Küss ihn, Kate!

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Wer tröstet Kate, wenn eine Beziehung schief läuft? Nick! Wer versteht sie von allen Menschen auf der Welt am besten? Nick! Und wem erzählt sie gerade, dass ihr Freund Stephen ihr wahrscheinlich noch an diesem Abend einen Heiratsantrag machen wird? Nick! Denn Nick ist Kates bester Freund, und manchmal weiß sie nicht, was sie ohne ihn machen würde. Als Kate dann wenig später ihr Apartment betritt, überrascht sie zu ihrem Entsetzen Stephen mit einer anderen im Bett. Und was macht sie? Sie fährt sofort zu Nick, der ihr das Gästezimmer anbietet. Auf einmal ist dieses neue, aufregende Gefühl da: Nick ist nicht nur ihr bester Freund - er ist auch wahnsinnig sexy...


  • Erscheinungstag 01.09.2013
  • Bandnummer 1519
  • ISBN / Artikelnummer 9783864947391
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

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1. KAPITEL

Ob Stephen mir heute Abend einen Heiratsantrag macht? fragte sich Kate, als sie mit dem Fahrrad von der Arbeit nach Hause fuhr. Der Gedanke kam wie aus heiterem Himmel und versetzte sie in Aufregung, aber die erwartete Begeisterung blieb aus.

Warum machte die Vorstellung sie nicht glücklich? Sie lebten jetzt seit zwei Jahren zusammen, und wenn alles gut lief, wollten sie sich an ihrem zweiten Jahrestag verloben. Und es lief gut, oder nicht? Sie war sich plötzlich nicht mehr sicher.

Dann wurde sie ungeduldig mit sich selbst. Natürlich entwickelte sich alles bestens. Stephen war glücklich in seinem Job, und ihre Arbeit in dem kleinen Verlag Temple & Tanner war abwechslungsreich und aufregend. Und sie beide liebten es, in dieser Stadt zu leben.

Amsterdam war traumhaft schön. Die hohen majestätischen Gebäude leuchteten in der Abendsonne und spiegelten sich auf dem Wasser des Kanals. Die Straßencafés erwachten zum Leben, Stimmen schwirrten durcheinander, überall trafen sich Freunde nach der Arbeit, und auch sie war unterwegs, um ihren besten Freund Nick Fielding wiederzusehen. Vorfreude erfasste Kate bei diesem Gedanken, und sie eilte der letzten Brücke vor dem Café entgegen, in dem sie sich normalerweise nach der Arbeit auf einen Drink trafen.

Es war fünf Wochen her, seit sie Nick das letzte Mal gesehen hatte, weil er geschäftlich in London zu tun hatte. Nick hatte ihr gefehlt. Sie hatte seine guten Ratschläge und sein ansteckendes Lachen vermisst. Er schaffte es immer, dass sie sich wohlfühlte.

Nick entdeckte Kate sofort, als sie über die Brücke gefahren kam. Das lange dunkle Haar wehte ihr ums Gesicht. Kate trug eine graue Hose und ein hübsches pinkfarbenes, eng sitzendes Top, das die Vollkommenheit ihres geschmeidigen Körpers betonte. Sie hatte einen Rucksack auf dem Rücken und fuhr wie immer mit nur einer Hand am Lenkrad und viel zu schnell.

Nick beobachtete, wie Kate aus dem Sattel sprang und das Fahrrad am Geländer anschloss. Sie drehte sich um, erblickte ihn und winkte. Ein Lächeln erhellte ihr hübsches Gesicht.

Kate war zweiunddreißig, nur ein Jahr jünger als Nick, aber sie wirkte wie siebzehn. Sie hat sich seit dem College kaum verändert, dachte er und sah zu, wie sie sich an den vollen Tischen vorbei ihren Weg zu ihm bahnte.

“Hallo, Katy.” Nick stand auf, als sie an den Tisch kam und beugte sich herab, um sie auf die Wange zu küssen. Ihre Haut war zart und weich. Sie duftete süß nach Sommer. Geißblatt … oder waren es Rosen?

“Du hast ein neues Parfüm.” Nick löste sich von ihr und dachte enttäuscht an die Flasche ihres üblichen Parfüms, die er für ihren nächsten Geburtstag am Flughafen gekauft hatte.

