Küss mich bitte noch mal, Boss!

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Ein heißer Sommertag in der Toskana – ein Blick, ein Kuss, ein sündiger Augenblick, der alles verändert. Zurück in London traut Phoebe ihren Augen kaum: Ihr neuer Boss ist ausgerechnet Edoardo Benedetti – der Mann, der sie unter der Sonne Italiens verführt hat! Trotz guter Vorsätze entflammt ihre ungezügelte Leidenschaft erneut. Doch ist der erfolgsverwöhnte CEO bereit für mehr? Als sie ihm ihr süßes Geheimnis gestehen muss, macht Eduardo ihr ein verlockendes, aber riskantes Angebot, das ihr Herz in Aufruhr versetzt …


  • Erscheinungstag 28.10.2025
  • Bandnummer 2725
  • ISBN / Artikelnummer 9783751535175
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Natalie Anderson

Küss mich bitte noch mal, Boss!

1. KAPITEL

Das blaue Sommerkleid schwang leicht um Phoebe Copelands Beine, als sie eine einsame Landstraße in der Toskana entlangschlenderte. Aus ihren Kopfhörern erklang eine italienische Oper, und in ihrer Handtasche lag ein rosiger Pfirsich. Was brauchte sie mehr? Sie lebte ihren Traum von dolce vita! Hier und jetzt. Lächelnd wechselte sie auf die schattige Straßenseite. In zwanzig Minuten würde sie in ihrem Ferienhäuschen sein, am Pool sitzen, ihren Roman weiterlesen und den saftigen Pfirsich zum Mittagessen verspeisen. Kurz und gut: Sie würde im Paradies sein!

Vor ihrer Abreise hatten Phoebes Freundinnen Elodie und Bethan gescherzt, dass sie unbedingt einen Urlaubsflirt brauchte. Doch Phoebe wollte niemanden um sich haben, schon gar keinen Mann. Deswegen hatte sie statt eines Hotels in der Stadt ein Häuschen am Rande eines kleinen Dorfes gemietet. Manchmal hatte sie sich beim Einkaufen stockend mit den Marktverkäuferinnen unterhalten, die meiste Zeit aber hatte sie lesend am Pool verbracht. Zum ersten Mal in ihrem Leben hatte sie Selbstfürsorge an erste Stelle gestellt. Das tat so gut!

Wenn sie morgen nach London zurückkehrte, würde sie genau so weitermachen. Sie würde sich nicht mehr herumschubsen lassen. Sie würde es nicht mehr allen recht machen. Nie wieder würde sie verzweifelt nach Anerkennung heischen! Nicht bei ihren Eltern, nicht bei ihrem Chef – und sicher nicht bei ihrem treulosen Ex-Mann oder irgendeinem anderen Mann! Das hatte sie dieser Italienurlaub gelehrt, und diese Erkenntnis wollte sie nie wieder aufgeben. Warme Zuversicht flutete ihren Körper.

Der Schlag kam aus dem Nichts.

Es wurde dunkel.

Phoebe blinzelte.

Alles strahlte himmelblau.

Ein Engel beugte sich über sie. Sein Gesicht konnte sie nur verschwommen erkennen. Phoebe blinzelte noch einmal und allmählich wurde ihr Blick klarer. Der Engel war immer noch da und blickte aus espressobraunen Augen erschrocken auf sie herab. In ihrem Kopf sangen himmlische Chöre. Sie musste gestorben sein, denn der Typ an der Himmelspforte war zu schön, um wahr zu sein.

Aus irgendeinem Grund trug er kein Shirt. Sie fragte sich, ob sein kurzes Haar sich weich oder stoppelig anfühlen mochte. Seine Lippen bewegten sich, aber seine Worte drangen nicht zu ihr durch. Wie wunderschön seine Augen waren! So dunkel und tief, dass sie auf alle Ewigkeit darin versinken wollte! Welch ein Glück, dass er sie unentwegt anstarrte. Einen zeitlosen Moment lang blickten sie einander voll inniger Verbundenheit an.

Dann legte er seine Hände an ihre Schläfen – und abrupt verstummten die Himmelschöre. Oh! Er hatte ihr den Kopfhörer abgenommen. Verwirrt blickte sie zu ihm auf. Was war geschehen? Je länger sie ihm in die Augen sah, umso weicher fühlte sie sich. Sie blinzelte wieder. Ein leichter Schatten auf den Wangen betonte seine markanten Gesichtszüge. Seine sinnlich vollen Lippen bewegten sich, doch sie verstand noch immer nicht, was er murmelte. Nun strich sein Blick über ihren Körper und sogleich erwachte jede ihrer Zellen zum Leben. Tief in ihrem Inneren zündete ein Funke. Etwas Heißes loderte auf. Etwas, das sie seit Ewigkeiten nicht gespürt hatte. Oder noch nie.

