.“ Tränen brannten in ihren Augen, aber sie drängte sie zurück. Wegen dieses Mannes hatte sie zweimal in ihrem Leben geweint – vor sechs Jahren und gestern –, aber das würde kein drittes Mal vorkommen. „Nur ein gewissenloser Lüstling vergeht sich an einer schlafenden Frau. Ich kann nicht glauben, dass du so tief gesunken bist!“

„Ich bin weder gewissenlos noch ein Lüstling“, knurrte er. Vor Wut zitterte er am ganzen Leib.

„Nenn es, wie du willst. Ich auf jeden Fall habe kein Interesse.“

„Du benimmst dich unvernünftig, was angesichts deines Zustands sogar verständlich ist. Aber ich werde mich nicht von dir beleidigen lassen, Maggie.“

„Meinst du, das kümmert mich?“

„Ich bin dein Arbeitgeber. Es sollte dich kümmern.“

„Was denn, willst du mich feuern? Kannst du nicht. Ich kündige nämlich!“ Hatte sie diese Worte wirklich soeben gesagt? Ja, sie konnte unmöglich für ihn arbeiten, auch nicht für Gianni und Anna.

„Du bist schon einmal vor mir davongelaufen, und es hat dir nicht viel genutzt.“

„Dieses Mal schon.“

„Nicht, wenn du nicht wegen Vertragsbruchs vor Gericht bestellt werden willst. Du hast nämlich einen Vertrag unterschrieben, für zwei Jahre“, meinte er grimmig.

5. KAPITEL

Diese Drohung ließ Maggies Wut erst recht auflodern. Ungestüm sprang sie aus dem Bett, marschierte auf Tom zu und stieß ihm den Zeigefinger in die Brust. „Dann verklag mich doch! Ich werde nicht einmal zwei Tage in diesem Haus leben, geschweige denn zwei Jahre.“

Tomasso sah sie empört an. „Du bist wirklich extrem unvernünftig. Mir ist klar, dass PMS heute allgemein anerkannt ist, aber du gehst zu weit.“

„Du meinst, ich leide im Moment unter PMS? Dass ich nur deshalb wütend bin?“

„Es ist die einzige logische Erklärung.“

„Wie wäre es denn mit: Ich finde dein Benehmen erschreckend und abstoßend? Du bist wie der Vergewaltiger, der sein Opfer beschuldigt, ihn verführt zu haben.“ Gut, das ging vielleicht zu weit, aber sie kochte vor Wut. „Nur zu deiner Information, ich leide nicht unter PMS. Ich habe noch gute zwei Wochen Zeit.“

Tomasso musterte sie zweifelnd. „Wirklich?“

„Wirklich!“, bestätigte sie herzhaft. „Und ich bin entsetzt, dass du so persönliche Fragen stellst.“

„Da war Blut auf dem Laken. Woher soll das sonst gekommen sein? Und was wir gestern Nacht getan haben, war sehr viel persönlicher.“

„Für einen Mann wie dich sicher nicht.“ Zu wissen, wie unpersönlich es für ihn gewesen war, schnitt ihr wie ein Messer ins Herz. Vielleicht waren sie damals doch nicht so gute Freunde gewesen, wie sie gedacht hatte. Schließlich hatte er ihr auch nicht gesagt, dass er ein Prinz war. „Ich wünschte, ich könnte letzte Nacht vergessen. Aber angeblich soll das normal sein … der Schmerz und etwas Blut.“

Tomasso wurde blass, als ihm der Sinn ihrer Worte bewusst wurde.

„Man sagt doch immer, das erste Mal tut weh“, fuhr sie würdevoll fort, dann wandte sie den Blick ab.

Er gab einen erstickten Laut von sich, sodass sie sofort wieder zu ihm hinschaute. „Du warst noch Jungfrau?“ Er war jetzt weiß wie ein Laken und wirkte ehrlich entsetzt. Schockiert starrte er sie an. „Du bist sechsundzwanzig!“

„Mir ist nicht ganz klar, was mein Alter damit zu tun haben sollte. Es gibt kein Verfallsdatum für die Jungfräulichkeit bei Frauen.“

Tomasso ließ sich auf die Bettkante sinken, als wollten seine Beine ihn nicht mehr tragen. „Ich bin kein Lüstling. Ich dachte, du wärst wach.“

Sie zuckte stumm mit den Schultern. Sie glaubte ihm sogar. So real, wie ihre Träume von ihm waren, konnte ihre Reaktion bei ihm diesen Eindruck erweckt haben.

„Du wolltest mich“, bestätigte er ihre Gedanken. „Dein Körper war bereit …“

„Offensichtlich nicht bereit genug“, murmelte sie, als sie an den Schmerz dachte.

„Ich wusste nichts von deiner Unschuld. Ich habe dich zu schnell in Besitz genommen.“

„Du hättest mich gar nicht anrühren sollen!“

Eine Weile musterte er sie forschend. „Um derart zu reagieren, musst du häufiger solche Träume von mir haben.“

„Das geht dich nicht das Geringste an.“

Ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. Für einen Moment glich er so sehr dem Mann, den sie liebte. „Du hast mich nie vergessen. Du wolltest gar nicht das Ende unserer Freundschaft.“

„Warum habe ich dich dann verlassen?“, fragte sie herausfordernd.

Er kniff die Augen zusammen und schien mit einem Mal so selbstzufrieden, dass es Maggie ganz und gar nicht behagte. „Wegen Liana.“

„Da spricht das Ego aus dir.“

Wieder musterte er sie, das Lächeln schwand und machte dem hoheitlichen Ausdruck des Principe Platz. „Oder vielleicht ist diese ganze ‚Ich-habe-geträumt‘-Geschichte auch nur erfunden, und du hast ganz bewusst deine Jungfräulichkeit mit der Hoffnung auf eine Krone angeboten. Indem du Schuldgefühle in mir weckst, schaffst du dir eine gute Ausgangsposition, um dein Ziel zu erreichen.“

Maggie schnappte empört nach Luft. „Das kannst du nicht ernst meinen!“

„Nun, es ist denkbar. Seit Anbeginn der Zeiten haben Frauen ihre Unschuld für eine Krone geopfert, es wäre also nicht das erste Mal.“

„Aber bestimmt nicht in diesem Jahrhundert, da bin ich sicher!“

„Du wärest erstaunt.“

Möglich, schließlich wusste sie nichts über die Welt des Adels. „Um eine Krone zu bekommen, müsste ich dich wohl heiraten, nicht wahr? Also hast du nichts zu befürchten. Schließlich kann ich dich nicht vor den Altar zwingen.“

„Und wenn du schwanger von mir sein solltest …?“ Er sagte nichts weiter, ließ die Frage im Raum stehen, deren Bedeutung sich von selbst erklärte.

Die Erwiderung blieb Maggie im Hals stecken. Ein Baby? Tom Princes Baby? Nein, Principe Tomassos Baby. Dennoch … Ein eigenes Kind. Eine Familie, die ihr niemand nehmen konnte.

Ihre Hand glitt unwillkürlich zu ihrem Bauch. Nein, sie konnte nicht schwanger sein, nicht vom ersten Mal. Doch noch während sie das dachte, hörte sie die dünne Stimme in ihrem Hinterkopf. Natürlich war es möglich, sehr gut möglich sogar, angesichts ihres Zyklus. Sie merkte selbst, wie Erschrecken über ihr Gesicht zog.

„Warum siehst du so entsetzt aus?“ Durchdringend betrachtete er sie, als wäge er ab, ob ihr Schock nur gespielt war. „Ein besseres Druckmittel gibt es nicht.“

„Ein Baby ist keine Ware für einen Tauschhandel“, flüsterte sie. Sie konnte nicht fassen, dass sie diese Unterhaltung führte. Noch weniger, wie es überhaupt zu diesem Gespräch gekommen war.

