Kühner Plan und heiße Träume

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Die Firma, die Auggie mit Freundinnen gegründet hat, ist ein Riesenerfolg: Diskret assistieren sie den Reichsten der Reichen. Auggies neuer Klient ist der spanische Milliardär Matias Balcazar – umschwärmt, sexy und anspruchsvoll. Als er in einen Business-Skandal verwickelt wird, der seinen Ruf gefährdet, hat Auggie eine kühne Idee, wie er die Londoner Boulevardpresse ablenkt: Eine Scheinverlobte muss her! Aber nicht in ihren gewagtesten Träumen hat sie damit gerechnet, dass Matias ausgerechnet ihr den riesigen Brillantring ansteckt …


  • Erscheinungstag 13.05.2025
  • Bandnummer 2700
  • ISBN / Artikelnummer 9783751534802
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Millie Adams

Kühner Plan und heiße Träume

1. KAPITEL

Der Pitbull ist an Bord.

Schnell schickte Auggie den Text ab.

Wuff.

Das war Irinkas Antwort. Bei den anderen Chat-Teilnehmerinnen kam sie gut an.

Auggie sah auf ihr Handy, und ihre Lippen zuckten. Dann schaute sie zu ihrem Boss und seiner aktuellen Begleiterin hinüber und unterdrückte ein Seufzen. Sie konnte die Frauen nicht dafür verurteilen, dass Matias ihnen gefiel. Er war der schönste Mann, den sie je gesehen hatte. Groß und breitschultrig, Haare schwarz wie Obsidian und Augen dunkel wie der Nachthimmel.

Sie hatte nicht gewusst, dass es verschiedene Arten von Schwarz gab. Sein Haar glänzte wie Rabenflügel. Der Nachthimmel sprach von den Gefahren im Weltraum und der unausweichlichen Vernichtung, die einer Frau drohte, wenn sie in seine Umlaufbahn gezogen wurde.

Darum konnte sie den Frauen nichts vorwerfen. Matias war ganz alleine für sein schreckliches Verhalten verantwortlich. Allerdings unterstützten die Medien es ihrer bescheidenen Meinung nach.

Goldjunge Matias Balcazar mit neuer Frau gesehen!

Goldjunge, von wegen! Der Mann war ein Pitbull.

So war er zu seinem Spitznamen im Gruppenchat gekommen, der passenderweise Work-Wives hieß. Arbeitsehefrauen.

Durch ihre enge Zusammenarbeit waren Irinka, Lynna, Maude und sie quasi verheiratet. Und beste Freundinnen. Vor fünf Jahren hatten sie ihre Consulting-Agentur gegründet – nur mit einem Traum, hervorragendem Organisationstalent und sehr viel Entschlossenheit. Und jetzt florierte das Geschäft.

Sie waren freiberufliche Assistentinnen, die mit äußerster Diskretion für ihre Klienten arbeiteten. Sie halfen den Reichsten der Reichen. Angefangen bei der Organisation persönlicher Angelegenheiten, was Irinkas Spezialität darstellte, bis hin zur Sanierung und Verwaltung ihrer Anwesen, wofür Maude zuständig war. Lynna versorgte sie mit den köstlichsten Delikatessen.

Auggie war nicht so spezialisiert wie ihre Freundinnen. Im Moment übernahm sie die Rolle von Matias’ Stewardess. Da er die meiste Zeit mit seinem Privatflugzeug um die Welt reiste, arbeitete sie auch als seine Sekretärin.

Und tat ihr Bestes, um seine Geheimnisse zu bewahren.

Glücklicherweise war ihr Vertrag mit ihm bald beendet. Die Arbeit der Agentur konnte man nicht dauerhaft für sich beanspruchen. Es gab eine unumstößliche Grenze. Sechs Monate. Aber ihr Vertrag mit Matias lief nur über drei.

Zum Gück.