“Ja, Stephen hat es mir vor Ewigkeiten geschenkt, und ich dachte, ich sollte es benutzen, bevor der Duft verfliegt.” Kate nahm den Rucksack ab und setzte sich Nick gegenüber. “Wie geht es dir?”, fragte sie lächelnd.

Sie sah toll aus, ihre Haut war makellos, und die großen grünen Augen blitzten übermütig. “Es geht mir gut.” Nick setzte sich wieder und hob die Hand, um der Kellnerin zu winken. “Aber ich bin froh, wieder hier zu sein. Im Londoner Büro herrschte das reinste Chaos. Während der ersten Woche war ich nur damit beschäftigt, Unterlagen in Ordnung zu bringen.”

Kate lachte. “Ich wette, alle haben aufgeatmet, als du wieder weg warst. Nick, du bist ein Perfektionist.”

“Das musst du sein, wenn du deine eigene Firma leitest.”

Die Kellnerin kam, und Nick bestellte zwei Kaffee.

Kate bemerkte plötzlich, dass die Frau am Nachbartisch Nick mit unverhohlener Bewunderung betrachtete. Nick sieht ja auch wirklich unheimlich gut aus, dachte Kate, als sie den Blick wieder auf ihn richtete. Er hatte einen tollen Körper, und man sah jedem Zentimeter den erfolgreichen Geschäftsmann an. Seine Kleidung war modern und lässig geschnitten. Das helle Jackett und das am Kragen offene Hemd betonten seine dunkle, fast südländisch wirkende Attraktivität. Kate war plötzlich stolz, dass Nick ihr Freund war. Frauen kamen und gingen in seinem Leben, aber ihre Beziehung blieb unverändert stabil. Wie viel Zeit seit ihrem letzten Treffen auch vergangen war, immer herrschte zwischen ihnen diese Leichtigkeit.

“Ich hoffe, du hast in London nicht die ganze Zeit nur an deinen Computern gearbeitet”, sagte Kate, nachdem die Kellnerin wieder weg war. “Wolltest du nicht Serena die Sehenswürdigkeiten zeigen?”

Nick zuckte reuevoll mit den Schultern. “Es ist nicht so gut gelaufen.”

Etwas an seiner Stimme missfiel Kate. “Wie meinst du das?”

“Es ist aus”, verkündete er ohne Umschweife.

“Oh, Nick!” Kate lehnte sich zurück. Obwohl dieses plötzliche Ende sie überraschte, war sie nicht wirklich schockiert. Insgeheim hatte sie immer gewusst, dass Serena Nick nicht halten könnte. “Es tut mir so leid.”

“So etwas kommt eben vor”, erklärte er gelassen.

Kate sah in seine dunklen Augen. “Hast du dich von ihr getrennt?”

“Es beruhte auf Gegenseitigkeit”, erwiderte Nick ausweichend, aber Kate glaubte ihm kein Wort. Serena war eine wunderschöne, langbeinige Blondine. Sie sah hinreißend aus und war unheimlich nett, trotzdem hatte Kate immer vermutet, dass für Serena die Sache ernster war als für Nick.

“Was ist passiert?”

“Wir hatten eine schöne Zeit und haben uns freundschaftlich getrennt.” Lässig fügte Nick hinzu: “Aber wir hatten unterschiedliche Erwartungen, was die Beziehung anging.”

Die Kellnerin brachte den Kaffee, während Kate die Nachricht erst einmal verdauen musste. Wahrscheinlich meinte Nick, dass Serena eine ernste Beziehung wollte und er nicht.

Kate kannte das bereits. Jedes Mal, wenn eine von Nicks Freundinnen ihm zu nahekam, zog er sich zurück.

“Schade”, sagte Kate leise, “ich hatte Serena wirklich gern.”

“Ich auch”, stimmte Nick gelassen zu.

“Aber nicht genug.”

Nick antwortete nicht darauf. “Wir sind eine Weile miteinander ausgegangen …”

“Es waren fünf Monate”, widersprach Kate trocken. “Aber vielleicht hast du recht, und für dich ist das wirklich eine lange Zeit.”

Nick sah ihr über den Tisch hinweg direkt in die Augen, dann lächelte er. “Ich wusste gar nicht, dass ich mich fünf Monate lang mit ihr getroffen habe. Führst du Buch?”