Nach und nach begriff sie: Sie lag am Straßenrand, auf dem Rücken, und blickte in den Himmel. Allmählich kehrte auch ihre Erinnerung zurück. Sie war spazieren gegangen. Ein Mann war um eine Hausecke geprescht, als sei der Teufel hinter ihm her. Also war er vermutlich kein Engel. Und sie war nicht tot.

Weitere Männergesichter erschienen in ihrem Blickfeld. Phoebes Puls beschleunigte sich. Eine ganze Einheit durchtrainierter Elitesoldaten! Obwohl der eine, mit dem sie zusammengestoßen war, als einziger kein Shirt trug.

Ein italienischer Wortschwall brach über sie herein. Darauf hatte ihre Sprachlernapp sie nicht vorbereitet! Der Nicht-Engel ließ sie keinen Moment aus den Augen, während sich seine Stirn in immer tiefere Falten legte. Jetzt schien er den anderen ein paar schnelle Anweisungen zu geben, denn sie verschwanden. Der blaue Himmel hing wie ein Heiligenschein über seinem Kopf.

„Na gut“, sagte er auf Englisch. Oh, was für ein verführerischer Akzent! Phoebe schmolz dahin. „Wo wohnst du?“

In einer kleinen Wohnung in Nordlondon. Phoebe arbeitete hart, um den Kredit abzuzahlen. Fast ein Jahr lang hatte sie jeden Penny gespart und jedes Wochenende Überstunden gemacht. Als Bethan ins Gästezimmer gezogen war, hatte sich ihre finanzielle Lage ein wenig entspannt, was aber nicht bedeutete, dass sie ihrer Freundin eine überteuerte Miete abknöpfte! Schließlich war auch Bethan knapp bei Kasse, nachdem ihre Ehe desaströs gescheitert war.

„Wo wohnst du?“, wiederholte der Nicht-Engel betont langsam.

Die unüberhörbare Anspannung in seiner Stimme holte Phoebe in die Gegenwart zurück. Sie atmete ein. Mit einem Mal war ihr peinlich, wie sie ihn angestarrt hatte. Er war schließlich kein Engel! Er war ein Mann aus Fleisch und Blut. Ein gut aussehender Mann, gewiss, aber davon würde sie sich nicht beeindrucken lassen.

„Ich komme klar.“ Erleichtert stellte sie fest, dass ihre Stimme beinahe normal klang. „Was ist passiert?“

„Ich habe trainiert.“

„Du hast mich umgerannt.“ Sie starrte ihn entrüstet an. „Wie konntest du mich nicht kommen sehen?“

„Wie konntest du mich nicht kommen hören?“ Mit einem gespielt erstaunten Blick ließ er die Kopfhörer vor ihrer Nase baumeln. „Ach, weil du laute Musik auf den Ohren hattest! Abgesehen davon hättest du auf der anderen Straßenseite gehen sollen.“

Er gab ihr die Schuld? Das konnte er nicht ernst meinen! „Aber du hättest nicht …“ So verdammt gut aussehen sollen! Sie seufzte. „Lass dich von mir nicht aufhalten. Mach einfach weiter mit deinen Sprints.“

„Ich kann dich nicht allein lassen.“ Seine Augen wurden schmal. „Du bist kreidebleich.“

„Mir geht es gut.“

Mit skeptischem Blick hielt er ihr die Hand hin. „Ich helfe dir auf.“

Sie rührte sich nicht. Ihr Herz klopfte so heftig, dass es aus der Brust zu springen drohte. Was sollte dieses Gentleman-Getue? Sicher wollte er seine Kumpels beeindrucken, die in angemessener Entfernung herumlungerten. Er schien nicht daran zu zweifeln, dass sie seiner Aufforderung Folge leisten würde. Hatte sie eine Wahl? Mit fest aufeinandergepressten Lippen legte sie ihre Hand in die seine. Ein Gefühl wie ein elektrischer Schlag sauste ihren Arm hinauf und verwundert blickte sie zu ihm hoch. Just in diesem Moment senkten sich seine langen Wimpern wie ein dunkler Schleier vor seine Augen.

Mühelos zog er sie auf die Füße. Ein stechender Schmerz schoss in ihren Knöchel. Warum musste diese alte Verletzung sie im unpassendsten Moment einholen? Phoebe unterdrückte ein Stöhnen und rang sich eine ausdruckslose Miene ab. Doch statt sie freizugeben, zog der Fremde sie enger an sich. Er schlang sogar einen Arm um ihre Taille, als wollte er mit ihr tanzen. Wo sollte sie nur hinsehen? Sein tief besorgter Blick jagte ihr Schauer den Rücken hinab. Seine Berührungen raubten ihr die Sinne. Während sie eng an seine nackte Brust geschmiegt um Gleichgewicht rang, brannte das Feuer in ihrem Inneren immer heißer.