Einer ihrer größten Vorzüge war ihre Fähigkeit, sich in jede Umgebung einzufügen. Sie war ein Chamäleon. Doch der Pitbull hatte sie bemerkt.

Sie ignorierte die Art und Weise, wie sie auf ihn reagierte. Die Art und Weise, wie sich ihr Magen zusammenzog, wenn der Blick seiner dunklen Augen die ihren traf. Um Himmels willen, er hatte eine Frau an seinem Arm. Außerdem war er ihr Chef – wenn auch nur vorübergehend. Und sie … nun, sie durchschaute ihn. Vielleicht war sie der einzige Mensch auf der Welt, der ihn durchschaute. Es war einfach nur lächerlich, wie er in den Medien dargestellt wurde.

Der so sehr geliebte Matias Javier Hernandez Balcazar war der Sohn von Javier Balcazar, dem skrupellosen spanischen Milliardär. Einem Mann, der weder Ethik, Freundlichkeit noch Anstand kannte.

Um Matias zu durchschauen, musste man eigentlich nur ein paar Dinge über ihn wissen.

Erstens, dass er sich nichts sagen ließ. Er tat, was er wollte und wann er es wollte, ganz wie es sich für einen Milliardär gehörte. Zweitens, dass er seinen Vater hasste. Und aus diesen beiden Informationen ergab sich sein wahrer Charakter.

Die Medien stellten ihn als jemanden dar, der aus allem einen Erfolg machte, was er im Unternehmen seines Vaters gelernt hatte. Das war ein Irrtum. Er wollte das Unternehmen seiner Familie übernehmen und zerstören. Sie war sich absolut sicher, dass er genau das vorhatte.

Natürlich ging jeder davon aus, dass er eines Tages das Vermögen seines Vaters erben würde. Nach Auggies Meinung war die Wahrheit etwas komplizierter. Zwar kannte sie nicht alle Details, aber sie wusste, dass Matias ganz anders war als der Mann, der er zu sein schien.

„Augusta“, sagte er jetzt. Wie er mit seinem Akzent die Silben ihres Namens aussprach, hätte sie fast schnurren lassen. „Könnten Sie mir und Charmaine einen Drink besorgen?“

„Natürlich.“ Sie lächelte, wie es zu ihrem Job gehörte, und ging zur Bar.

Es gehörte auch zu ihrem Job, genau zu erahnen, was er und die Dame wünschten. Sie schmunzelte, als sie ihm seinen Whiskey einschenkte und dann für Charmaine einen extra süßen Drink mit Kirschen darin mixte. Dann verschwand sie wieder im Hintergrund, nahm ihr Telefon und tippte:

Wenn ich noch einmal eine Schlagzeile mit Lobeshymnen auf diesen Kerl sehe, schlage ich den nächsten Reporter, der mir unter die Augen kommt.

Lynna antwortete prompt.

Ach, komm, verdirb den Leuten nicht ihre Schwärmerei.

Auggie verdrehte die Augen, während sie tippte.

Das werde ich nicht. Ich habe einen Geheimhaltungsvertrag unterschrieben. Aber ich habe noch nie jemanden getroffen, der so ein falsches Bild von sich präsentiert.

Die nächste Antwort kam von Maude:

Das verstehe ich nicht. Warum sollte er das tun? Normalerweise stört es Milliardäre nicht, vor den Augen der Öffentlichkeit als die Mistkerle dazustehen, die sie sind.

Irinka wollte wissen:

Ist er so furchtbar?

Furchtbar? Nein, das ist nicht unbedingt der richtige Ausdruck für ihn, dachte Auggie und schrieb:

Nein. Aber er ist nicht das, was er zu sein scheint.

In diesem Moment ließen Charmaine und Matias ihre Drinks stehen und verschwanden im Schlafzimmer im hinteren Teil des Privatflugzeugs. Besonders viel Spaß machte es Auggie, die Frauen zurück in welche Stadt auch immer zu begleiten, aus der sie gekommen waren. Manchmal blieben die Frauen auch. Allerdings nie für längere Zeit bei Matias.