“Nein. Ich erinnere mich, das ist alles … Frauen merken sich solche Details.”

“Tun sie das?” Nick trank seinen Kaffee.

“Wie dem auch sei. Abgesehen von Jayne haben alle deine Beziehungen in den letzten Jahren nicht lange gehalten. Nach Jayne hält Serena den Rekord.”

“Denkst du, ich würde mich über Jayne hinwegtrösten?”, fragte er ruhig.

“Nein.” Kate runzelte die Stirn. Auf diese Idee war sie nicht gekommen. Seine Beziehung mit Jayne war schon seit mehr als zwei Jahren vorbei. Obwohl Nick diese Trennung bedauert hatte, war Kate immer davon überzeugt gewesen, dass er den Bruch herbeigeführt hatte. “Nein … aber ich glaube allmählich, dass du ein Problem damit hast, dich zu binden.”

Nick lächelte. “Ist das etwas Schlechtes?”

Kate sah ihn entsetzt an. “Irgendwann musst du dich festlegen.”

“Warum?”

“Nun … willst du denn keine Familie?”

“Nicht unbedingt. Ich fange sogar an zu glauben, dass Abwechslung die Würze des Lebens ist.” Als er ihren Gesichtsausdruck sah, wurde sein Lächeln noch breiter.

“Das ist nicht dein Ernst, oder?”

“Nicht wirklich.” Nick trank seinen Kaffee aus. “Aber ich bleibe lieber allein, als dass ich mit dem falschen Menschen zusammen bin.”

“Da stimme ich dir zu.” Kate schwieg einen Moment. In ihren grünen Augen war ein ernster Ausdruck. Ist Stephen der Richtige für mich, fragte sie sich. Sie war entsetzt, dass sie sich diese Frage stellte. Zugegeben, in letzter Zeit wirkte Stephen ein bisschen nervös, und die Stimmung zwischen ihnen war anders als sonst. Aber wahrscheinlich war Stephen angespannt, weil er überlegte, ihr einen Heiratsantrag zu machen. Als er sie heute Morgen gefragt hatte, wann sie von der Arbeit nach Hause komme, plante er vielleicht, einen Tisch in einem kleinen romantischen Restaurant reservieren zu lassen. Deshalb hatte seine Stimme so ernst geklungen. Kate lächelte bei der Vorstellung. “Irgendwann möchte ich gern Kinder haben”, sagte sie gedankenverloren.

“Dafür hast du noch jede Menge Zeit.” Nicks Stimme klang ablehnend.

“Habe ich das? Ich war so sehr mit meiner Karriere beschäftigt und habe alles andere zurückgestellt. Aber eines Tages möchte ich eine Familie, und das kann ich nicht immerzu aufschieben.”

“Du wirst wissen, wann der richtige Zeitpunkt gekommen ist, und dann passiert es auch.”

Vielleicht wäre es so, wenn Stephen sie bat, ihn zu heiraten. Wenn er tatsächlich diese Worte aussprach, verschwanden die plötzlichen Zweifel womöglich, und sie würde wissen, dass er der Richtige war und der Zeitpunkt stimmte. Sie beschuldigte Nick, dass er vor einer festen Bindung zurückschreckte, aber vielleicht ging es ihr genauso.

“Du hattest schon immer etwas von einem Fatalisten, nicht wahr, Nick?” Kate lächelte. “Ich wohl auch. Zum Beispiel glaube ich fest daran, dass es für jeden Menschen jemanden gibt … irgendwo da draußen wartet unser perfekter Partner.”

Nick schüttelte lachend den Kopf. “Das ist nicht fatalistisch, das ist romantisch.”

“Es gibt so etwas wie Seelenverwandte”, bekräftigte Kate ernst. “Sieh dir deine Eltern an. Nach all den Jahren lieben sie sich immer noch und sind sehr glücklich.”

“Ja, das sind sie”, stimmte Nick zu.

“Hast du sie besucht, als du in London warst?”

Er nickte. “Sie lassen dich grüßen.”

