Nur eine Nacht mit dem Highlander?

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So sehr die junge Glynnis den stolzen Krieger Iain liebt, muss sie doch der Pflicht gehorchen und einen standesgemäßen Ehemann wählen – keinen Bastard wie Iain! Aber Jahre später, sie ist frisch verwitwet, führt das Schicksal sie zurück in die Highlands zu Iain und seinem Clan. Stärker denn je fühlt sie sich zu Iain hingezogen. Doch auch wenn er mittlerweile anerkannt ist als Sohn des Clanoberhaupts, weiß Glynnis: Sie kann ihm keinen Erben schenken – er muss eine andere heiraten! Trotzdem schafft sie es nicht, ihm zu widerstehen, und verbringt eine einzige Liebesnacht in seinen Armen – mit ungeahnten Folgen …


  • Erscheinungstag 13.05.2025
  • Bandnummer 427
  • ISBN / Artikelnummer 9783751531634
  • Seitenanzahl 256
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

Terri Brisbin

Nur eine Nacht mit dem Highlander?

PROLOG

Das Dorf Achnacarry, Schottland – im Jahre des Herrn 1377

Iain Mackenzie sah sie auf sich zukommen und wusste, wie sie sich fühlte, bevor sie überhaupt ein Wort sagte – das sah er an der Art, wie sie sich bewegte, und an ihrem traurigen Gesichtsausdruck. Als Glynnis ihm schließlich in die Augen sah, missfiel ihm, was er in ihrem Blick wahrnahm. Dann wendete sie den Blick wieder von ihm, während sie dem Verlauf des Pfads folgte, der den gepflegten Garten seiner Mutter in kleinere Bereiche unterteilte. Als sie schließlich vor ihm stand, streckte Iain ihr die Hand entgegen und fragte sich, ob Glynnis sie ergreifen würde.

Sie legte ihre kleinere Hand in seine, verschränkte ihre Finger mit seinen. Er genoss diesen Moment, fürchtete er doch, dies wäre das letzte Mal für derlei Vertraulichkeiten.

„So wirst du –“, hob er an.

„Du hast also davon gehört“, begann sie, unterbrach sich dann aber und schüttelte den Kopf. „Sprich weiter, Iain.“

„Du sollst nach Hause zurückkehren?“ Er kannte die Antwort bereits, stellte die Frage aber trotzdem. Um einschätzen zu können, ob sie willens war, eine Ehe mit einem Mann einzugehen, den sie nicht kannte.

„Am Morgen, wie es aussieht.“ Mit ihrer Antwort kam sie über ein Wispern nicht hinaus. Sie hielt seine Hand fester, ehe Iain Glynnis zu verstehen gab, sich zu ihm auf die steinerne Bank zu setzen.

„So bald schon? Obwohl er dich erst vor wenigen Tagen benachrichtigt hat?“ Iain spürte, wie sich das Bedauern wie eine Schlinge um seinen Hals legte. Wenn er nur …

„Mein Vater hat mich davon in Kenntnis gesetzt, als sämtliche Vorkehrungen getroffen waren.“

Iain nahm seinen Mut zusammen und atmete tief durch, ehe er antwortete. Er hätte diese Worte früher sagen müssen. Worte, die der Wahrheit entsprachen und die von Herzen kamen, Worte, die er nicht mehr zurücknehmen konnte, wenn er sie einmal gesagt hatte.

„Heirate mich, Glynnis.“ Sie holte hörbar Luft und blinzelte überrascht. „Kehre nicht zurück nach Hause. Bleib hier und heirate mich.“

„Iain, du weißt, dass das nicht geht. Ich muss denjenigen heiraten, den mein Vater für mich aussucht.“

„Nichts ist unmöglich, wenn wir es gemeinsam wollen, Glynnis.“ Er erhob sich und ging mehrmals langsam vor der Bank auf und ab, ehe er nickte. „Schau nur, wie mein Vetter gehandelt hat. Er hat sich für die Liebe entschieden.“

Allerdings war ihre Situation nicht mit der seines Vetters zu vergleichen, denn Robbie hatte tatsächlich die Frau geheiratet, die sein Vater für ihn bestimmt hatte. Durch diese Eheschließung hatten sie die Zukunft des Clans der Camerons gesichert.

„Iain, das kannst du nicht vergleichen. Bei uns ist das anders.“ Sie streckte die Hand nach ihm aus, und Iain zog Glynnis auf die Beine und in seine Arme.

Verzweiflung stieg in ihm auf, am liebsten hätte er sich all seine Wut, Glynnis zu verlieren, von der Seele geschrien. Denn so viel stand fest: Er würde sie verlieren.

„Sag mir nur dies, Glynnis. Sag mir, ob du mich heiraten würdest. Wenn es mir gelänge, deinen Vater zu überzeugen, würdest du mich dann heiraten?“

Sie brauchte kein Wort zu sagen. Die Tränen, die ihr über die Wangen liefen, sagten alles. Iain hob ihr Kinn leicht an und küsste die Tränen fort. Sanft drückte er seine Lippen auf ihre und wartete, dass Glynnis sich seinem Kuss öffnete. Er spürte ihre Zunge an seiner und schmeckte die salzigen Tränen, ein letztes Mal.

„Ich liebe dich, Iain“, wisperte sie an seinem Mund.