Sie und der Prinz hatten miteinander geschlafen, und er glaubte, in gegenseitigem Einverständnis. Ehrlicherweise musste sie zugeben, dass sie tatsächlich einverstanden gewesen war. Vielleicht hatte sie anfangs geglaubt zu träumen. Aber dann war die Sehnsucht nach diesem Mann zu stark geworden. Wahrscheinlich sollte sie sich für den „Lüstling“ entschuldigen.

„Für manche Frauen schon.“

Wovon sprach er noch mal? Ach ja, von Babys als Druckmittel. Es klang so bitter, als hätte er persönliche Erfahrungen gemacht. „Ich gehöre auf jeden Fall nicht dazu.“ Würdevoll sah sie ihn an. „Bitte, gehe jetzt. Ich möchte mich anziehen.“ Ihr war egal, ob er ihre Schamhaftigkeit nach letzter Nacht lächerlich fand oder nicht.

„Wir haben noch einiges zu bereden.“

„Das sehe ich ebenso. Ich habe nämlich noch einige Fragen.“ Zum Beispiel, wie es zustande gekommen war, dass sie wieder für Tom Prince arbeitete. „Aber nicht jetzt.“ Dazu war sie im Moment nicht in der Lage.

Er kniff die Augen zusammen. „Nun gut. Carlotta wird das Frühstück in fünfzehn Minuten auftragen.“ Ohne auf ihre Antwort zu warten, wandte er sich zur Tür.

Maggie hätte sich viel lieber den ganzen Tag in ihrem Zimmer verkrochen, aber eines hatte sich in den sechs Jahren an Tom nicht geändert – seine Starrköpfigkeit. Der Mann war es gewohnt, genau das zu bekommen, was er wollte. Kein Wunder, wenn man bedachte, dass er als Prinz erzogen worden war.

Man stelle sich vor – da hatte sie volle zwei Jahre mit einem Prinzen unter einem Dach gelebt und es nicht einmal geahnt.

Tomasso sah auf, als Maggie das Frühstückszimmer betrat. Der prüfende Blick, mit dem er sie musterte, jagte ihr einen Schauer über die Haut und rührte an Gefühle, die sie lieber vergessen wollte. Höflich stand er auf und hielt ihr den Stuhl, damit sie sich neben Anna setzen konnte.

Er selbst nahm wieder Platz und lächelte sie an. Nichts in seiner Miene ließ darauf schließen, dass er innerhalb kürzester Zeit ihre Welt aus den Angeln gehoben hatte. „Du siehst reizend aus.“

Sie konnte sich gerade noch zurückhalten, eine Grimasse zu ziehen. „Danke.“

Eine silberne Spange hielt die langen blonden Locken zusammen, Maggie trug enge Jeans und ein gelbes T-Shirt mit passenden Strandschuhen. Ihr Aufzug konnte kaum mit dem seiner üblichen Begleiterinnen zu vergleichen sein.

„Ich denke, in den Jeans wird dir am Strand zu heiß werden.“

„Das geht schon. Ich bin Hitze gewohnt. Meine letzte Stelle hatte ich in Houston, Texas.“ Und vor allem fühlte sie sich in Jeans wesentlich sicherer. Allein bei der Vorstellung, vor ihm in Shorts – oder noch schlimmer, in einem Badeanzug – zu flanieren, schauderte ihr.

„Von unserem College bis nach Houston ist es ein weiter Weg. Wie bist du dorthin gekommen?“

„Der Job. Ich bin sicher, das weißt du doch alles aus meiner Personalakte.“

„Vielleicht möchte ich es aber von dir hören.“

„Es gibt da auch einiges, was ich von dir hören möchte.“

Er schien genau zu wissen, worauf sie anspielte. „Hat das noch ein wenig Zeit?“, fragte er und sah bedeutungsvoll zu den Kindern. „Erzähle mir lieber von deiner ersten Anstellung.“

„Nach dem College war ich bei einer Familie in Seattle. Durch ihre Empfehlung bin ich nach Texas gekommen.“ Sie hatte gehofft, Tom Prince zu vergessen, wenn sie in eine andere Gegend zog. Es hatte nicht funktioniert. Ihre Träume waren mit ihr weitergezogen.

„Warum hast du diese erste Stelle aufgegeben?“

„Die Jüngste begann mit der Highschool, und die Eltern waren der Ansicht, dass die Betreuung durch ein Kindermädchen nicht mehr nötig sei.“

„Du klingst, als seist du anderer Meinung?“

„Stimmt“, antwortete Maggie. „Der Anfang auf der Highschool kann schwierig sein. Beide Eltern waren zu beschäftigt, um genügend Zeit für ihre Kinder zu haben. Es war ein Fehler, den Kindern den Halt des einzigen Erwachsenen, der ständig für sie da war, zu nehmen.“

„Du wärst also die Art Mutter, die nach der Schule immer für ihre Kinder zur Verfügung steht?“

Maggie dachte darüber nach. „Ja. Allerdings würde ich auch von meinem Mann erwarten, dass er sich um das Wohlergehen seiner Kinder kümmert.“

„Das ist leider nicht immer möglich. Die Verpflichtungen eines Mannes …“

„Sollten immer zuerst bei seiner Familie beginnen“, fiel Maggie ihm ins Wort. „Alles andere ist Nebensache, nicht umgekehrt.“

„Das ist eine sehr schlichte Sichtweise.“

„Mag sein, aber es ist meine Meinung über eine Familie.“

„Eine recht feste Meinung für jemanden, der in Pflegefamilien groß wurde.“

„Man muss nicht von zwei liebenden Eltern aufgezogen worden sein, um zu wissen, was gut für ein Kind ist. Mir war immer klar, dass mein Platz in der Familie davon abhängt, was ich für die Familie tue. Ich wurde nicht geliebt. Sollte ich je Kinder haben, wird es ihnen auf jeden Fall besser ergehen. Sie werden sich meine Zuneigung und Anerkennung nicht durch Arbeit oder gutes Benehmen verschaffen müssen. Und ich werde nie einen Mann heiraten, der nicht bereit ist, ihnen das Gleiche zu geben.“ So! Sollte er doch darüber denken, was er wollte. Offensichtlich hatte er eine ganz andere Vorstellung von Familie als sie.

„Was ist eine Pflegefamilie?“, fragte Anna neugierig.

„Das ist eine Familie, mit der du als Kind lebst, die aber nicht deine Eltern sind.“

„So wie wir mit dir leben?“

Maggie lachte leise auf. „Nein, mein Schatz. Du lebst ja bei deinem Vater. Ich bin nur das Kindermädchen. Ich arbeite für deinen papa. Ich bin nicht deine Pflegemutter.“

„Ich will aber, dass du meine mamma bist. Du wärst die beste überhaupt.“ Anna sah zu ihrem Vater auf. „Kann Maggie meine Pflegemami werden, papa?“

„Du bist so dumm“, erwiderte Gianni sofort. „Maggie kann nicht unsere mamma werden. Das geht nur, wenn sie papa heiratet. Und papa ist ein Prinz. Er kann keine Bedienstete heiraten.“

Die so voll kindlicher Naivität gesprochenen Worte schnitten Maggie tief ins Herz, doch Tomasso lachte nur.

„Du irrst dich, mein Sohn. Wir leben in modernen Zeiten. Jeder Mann kann die Frau heiraten, die er möchte. Selbst ein Prinz. Eure Mutter war auch keine Prinzessin, und dennoch habe ich sie geheiratet.“

Gianni sah seinen Vater ernst an. „Aber sie war schön wie eine Prinzessin.“

Maggies Herz blutete. Ob nun schwanger oder nicht, sie würde nie zu Tomasso gehören und er nicht zu ihr. Gianni hatte recht. Sie war nicht schön genug, um die Frau an Tomassos Seite zu sein. Sie war viel zu schlicht und einfach, um jemals an die Frauen heranzukommen, mit denen ein Mann in seiner Position sich umgab. Sein Interesse an ihr würde niemals ein Leben lang halten.