Kate lächelte. Sie mochte Nicks Familie sehr. Er hatte einen älteren Bruder und eine jüngere Schwester, alles liebenswürdige und warmherzige Menschen. Kate wünschte, sie selbst wäre umgeben von so viel Herzlichkeit und Geborgenheit aufgewachsen. Kate war ein Einzelkind, und ihre Eltern hatten sich scheiden lassen, als sie zehn Jahre alt gewesen war. Sie hatte viel Zeit im Haus von Nicks Familie verbracht.

“Wie läuft es mit dir und Stephen?”, fragte Nick.

“Alles in Ordnung.” Sie lächelte ihn noch strahlender an.

Irgendetwas an der Art, wie sie das sagte und ihn ansah, ließ bei Nick die Alarmglocken läuten. Er runzelte die Stirn. “Willst du mir etwas sagen?”

Kate schwieg einen Moment, dann schürzte sie zaghaft die Lippen. “Heute ist unser Jubiläum. Vor zwei Jahren sind wir zusammengezogen.”

“Gratuliere.”

“Danke.” Sie seufzte. “Ich kann gar nicht glauben, dass es schon zwei Jahre sind. Die Zeit ist geradezu verflogen.

“Und? …” Nick sah sie fragend an.

“Vor dir kann ich wohl gar nichts verbergen?” Kate schüttelte den Kopf. “Eigentlich gibt es nichts zu erzählen.”

“Doch, gibt es. Das sehe ich an dem Ausdruck in deinen Augen.”

“Ich sollte nichts sagen, weil ich mir nicht sicher bin”, erwiderte sie zögernd. “Aber ich glaube, dass Stephen mir heute Abend einen Antrag machen wird.”

Sie schwiegen einen Augenblick. Kate erkannte plötzlich, wie wichtig ihr Nicks Antwort auf diese Neuigkeit war.

“Du denkst, Stephen wird dir einen Heiratsantrag machen?” Nick wirkte völlig schockiert.

“Nein, wahrscheinlich bittet er mich, sein Manager zu werden.” Kate dehnte jedes Wort. “Natürlich ein Heiratsantrag – warum siehst du mich so an? Ist es so schwer zu glauben, Stephen würde mich heiraten wollen?”

“Nein … natürlich nicht.” Nick schüttelte den Kopf. “Ich hatte nur nicht den Eindruck, dass es mit euch in letzter Zeit so gut lief.”

“Wie kommst du darauf?”

“Keine Ahnung. Vielleicht habe ich es mir nur eingebildet.”

“Zwischen uns ist alles in Ordnung.” Kate schluckte mühsam und versuchte, ihre Beunruhigung zu ignorieren. War zwischen ihr und Stephen wirklich alles in Ordnung? Machte sie womöglich einen schrecklichen Fehler, wenn sie seinen Antrag annahm?

“Falls er mich tatsächlich fragt, würdest du dich für mich freuen?” Sie brauchte plötzlich Bestätigung. Wie gebannt vom Blick seiner dunklen Augen hielt Kate den Atem an.

“Wenn es das ist, was du willst”, erwiderte Nick ruhig und gefasst. “Natürlich würde ich mich für dich freuen. Kate, ich möchte, dass du glücklich bist. Du hast es verdient, glücklich zu sein.”

“Danke.” Sie lächelte ihn an, aber es war bestenfalls ein zaghaftes Lächeln. Irgendetwas stimmte nicht, stimmte ganz und gar nicht, aber Kate konnte nicht herausfinden, was. Auf dem Weg hierher hatte sie eine leichte Unruhe gespürt … doch das war nichts im Vergleich zu dem unguten Gefühl, das jetzt auf ihr lastete, und sie hatte keine Ahnung, woher es kam.

Sie versuchte sich vorzustellen, wie Stephen ihr den Antrag machte, mit einem leicht nervösen, ängstlichen Ausdruck in den blauen Augen und dem Haar, das ihm in Hugh-Grant-Manier in die Stirn fiel. “Stephen ist der Richtige für mich.” Kate lächelte Nick an. “Ich weiß, du hältst ihn für ein bisschen verantwortungslos, und das ist er wohl manchmal auch … aber er liebt mich, und er ist nett und lustig …”

“Katy, warum bemühst du dich so, mich zu überzeugen?”, unterbrach Nick sie leise.

“Tue ich doch gar nicht!” Kate runzelte die Stirn. “Ich sage nur, dass er der Richtige für mich ist. Ich bin bereit, diese Verbindung einzugehen.”