Irgendwie schaffte er es, ein skrupelloser Frauenheld zu sein und doch von allen geliebt zu werden. Sogar von den Frauen, mit denen er Schluss gemacht hatte.

Keiner konnte ihn hassen.

Wobei Auggie das noch misstrauischer machte. Als wäre es eine Art Zauberei, die sie nicht ganz nachvollziehen konnte.

Das war das Problem mit ihm. Er war interessant.

Als sie den Job bei ihm angenommen hatte, war sie überzeugt gewesen, dass er langweilig war. Er hatte den Ruf, höflich zu sein, ein großzügiger Arbeitgeber, ein Mann, der immer ein extravagantes Trinkgeld gab. Er hatte schnell ein Lächeln auf den Lippen.

Aber dieses Lächeln erreichte nie seine Augen.

Sie setzte ihre Kopfhörer auf, weil sie nicht zu hören brauchte, was im Nebenraum passierte. Nein, das brauchte sie nicht.

Eine Weile später schaute sie auf die Uhr, legte ihr Ohr an die Schlafzimmertür und öffnete sie langsam. Beide lagen halb bekleidet und schlafend im Bett. Sie war sehr gut darin geworden, den Mann einfach nicht anzusehen, wie er halbnackt und zufrieden im Bett lag. Es ging sie nichts an. Er konnte tun und lassen, was er wollte. Sie war nur hier, um ihren Job zu erledigen.

Sie nahm das Telefon der Frau vom Nachttisch und hielt es vor deren Gesicht. Sobald das Handy entsperrt war, öffnete sie den Fotoordner. Sie hatte keine Fotos gemacht. Gott sei Dank. Auggie hatte schon einige Schnappschüsse vom schlafenden Matias von Handys gelöscht.

Es gab keine Fotos von ihm, aber ein E-Mail-Banner mit einem Text erschien auf dem Bildschirm:

Wenn du mit ihm fertig bist, musst du …

Auggie schaltete das Handy aus. Dann saß sie da und sah ihn an. Plötzlich spürte sie ein vages Gefühl der Beunruhigung. Zugegeben, mit dieser E-Mail könnte jeder gemeint sein. Es könnte um alles Mögliche gehen.

Langsam fuhr sie mit dem Daumen über die E-Mail-App. Ihr Job hatte Regeln und Grenzen. Sie drang nicht in die Privatsphäre der Leute ein. Sie ging keine E-Mails durch, sie schaute sich nicht alle Fotos an. Es ging ihr einzig und allein darum, Matias’ Intimleben aus dem Internet zu halten.

Worum auch immer es also hier geht, es ist nicht dein Problem.

Sie atmete aus und legte vorsichtig das Handy zurück. Es gab keine Fotos von Matias. Das war alles, was zählte. Der Rest war nicht ihre Sache.

Sie schlich sich wieder aus dem Raum. Nicht zum ersten Mal war sie dankbar, dass sie diesen Job fast hinter sich hatte. Matias war so viel mehr Arbeit als jeder andere Auftraggeber, für den sie jemals gearbeitet hatte. Normalerweise mochte sie die Herausforderung in einem neuen Job. Es gefiel ihr, alle paar Monate für einen neuen Klienten zu arbeiten. Meist bestand ihre Arbeit darin, jemanden zu entlasten, wenn er für ein neues Projekt sein Arbeitspensum erhöhte oder sein Image aufgebessert werden musste. Oft arbeitete sie dabei mit einer Agentur für Öffentlichkeitsarbeit zusammen.

Doch die Arbeit mit Matias bedeutete Stress. Und sie war süchtig nach seiner Schönheit, was eine Komplikation war, die sie noch nie erlebt hatte.

Als das Flugzeug in Barcelona landete, stürmten Matias und Charmaine aus dem Schlafzimmer. Sie sahen beide zerzaust, aber bezaubernd aus.