Dann löste sie sich von ihm, und Iain verfolgte, wie sie in die Haltung zurückfand, die sie stets vor den Blicken anderer einnahm: die anmutige, sanftmütige Dame, die immerzu freundlich lächelte. Die pflichtbewusste, gehorsame Tochter, die nie infrage stellte, was ihr Vater beschloss. Die vollkommene Frau, die jeder Adlige sich zur Gemahlin wünschte. Und Iain hatte keine Zweifel, dass sie ihrem zukünftigen Ehemann eine gehorsame Gemahlin sein würde.

Aber er kannte die wahre Glynnis unter dieser Verkleidung. Er hatte die Risse gesehen, hinter denen die Frau zum Vorschein gekommen war, die mit den Zweifeln, Ängsten und Nöten lebte, die jeden befielen. Jene Glynnis, die sie nach außen hin preisgab, stand weit über ihm, denn er war ein Bastard und noch sehr jung. Er verfügte über keinerlei Verbindungen. Jene Glynnis könnte nie ihm gehören.

Iain ließ seine Wut nicht an ihr aus, denn sie war nicht für diese Situation verantwortlich. Da er nicht wusste, was er sagen sollte, küsste er sie erneut sanft und ließ sie dann los.

„Ich wünsche dir Glück in deiner Ehe, Glynnis.“ Sie sah ihn ungläubig an. „Ich meine es wirklich so, meine Liebe“, sprach er. „Ich möchte immer nur das Beste für dich, auch wenn du nicht an meiner Seite sein kannst.“

Es war vorbei. Er war nicht imstande, selbst Anspruch auf sie zu erheben, nicht gegen den Willen ihres Vaters. Und er wollte nicht, dass sie ihm seinen Unmut und seine Hilflosigkeit anmerkte. Schweigend drückte er ihr eine kleine, aus Holz geschnitzte Figur in die Hand – ein Pferd.

Iain wartete nicht darauf, dass sie ging. Sie brauchte etwas Zeit, um sich zu sammeln und die Tränen fortzuwischen, ehe sie sich in Gesellschaft anderer begab. Die einzigen Male, in denen er erlebt hatte, dass sie diese vollkommene Kontrolle verlor, waren in seinem Beisein oder in seinen Armen gewesen. Er wandte sich von ihr ab und entfernte sich, wobei er jeden Schritt zählte und insgeheim betete, sie möge ihn beim Namen rufen. Er hoffte, sie würde sein Angebot annehmen und das Wagnis eingehen, das er darstellte. Er hoffte, sie wäre nicht länger die gehorsame Tochter, zu der man sie erzogen hatte.

Iain erreichte den Pfad vor dem Haus seiner Mutter, als er die Hoffnung aufgab.

An diesem Abend schloss er sich nicht dem Clanoberhaupt und dessen Familie beim Essen an. Er fand keinen Schlaf, stand stattdessen eine Weile auf dem Wehrgang und starrte hinaus in die Dunkelheit. Und als der Morgen kam, fand sich eine kleine Schar unten im Innenhof ein. Schweigend verfolgte Iain, wie Glynnis gemeinsam mit den anderen aufbrach.

Drei Wochen später …

Dunkelheit umfing ihn, in der er von weit her eine Stimme vernahm. Iain versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen, doch da war dieses Pochen in seinem Kopf, und sein Magen brannte. Unweigerlich öffnete er die Augen, doch die Verwirrung blieb, ganz zu schweigen von der Übelkeit, die ihn in Schüben erfasste. Er hatte zu viel von dem Ale getrunken, und jetzt wollte er sich unbedingt dem zunehmenden Licht entziehen, war dazu jedoch nicht imstande.

„Iain!“ Erneut vernahm er die laute Stimme.

Wie gern hätte er sich wieder in der Dunkelheit verloren, doch plötzlich wurde er von einem Schwall kalten Wassers erfasst. Die Stimme rief erneut nach ihm. Iain war schlagartig wach, kam mühsam auf die Beine und sah sich seinem Stiefvater gegenüber, der einen leeren Eimer in der Hand hielt.

„Davidh!“, brüllte er, während er sich das klatschnasse Haar aus der Stirn strich. „Was ist nur los?“ Erst da sah er, dass sein Stiefvater ihm auch einen Ziegenbalg mit Wasser hinhielt.

„Trink das“, forderte Davidh ihn auf.

Iain nahm einen kräftigen Schluck Wasser und wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. Das Brennen in seinem Magen ließ ein klein wenig nach.

„Komm, gehen wir ein paar Schritte, Iain.“

Erst jetzt machte sich Iain bewusst, wo er sich befand. Er konnte sich nicht entsinnen, diesen Ort aufgesucht zu haben. Aber das Rauschen des Wassers ganz in der Nähe war eindeutig: Obwohl er zu viel von dem Ale getrunken hatte, war er offenbar dem Verlauf des Pfads hinauf zu dem Wasserfall gefolgt, genau zu der Stelle, an der sich schon etliche Unfälle ereignet hatten. Der Aufstieg barg Gefahren, denn wie schnell konnte man auf dem rutschigen Untergrund den Halt verlieren. Schon als Kind hatte Iain die Gegend erkundet, als er mit seiner Mutter hier lebte, ehe sie Davidh heiratete.

Kopfschüttelnd schaute er sich um – er hatte es unbeschadet bis zu dem sprudelnden Wasser geschafft, das sich über das Felsgestein in die Tiefe ergoss.

Nun folgte er Davidh zu dem kleinen Cottage ganz in der Nähe und nahm gegenüber von ihm am Tisch Platz. Iain ahnte, dass er sich seit Kurzem wie ein Narr aufführte, daher konnte er sich gut vorstellen, was Davidh nun sagen würde.