“Nun, das freut mich für dich.”

In Nicks Stimme war ein Unterton und in seinen Augen ein Ausdruck, den Kate nicht deuten konnte. “Ich hätte dir das nicht heute erzählen sollen.”

“Warum?”

“Weil du dich gerade erst von Serena getrennt hast und offensichtlich nicht in der besten Stimmung bist.”

Nick schüttelte den Kopf. “Es geht mir gut, Katy”, erwiderte er leise. “Und ich freue mich sehr für dich.”

“Wirklich?”

Er nickte und ergriff über den Tisch hinweg ihre Hand. “Stephen ist ein Glückspilz.”

Kate sah hinunter auf Nicks Hand, die auf ihrer lag. Die Berührung ließ ihr Herz unruhig schlagen. Sie fühlte sich eigenartig, als wäre sie irgendwohin gelaufen und hätte plötzlich die Orientierung verloren.

Nick zog die Hand zurück und blickte auf die Uhr.

“Wir sollten uns besser auf den Weg machen. Du hast einen wichtigen Abend vor dir, und ich muss noch arbeiten.”

“Du arbeitest zu viel. Du solltest weniger Zeit an diesen Computern verbringen, dir ein nettes Mädchen suchen und eine Familie gründen.”

“Das ist eher unwahrscheinlich. Ich bin der geborene Junggeselle. Und du klingst wie meine Mutter …”

“Eine sehr kluge Frau”, fügte Kate prompt hinzu. Sie fühlte sich wieder etwas besser, als wäre das, was auch immer nicht stimmte, vorübergezogen wie eine Sonnenfinsternis, und alles wäre wieder in Ordnung.

Nick signalisierte der Kellnerin, dass er bezahlen wollte. “Ich mache das schon”, sagte er, als Kate nach ihrer Tasche griff.

“Danke. Dann bin ich nächstes Mal dran.” Sie standen auf und gingen um die Tische herum bis zum Rand des Bürgersteigs.

“Ich wünsche dir einen schönen Abend.” Nick beugte sich herab und küsste Kate auf die Wange. Obwohl Kate mit fast einem Meter siebzig nicht gerade klein war, fühlte sie sich Nick gegenüber immer sehr zierlich. Er muss etwas über eins neunzig sein, schätzte sie.

“Wir sehen uns, Kate.”

“Ja, bis später.” Kate drehte sich um, während Nick zu seinem Mercedes Cabrio ging. Sie öffnete ihr Fahrradschloss und hängte sich ihren Rucksack über die Schulter. Bevor sie losfuhr, sah sie, dass die Frau vom Nebentisch zu Nick ging. Sie lächelte ihn an, sagte etwas, und Nick blieb stehen.

Ob Nick jemals heiraten wird, fragte sich Kate, während sie nach Hause fuhr. Trotz seiner Beteuerungen würde ihn vermutlich eines Tages irgendeine Frau völlig umhauen, und er hätte nur noch Augen für sie. Dieser Gedanke umhüllte Kate wie eine dunkle Wolke. Aber für seine Freunde wird er natürlich noch Zeit haben, beruhigte sie sich schnell. Außerdem dauert es vielleicht noch Jahre, bis Nick einer Frau das Jawort gibt. Männer können sich Zeit lassen, in ihnen tickt keine biologische Uhr.

Kate sah auf die Armbanduhr, während sie langsam am Kanal entlangfuhr. Sie war fast eine Stunde zu früh dran. Normalerweise trank sie mit Nick mehr als einen Kaffee, und da sie ihn länger nicht gesehen hatte, hatte sie damit gerechnet, dass sie mindestens eine Stunde plaudern und über Neuigkeiten aus London reden würden. Aber vielleicht war es ganz gut, früher zu Hause zu sein – wie Nick schon sagte, hatte sie einen wichtigen Abend vor sich. Und jetzt hätte sie genügend Zeit, sich zurechtzumachen, bevor Stephen von der Arbeit nach Hause käme.

Was sollte sie anziehen? Sie wollte nicht zu gestylt aussehen. Falls Stephen doch keinen Tisch bestellt hatte und vorschlug, Essen zu holen, käme sie sich ziemlich lächerlich vor. Und vielleicht machte er ihr auch gar keinen Antrag.