Auggie fragte sich, ob Matias jemals sesshaft werden würde. Er schien im ewigen Hier und Jetzt zu leben, aber sie wusste, dass das nicht stimmte. Ein Mann wurde nicht zufällig so erfolgreich wie er. Nicht einmal, wenn er aus einer reichen Familie stammte. Denn er hatte nicht das Geld seines Vaters benutzt, um dorthin zu gelangen, wo er war.

Es überraschte sie immer wieder, wie bereitwillig jeder sein rätselhaftes Lächeln akzeptierte. Alle gingen davon aus, dass er schlicht und harmlos war, und er ließ sie gerne in dem Glauben.

Mehr als einmal hatte sie über ihn gehört, er wäre ein Mann, dem alles leichtgemacht wurde, und er? Er ließ die Leute gerne glauben, er wäre nicht der Hellste.

Das war für sie das Verdächtigste von allem.

„Charmaine wird ein paar Tage in Barcelona bleiben, sie möchte meine Firma sehen.“

„Oh“, sagte Auggie. „Dann werde ich also nicht zurückfliegen.“

Das kam ihr seltsam vor, und sie wusste, dass es an der E-Mail lag.

Wenn du mit ihm fertig bist …

Was hatte sonst noch in der E-Mail gestanden? Jetzt war sie wütend auf sich, dass sie sie nicht gelesen hatte.

„Sind Sie sicher, dass sie Ihre Firma sehen will?“, fragte Auggie.

„Ja.“ Er sah sie an, als wäre sie schwer von Begriff.

Sie spürte, wie auch Charmaine sie ansah. Als ihre Blicke sich trafen, spürte Auggie einen Moment lang tiefes Unbehagen. Sie mochte den Blick in den Augen der anderen Frau nicht. Sie war kein misstrauischer Mensch, und wenn sie jemandem nicht traute, dann hatte das seinen Grund. Sie hatte zwar nicht mehr als ihr Bauchgefühl, aber das Gefühl ließ sich nicht unterdrücken.

„Matias, kann ich Sie einen Moment sprechen?“, fragte sie.

„Nein“, erwiderte er glatt. „Viel Spaß in der Stadt. Ich brauche Sie erst in ein paar Tagen wieder.“

Sie hob die Brauen. „Wirklich?“ Das gefiel ihr ganz und gar nicht.

„Ja. Sie haben nur drei Monate für mich gearbeitet. Ich komme auch ohne Sie gut zurecht.“

„Selbstverständlich.“ Sie zögerte. „Matias, vielleicht sollte ich Sie trotzdem zu Ihrem Büro begleiten?“

„Nein, das ist nicht nötig.“

Vielleicht war er ja wirklich nur ein hinreißender Trottel. Sie hätte schwören können, dass Charmaine zufrieden lächelte, bevor die beiden sich abwandten und das Flugzeug verließen. Auggie kochte vor Wut.

Sie wusste nicht, was Charmaine in Matias’ Büro anstellen könnte, aber sie verspürte ein intensives Unbehagen.

Und das hatte nichts damit zu tun, dass Matias mit jedem Tag immer attraktiver für sie wurde.

Er war wie ein schönes Objekt in einer Kunstgalerie.

Schön, aber Auggie konnte ihn sich nicht leisten. Anschauen ja, anfassen nein.

Sie packte ihre Sachen zusammen und sah zu, wie Matias mit Charmaine in eine wartende Limousine stieg. Auggie wurde zu einer anderen Limousine geführt, und damit war sie vollkommen glücklich. Glücklich jedenfalls über die Ruhe und den Luxus. Nicht glücklich war sie, dass man ihr sagte, sie würde nicht gebraucht, vor allem, weil sie es nicht glaubte.

Der Pitbull macht mir Sorgen.

Lynnas Antwort kam sofort.

Inwiefern?

Er nimmt eine Frau mit in sein Büro und sagt, er braucht mich nicht.