„Erinnerst du dich überhaupt an vergangene Nacht?“, fragte Davidh. Iain verneinte mit einem Kopfschütteln. „Weißt du nicht mehr, dass du dich über den Vorrat an uisge beatha hergemacht hast? Das war der Vorrat des Clanoberhaupts, den er von den MacLeries bekommen hat! Nebenbei hast du nicht nur ihn, sondern auch seine Tischgenossen beleidigt!“

Iain hatte ein dumpfes Gefühl im Magen, diesmal lag es allerdings nicht am maßlosen Genuss von Ale und stärkeren Getränken. Einst war er von einem Mann willkommen geheißen worden, der genauso gut seinen Tod hätte befehlen können, da Iain eine mögliche Bedrohung für die Ansprüche seiner eigenen Söhne auf seine Stellung darstellte. Andere hätten das gewiss getan. Aber Robert Cameron hatte ihm als Enkel seines ältesten Bruders – des ehemaligen Clanoberhaupts – einen Platz eingeräumt. Iain war zwar ein Bastardsohn, aber Robert hatte ihm und seiner Mutter eine helfende Hand gereicht, als sie es beide am nötigsten hatten.

„Es tut mir leid …“, begann er.

„Du brauchst dich nicht bei mir zu entschuldigen, Iain, du musst die Sache vor Robert geradebiegen.“ Davidh stand auf und ging zur Tür, die er nur ein Stück weit öffnete und durch den Spalt zum Rand des Wasserfalls spähte. „Ich weiß, wie sehr du das Mädchen vermisst, aber die Wahrheit ist, dass sie nie für dich bestimmt war. Als sie Robbie nicht geheiratet hat, hat ihr Vater sie dem Sohn der Campbells versprochen.“ Mit diesen Worten drehte er sich wieder zu Iain um und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Um ehrlich zu sein, Iain“, fuhr er fort, und eine gewisse Härte lag in seinem Blick, „du warst ihrer nie würdig.“

Iain hatte seine schlimmsten Befürchtungen noch nie ausgesprochen gehört, umso erschrockener war er, sie jetzt aus Davidhs Mund zu vernehmen. „Was?“

„Du bist ein Bastard, Junge, du lässt kein Interesse erkennen, die Führung des Clans zu übernehmen, du bringst keinerlei Erfahrungen mit, abgesehen von deinen Fertigkeiten bei der Arbeit mit Holz und dem Reiten. Deine Fähigkeiten im Lesen und Rechnen lassen zu wünschen übrig. Ihr Vater hätte nie einen Mann wie dich in Betracht gezogen, der um ihre Hand anhält – einen Jungen wie dich.“

Iain sprang von seinem Platz auf und stützte sich schwer atmend und voller Wut mit den geballten Fäusten auf der Tischplatte ab.

Sein Stiefvater ließ indes nicht locker. „Ihr Vater hätte sich von dem Angebot von einem wie dir beleidigt gefühlt. Sie bleibt unerreichbar für dich, finde dich damit ab.“

Iains Sichtfeld wurde verschwommen vor Zorn, er verspürte das Verlangen, sich auf seinen Stiefvater zu stürzen.

„Nur zu“, rief dieser, da er seinen Ziehsohn genau kannte, „mach deiner Wut Luft, aber ich fürchte, dass du auch nicht richtig kämpfen kannst!“

Iain bebte am ganzen Leib und musste all seine innere Kraft aufbieten, um sich nicht auf Davidh zu stürzen und ihn mit den Fäusten zu traktieren. Ganz allmählich spürte er, dass er wieder die Kontrolle über sich und seine Gefühle gewann.

Sein Stiefvater kam auf ihn zu, und in seiner Stimme lag mehr Verständnis. „Glaub mir, ich weiß, wie es ist, jemanden zu verlieren. Aber was jetzt zählt, ist, wie du mit der Sache umgehst. Die Entscheidung liegt bei dir“, fuhr er in ruhigem Ton fort. „Du kannst alles so belassen wie zuvor, oder du beschließt, dir eine Zukunft aufzubauen, die du gehabt hättest, wenn dein leiblicher Vater noch leben würde.“ Davidh war der engste Freund seines Vaters Malcolm Cameron gewesen.

„Du hast recht“, meinte Iain niedergeschlagen, „ich bin so, wie du mich beschrieben hast – ein Bastard, der ihrer nicht würdig und obendrein unerfahren in so vielen Dingen ist.“

„Du bist noch jung und nicht ausgebildet. Wenn du dich anstrengst, könntest du zu einem Mann heranwachsen, dem alles offensteht und der seine eigenen Entscheidungen fällt.“ Davidh senkte die Stimme. „Ein Mann, der sich für die Liebe entscheidet.“

„Was?“, fragte Iain und strich sich das Haar aus der Stirn. „Wie soll das gehen?“

„Ganz einfach. Du musst Anspruch erheben auf die Stellung deines Vaters.“

„Das soll einfach sein? Das ist ein dämlicher Vorschlag, Davidh.“

„Dämlich? Aye, es sei denn, du bist willens, alles zu riskieren, um deine Ziele zu erreichen. Du musst lernen, nicht bei jedem Anlass die Kontrolle zu verlieren, lass nicht zu, dass deine Launen dein Handeln bestimmen.“ Sein Stiefvater stand nun vor ihm und streckte ihm die Hand entgegen. „Und, Iain? Wirst du dich bemühen, die Stellung deines Vaters zu erlangen, um zu jenem Mann heranzuwachsen, den er sich gewünscht hätte?“

Wäre er dazu imstande?