Bei dem Gedanken fühlte sie sich beinahe erleichtert. Vielleicht brauchte sie einfach mehr Zeit, um sich an die Vorstellung zu gewöhnen. Es war schon ein großer Schritt für sie gewesen, mit Stephen zusammenzuziehen … zu heiraten war wie ein Sprung in den Abgrund.

Nick schien sich nicht übermäßig für sie zu freuen. Aus irgendeinem Grund hatte er sich nie so richtig für Stephen begeistern können. Nicht, dass er jemals etwas Nachteiliges gesagt hätte, und die beiden Männer waren immer absolut höflich zueinander, aber Kate hatte die ganze Zeit gewusst, dass Nick Vorbehalte gegenüber Stephen hegte.

Sie erkannte es an dem spöttischen Funkeln, das manchmal in Nicks dunklen Augen aufblitzte, und sein Lächeln wirkte nicht mehr entspannt und ungezwungen, sobald Stephen in der Nähe war. Stephen war nicht gerade jemand, den Nick für sie ausgesucht hätte, aber das lag nur daran, dass Nick sich Sorgen um sie machte. Und Stephen war in jeder Hinsicht das komplette Gegenteil von Nick.

Nick nahm seine Karriere als Chef einer Computerfirma sehr ernst. Für Stephen war der Job nur Mittel zum Zweck … im letzten Jahr hatte er dreimal die Stelle gewechselt. Er war versessen auf Hardrock und spielte in seiner Freizeit in einer Band. Mit Stephen hatte das Leben etwas von einer Achterbahnfahrt.

Kate fuhr noch langsamer, als sie ihr Apartment sehen konnte. Es lag im Erdgeschoss einer imposanten Patriziervilla aus dem achtzehnten Jahrhundert, mit Blick auf den Kanal. Die Miete war astronomisch und vielleicht etwas zu hoch für das, was sie sich leisten konnten. Aber Kate hatte sich schon beim ersten Anblick in diesen Ort verliebt. Sie wollte sich lieber bei anderen Dingen ein bisschen einschränken und dafür hier und nirgendwo sonst leben.

Sie sah, dass im vorderen Wohnzimmer Licht brannte. Stephen war also auch früh zu Hause. Kate machte ihr Fahrrad am Geländer fest, lief die Treppe hinauf und ging hinein.

Die Tür fiel mit einem Knall hinter ihr ins Schloss. Ihre Schritte hallten auf dem glänzenden Parkettboden wider. “Stephen?”, rief Kate und betrat das Wohnzimmer.

Obwohl es draußen noch nicht dunkel war, brannten alle Wandlampen, und der Kronleuchter erstrahlte über den antiken Möbeln. Auf dem Weg in die Küche knipste Kate einige der Lampen aus. Auf dem Tisch standen zwei Gläser und eine Flasche Champagner in einem Kühler. Aber keine Spur von Stephen.

“Stephen, Liebling, wo bist du?” Kate ging zurück in den Flur. Sie hörte Musik aus dem Schlafzimmer. Nicht die übliche Hardrockmusik, die Stephen sonst hörte, es war sanfter, viel romantischer.

Die Hand an der Schlafzimmertür, verharrte Kate einen Moment. Ein sonderbares Geräusch drang aus dem Raum, als würde jemand heftig atmen.

Kate stieß die Tür auf.

Stephen richtete sich im Bett auf und sah Kate entsetzt an.

“Stephen …?” Ungläubig blickte Kate zuerst auf ihn und dann auf die Frau, die neben ihm lag. Kate durchfuhr ein solcher Schock, wie sie es niemals zuvor erlebt hatte.

“Verdammter Mist!” Stephen fuhr sich mit der Hand durch das blonde Haar und hatte einen bedauernden, nervösen Ausdruck in seinem hübschen Gesicht.

“Tut mir leid, Kate.”

2. KAPITEL

Kate saß stundenlang allein und völlig schockiert in dem Apartment und betrachtete das schwächer werdende Licht.

Immer wieder spielte sich in ihrem Kopf die gleiche Szene mit erstaunlicher Klarheit ab. Die Frau – Stephen hatte sie ‘Natasha’ genannt – war aufgestanden, hatte sich T-Shirt und Jeans übergestreift und war ins Badezimmer verschwunden.