Na ja, er ist ein hohlköpfiger Schönling. Er denkt nur mit einem Körperteil, und das ist nicht sein Gehirn. Vielleicht will er sie auf seinem Schreibtisch nehmen …

In ihrem Hotelzimmer schaltete Auggie ihren Computer ein. Dann öffnete sie Matias’ Terminkalender und begann einen Videochat mit ihren Partnerinnen. „Ich bin in Barcelona.“

„Du siehst fantastisch aus“, stellte Irinka fest, die wie immer makellos schön war.

„Strahlend“, ergänzte Maude, die Schlamm an der Wange hatte, eine Latzhose trug und draußen auf irgendeinem Feldweg stand.

„Beunruhigt“, sagte Lynna, die sich in einer großen, gewerblich aussehenden Küche aufhielt.

„Ja, ich bin wirklich beunruhigt. Er ist vom Drehbuch abgewichen, und das gefällt mir nicht. Ich bin nur froh, dass dies meine letzte Reise mit ihm ist. Wir brauchen mehr weibliche Klienten“, antwortete Auggie.

„Ich würde mich auch über mehr weibliche Klienten freuen“, stimmte Irinka zu. „Aber Männer stellen uns vor allem ein, weil sie unsere Fotos gesehen haben. Außerdem haben Frauen viel weniger Probleme, mit ihren Partnern Schluss zu machen.“

Trennungen waren Irinkas Spezialgebiet. Nach außen hin trat sie als Sekretärin auf. Aber in Wirklichkeit war sie eine Meisterin darin, Trennungen herbeizuführen. Ihre Arbeit erforderte Diskretion und Beziehungen, und sie war eine Expertin in beidem.

Auggie dagegen war für Täuschungen nicht geschaffen. Dafür war sie zu ehrlich. Es fiel ihr schon schwer genug, ihre Meinung den Klienten gegenüber für sich zu behalten. Das war auch der Grund, warum sie so viel Zeit im Gruppenchat verbrachte.

Für sie war Lynna die beste Köchin der Welt. Ihr Essen war pure Magie. Manche Frauen konnten einen Mann dazu bringen, sich nach einer Nacht für immer nach ihnen zu sehnen. Lynna schaffte das mit einer Mahlzeit.

Maude war ein Feenwesen, das sich in der Natur wohler fühlte als in der Stadt. An der Universität hatte sie einmal eine Maus aus dem Wissenschaftslabor gerettet und mit in ihr Wohnheim genommen. Ihre Spezialität war die Liebe zur Natur.

Auggie, Lynna und Maude waren seit der Universität befreundet, auch wenn sie aus sehr unterschiedlichen Verhältnissen stammten.

Irinka war die uneheliche Tochter eines Herzogs. Es gab Gerüchte, dass ihre Mutter eine russische Spionin war. Von ihren Eltern hatte Irinka Reichtum, Beziehungen und eine Vorliebe für Geheimnisse geerbt.

Maude war immer ein bisschen eine Außenseiterin gewesen, darum hatte Auggie sich stets mit ihr verbunden gefühlt. Sie selbst hatte das Gefühl, aus einer anderen Welt zu kommen.

Die Amerikanerin in der Gruppe.

Lynna stammte aus Wales, war aber in Griechenland bei einer wohlhabenden Familie aufgewachsen, die alles verloren hatte, während Lynna die Universität besuchte. Als ihr Vater während der schrecklichen Ereignisse gestorben war, hatten ihre Freundinnen alles getan, damit Lynna trotzdem ihr Studium abschließen konnte.

Auch nach der Universität waren sie zusammengeblieben – und hatten mit vereinten Kräften ihre Consulting-Agentur gegründet. Einzeln waren sie großartig. Zusammen konnten sie alles schaffen. Sie hatten sämtliche Schwierigkeiten überwunden und in Erfolge verwandelt. Erstaunlich.

Allerdings fühlte Auggie sich im Moment nicht, als könnte sie alles schaffen.

Ihre Sorge ließ sie nicht los.