Vor sechs Jahren hatte sie bereits lernen müssen, dass es gerade für zwei Wochen gereicht hatte.

„Maggie ist hübsch“, ergriff Anna Partei für sie. „Willst du denn nicht, dass sie unsere Mutter wird?“

Giannis Gesichtsausdruck wurde noch ernster. Er glich jetzt so sehr seinem Vater, dass Maggie leise nach Luft schnappte. „Maggie bleibt nur für zwei Jahre bei uns. Das hat sie zu Tante Therese gesagt, ich hab’s gehört. Aber eine mamma bleibt ein ganzes Leben, außer sie stirbt. Außerdem ist eine Nanny viel besser als eine mamma. Maggie spielt jeden Tag mit uns und ist immer da. Wir brauchen keine neue Mutter.“

Gewissensbisse plagten Maggie, als sie den Grund erkannte, warum Gianni manchmal immer noch Distanz zu ihr hielt. Die beiden Kinder hatten bereits den Verlust der Mutter hinnehmen müssen, und Gianni wusste, dass Maggie nicht für immer bleiben würde. Also versuchte er sich gegen einen neuerlichen Verlust zu schützen, indem er sich nicht zu stark an sie band. Auch fand sie es sehr traurig – und bedeutungsvoll –, dass Giannis Ansicht nach Nannys besser waren als Mütter.

„Mir ist egal, was du sagst.“ Annas Stimme überschlug sich fast. „Ich will Maggie als meine mamma!“

„Vielleicht wird dein Wunsch ja erfüllt, stellina“, tröstete Tomasso seine Tochter und fuhr seinem Sohn dann mit den Fingern durchs Haar. „Und vielleicht wird dir die Idee noch gefallen, Maggie zur Mutter zu haben, mein Sohn.“

Giannis Lippen begannen zu zittern. „Und wenn sie dann fortgeht?“

„Wenn sie mich heiratet, werde ich sie nicht fortgehen lassen.“

Die beiden Kinder blickten ihren Vater voller Vertrauen und Hoffnung an. Maggie floss das Herz über, aber gleichzeitig keimte Ärger in ihr auf. Wusste er denn nicht, wie verletzt die beiden werden würden, wenn ihre Hoffnung sich nicht erfüllte?

Ganz gleich, was er heute Morgen gesagt haben mochte, er konnte unmöglich ernsthaft an eine Heirat denken. Sie war nicht die Richtige für ihn und würde es nie sein. Sie passte nicht in seine Welt, gehörte nicht hierher. Nichts und niemand, nicht einmal eine Märchenfee mit einem Zauberstab, würde das ändern können.

Gemeinsam gingen sie hinunter zum Strand. Tomasso und die Kinder ließen Drachen steigen und tollten im flachen Wasser. Maggie breitete eine Decke in dem Pavillon aus, der auf dem Privatstrand stand, legte sich auf den Bauch und sah den dreien zu, während sie überlegte, wie es weitergehen sollte, falls sie tatsächlich ein Baby von ihm bekommen würde.

Tomasso war ein Prinz. Vielleicht wog der Gedanke eines unehelich geborenen Kindes für ihn schwerer als für andere moderne Männer. Warum hatte er dann nicht vorgesorgt? Selbst wenn er sie für erfahren gehalten hatte, konnte er unmöglich voraussetzen, dass sie die Pille nahm.

Fragen über Fragen, Gedankenfetzen, die weder Sinn ergaben noch Klärung brachten. Nur ein Bild stand ihr deutlich vor Augen: Wenn sie ihn heiratete, dann würde sie die Mutterrolle für seine beiden Kinder übernehmen und müsste sich nie von ihnen trennen. Sie hätte endlich die Familie, nach der sie sich schon so lange sehnte.

Als die drei müde wurden, kamen sie zurück in den Pavillon. Tomasso baute eine Sandburg mit Anna und Gianni und flirtete währenddessen hemmungslos mit Maggie. Angesichts seines früheren Vorwurfes hielt sie sich eisern zurück, doch es fiel ihr schwerer und schwerer, vor allem, da sie immer wieder Facetten des Mannes an ihm entdeckte, den sie vor sechs Jahren so sehr geliebt hatte.

Tomasso bestand darauf, dass Maggie die Kinder zusammen mit ihm zu Bett brachte. Das verführerische Gefühl, eine Familie zu bilden, wuchs und lockte unablässig. Doch sie war nicht seine Frau, sie war das Kindermädchen. Eine Bedienstete, mehr nicht.

In der Halle hielt er sie zurück, bevor sie in ihr Apartment flüchten konnte. „Lass uns einen Spaziergang machen.“

Ohne zu zögern stimmte sie zu. Unendlich viele Fragen brannten ihr auf der Seele, und ein Spaziergang war eine gute Gelegenheit, in Ruhe über alles zu sprechen.

Er schob die Glastüren auseinander und führte Maggie den Pfad hinunter, der zum Strand führte.

Die Nacht war lau, der Vollmond schien silbrig und tauchte alles in geheimnisvolles Licht. Die sanfte Abendbrise wehte in Maggies Haar und umspielte die goldenen Strähnen.

„Ich liebe es hier draußen“, sagte sie leise und atmete tief durch.

„Therese hat erzählt, dass du dich hier auf Diamante gut eingelebt hast.“

„Du besitzt hier ein wunderbares Heim.“

„Es diente meinen Eltern als Urlaubsdomizil.“

„Ein Urlaubsdomizil?“ Maggie kannte den Königspalast von Scorsolini Island von ihrem Vorstellungsgespräch. Daher wusste sie, dass Tomassos Villa nicht an dessen italienischen Marmor und die üppige Ausstattung heranreichen konnte. Dennoch wäre sie niemals auf die Idee gekommen, die geschmackvoll eingerichtete Villa mit den acht Schlafzimmern als Ferienhaus zu bezeichnen.

„Ja, hier fanden sie die nötige Ruhe und Erholung von den drückenden Staatspflichten. Zumindest erzählte es mir so mein Vater.“

„Deine Mutter starb vor vielen Jahren, nicht wahr?“

„Es gab Komplikationen bei meiner Geburt.“

An seiner Stimme hörte Maggie, dass das Wissen ihn schmerzte. „Das tut mir leid. Es muss schwer für dich gewesen sein.“

„Nicht schwerer als dein Schicksal. Als Vollwaise aufzuwachsen war bestimmt auch nicht einfach.“

„Meine Eltern starben, als ich acht war. Ich habe gute Erinnerungen an die Zeit mit ihnen. So gute, dass ich meinen Kindern ein liebevolles Heim bieten will.“

„Was ist passiert? Ein Unfall?“

„Ja. Ich überlebte. Sie nicht.“

„Das haben wir also gemeinsam.“

Sie wusste, was er meinte: Er hatte überlebt, seine Mutter nicht.

Tomasso lächelte Maggie verständnisvoll zu, und ihr Herz setzte einen Schlag lang aus, fast wäre sie gestolpert. Glücklicherweise jedoch fand sie im letzten Moment Halt an dem schmiedeeisernen Geländer, das den Pfad säumte. „Die Kinder sprachen davon, dass es hier auf der Insel Diamantminen gibt.“

„Richtig. Daher auch ihr Name. Auf Zaffiro haben wir Lithium entdeckt. Bald werden der Abbau und die Schürfungen den gleichen Rang wie die Schifffahrtsgesellschaft einnehmen.“

„Du kannst wirklich stolz auf dich sein.“

„Ich bin nicht das Unternehmen.“

„Aber du leitest es.“

„Hat Therese das etwa gesagt?“

„Nein. Die Kinder lieben es, ständig über dich zu reden.“

„Und du meinst natürlich, dass ich zu wenig Zeit mit ihnen verbringe?“

„Wenn du schon fragst … ja.“

„Die Tatsache, dass das gesamte Bruttoeinkommen des Landes von der Arbeit abhängt, die ich leiste, bedeutet …“

„Dass deine Arbeit sehr wichtig ist“, fiel sie ihm ins Wort, „aber nicht wichtiger als deine Kinder.“

„Zwischen dir und den Kindern besteht ein starkes Band.“

„Vielleicht ist es zu stark.“

„Wieso sagst du das?“

„Sie werden darunter leiden, wenn ich sie verlassen muss. Du hast doch Gianni heute Morgen gehört.“

Sie waren beim Ufer angekommen und blieben stehen. Tomasso drehte sich zu Maggie um und betrachtete sie im hellen Mondlicht.