“Sie ist eine Kollegin aus der Firma”, sagte Stephen leise und griff nach seinen Sachen.

Seine Gelassenheit machte Kate unglaublich wütend. Tausend Fragen drängten sich ihr auf, aber alles, was sie sagte, war: “Besser, du gehst.” Ihre Stimme bebte vor Zorn.

“Gehen?” Stephen hatte fassungslos gewirkt, wie ein kleiner Junge, dem man gesagt hatte, dass Weihnachten ausfällt. “Gehen? Wohin?”

“Raus aus dem Apartment … raus aus meinem Leben.”

“Komm schon Kate … wir sollten über alles reden …”

“Die Zeit des Redens ist vorbei.”

Durch das Vorderfenster hatte sie zugesehen, wie die beiden verschwanden. Stephen hatte einen kleinen Koffer und seine Gitarre auf den Rücksitz eines roten Sportwagens gelegt. Das weizenblonde Haar der Frau flatterte schwungvoll, als sie sich hinters Lenkrad setzte. Dann waren sie davongebraust.

Kate war froh, dass sie nicht geweint hatte – wenigstens hatte sie ihre Würde bewahrt. Und sie war froh, dass sie nicht die Beherrschung verloren hatte.

Aber jetzt, allein und verzweifelt, fühlte sie die Tränen aufsteigen. Verbissen schluckte Kate sie hinunter. Spontan stand sie auf, nahm ihre Tasche und verließ das Apartment.

Sie fuhr die Straße entlang und sah die bunten Lichter an den Brücken im Abendrot glitzern. Ein Liebespaar schlenderte Hand in Hand zu einem hell erleuchteten Restaurant. Dorthin war Stephen oft mit ihr gegangen. Sie hatte gedacht, dass er sie heute vielleicht dorthin einladen würde. Wie konnte ich nur so dumm sein, fragte sich Kate jetzt. Sie war wie betäubt, als wäre das alles nur ein böser Traum.

Kate wusste nicht, wohin sie fuhr, bis sie in Nicks Straße einbog. Sie handelte, als wäre sie ferngesteuert.

Nick lebte in einer umgebauten Lagerhalle. In der einen Hälfte waren seine Büroräume, und in der anderen befand sich sein Apartment. Kate klingelte mehrmals an der Haustür, aber nichts rührte sich. Wo steckt er nur, wunderte sie sich. Vielleicht war er mit der Frau aus dem Café noch etwas trinken gegangen. Erleichtert hörte Kate Schritte. Die Tür wurde aufgestoßen, und ein warmer Lichtschein umfing Kate.

Nick trug nicht mehr seinen Anzug, sondern eine blaue Baumwollhose und ein blaues Hemd. Er sah entspannt und sehr attraktiv aus. Kate fühlte, wie ihr Herz sich voller Schmerz zusammenzog. Noch nie war sie so froh gewesen, Nick zu sehen.

“Ich dachte schon, du wärst ausgegangen”, sagte sie mit einem zittrigen Lächeln.

“Und ich dachte, du würdest jetzt in einem tollen Restaurant Champagner trinken und hättest einen Ring mit einem riesigen Diamanten am Finger.” Nick trat einen Schritt zurück, um sie hereinzulassen. “Was ist passiert?” Nick schloss die Haustür, musterte Kate flüchtig und sah, dass sie immer noch die gleichen Sachen trug wie vorhin und sehr blass war.

“Katy, was ist los?”

“Stephen hat eine Affäre.” Nur mühsam konnte Kate ihre Stimme ruhig halten. “Ich habe ihn mit ihr erwischt … in unserem Bett.”

Kate stand vor ihm und bildete sich ein, alles mit unglaublich ruhiger Stimme zu erzählen, aber im nächsten Augenblick lag sie in Nicks Armen. Er drückte Kate fest an sich und beschwichtigte sie, als sie zu Schluchzen begann.

“Alles wird gut”, flüsterte er zärtlich und strich ihr das Haar aus dem Gesicht. “Du wirst das durchstehen.”

“Werde ich nicht”, schluchzte sie. “Wie konnte er mir das antun? Ich dachte, wir wären eine Verpflichtung eingegangen, als wir zusammengezogen sind. Es war ein so großer Schritt für mich. Verdammt noch mal, er hat mich dazu überredet! Er sagte, das sei eine Art Vorbereitung auf unsere Ehe. Ich dachte, wir wären ein Paar, und wir wären treu und … oh Nick, ich war so ein Dummkopf.”