„Du hast dich verletzt.“

„Schon gut“, log sie mit zusammengebissenen Zähnen. Sie musste schleunigst fort!

„Hast du es weit?“

Noch etwa zwanzig Minuten. Es würde irgendwie gehen. Sie war unter schlimmeren Schmerzen schon weitere Strecken gelaufen. Sie kam zurecht! Wenn dieser Fremde sie nur endlich allein ließe …

Phoebe war stolz darauf, selbst in heiklen Situationen stets einen kühlen Kopf zu bewahren. Im Job erledigte sie alle Aufgaben zuverlässig und ohne viel Aufhebens. Einfach deswegen, weil sie ihre Gefühle stets unter Kontrolle hatte. Weil sie Maß hielt! Denn Extreme waren nicht gesund. Doch dieser atemberaubend gut aussehende Italiener stellte ihre Selbstbeherrschung vor unerwartete Herausforderungen.

„Verrätst du mir nun, wo du wohnst, oder bleiben wir den ganzen Tag so stehen?“

Ihre Zunge klebte am Gaumen und sie brachte beim besten Willen kein Wort heraus. Endlich ließ er ihre Hand los. Sie wollte aufatmen. Doch im nächsten Moment hob er sie hoch! Das brachte sie derart aus der Fassung, dass sie ihre Arme unversehens um seinen Nacken schlang.

„Verzeih, dass ich so verschwitzt bin“, murmelte er.

„Lass mich runter!“, zischte sie.

„Du bist verletzt.“

„Ich komme zurecht! Mir ist nicht danach, den Boden unter den Füßen zu verlieren.“

Belustigung stahl sich in seinem Blick. „Ich dachte, davon träumt ihr Frauen?“

„Vielleicht. Aber nicht mit einem möglicherweise verrückten Fremden!“

Seine Augen weiteten sich. Hatten ihre Worte ihn getroffen?

„Wäre es dir lieber, wenn dich einer der anderen trägt?“

Sie warf einen Blick zu seiner Laufgruppe und schmiegte sich instinktiv enger an den halb nackten Engel, der sie trug.

„Ach ja? Dann doch lieber das Übel, das du schon kennst?“ Verschmitzt zwinkerte er ihr zu.

„Ich kenne dich nicht“, murmelte sie trocken. „Und ich kann selbst laufen.“

„Ich werde dir nicht wehtun.“ Er neigte den Kopf, und ein Funken Reue glomm in seinen Augen. „Jedenfalls nicht mehr, als ich es bereits getan habe. Lass mich dich nach Hause bringen.“

Oh nein! Phoebe wusste, dass sie kein Leichtgewicht war. „So weit kannst du mich nicht tragen.“

Da kehrte sein Lächeln zurück. Falscher Schachzug! Sie hatte ihn in seinem männlichen Stolz herausgefordert. Plötzlich stand jede Faser ihres Körpers unter Strom. Solche überambitionierten Typen kannte sie nur zu gut! Hatten sie sich einmal in eine Sache verbissen, gab es keine Kompromisse. Ihre Eltern waren das beste Beispiel. Sport war der erklärte Mittelpunkt ihres Lebens, während Phoebe lediglich eine Randnotiz gewesen war.

„Ein kleiner Hinweis. Immerhin.“ Schalk blitzte in den Augen ihres Retters.

„Ich komme zurecht! Du musst deinen Freunden nichts beweisen.“ Sicher wollte er nur seine Stärke unter Beweis stellen. Wie sie diese Art von Show verabscheute! Ihr Ex hatte sie perfektioniert. „Du musst niemandem etwas vorspielen.“

„Da bin ich ganz deiner Meinung.“ Ohne auf ihren Protest zu hören, lief er los.

Phoebe erstarrte. Nicht nur, weil er sie ignorierte. Sondern weil es auf schockierende Weise erregend war, ihm so nah zu sein. Wilde Lust regte sich in ihr. Und ein ebenso wildes Verlangen, diese zu stillen. „Bist du immer so autoritär?“

„Diskutierst du immer so viel?“

„Du wirst es nicht schaffen.“

„Lass dich überraschen.“ Seine Sturheit trieb sie in den Wahnsinn. „Ich fühle mich für dich verantwortlich.“

„Aber das bist du nicht.“

Er seufzte schwer. „Ich fühle mich schuldig. Die ganze Zeit. Wenn ich diesen einen Fehler in meinem Leben wiedergutmachen kann, lass es mich bitte tun.“

Meinte er das ernst? Sein dunkler Blick sprach Bände, und einen Moment lang schmiegte sie sich fester in seine starken Arme. Doch dann riss sie sich am Riemen.