„Wie ich meinem Sohn heute Morgen erwiderte … Vielleicht lasse ich dich ja nicht gehen.“

„Du kannst mich nicht aufgrund eines einzigen leidenschaftlichen Ausbruchs heiraten.“

„Solltest du ein Kind von mir erwarten, wirst du mich heiraten“, meinte er unnachgiebig.

6. KAPITEL

„Sei nicht albern, Tomasso.“

„Keineswegs, ich folge lediglich der Logik. Ich denke nämlich, du hast mich geliebt.“

Maggie wandte das Gesicht ab und schaute auf die dunkle See hinaus. „Dein Ego ist enorm.“

„Durchaus nicht. Aber mein Verstand arbeitet hervorragend. Es gibt nur einen Mann, dem du erlauben würdest, in dein Bett zu kommen: Tom Prince. Und wieso? Weil du so häufig von mir geträumt hast, dass dein Unterbewusstsein die erotische Szene gestern als einen weiteren sinnlichen Traum identifiziert hat. Das sagt sehr viel darüber aus, wie tief du für mich gefühlt hast.“

„Du schienst doch überzeugt zu sein, dass ich das mit dem Traum nur erfunden habe.“

„Nein, nicht überzeugt. Ich hielt es für eine Möglichkeit. Mittlerweile bin ich zu dem Schluss gekommen, dass es keine Ausrede war. Die Art, wie du auf mich reagiert hast … Es war die Reaktion einer Frau auf den Mann, den sie liebt, mit dem sie schon seit langen Jahren intim ist. Nicht die einer Jungfrau. Im Grunde bist du noch immer jungfräulich. Du hast gestern Nacht keine Erfüllung gefunden, nicht wahr?“

„Darüber möchte ich nicht reden.“

Die Hände auf ihre Schultern gelegt, drehte er sie zu sich herum und massierte ihre Schultern leicht. „Beim nächsten Mal wird es sehr viel schöner sein.“

„Es wird kein nächstes Mal geben.“

„Doch Maggie, das wird es.“ Er schaute ihr tief in die Augen. „Du gehörst jetzt zu mir.“

„Nein, ich …“

Er verschloss ihre Lippen mit einem leidenschaftlichen Kuss. Es war ein Mal, das er ihr aufbrannte. Ihrem verräterischen Körper war das gleich. Dieser reagierte mit einer Heftigkeit, sodass ihr nichts anderes blieb, als sich an Tomasso zu schmiegen und sich Halt suchend an ihn zu klammern.

„Du bist mein“, raunte er ihr zu.

Das war sie immer gewesen, nur zugeben würde sie es nicht. Er war auch so viel zu überzeugt von sich. „Ich bin nicht die Einzige hier, deren Atem schneller geht.“

„Soll heißen?“

„Wenn ich dir gehöre, dann gehörst du auch mir.“ Als ob sie sich dessen sicher wäre! Dennoch … Tomasso sollte wissen, dass es nur eine gleichberechtigte Beziehung zwischen ihnen geben würde.

„Selbstverständlich.“

Ungläubig starrte sie ihn an. „Das meinst du nicht ernst.“

„Wieso nicht? Eine Heirat ist ein bedeutender Schritt. In einer Ehe müssen sich beide Parteien einbringen und feste Zusagen geben.“

„Wir reden nicht über eine Ehe.“ Sie zog sich von ihm zurück und war enttäuscht, wie selbstverständlich er sie losließ.

„Maggie, du wirst feststellen, dass wir das Gleiche wollen.“

„Was denn? Du willst die Diamantmine und die Schifffahrtsgesellschaft aufgeben, um eine Vorschule zu eröffnen?“

Er lachte laut und setzte seinen Weg am Strand fort.

Doch für Maggie war das Gespräch noch lange nicht beendet. Es war an der Zeit, einige Antworten zu bekommen. Nach ein paar Schritten hatte sie ihn eingeholt und lief langsam neben ihm her. „Wusstest du, um wen es sich handelte, als Therese mich einstellte?“

„Ja.“

„Wusste sie es auch?“

„Ich habe es ihr nicht gesagt. Ich wollte dich für den Posten. Wenn du gewusst hättest, wer ich bin, hättest du vielleicht abgelehnt.“

„Warum war es dir so wichtig, dass ausgerechnet ich die Stelle als Kindermädchen übernehme?“

„Weil ich einen Plan verfolge.“

„Einen Plan?“, hakte sie verdutzt nach.

„Ja. Ich suche eine passende Mutter für meine Kinder. Und eine passende Frau für mich. Als ich Liana traf, war ich hingerissen von ihrer Schönheit und ihrer Ausstrahlung. Aber weder war sie eine gute Mutter, noch nahm sie die Repräsentationspflichten ihrer Position wahr. Ich kann es mir nicht leisten, den gleichen Fehler zu wiederholen und aus Liebe heiraten.“ Er betonte das Wort „Liebe“ voll beißender Ironie. „Ich brauche eine Frau an meiner Seite, die ihre Pflichten gegenüber mir, den Kindern und dem Land kennt und erfüllt. Und plötzlich bist du mir eingefallen, mit deinem Engagement und dem Verantwortungsbewusstsein, als du damals für mich arbeitetest. Qualitäten, die ich bei einer Ehefrau suche. Also habe ich beschlossen, dich herzubringen, um herauszufinden, ob du noch so bist, wie ich es in Erinnerung hatte.“

Mit wachsendem Entsetzen hörte Maggie ihm zu. Er wollte sie tatsächlich heiraten, aber nicht aus Liebe, sondern wegen ihrer Ergebenheit und Fügsamkeit. Gab es überhaupt einen banaleren, unromantischeren Beweggrund für eine Heirat? Noch dazu einen mit der absolut geringsten Aussicht auf ein Gelingen. „Du machst Witze!“

„Ich scherze grundsätzlich nicht über Dinge von solchem Ausmaß.“

„Du kannst doch keine Ehefrau wegen ihrer Qualitäten als Haushälterin wählen!“ Sie blieb abrupt stehen.

„Nun, in diesem speziellen Fall ging es mir auch darum zu sehen, wie du mit meinen Kindern zurechtkommst und ob du den gleichen erbaulichen Effekt auf ihr Leben hast wie damals auf meines.“

„Deshalb hat sich das gesamte Personal an mich gehalten, um Entscheidungen zu treffen, die einer Nanny normalerweise gar nicht zustehen“, erkannte sie verblüfft.

„Richtig, ich hatte vor meiner Abreise entsprechende Anweisung gegeben.“ Tomasso schien sehr stolz auf so viel Umsicht zu sein.

„Also hast du vor allem meine Eignung prüfen wollen?“, fragte sie tonlos.