„Was ist passiert?“, fragte Maude.

„Ich bin nur … Ich weiß nicht, mir gefällt die Situation einfach nicht. Anderseits gehört das nicht zu meinem Job und ist nicht mein Problem.“ Sie dachte an die vielen Male zurück, als sie Bilder seines nackten Körpers von den Handys der Frauen gelöscht hatte.

Sie hatte immer die Augen zusammengekniffen und vermieden, sich die Fotos anzuschauen. Vorsichtig, um nicht mehr zu sehen, als sie sollte. Und vorsichtig, damit er nicht so nackt wie am Tag seiner Geburt in den Zeitungen auftauchte.

Also nein, er war ganz bestimmt nicht dumm, aber wenn es um Frauen ging, hatte er schon einige fragwürdige Entscheidungen getroffen.

„Denk nicht weiter darüber nach“, sagte Lynna. „Das gehört nicht zu deinem Job. Du bist seine Assistentin. Nicht seine Betreuerin.“

Sie sagte es freundlich, aber die Worte setzten sich trotzdem in Auggies Kopf fest. „Das weiß ich.“

„Du hast wieder diesen Blick, der sagt, dass du denkst, es geht um Leben oder Tod. Aber er ist nicht …“

„Ich weiß, dass er nicht meine Mutter ist“, unterbrach Auggie. „Er ist auch nicht mehr mein Problem. Aber wenn er in ernsthafte Schwierigkeiten gerät, während ich für ihn arbeite, wäre das nicht gut für unser Geschäft.“

„Was befürchtest du denn?,“ fragte Maude.

„Ich weiß es nicht. Ich habe einfach ein schlechtes Gefühl bei dieser Frau. Ich habe ein schlechtes Gefühl bei dieser Situation.“ Auch wenn sie nicht sagen konnte, warum. Aber Augusta Fremont hatte vor Jahren gelernt, ihrer Intuition zu vertrauen.

Andererseits hatten ihre Freundinnen recht. Sie war in Barcelona. Und sie war nicht für ihn verantwortlich. Sie war nicht seine Betreuerin. Also würde sie ausgehen und Paella essen. Matias konnte selbst mit seinen Problemen fertig werden.

2. KAPITEL

Als am nächsten Morgen um fünf Uhr dreißig ihr Telefon klingelte, bereute sie, dass sie gestern so spät ins Bett gegangen war.

„Hallo?“

„Spreche ich mit Augusta Fremont?“

Sie rieb sich die Augen und drehte sich in ihrem großen leeren Bett um.

Wenn sie wie Matias wäre, wäre sie losgezogen und hätte sich einen Mann fürs Bett gesucht. Sie hätte mit den Wimpern geklimpert und einen gutaussehenden Spanier verführt. Aber sie war nicht wie Matias, und darum lag sie alleine in ihrem Bett. Wie immer. Nur sie und ihr Handy.

„Am Apparat“, antwortete sie.

Sie sagte der Frau am anderen Ende der Leitung nicht, dass alle sie Auggie nannten. Früher hatte sie gehofft, dass sich der Spitzname Gus durchsetzen würde. Ihrer Meinung nach war er niedlicher. Aber nein. Sie war für immer Auggie. Doch wenn sie jetzt ihren Spitznamen dachte, hörte sie ihn in der Stimme ihrer Mutter, und das erfüllte sie mit Wärme.