Es war nicht das erste Mal, dass sein Stiefvater versucht hatte, ihm mahnende Worte mit auf den Lebensweg zu geben, und nicht zum ersten Mal sah Iain sich gezwungen, darüber nachzusinnen, wo er im Leben stehen wollte.

Glynnis zu verlieren führte ihm vor Augen, wie wichtig es war, sich zu verändern. Iain wollte nicht länger derjenige sein, der sich abgehängt fühlte und über keinerlei Einfluss verfügte. Er wusste, dass er Glynnis nicht haben könnte, und diesen Verlust würde er jeden Tag bedauern. Aye, er würde sie in Erinnerung behalten und jedes Mal an sie denken, wenn er wieder etwas Neues schnitzte. Wann immer er an einem der Tische in Achnacarry Castle säße, würde er an sie denken. Aber er würde nicht länger zulassen, auf Dauer so machtlos zu sein.

Iain ergriff die Hand seines Stiefvaters und nahm das Angebot an, das hinter dieser Geste stand.

Und von da an schaute er nicht mehr zurück, sondern nur noch nach vorn.

1. KAPITEL

Drei Jahre später …

Glynnis MacLachlan blickte sich noch einmal in dem großen Gemach um, das sie seit nunmehr drei Jahren ihr Eigen nannte, ehe sie hinaus auf den Korridor trat und die Tür hinter sich schloss. Ihre Bedienstete wartete bereits auf sie, und so gingen sie schweigend die Treppe hinunter in die Halle. Maggie war die einzige Person, die sie einst begleitet hatte, und sie würde auch als Einzige zu den Besitztümern von Glynnis’ Vater zurückkehren.

Niemand, weder ein Bediensteter noch ein Verwandter ihres verstorbenen Gemahls, sprach sie an, während sie an den Bewohnern der Burg vorüberging. Niemand sagte ihr Lebewohl oder wünschte ihr alles Gute. Es herrschte eine fast beängstigende Stille, in der Glynnis ihre eigenen Schritte hörte, während sie auf den Eingang des Bergfrieds zuhielt. Dann nickte sie dem Bediensteten zu, der ihr die Tür öffnete, und atmete bewusst lange aus.

Der Bruder ihres Gemahls erwartete sie draußen vor dem Bergfried und nickte in Richtung der kleinen Eskorte, die sie sicher nach Hause bringen würde. Doch wenn Glynnis ehrlich zu sich war, gab es für sie keinen Ort, den sie als ihr Zuhause bezeichnet hätte. Sie hatte Jahre auf Achnacarry zugebracht und sich auf eine Hochzeit eingestellt, die dann nie zustande gekommen war. Nun war sie seit drei Jahren hier und stand mit leeren Händen da – gebrochen an Körper und Geist. Und jetzt? Jetzt würde sie dorthin gehen, wo ihr Vater sie sehen wollte, da er über ihre Zukunft bestimmte.

„Wir haben Nachricht von Lady Cameron erhalten, Glynnis“, sprach Gillespie Campbell. Ihr Schwager bot ihr seinen Arm und geleitete sie die Stufen hinunter zu der kleinen Reiterschar. „Sie heißt dich willkommen und ermuntert dich, sie zu besuchen, während du … dich von deinem Verlust erholst.“

Welch höfliche Worte für jemanden, der sowohl einen Gemahl als auch ein Kind verloren hatte, nur wenige Stunden hintereinander. Welch milde Wortwahl, die nicht annähernd auszudrücken vermochte, wie verwundet sie in ihrer Seele und in ihrem Herzen war – in ihrem ganzen Leben. Die Einladung von Lady Elizabeth würde ihr eine kleine Atempause verschaffen, ehe sie wieder ihrem Vater gegenübertreten musste, der von seinen Ländereien aus England zurückkehrte.

Als sie das letzte Mal als Pflegetochter dort verbracht hatte, um die Fertigkeiten und Aufgaben zu erlernen, die sie als Ehefrau des Clanerben benötigen würde, hatte sie gemeinsam mit der Familie im Bergfried gelebt. Diesmal indes bot Lady Elizabeth ihr einen Ort an, der abseits der Aufmerksamkeit lag – ein kleines Cottage, wo Glynnis ganz für sich allein sein würde, bis sie wieder so weit hergestellt war, anderen zu begegnen.

Glynnis ließ sich von ihrem Schwager in den Sattel helfen und griff nach den Zügeln, während ihre Bedienstete ebenfalls aufsaß. Sie nickte dem Bruder ihres Mannes Martainn zu.

„Wende dich an Douglas, wenn du etwas benötigst“, sagte Gillespie, „die Männer sind angewiesen, in gemächlichem Tempo zu reiten, angesichts … deines Zustands.“

„Hab Dank, Schwager, für all die Vorkehrungen, die du getroffen hast.“

„Glynnis, ich –“ Er unterbrach sich und schüttelte den Kopf. „Ich wünsche dir eine sichere Reise.“

Er hatte ihr noch etwas sagen wollen, doch er behielt die Worte für sich. Als Glynnis gemeinsam mit der kleinen Eskorte das Burgtor passierte und den gewundenen Weg vor sich erblickte, rechnete sie damit, jeden Augenblick von unaussprechlichem Schmerz innerlich zerrissen zu werden. Sie wartete auf die Tränen, die ihr doch gewiss über die Wangen laufen würden, sobald sie sich der drei Jahre entsann, die sie hier verbracht hatte, mit all den Herausforderungen und kleinen Erfolgen: und mit so vielen Verlusten und Niederlagen.