„Richtig.“

„Ist es dann nicht ein bisschen zu früh, um über eine Heirat zu sprechen? Ich meine, gibt es da nicht noch mehr Prüfungen, die ich zu bestehen habe?“

„Die gestrige Nacht hat die Dinge beschleunigt.“

„Weil wir miteinander geschlafen haben?“

„Ja. Eigentlich hatte ich einen längeren Zeitraum eingeplant, bevor ich die Leidenschaft zwischen uns prüfen wollte.“

Leidenschaft, hatte er gesagt. Nicht Liebe. Geliebt hatte er die schöne Liana, jetzt strebte er eine Vernunftehe mit der schlichten Maggie an. „Und warum hast du dann nicht gewartet?“

„Ich hatte fast zwei Tage nicht geschlafen. Gegen die Reiseübelkeit hatte ich Tabletten genommen und mir dann zwei Drinks genehmigt. Das verträgt sich nicht gut, ich konnte kaum noch klar denken.“

Diese Erklärung war ebenso glaubhaft wie die für seine Suche nach einer passenden Ehefrau. Und noch unschmeichelhafter für das Gefühl ihrer Weiblichkeit. „Du warst also betrunken“, stellte sie sachlich fest.

„So kann man es nicht unbedingt nennen.“

„Aber es kommt dem wohl sehr nahe, nicht wahr?“

„Si.“

„Tomasso, ich bin nicht dein Typ, siehst du es denn nicht? Und ich werde es nie sein. Ich habe nichts mit Liana gemein.“

„Und darum bin ich froh. Liana hat mehr Unruhe in mein Leben gebracht als Glück. Sie konnte sich nicht an die Regeln und Anforderungen eines regierenden Herrscherhauses gewöhnen. Auch war sie keineswegs eine warmherzige oder zärtliche Mutter, sie verbrachte kaum Zeit mit ihren Kindern. Sie warf mir vor, zu viel zu arbeiten, aber wenn ich nach Hause kam, war sie nie da. Häuslichen Frieden habe ich vor sechs Jahren erfahren, als du meine Haushälterin warst. Damals habe ich mich von Lianas Schönheit blenden lassen, aber heute falle ich nicht mehr auf ein hübsches Gesicht herein.“

Maggie wurde immer wütender. Genauso gut hätte er sagen können, dass sie alles andere als hübsch war. „Um es noch einmal zusammenzufassen“, begann sie dumpf. „Du hast mich auf die Insel geholt, um herauszufinden, ob ich als Ehefrau für dich und als Mutter für deine Kinder tauge?“ Es verletzte sie, allein die Worte auszusprechen. „Anders ausgedrückt, du suchtest eine Nanny, die länger als zwei Jahre bleibt.“

„Sei nicht albern. Meine Ehefrau zu sein beinhaltet wesentlich mehr, als sich nur um meine Kinder zu kümmern.“

„Stimmt, ich soll dir ja auch noch das Bett wärmen.“

„Eine Situation, die wir beide genießen werden.“

„Woher solltest du das wissen?“

Anstatt über ihre sarkastische Bemerkung beleidigt zu sein, lächelte er voll männlicher Selbstsicherheit. „Beim nächsten Mal werde ich dich in Ekstase versetzen.“ Langsam trat er auf sie zu, und sein Duft und seine Nähe lösten eine Reaktion in ihr aus, die sie verzweifelt zu unterdrücken suchte. „Ich werde es dir zeigen …“

„Ich wünschte, du würdest es nicht tun.“

„Warum?“

Vorsichtshalber wich Maggie einen Schritt zurück. „Während du offensichtlich überzeugt bist, die perfekte Lösung für die Schaffung deines häuslichen Friedens gefunden zu haben, bin ich da keineswegs so sicher. Ich habe einen zweijährigen Arbeitsvertrag als Kindermädchen unterschrieben, und wie ich das sehe, bin ich nicht mehr als das.“ Sie wandte sich um, um zum Haus zurückzugehen.

„Maggie.“

Sie blieb nicht stehen, schaute aber über die Schulter zurück zu ihm. „Was ist?“

„Solltest du letzte Nacht mein Kind empfangen haben, lasse ich dich nicht mehr gehen.“

Am nächsten Morgen beim Frühstück schlug Tomasso vor, zusammen mit den Kindern und Maggie zum Schnorcheln zu gehen.

„Brauchst du mich unbedingt?“, fragte Maggie zögernd, auch wenn die Aussicht, die Unterwasserwelt der blauen Lagune zu erforschen, verlockend war. Nur … Tomassos Nähe störte ihren Seelenfrieden sehr viel mehr als noch vor sechs Jahren.

„Aber Maggie, du hast doch gesagt, wie gerne du schnorcheln gehen möchtest, wenn papa wieder zurück ist“, ließ Gianni sich da vernehmen.

Ja, das hatte sie gesagt … bevor sie erfahren hatte, wer Giannis „papa“ war. „Euer Vater hat euch über eine Woche nicht gesehen. Vielleicht möchte er ja Zeit allein mit euch verbringen.“

„Es macht doch viel mehr Spaß, wenn du dabei bist“, fiel Anna nun mit ein.

„Ich möchte, dass du uns begleitest“, entschied Tomasso in einem Tonfall, der keinen weiteren Widerspruch duldete.

Papa kennt die schönsten Stellen. Und es gibt auch nichts im Wasser, vor dem man sich fürchten muss“, bekräftigte Gianni. „Das hat er uns versprochen.“

Und wenn sein Vater es gesagt hatte, musste es wohl stimmen. Maggie lächelte. „Also gut, ich komme mit. Aber du musst mir versprechen, mich nicht allein zu lassen.“

„Ich bleibe immer ganz nahe bei dir“, versicherte der Kleine ernst.

„Genau wie ich.“ Das bedeutungsvolle Timbre in Tomassos Stimme jagte einen Schauer über Maggies Rücken.

Und er wusste es! Das war Maggie nach einem Blick in seine verführerisch funkelnden Augen klar. Dieser Mann war viel skrupelloser als der, den sie damals gekannt hatte. Wenn er mit Argumenten nicht weiterkam, so scheute er sich nicht, seine Verführungskünste einzusetzen, um sein Ziel zu erreichen: eine fügsame Frau an seiner Seite und eine Mutter für seine Kinder.

„Ich auch“, piepste Anna, die offensichtlich nicht ausgeschlossen werden wollte.

Maggie strich ihr über das Haar. „Danke.“

Zumindest würden die Kinder als Puffer zwischen ihr und Tomasso dienen.

Eine knappe Dreiviertelstunde später jedoch musste Maggie einsehen, dass die Schutzfunktion der Kinder lange nicht so wirkungsvoll war wie erhofft.

Seit sie T-Shirt und Shorts abgestreift hatte und nur noch ihren türkisfarbenen Badeanzug trug, musterte Tomasso sie so eindringlich, dass ihre Haut brannte und der sportliche Einteiler ihr gar nicht mehr so schlicht vorkam.

Oh, dieser unmögliche Kerl! Diese Pseudoleidenschaft, mit der er sie betrachtete, diente lediglich als Mittel zum Zweck, um ihn seinem Ziel näher zu bringen. Doch so sehr sie sich auch dagegen wehrte, ihr dummer Körper erkannte den Unterschied nicht! Ihr albernes Herz ließ sich prompt davon beeinflussen! Und ihr Verstand hatte scheinbar jegliche Kontrolle verloren.

Mit fahrigen Fingern und brennenden Wangen half Maggie Anna dabei, die Schwimmflossen anzulegen.

„Soll ich helfen?“ Tomasso kannte genau den Grund, warum Maggie sich so ungeschickt anstellte.

„Nein, danke. Wir sind so weit.“

Zu ihrer Erleichterung sprang er nach einem knappen Nicken mit einem Kopfsprung von dem eleganten Motorboot. Maggie half den Kindern über die ausklappbare Leiter ins Wasser, dann ließ sie sich selbst in das kühle Nass gleiten – und fand sich prompt an Tomassos muskulöse Brust gepresst wieder.

„Tomasso! Die Kinder …“

Er grinste übermütig. „Schwimmen wie die Fische.“ Betont langsam ließ er seine Hand über den Rücken bis hinunter zu ihrem Po gleiten, bevor er sie wieder losließ. „Bist du bereit?“

Dieser Mann war ein Meister der Verführung! Atemlos verdrängte sie das Prickeln an Stellen, an die sie besser nicht denken wollte. „Ja.“

„Dann los!“

Gemeinsam setzten sie die Schnorchelmasken auf, dann tauchten sie hinab in die farbenfrohe Lagunenwelt.