„Möchten Sie einen Kommentar zu Matias Balcazar abgeben? Er wäre ein Betrüger?“

„Wie bitte?“

„Ja. Die Medien haben heute Morgen von einer anonymen Quelle Berichte erhalten. Es wird behauptet, er hätte jahrelang bei seinem Vater Betriebsspionage betrieben und sein Image auf Lügen aufgebaut.“

„Das ist eine Lüge.“ Sie setzte sich auf und schob sich die braunen Haare aus dem Gesicht. „Vollkommen aus der Luft gegriffen. Matias ist ein Selfmademan. Ich arbeite seit einigen Monaten für ihn und kann Ihnen versichern, dass er seinen Vater nicht einmal erwähnt.“

„Na ja, die Beweise, die uns heute Morgen gefaxt wurden, sind ziemlich überzeugend. Die Geschichte wird überall erscheinen, egal, ob Sie einen Kommentar abgeben oder nicht.“

„Erwarten Sie eine Unterlassungserklärung“, teilte sie mit und beendete das Gespräch. Sie war in Panik. Nicht so sehr, weil sie sich Sorgen um Matias machte, sondern weil der Name ihrer Firma zurzeit mit ihm verbunden war.

Sie kletterte aus dem Bett und zog sich an. Sie war seine Beschützerin. In guten und in schlechten Zeiten. Die Agentur würde auf jeden Fall mit ihm in Verbindung gebracht werden, wenn die Neuigkeit in den Zeitungen erschien.

Sie sah die Schlagzeilen schon vor sich. Sofort rief sie die Work-Wives per Videocall an.

Irinka lag im Bett und schaute aufmerksam in die Kamera. Maude war irgendwo auf einer Landstraße unterwegs. Sie schien einen Spaniel auszuführen, aber die Kamera wackelte so wild, dass es schwer zu sagen war.

Lynna stand in einem Hühnerstall. „Frische Eier“, erklärte sie.

„Nun, ich habe ein paar nicht ganz so frische Eier für euch. Es wird einen großen Skandal im Zusammenhang mit dem Pitbull geben.“

„Was ist passiert? Ist er mit der Hand im Honigtopf erwischt worden, um es mal so auszudrücken?“ Irinka rollte sich auf den Rücken. Als sie sich aufsetzte, sah man ihren äußerst luxuriösen Schlafanzug.

„Das wäre schön. Nein, schlimmer. Er hat …“ Sie bedeckte ihr Gesicht mit der freien Hand. „Jemand hat etwas aus seinem Büro gestohlen. Charmaine. Jedenfalls bin ich davon überzeugt, dass sie es war. Sie hat sogar mit ihm geschlafen, um an die Unterlagen zu kommen.“

„Auggie“, sagte Lynna. „Wir wissen alle, wie er aussieht. Es ist kein großes Opfer für eine Frau, mit ihm ins Bett zu gehen.“

„Als könntest du bei dem Thema mitreden“, gab Auggie zurück.

Falls Lynna sich über die Anspielung auf ihr nicht vorhandenes Liebesleben ärgerte, ließ sie es sich nicht anmerken. Stattdessen streichelte sie den Kopf eines Huhns, stand auf und verließ den Hühnerstall.

„Ich muss das in Ordnung bringen. Was soll ich machen?“, fragte Auggie.

„Du bist nicht seine Pressesprecherin“, betonte Irinka. „Es ist ihr Job, sich etwas einfallen zu lassen.“

„Aber sie haben mich angerufen und gefragt, ob ich Augusta Fremont bin. Und die bin ich nun mal. Wir sind die Agentur. Wenn unser prominentester Klient, den wir je hatten, in einen riesigen Skandal verwickelt wird, während ich für ihn arbeite …“

„Seine Pressesprecherin muss sich mit dir abstimmen“, sagte Maude. Ihre Wangen waren rot von der kalten englischen Luft.

„Genau. Du hast recht. Ich muss die Sache selbst in Ordnung bringen. Wir haben unser Geschäft ganz alleine aufgebaut. Für uns hängt zu viel davon ab, und ich kann mich nicht auf eine Pressesprecherin verlassen, die glaubt, dass es gut für sein Image ist, ihn als Trottel darzustellen.“

„Wahrscheinlich ist er überhaupt nicht dumm“, sagte Maude nachdenklich. „Er ist einfach nur egoistisch. Selbstüberschätzung bringt auch Beagles in große Schwierigkeiten.“

„Er ist kein Beagle“, erwiderte Auggie.

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