Doch mit jeder Meile, die sie zurücklegten, wuchs die Entfernung und damit einhergehend die große Leere in ihr, die keinerlei Empfindungen mehr zuließ. Denn sie hatte in den letzten Jahren alle Tränen vergossen und schluchzend jeden Schmerz und jeden Verlust beklagt, bis keine Tränen mehr übrig waren.

Nichts außer der gähnenden Finsternis genau dort, wo ihr Herz und ihre Seele sein müssten.

Einige Tage später standen Glynnis und ihre Bedienstete vor einem kleinen Cottage im Grenzbereich der Ländereien, die zu Achnacarry Castle gehörten. Lady Elizabeth hatte ihr eine Unterkunft zur Verfügung gestellt, die nicht nur abseits der Straße lag, die zum Dorf führte, sondern auch tief im Wald. Das nächste Gebäude in der Nähe war die Wassermühle am Nebenarm des Flusses Arkaig, der in den Loch Arkaig mündete, wobei die starke Strömung für den Betrieb der Mühle genutzt wurde.

Stille. Fernab von den Menschen. Fernab von jeglicher Verantwortung. Fernab vom … Leben. Zum ersten Mal war Glynnis niemandem Rechenschaft schuldig. Gewiss, dieser Zustand würde nicht lange währen, aber sie würde jeden Moment der Muße auskosten.

Maggie würde sich schon bald um alles kümmern, denn das Cottage war schlicht und noch nicht einmal so groß wie die Gemächer, die sie in all den Jahren im Bergfried bewohnt hatte. Mit ihrem ruhigen Gemüt und ihrer Bereitschaft, sich um Glynnis’ Bedürfnisse zu kümmern, ohne Fragen zu stellen, schien Maggie die perfekte Mitbewohnerin zu sein. Außerdem war sie kein junges, schwatzhaftes Mädchen mehr – Glynnis hätte das im Augenblick nicht ertragen.

Im Verlauf der folgenden Tage ließ Lady Elizabeth Nahrungsmittel zum Cottage bringen und erkundigte sich über Dritte nach dem Wohlbefinden ihrer unlängst eingetroffenen Cousine Clara – sie hatten sich auf diesen Namen geeinigt, um innerhalb des Clans Aufsehen zu vermeiden. Es dauerte nicht lange und Glynnis hatte alles, was sie in der Abgeschiedenheit benötigte: Neben dem Cottage lagerte genügend Feuerholz, der Vorrat an gestochenem Torf reichte ihr bis zu den Schultern, das Fass war mit frischem Wasser gefüllt und in der kleinen Speisekammer lagerten Säcke mit Mehl und Getreide sowie andere Nahrungsmittel, mit denen sie oder Maggie Mahlzeiten zubereiten könnten.

Bald gingen die Tage nahtlos ineinander über, doch Glynnis tat nichts anderes, als ihrer fleißigen Bediensteten bei all ihren täglichen Aufgaben zuzuschauen – sie war zu nichts anderem imstande. Es war keineswegs so, dass Glynnis ihre Zukunft geplant oder über die Vergangenheit nachgedacht hätte. Sie aß nur wenig von den Speisen, die Maggie ihr zubereitete, und verbrachte zahllose Stunden in traumlosem Dahindämmern.

Seit einigen Tagen waren Regenwolken über das Land gezogen, ein Sturm war über die Wipfel des Waldes hinweggefegt, doch eines Morgens, als das Wetter sich wieder beruhigt hatte, bemerkte Glynnis, das sich etwas verändert hatte – sie fühlte sich nicht länger so matt und erschöpft, im Gegenteil, allmählich machte sich eine Art Rastlosigkeit bemerkbar, bei der Glynnis fast die Leere in ihrem Innern vergaß. Maggie war die Veränderung im Wesen ihrer Herrin nicht entgangen, und so reichte sie Glynnis eine Nähnadel, Garn und ein paar Kleidungsstücke, die ausgebessert werden mussten.

Erst nach einer Weile kam Glynnis auf den Gedanken, nach der Herkunft der Kleidung zu fragen, da ihr nichts davon bekannt vorkam.

„Maggie, woher stammen diese Kleider?“ Sie hielt eine kleine Tunika aus grob gesponnener Wolle hoch.

„Das müsste dem jüngsten Kind des Müllers gehören, Mylady.“

„Des Müllers?“

Maggies Stirn legte sich in Falten, doch sie antwortete bereitwillig. „Aye, Mylady. Der Müller – James – und seine Familie leben unweit der Wassermühle. Es war sein Sohn, der vor ein paar Tagen kam und sich erkundigte, ob wir noch etwas benötigten.“

Glynnis entsann sich zwar des großen, kräftigen Burschen, aber ansonsten blieb ihre Erinnerung sehr vage. „Habe ich mich mit ihm unterhalten?“

„Aye, Mylady. Er heißt Edward“, sagte Maggie. Glynnis entging nicht, dass ihrer Bediensteten bei der Erwähnung des Namens eine flüchtige Röte über die Wangen huschte, eine Reaktion, die unter anderen Gegebenheiten ihr Interesse geweckt hätte.

„Ich kann mich gar nicht daran erinnern.“ Es stimmte, die zurückliegenden Tage waren wie in Nebelschwaden gehüllt.

„Er kommt später noch einmal vorbei, um nach den Pferden zu sehen und frisches Wasser zu bringen.“ Aha, ihre Bedienstete wusste demnach genau Bescheid, was dieser Bursche wann tat.

„Und bestimmt nimmt er dann auch diese Kleidungsstücke wieder mit?“, fragte Glynnis.