“Nein, das warst du nicht.”

“Ich hatte nicht die geringste Ahnung, dass er sich mit einer anderen getroffen hat.” Kate schloss die Augen und erschauderte. “So was von naiv … du musst mich für ziemlich dumm halten. All das Gerede, dass er mir einen Antrag macht, und die ganze Zeit …”

“Ich halte dich nicht für dumm. Du bist eine sehr intelligente und wunderschöne Frau”, sagte Nick leise.

“Du bist nur nett.”

“Nein, bin ich nicht.” Er ließ sie los, und mit Bedauern löste sich Kate aus seiner Umarmung. Gern hätte sie noch länger in seinen Armen gelegen. Sie mochte es, seinen Körper zu spüren, den er fest und männlich an sie drückte; sie fühlte sich dann so beschützt und liebevoll umsorgt.

Nick legte die Hand unter ihr Kinn, hob ihr Gesicht sanft an und betrachtete sie einen Moment. Kates Herz schlug schneller, als er mit den Fingerspitzen behutsam die letzten Tränen wegwischte. “Er hat deine Tränen nicht verdient, Katy”, sagte er zärtlich.

“Vielleicht nicht.” Ihre Stimme bebte, aber seltsamerweise dachte sie jetzt nicht an Stephen, sondern daran, dass Nick sie berührte. Seine Liebkosung war sehr sinnlich, und seine raue, männliche Stimme war beunruhigend erotisch.

Kate runzelte die Stirn. Was war nur los mit ihr? Stephen musste sie so durcheinandergebracht haben, dass sie sich das alles einbildete.

Nick wandte sich von ihr ab und ging voran durch das Wohnzimmer. “Ich mache dir einen Drink”, sagte er.

“Danke.” Kate ließ den Blick durch das vertraute Zimmer schweifen. Es war behaglich, sehr modern und mit männlicher Eleganz eingerichtet. Nichts Verschnörkeltes, nur schlichte blaue Sofas standen auf dem Parkettboden, es gab einige farbige Teppiche, und vor den Fenstern hingen einfache Holzjalousien, die Nick nie herunterließ.

Am anderen Ende des riesigen Zimmers stand sein Schreibtisch, eine Lampe strahlte den eingeschalteten Computer an.

“Tut mir leid, ich habe dich bei der Arbeit unterbrochen”, sagte Kate leise.

“Du hast gar nichts unterbrochen.” Nick wandte ihr den Rücken zu, während er die Drinks eingoss. Kate entging nicht, wie breit seine Schultern und wie schmal seine Hüften waren. Er hat den Körper eines Athleten, dachte sie unwillkürlich.

“Ich bin froh, dass du gekommen bist. Dafür sind Freunde schließlich da.” Nick drehte sich um, ging auf Kate zu und reichte ihr einen Brandy. “Wie heißt es doch – geteiltes Leid ist halbes Leid?”

Sie lächelte matt. “Ich bin sicher, du brauchst meine Sorgen nicht.” Kate sah auf das Glas. Normalerweise trank sie keinen Alkohol, höchstens ein Glas Wein zu besonderen Anlässen.

“Brandy ist gut gegen den Schock. Nimm ein paar Schlückchen.”

Kate nickte und setzte sich auf das Sofa.

“Ich kann nicht glauben, dass er mir das angetan hat.” Sie betrachtete die bernsteinfarbene Flüssigkeit in dem Kognakschwenker. “Er sagte, dass er mich liebt.”

Sie schwiegen einen Moment. Nick setzte sich auf das Sofa ihr gegenüber. “Wo ist er jetzt?”

“Ich habe ihm gesagt, er solle gehen, und das tat er.”

Autor

Kathryn Ross
<p>Kathryn Ross wurde in Afrika geboren und verbrachte ihre Kindheit und Jugend in England und Irland. Eigentlich ist sie ausgebildete Therapeutin, aber die Liebe zum Schreiben war stärker, und schließlich hängte sie ihren Beruf an den Nagel. Als Kind schrieb sie Tier- und Abenteuergeschichten für ihre Schwester und Freundinnen. Mit...
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