Gianni hatte recht gehabt. Sein Vater kannte wirklich die schönsten Plätze. Nicht lange, und Maggie war völlig fasziniert in das Schimmern und Glitzern versunken. Sie verlor jedes Zeitgefühl und ließ sich in dem seidigen Wasser treiben.

Bis sie plötzlich von einem Paar starker Arme aus dem Wasser gehoben wurde.

„Flegel!“, zischte sie Tomasso empört an.

„Wie?!“ Er riss gespielt beleidigt die Augen auf. „Ich wollte dich lediglich auf etwas aufmerksam machen.“

Die Kinder traten kichernd Wasser, und auch in ihren Augen funkelte der Schalk wie in Tomassos blauem Blick.

„Du hättest mir auch schlicht und einfach auf die Schulter tippen können.“

„Habe ich. Zweimal.“

„Oh.“ Sie hatte es nicht bemerkt.

„Ich habe dich sogar an den Füßen gekitzelt“, meinte Anna verschmitzt.

„Ich bin nicht kitzlig an den Füßen.“

„Scheint so“, meinte Tomasso nachdenklich und senkte die Stimme. „Ich frage mich, ob das für andere Körperregionen auch gilt.“

„Komm nicht auf den Gedanken, das jetzt herausfinden zu wollen“, warnte sie. Obwohl sie nicht wusste, was sie machen würde, sollte er es versuchen.

„Wir sind hungrig“, kam es von beiden Kindern wie aus einem Munde, bevor ihr Vater noch eine weitere Anspielung machen konnte.

„Ist denn schon Mittagszeit?“

Tomasso deutete auf seine Taucheruhr. „Ja, wir sind spät dran.“

Beunruhigt überprüfte sie die Schultern und Rücken der Kinder. „Nur gut, dass ich euch beide vorher eingecremt habe. Tut mir leid, dass ich so die Zeit aus den Augen verloren habe.“

Gianni wand sich aus ihren Armen, wie ein Kind, das sich von der Mutter losmacht, wenn ihre übertriebene Aufmerksamkeit es in Verlegenheit bringt. „Wir haben ja auch Spaß gehabt. Aber jetzt sind wir hungrig.“

„Dem kann ich nur zustimmen“, meinte Tomasso in einem Ton, der Maggie stutzen ließ.

„Daddy ist ohne Schnorchel geschwommen, direkt unter dir. Er hat so getan, als ob er ein Hai wäre, und du hast es nicht einmal gemerkt, oder?“, ließ Anna sich vernehmen.

„Äh … nein.“

„Die Aussicht von da unten war sogar noch besser als von oben.“ Tomasso bedachte sie mit einem Blick, der ihr normalerweise das Blut in die Wangen getrieben hätte. Doch dieses Mal ließ sie sich nicht darauf ein. Keine Minute glaubte sie, dass ihre durchschnittliche Figur einen solchen Ausdruck in seine Augen bringen konnte. „Sollen wir zurück zum Boot schwimmen?“

„Sicher.“

Beim Boot half Tomasso den Kindern, hineinzuklettern, doch als er Maggie um die Hüfte fassen wollte, wehrte sie hastig ab: „Ich komme allein zurecht, danke.“

„Ein Gentleman muss einer Lady immer helfen. Stimmt das nicht, Gianni und Anna?“

„Ja, papa, das stimmt“, kam es unisono von den beiden zurück.

Mit einem frechen Grinsen drehte er sich zu Maggie um. „Du möchtest doch nicht, dass ich vor meinen Kindern ein schlechtes Beispiel gebe, oder?“

Im Moment hätte es sie nicht weniger kümmern können, was für ein Beispiel er gab, solange er sie nicht berührte. Doch je mehr sie protestierte, desto mehr Aufsehen würde sie erregen. Also ergab sie sich in ihr Schicksal und ließ sich von Tomasso auf die erste Stufe der Bootsleiter hieven.

Seine Hände lagen um ihre Taille. „In Gegenwart von anderen Männern wirst du diesen Badeanzug nicht tragen“, sagte er hinter ihr.

Diese Bemerkung hatte sie nun wirklich nicht erwartet. „Wieso?“, fragte sie verblüfft.

„Hast du dich schon mal angesehen, wenn er nass ist?“

Nein, weshalb auch? Sie hatte nicht die Angewohnheit, sich im nassen Badeanzug im Spiegel zu betrachten. Jetzt allerdings sah sie an sich herab – und schnappte erschreckt nach Luft.

Nass war der Einteiler vollkommen durchsichtig, das türkisgrün des Elastikstoffs schien wie auf ihre Haut aufgemalt. Ihre Brüste stachen deutlich sichtbar hervor, jede Rundung war nachzuvollziehen.

Sie schlang die Arme um sich und funkelte Tomasso böse an. „Du hättest etwas sagen können!“

„Warum sollte ich? Ich habe den Anblick genossen, aber ich gedenke nicht, ihn zu teilen.“

„Du hast gar kein Recht, irgendetwas von mir zu teilen“, zischelte sie leise, sodass die Kinder es nicht hören konnten.

„Das ist Interpretationssache“, gab er ebenso leise zurück. „Soll ich dir die Flossen abziehen?“

Was konnte sie anderes tun als zustimmen? Vor allem, da sie sonst die schützenden Arme von ihrem Körper nehmen musste, wollte sie es selbst machen.

Tomasso nahm sich Zeit, strich sanft über ihre Waden, zog die Schwimmflossen von ihren Füßen und massierte Knöchel und Zehen, bis es ihr prickelnd durch den ganzen Körper fuhr. „Besser?“ Er lächelte wissend, blinzelte ihr zu und warf die Schwimmflossen ins Boot.

„Ja … danke.“ Sie schluckte trocken. Dieser Mann war eine wandelnde – nein, schwimmende Provokation!

Den einen Arm schützend über der Brust, zog sie sich mit der freien Hand ins Boot. Sie spürte Tomassos Blick auf ihrer Rückseite und verbot sich, darüber nachzudenken, was er dort wohl alles durch den nassen Badeanzug sehen mochte. Mit dem Mut der Verzweiflung versuchte sie erst gar nicht, noch etwas zu verbergen, sondern eilte über die Planken und griff sich das erstbeste Badelaken, um es sich wie einen Sarong um den Körper zu wickeln.

Diesen Badeanzug würde sie in ihrem ganzen Leben nie wieder tragen!

7. KAPITEL

Tomasso kletterte mit einer Gelassenheit an Bord, um die Maggie ihn brennend beneidete, dann lichtete er den Anker und steuerte das Boot zurück zur Insel. Als er ihr seine Hand bot, um ihr an Land zu helfen, protestierte sie nicht. Sie hatte heute schon viel zu viel von ihrer Reaktion auf ihn erkennen lassen, und auch jetzt konnte sie nicht verhindern, dass ihr Herz unwillkürlich schneller schlug.

Auch wenn ihr „erstes Mal“ schmerzhaft gewesen war … ihr Körper zog es vor, sich an die Freuden zu erinnern, auch an jene, die Tomasso ihr vor sechs Jahren verschafft hatte. Sie sehnte sich nach seiner Nähe, nach seiner Berührung.

So sehr sie sich auch dagegen wehrte: Tom Prince – oder besser, Prinz Tomasso – hatte in ihrem Herzen wieder einen festen Platz erobert.

Zusammen mit den Kindern breitete sie eine Decke unter den Palmen am Strand aus und bereitete das Picknick vor. Nach dem Essen ließen Maggie und Tomasso sich dazu überreden, Fangen zu spielen, bevor sie sich zusammen mit Gianni und Anna in den Schatten zu einem kleinen Nickerchen hinlegen konnte.