„Mylady, ich …“ Maggie musste sich offenbar erst sammeln, ehe sie weitersprach. „Ich hatte nichts mehr zu tun, nachdem alles an Ort und Stelle war, und Ihr habt die meiste Zeit … geruht. Meine Mutter sagte immer, ich solle fleißig sein, denn Müßiggang sei aller Laster Anfang … und deshalb …“

„Deshalb hast du der Frau des Müllers angeboten, ihr ein wenig auszuhelfen?“ Glynnis sah, dass Maggie unsicher nickte. „Keine Sorge, ich habe nichts dagegen, dass du denjenigen hilfst, die uns helfen, Maggie.“ Sie warf einen Blick auf den Stapel Wäsche in dem Korb neben dem Tisch und machte sich erst da bewusst, wie viel noch auszubessern war. „Da gibt es also noch einen Jungen, leben sonst noch Kinder im Haus des Müllers?“

„Noch zwei Geschwister, älter als der Junge, aber jünger als Edward, Mylady.“ Ihre Wangen nahmen eine tiefere Färbung an, da sie zugab, genau über die Familie des Müllers Bescheid zu wissen.

Kurz darauf senkte sich wieder einvernehmliches Schweigen herab, und Glynnis spürte, dass sie ein wenig erschöpft war. Die kurze Unterhaltung hatte sie bereits angestrengt, und nachdem sie das Kleidungsstück, das sie ausgebessert hatte, Maggie gereicht hatte, lehnte Glynnis sich auf dem hohen Lehnstuhl zurück und schloss die Augen.

„Ihr seht erschöpft aus, Mylady. Solltet Ihr Euch nicht ein wenig ausruhen?“

Glynnis war hin- und hergerissen, einerseits verspürte sie das Verlangen, sich in die Schatten des Schlafs zu flüchten, andererseits machte sich das Bedürfnis bemerkbar, endlich wieder etwas zu tun. Entschlossen stand sie auf.

„Nein“, sprach sie und durchquerte den Raum bis zur Tür. „Ich möchte einen Augenblick im Freien verbringen.“

Glynnis trat hinaus in die milde Frühlingsluft und wunderte sich, wie schnell hier in den Highlands das Wetter umschlagen konnte, da die letzten Tage noch kühl und stürmisch gewesen waren. Sie merkte, dass sie keinen Umhang benötigte, entfernte sich einige Schritte vom Cottage und blickte sich um. Es war das erste Mal seit ihrer Ankunft, dass sie den sicheren Hafen verlassen hatte, den Lady Elizabeth ihr zur Verfügung gestellt hatte. Langsam und vorsichtig ging sie um die Behausung herum und sah die kleine eingefriedete Stelle, wo die Pferde grasten.

Da sie viele Jahre in Achnacarry verbracht hatte und auch das Waldstück kannte, hatte sie bald ihre Orientierung zurückgewonnen und ging schließlich in Richtung des Bachlaufs, dessen rauschendes Wasser man bis zum Cottage hören konnte. Sie wusste, dass die Mühle nicht weit entfernt lag, aber vom Ufer aus vermochte Glynnis sie nicht zu sehen. Weiter östlich mündete der Bachlauf in den Fluss und viele Meilen später in den Loch. Eine Weile stand Glynnis am Ufer, lauschte mit geschlossenen Augen dem Wasser und hob ihr Gesicht der Sonne entgegen, die hier und da durch die Baumkronen fiel.

Unweigerlich fragte sie sich, ob sie in ihrem bisherigen Leben je einen Moment der Muße wie diesen gehabt hatte. Es kam ihr so vor, als hätte sie ständig eine Rolle spielen müssen: die der Tochter, die der Verlobten, der Ehefrau, der Mutter – wenn auch nur kurz. Und jetzt war sie jemandes Witwe. Sie war so gut wie nie allein gewesen und genoss den Augenblick und die Gewissheit, dass hier niemand ihre Zeit in Anspruch nahm.

Eine Weile genoss sie die Stille, bis sie auf der Straße, die zur Mühle führte, Hufschlag vernahm, der ihre schwermütigen Tagträumereien unterbrach. Langsam kehrte sie zurück zum Cottage, und als sie die Tür öffnete, traf sie ihre erste Entscheidung seit Langem.

Am folgenden Morgen wollte sie bis zur Wassermühle und zurück laufen. Obwohl ihr Körper bereits von diesem kleinen Ausflug und den Strapazen der zurückliegenden Wochen schmerzte, nahm sie sich vor, ihr Vorhaben in die Tat umzusetzen.

Iain stand neben seinem Stiefvater und verfolgte eine Szene, die er in dieser Form noch nie erlebt hatte. Natürlich wusste er, dass keine Ehe jederzeit glatt verlief, aber er hätte nicht gedacht, mit eigenen Augen zu sehen, wie sich sein Clanoberhaupt und dessen Gemahlin mitten in der Halle stritten.

Im Beisein anderer.

Er spürte, wie unbehaglich seinem Stiefvater zumute war, der im Clan der Camerons der Befehlshaber der Krieger war. Niemand schien zu wissen, was zu tun war – abgesehen davon wegzuschauen, bis das Ehepaar diesen Streit beilegte. Robert Cameron und Lady Elizabeth hatten zwar nicht lautstark die Stimmen erhoben, doch ihre Mienen ließen keinen Zweifel daran, dass sie in irgendeiner Angelegenheit unterschiedlicher Meinung waren.

„Sind wir zu früh gekommen?“, raunte Iain seinem Stiefvater zu. „Vielleicht war ihnen nicht bewusst, dass wir kommen?“

„Nein, Iain, Robert hat uns selbst hierher bestellt. Ich vermute, dass seine Gemahlin davon nichts wusste.“

Iain entging nicht, dass Davidh den Blick des Verwalters einfing. Struan stand dichter bei dem Ehepaar und trat dann näher zu Robert und Elizabeth. Davidh wandte sich ein wenig ab, und Iain tat es ihm gleich, um nicht den Anschein zu erwecken, zu sehr zu lauschen.

Robert und Lady Elizabeth waren sich des Öfteren uneins gewesen: über die Speisen, die Wandbehänge oder andere kleinere Belange, aber nie bei wirklich wichtigen Angelegenheiten – zumindest nicht öffentlich. „Glaubst du, es ist wegen der Verlobung?“

Davidh wagte einen raschen Blick über die Schulter und schüttelte den Kopf.

„Nein, Lady Elizabeth hat sich klar und deutlich zugunsten dieser Vereinbarung ausgesprochen, die dich betrifft, Iain. Darum geht es gewiss nicht.“

Offenbar hatte Struan die beiden unterbrochen, denn Robert und seine Gemahlin entfernten sich einen Schritt voneinander und nickten. Dann wandte sich Lady Elizabeth zum Gehen, hielt inne, schloss die Augen und hob das Gesicht, als spreche sie leise ein Gebet. Sie hatte sich bereits einige Schritte entfernt, als das Clanoberhaupt ihren Namen laut genug für alle aussprach.

„Elizabeth, ich fürchte, das wird nicht gut ausgehen. Überhaupt nicht gut.“

In Roberts Stimme schwang eine Mischung aus Sorge und Entschlossenheit mit, und bei dem Klang der Worte zog sich Iain der Magen zusammen. Das verhieß nichts Gutes – weder für den Laird noch für Lady Elizabeth oder sonst irgendjemanden hier in Achnacarry. Mit einem strengen Blick gab Robert Cameron all den Bediensteten, die bisher in unbeholfenem Schweigen zugesehen hatten, zu verstehen, die Halle unverzüglich zu verlassen. In diesem Moment wünschte Iain, er wäre ganz woanders.

Als Davidh daraufhin Iain bedeutete, gemeinsam vor Robert zu treten, fragte Iain sich, ob der Zwist etwas mit der Angelegenheit zu tun hatte, die Robert offenbar mit ihnen besprechen wollte. Robert ging nun voraus in das kleine Gemach, das er für Unterredungen in kleinerem Kreis bevorzugte. Nachdem ein Bediensteter einen Krug mit Ale und Becher gebracht hatte, nahmen die drei Männer am Tisch Platz. Robert atmete hörbar aus und nickte.

„Wir haben Nachricht vom König erhalten“, sprach er, „und er ist einer Verbindung, die unsere Familien zueinander führen wird, durchaus zugeneigt.“ Jetzt lag Stolz in seiner Stimme, denn die bevorstehende Verlobung würde den Camerons einen Machtzuwachs bescheren und sie zu einem der bedeutendsten Clans in Schottland machen. „Doch ehe ich dies weiter ausführe, Iain, brauche ich deine Zusicherung, dass du bereit bist.“ Robert sah zuerst ihn und dann Davidh an.

„Das ist eine große Ehre, Mylord.“

„Aye“, fügte Davidh hinzu. „Eine große Ehre für die Camerons und natürlich für meinen Stiefsohn.“

„Es geht um mehr als nur die Ehre, Iain“, fuhr Robert gewichtig fort. „Du bist nicht mehr der junge Bursche, der du warst, als Robbie seine Wahl traf. Aber meine Frage lautet –“ Das Clanoberhaupt erhob sich und streckte Iain den Arm entgegen. „Bist du nun der Mann, der den Platz als Than des Clans, den dein Vater zu Lebzeiten innehatte, annehmen wird?“

Davidh war ebenfalls aufgestanden und hatte sich hinter Iain gestellt – sein Stiefvater stärkte ihm den Rücken, wie schon im Verlauf der letzten drei Jahre, als Iain sich der Ausbildung an den Waffen unterzog und all das erlernte, was ein junger, aufstrebender Krieger beherrschen musste, der bereit war, sein Ziel zu erreichen: Er würde Than werden, der designierte Nachfolger des Clanoberhaupts. Iain hielt dem harten Blick des Clanführers stand und umschloss Roberts Unterarm mit fester Hand.

„Wenn Ihr mich für würdig erachtet, dann bin ich Euer Mann, Mylord“, sprach Iain. „Ich werde Euch und meinem Clan dienen, wie mein Vater es von mir verlangt hätte.“

Robert zog ihn kurz an seine Brust und gab ihn wieder frei. „Ob ich dich für würdig erachte? Aye, das tue ich. Aber wir haben noch genügend Zeit, uns weiter vorzubereiten.“ Robert griff nach dem Krug und füllte die Becher mit Ale, ehe sie anstießen – auf das Land und auf den König. „Ich werde die Ältesten ersuchen, ihre offizielle Zustimmung zu geben“, fuhr Robert fort, „aber abgesehen davon haben bereits alle erkennen lassen, dass sie dich unterstützen wollen, Iain.“

„Seid Ihr sicher, dass Tomas keine Ansprüche erheben wird? Oder dass nicht doch Robbie letzten Endes eine Führungsrolle übernehmen will?“ Iain wollte klare Absprachen. Obwohl niemand bezweifelte, dass Iain der rechtmäßige Erbe seines verstorbenen leiblichen Vaters war, gab es durchaus kritische Stimmen, da Iains Eltern nie geheiratet hatten – somit standen vom Recht her zwei Vettern in der Erbfolge vor ihm, die Söhne Roberts.