Sie wurde wach, als sie etwas auf dem Bauch kitzelte. Verschlafen schlug sie die Augen auf und erkannte Tomasso, der neben ihr auf der Decke saß und mit einem Palmwedel über ihre empfindsame Haut strich. Als Nächstes fiel ihr auf, dass sie nicht mehr in das Badetuch eingewickelt war und der dünne Badeanzug keinerlei Schutz gegen die streichelnden Berührungen bot.

Sie hob den Kopf, als sie das zarte Blatt in dem Tal zwischen ihren Brüsten spürte. „Was soll …?“

Tomasso legte ihr einen Finger auf die Lippen. „Pst, die Kinder“, flüsterte er. „Sie schlafen noch.“

Ja, beide schliefen tatsächlich noch tief, einen engelsgleichen Ausdruck auf den unschuldigen Gesichtern.

Der Palmwedel setzte sein verführerisches Streicheln fort, und Maggie griff nach Tomassos Handgelenk, um ihn aufzuhalten.

Unbeeindruckt von ihrem Protest ließ er den Finger von ihren Lippen zu der pochenden Ader an ihrem Hals gleiten. „Ich will dich, Maggie.“

„Nein.“

„Doch. Und du willst mich auch.“

Wie gerne hätte sie es abgestritten, doch die Lüge wollte ihr nicht über die Lippen kommen. Angst mischte sich in das Verlangen. Würde es wieder wehtun?

„Hab keine Angst“, raunte er heiser.

„Was meinst du?“

„Ich kann es in deinen Augen lesen. Du fürchtest den erneuten Schmerz, aber ich verspreche dir, es wird nicht wehtun. Hätte ich von deiner Jungfräulichkeit gewusst, hätte ich alles darangesetzt, dir diesen Schmerz zu ersparen. Ich habe dich zu schnell in Besitz genommen. Es gibt Wege, die Lust so groß werden zu lassen, dass der Schmerz im Vergleich dazu kaum spürbar ist.“

„Du hast wohl große Erfahrung darin, Jungfrauen zu verführen, was?“

Er legte sich neben sie und stützte sich auf einen Ellbogen auf. „Nein, um ehrlich zu sein, mir ist noch nie eine Jungfrau begegnet.“

„Woher willst du das dann wissen?“

Der Blick, mit dem er sie bedachte, ließ sie innerlich erschauern.

„In deiner Welt bin ich völlig fehl am Platze, Tomasso“, flüsterte sie traurig.

Mit einer Fingerspitze zeichnete er ihre Lippenkonturen nach. „Du könntest dich nicht mehr irren. Du bist die Frau, die ich mir als Mutter für meine Kinder wünsche, daher gehörst du in meine Welt.“ Und dann, bevor sie noch etwas erwidern konnte, presste er zärtlich den Mund auf ihre Lippen.

Wäre der Kuss besitzergreifend gewesen, hätte sie sich vielleicht gewehrt. So jedoch hatte sie nichts, was sie dieser unendlichen Zärtlichkeit entgegensetzen konnte. Verspürte gar nicht erst den Wunsch dazu. Ihr Körper war nur allzu willig, Tomasso die Reaktion zu zeigen, die er beabsichtigt hatte. Innerhalb von wenigen Augenblicken war sie so erregt, dass sie meinte, vergehen zu müssen, und in ihrem Inneren wuchs ein Verlangen, dessen Hitze sie schier verbrannte.

Seine Hände waren überall. Streichelten und erforschten jeden freien Zentimeter Haut, die der Badeanzug nicht verhüllte. Dann wurde er wagemutiger, ließ seine Finger unter den dünnen Stoff gleiten, bis ihr ein wollüstiger Seufzer entfuhr.

„Pst …“, flüsterte er erneut. „Die Kinder.“

Nur mit Mühe unterdrückte sie ein Stöhnen. Ihr Körper stand in lodernden Flammen, Flammen, die nur ein einziger Mann in ihr entfachen konnte.

Papa, wieso küsst du Maggie?“

Die helle Kinderstimme drang nur unklar durch den Nebel der Lust, der Maggie gefangen hielt, doch Tomasso zog sich mit gelassener Nonchalance von Maggie zurück. Lächelnd schaute er Anna an, die sich aufgesetzt hatte und sich schlaftrunken die Augen rieb.

„Mir gefällt es, Maggie zu küssen.“

Ist das für seine Tochter Erklärung genug? fragte Maggie sich nervös.

„Machst du sie dann zu unserer mamma?“

„Vielleicht.“

Es überraschte Maggie, dass er diese Frage angesichts seiner üblichen arroganten Selbstsicherheit nicht glatt heraus mit Ja beantwortete.

Am Abend, nachdem die Kinder zu Bett gebracht waren, fragte sie ihn danach.

Er schwenkte den Scotch in seinem Glas und sah nachdenklich in die goldene Flüssigkeit. „Ich mache meinen Kindern keine Versprechen, solange ich nicht absolut sicher bin, dass ich sie auch halten kann.“

„Ich dachte, du bekommst immer, was du dir in den Kopf setzt.“

„Ich kann dich nicht zwingen, mich zu heiraten.“

„Aber du kannst mich dazu verführen, nicht wahr?“

„Es ist nur eine Frage der Zeit, bis es mir gelingt, dich wieder in mein Bett zu locken.“ Er machte sich nicht einmal die Mühe, es zu leugnen. „Und nein, nur weil ich dich begehre, macht mich das nicht zu einem Neandertaler. Ich habe nicht vor, dich gegen deinen Willen vor den Altar zu zerren. Ich will, dass du aus freien Stücken zu mir kommst.“

„Du erwartest von mir, dass ich mich selbst an dich ausliefere?“

„Eine Ehe ist kein Gefängnis.“ Er betrachtete sie mit einer Miene, die sie nicht zu deuten wusste. „Ich habe keineswegs das Bedürfnis, dich einzusperren.“

„Das habe ich auch nie behauptet.“

Er schüttelte sich leicht, befreite sich offensichtlich von den Gedanken, die ihn quälten. „Natürlich nicht.“

„Hat Liana dir das vorgeworfen?“

„Die Vorteile des hoheitlichen Lebens verblassten sehr schnell unter dem strengen Reglement desselben.“

„Aber dafür kann sie dir unmöglich die Verantwortung gegeben haben.“

„Das hat sie, allerdings. Ebenso wie sie mir die Schuld gab, als sie zum zweiten Mal schwanger wurde.“

„Sie wollte kein zweites Kind?“

„Nein. Sie stimmte zu, das Baby auszutragen, wenn ich ihr nach Annas Geburt absolute persönliche Freiheit gewähren würde.“

„Ich kann nicht glauben, dass jemand so etwas tut!“, stieß Maggie fassungslos aus.

Tomasso zuckte nur mit einer Schulter, so als habe er die kalkulierende Art seiner verstorbenen Ehefrau längst akzeptiert. „Auf diese Weise erreichte sie genau das, was sie wollte – das Leben einer Prinzessin ohne die damit verbundene Verantwortung.“

„Das ist so eigennützig!“

„Stimmt. Letztendlich wurde ihr ihr Egoismus zum Verhängnis. In Mexiko probierte sie Parasailing bei einer Firma, die ohne Lizenz operierte. Liana verunglückte tödlich. Es war ihre Entscheidung, allein auf diese Reise zu gehen, ohne mich und die Kinder. Auch die flehenden Bitten und Warnungen ihres Leibwächters missachtete sie. Schließlich hatte sie das Recht auf ihre Freiheit. Ich hatte es ihr zugesagt. Und sie starb.“

„Du darfst dich nicht verantwortlich fühlen!“

„Darf ich nicht? Sie war meine Ehefrau und die Mutter meiner Kinder. Ich hätte sie beschützen müssen.“

„So, wie ich verstanden habe, wollte sie nicht von dir beschützt werden. Und sie wollte auch keine Ehefrau sein … nicht wirklich, zumindest.“

„In diesem Punkt gebe ich dir völlig recht. Deshalb werde ich diesen Fehler auch kein zweites Mal machen.“

„Nicht alle schönen Frauen sind selbstsüchtig und verwöhnt.“

„Das ist unerheblich. Schließlich reden wir nicht von allen Frauen, sondern nur über eine – über dich.“

Wieder einmal hatte er nicht bestritten, dass er sie nicht schön oder attraktiv fand. Vielleicht fühlte er sich zu ihr hingezogen, aber lieben …? Eine einfache Frau wie Maggie würde er nie lieben können. Das war die schmerzliche Wahrheit.