„Robbie ist zufrieden mit der Position, die er innehat – wie auch Sheena“, erklärte Robert. „Er hat die Aufsicht über die südlichen Ländereien und erfreut das Herz seiner Mutter, die in der Nähe ihrer Kinder sein möchte.“ Als er auf seine Frau anspielte, verdüsterte sich seine Miene für einen kurzen Moment, ehe er weitersprach. „Tomas ist zwar kompetent, aber es mangelt ihm an Durchsetzungsvermögen.“ Das war keine beleidigende Einschätzung seines Sohnes, denn selbst Iain musste zugeben, dass diese Beschreibung seines Vetters der Wahrheit entsprach.

Robbie hatte seinen Anspruch aufgegeben und sich stattdessen für die Liebe seines Lebens entschieden. Sheena wäre wohl nie in der Lage gewesen, den Anforderungen der Gemahlin eines Clanoberhaupts gerecht zu werden, und Robbie hatte begriffen, dass er Sheena verlieren würde, wenn er sie in diese Rolle zwingen würde. Und sein Vetter liebte seine Frau zu sehr, als dass er so etwas in Erwägung gezogen hätte.

„Es wird eine Zeremonie geben, wenn du deinen Platz einnimmst, und danach werde ich förmliche Verhandlungen über die Verlobung aufnehmen“, sagte das Clanoberhaupt und ging zur Tür. „Aber die Sache ist bereits so gut wie abgemacht, nicht nur meiner Ansicht nach, sondern auch der des Königs. Es wird Anlass zum Feiern geben, Iain. Davidh, du kannst stolz auf ihn sein.“

„Das bin ich auch, Mylord“, sagte Davidh. „Seine Mutter wird …“

„Überglücklich sein, dessen bin ich mir sicher. Iain, ich weiß, wie wichtig das für sie sein wird, denn einst kam sie als Außenseiterin hierher, die nicht damit rechnen konnte, willkommen geheißen zu werden oder –“

„Oder auf mich zu stoßen?“, fragte Davidh belustigt nach. Ohne Davidh, den engsten Freund seines Vaters, hätten weder Iain noch seine Mutter ihren Platz innerhalb des Clans gefunden. Selbst der Umstand, dass sie bereits einen Bastard zur Welt gebracht hatte, hatte Davidh vor all den Jahren nicht davon abgehalten, sie zur Frau zu nehmen und dem Jungen eine Zukunft im Clan zu sichern.

„Aye, ausgerechnet auf dich zu stoßen, Davidh!“, lachte das Oberhaupt des Clans.

„Iain, deine Mutter hat sich das immer so sehr für dich gewünscht, auch wenn sie es nie für möglich hielt“, sagte Davidh. „Sollen wir es ihr mitteilen?“

„Da sie sehr vertraut mit Elizabeth ist, dürfte sie es längst wissen“, sprach Robert.

Robert führte sie beide zurück in die Halle, und Iain rechnete schon halb damit, Lady Elizabeth zu sehen, die im Grunde für alles Wichtige verantwortlich war, das sich auf Achnacarry Castle abspielte, doch dann entsann er sich des Streits. Ein Blick auf die düstere Miene des Clanoberhaupts verriet ihm, dass Robert ebenfalls an jenen Zwist dachte.

„Ja, lasst es sie ruhig wissen“, sagte Robert.

Bei jedem Schritt in der großen Halle spürte Iain die wachsende Vorfreude und war stolz, während der letzten Jahre so viel erreicht zu haben. Nun strebte er jenen Platz an, der ihm zustand, und wusste, dass sein Vater Malcolm stolz auf ihn gewesen wäre. Davidh schlug ihm anerkennend auf die Schulter, als sie die Halle verließen und die Treppen des Bergfrieds hinuntergingen.

„Komm, Junge, deine Mutter soll es von dir hören, ehe es sich im Clan herumspricht.“

Sie trafen seine Mutter außerhalb der Burganlage in dem steinernen Haus an, in dem sie und Davidh lebten. Wieder einmal arbeitete sie in ihrem geliebten Garten, und auch wenn Iain vermutete, dass seine Mutter angesichts der Nachricht nur überrascht tat, da sie es längst wusste, so war ihre Freude echt.

Er hatte seiner Mutter so viel zu verdanken und freute sich seinerseits, ihr auf diese Weise etwas zurückgeben zu können. Anna Mackenzie hatte ihn vor all den Jahren zurück nach Achnacarry gebracht und dafür gesorgt, dass Iain Teil des Clans werden konnte – was nicht einfach für einen Bastard war. Anna wäre mit allem zufrieden gewesen, was ihr Sohn auf seinem Lebensweg erreichte, aber natürlich war auch sie stolz auf ihn, denn auf diese Weise machte Iain seinem Vater alle Ehre, jenem Mann, den sie einst geliebt hatte.

Wenige Tage später wurde Iains Stellung als Than des Clans von den Ältesten bestätigt, und bald danach begannen die Vorbereitungen für die Verlobung, die ihn mit der Familie des Königs verbinden sollte. Obwohl er sich auf all die Veränderungen freute, von allen Freunden und Verwandten ermuntert wurde und Glückwünsche mit auf den Weg bekam, blieb in all der Vorfreude und Aufregung ein kleines, nagendes Gefühl des Bedauerns. 

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