Am nächsten Tag informierte Tomasso Maggie darüber, dass sie und die Kinder ihn in der übernächsten Woche nach Scorsolini Island zu den Geburtstagsfeierlichkeiten seines Vaters begleiten sollten.

„Ich würde diese beiden Tage lieber als meine freien Tage nehmen.“

„Ich brauche deine Hilfe mit den Kindern.“

„Bestimmt nicht, wenn deine Schwägerin dort ist. Sie kommt ganz wunderbar mit den beiden zurecht.“

„Sie wird kaum Zeit haben, sich um meine Familie zu kümmern. Sie ist für die Organisation und den Verlauf der Zeremonien verantwortlich. Außerdem habe ich doch dich!“

„Du hast mich nicht. Ich bin als Kindermädchen eingestellt, mit dem Recht auf einen freien Tag pro Woche und auf freie Abende, wenn du nicht auf Geschäftsreise bist.“

„Es ist dir lästig, mit mir und den Kindern zusammen zu Abend zu essen?“

Sie stöhnte entnervt auf. „Nein.“

„Es ist dir scheinbar zu viel, die beiden ins Bett zu bringen und zuzudecken?“

„Darum geht es doch gar nicht.“

„Worum geht es dann, Maggie?“

„Ich will nicht mit dir nach Scorsolini Island fahren.“

„Warum nicht?“

Weil sie es nicht würde ertragen können, ihn dabei zu beobachten, wie er mit zahllosen glamourösen Schönheiten flirtete, die sich alle viel besser zur Prinzessin eigneten als sie. „Das ist nicht meine Welt.“

„Willst du behaupten, du seist mit deinen vorherigen Arbeitgebern nie zu gesellschaftlichen Anlässen gegangen?“

„Nun … nein.“ Man hatte oft auf ihrer Begleitung bestanden, damit sie während der Feierlichkeiten die Kinder beaufsichtigte, sodass die Erwachsenen sich ganz auf ihre gesellschaftlichen Pflichten konzentrieren konnten.

„Dann ist es jetzt genau das Gleiche.“

„Und wann bekomme ich frei?“, beharrte sie eigensinnig.

Tomassos Augen verdunkelten sich. „Als du als meine Haushälterin arbeitetest, warst du zufrieden, jeden Tag mit mir zusammen zu sein.“

„Das war damals. Jetzt ist jetzt.“

„Wenn du unbedingt einen freien Tag haben musst, dann nimm dir den Tag vor unserer Abreise“, zischte er.

„Danke. Und in der jetzigen Woche?“

„Du brauchst mir nicht zu danken, weil ich mich an die Abmachungen unserer Geschäftsbeziehung halte.“ Er betonte das Wort überdeutlich. „Suche dir einen Tag aus und sage meiner Sekretärin Bescheid, sodass entsprechende Arrangements für die Kinderbetreuung getroffen werden können.“ Damit wandte er seine Aufmerksamkeit den Kindern zu.

Der kühle Kommentar hatte Maggie tief getroffen und verwunderte sie zugleich. Tomasso war Geschäftsmann durch und durch. Warum also war er pikiert, wenn sie sich auf den Arbeitsvertrag bezog? Noch ein verwirrendes Puzzleteilchen in der langen Reihe von Rätseln, die Tomasso betraf.

Selbst beim Lunch, knapp zwei Stunden später, behandelte er sie noch immer mit der gleichen unpersönlichen Höflichkeit. Erst der Anruf, der ihn noch während des Mittagessens erreichte, beendete das Schweigen.

„Was ist denn?“, fragte Maggie, nachdem er den Hörer aufgelegt hatte. Augenscheinlich war Tomasso sehr aufgebracht.

„Es gibt ein Problem mit unserem Lithium-Abnehmer in China, wegen der staatlichen Einfuhrbestimmungen für Rohmaterialien. Ich muss heute Abend noch nach Peking fliegen.“

„Aber du bist doch gerade erst von einer Geschäftsreise zurückgekommen. Du hast den Kindern versprochen, Zeit mit ihnen zu verbringen.“

Tomassos Miene wurde grimmig. „Es lässt sich nicht ändern.“

„Ist schon in Ordnung, papa.“ Giannis Gesicht war so ernst, wie es bei einem Fünfjährigen niemals sein dürfte.

„Kannst du die Kinder nicht mitnehmen?“, fragte Maggie. „Wenn du viel reisen musst, sollte deine Familie dich begleiten. Es ist ja nicht so, als könntest du dir die Tickets nicht leisten.“

„Da ich mit meinem Privatjet fliege, geht es nicht um Tickets“, erwiderte er. „Aber wenn ich sie mitnehme, muss ich auch dich mitnehmen.“

„Natürlich.“

„Du hättest nichts dagegen?“

„Warum sollte ich? Als ihre Nanny geht es mir zuallererst um das Wohlergehen der Kinder. Und manchmal sollten sie eben mit ihrem Vater unterwegs sein. Außerdem bin ich bei meiner ersten Anstellung des Öfteren mit der Familie gereist. In einer Stunde könnte ich alles für den Abflug vorbereitet haben.“

„Davon stand nichts in deiner Akte.“

„Meine Akte?“, hakte sie betont unschuldig nach.

„Was ist eine Akte?“, fragte Gianni in das immer bedrückender werdende Schweigen der Erwachsenen.

„Nun, in diesem Falle, so glaube ich“, setzte Maggie leise an, „ist das wohl ein Bericht. Erst wird alles über eine Person herausgefunden und dann aufgeschrieben. Ist es nicht so?“, wandte sie sich an Tomasso.

„Ja, das stimmt“, gestand er tonlos ein.

„Du hast mich überprüfen lassen?“ Sie hätte wissen müssen, dass er ihr nicht vertraute. Trotzdem tat es weh.

„Natürlich. Alle Angestellten der Scorsolini-Familie werden vorab überprüft.“

„Ich verstehe“, murmelte sie nur.

Diese kleine Hexe, dachte Tomasso.

Er hatte keine Ahnung, welche Gedanken ihr jetzt durch den Kopf gingen, aber der Eiseskälte in den grauen Augen nach zu schließen, die sonst immer so warm und strahlend blickten, konnte es nichts Schmeichelhaftes sein. Die letzten Tage hatten doch deutlich gezeigt, wie perfekt sie zu ihm und den Kindern passte. Nur weigerte sie sich stur, es zu akzeptieren.

Dabei war ebenso deutlich, dass sie ihn begehrte. Ganz gleich, wie sehr sie sich auch bemühte, es abzustreiten, ihr Körper verriet sie. Dennoch nutzte sie jede Gelegenheit, vor ihm in ihr Apartment zu flüchten oder sich hinter den Kindern zu verstecken. Er ließ sie gewähren. Sie sollte allein und aus freien Stücken zu ihm kommen.

Autor

Lucy Monroe

Die preisgekrönte Bestsellerautorin Lucy Monroe lebt mit unzähligen Haustieren und Kindern (ihren eigenen, denen der Nachbarn und denen ihrer Schwester) an der wundervollen Pazifikküste Nordamerikas. Inspiration für ihre Geschichten bekommt sie von überall, da sie gerne Menschen beobachtet. Das führte sogar so weit, dass sie ihren späteren Ehemann bei ihrem...

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