„Ich dachte, es wäre meine eigene Schuld.“

„War es. Hauptsächlich.“ Er lächelte entwaffnend. „Aber jetzt brauchst du einen Arzt.“

„Mach dir um mich keine Gedanken.“ Wenn sie nur endlich dieser überwältigenden Anziehungskraft entkäme!

„Ich helfe dir gern.“

Zähneknirschend fügte sie sich ihrem Schicksal. Er hatte sie umgerannt. Buchstäblich. Nun wollte er sicherstellen, dass sie gut nach Hause kam. Das war alles. Dieser Nicht-Engel war keine Gefahr. Er war ihr Retter!

Aber warum schrillten alle ihr Alarmglocken?

Ein Fahrzeug näherte sich. Der Nicht-Engel hielt inne. Anscheinend hatte einer seiner Freunde einen Pick-up organisiert. Der Fahrer starrte sie an. Na, großartig!

„Wir können ein Stück mitfahren, wenn du möchtest.“

Ja. Nein. Sollte sie zu einem Fremden ins Auto steigen?

Ihr Nicht-Engel wandte sich leicht ab, um sie vor den neugierigen Blicken der Männer zu schützen. „Luca ist Farmer.“ Er wies mit dem Kinn in Richtung des Fahrers. „Er hat fünf Töchter. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen.“

Wollte er sie tatsächlich mit dem Fremden allein lassen?

„Aber wenn es dir lieber ist …“ Seine Augen funkelten. „Trage ich dich so weit du willst.“

Nein. Ja. Sie wollte nicht, dass er ging. Sie sehnte sich nach seiner Nähe! Alles in ihr zog zu diesem einen, diesem ganz und gar unangemessenen Abgrund hin. Und das machte ihre erniedrigende Lage noch schlimmer. Phoebe war nicht wie ihre Freundin Elodie. Sie stand nicht gern im Rampenlicht, und sie spielte niemandem etwas vor. Nicht, seitdem ihr Ex sie wieder und wieder in die Öffentlichkeit gezerrt hatte, um seine eigenen Ziele zu verfolgen. Es war besser, wenn sie sich jetzt endlich von ihm verabschiedete.

„Ich würde gern mitfahren“, murmelte sie mit niedergeschlagenen Augen. „Bitte richte Luca meinen Dank aus, bevor du gehst.“

Er starrte sie eine weitere Sekunde an, bevor er sie zu der offenen Ladeklappe trug. Jemand hatte bereits eine alte Decke ausgebreitet, auf der ihre Handtasche lag. Sie musste sie bei dem Sturz verloren haben. Der Nicht-Engel stieg mit einem einzigen großen Schritt und ohne ersichtliche Mühe auf die Ladefläche.

„Hier wird es bequemer sein.“ Erst auf der Decke setzte er sie ab. Dann ließ er sich neben ihr nieder. „Natürlich werde ich dich den ganzen Weg nach Hause bringen.“

Die Erleichterung war atemberaubend. Obwohl sie ihn das gewiss nicht merken lassen wollte, konnte sie sich nicht von ihm abwenden. Sein durchdringender Blick hielt sie gefangen. Und ohne Zweifel durchschaute er sie. Erst grinste er noch, dann wurde er ernst. Mit einem Mal verging die Zeit erschreckend langsam.

Einen verrückten Moment lang dachte Phoebe, er wolle sie küssen. Schlimmer noch, sie überlegte, ihn zu küssen! Seine perfekt geschwungene Oberlippe lockte sie wie Cupids Bogen. Was, wenn sie ihre Zungenspitze dort entlanghuschen ließe? Seine männliche Kraft schlug sie in Bann, und unversehens wollte sie mehr davon. In seinem Blick erkannte sie ein ähnliches Feuer. Die Zeit verging noch langsamer. Phoebe legte den Kopf schief, lehnte sich ihm leicht entgegen. Ihre Lider senkten sich …

Im letzten Moment sog sie scharf die Luft ein. Das war knapp! Ihr Herz klopfte wie wild in ihrer Brust. Sie hatte definitiv einen üblen Schlag auf den Kopf abbekommen! Warum sonst sollte sie sich derart vergessen? Sie kannte ihre Grenzen. Aber so eine unwiderstehliche Anziehungskraft hatte sie noch nie gespürt. Und noch nie war sie so kurz davor gewesen, sich davon hinreißen zu lassen. Wie gut, dass sie am nächsten Morgen abreiste. Sie machte sich zum Gespött!

„Was ist mit deinen Freunden?“, fragte sie zerstreut.

„Die kennen den Weg.“ In der Tat sprinteten die Männer soeben den Weg zurück, den sie gekommen waren.

Wenngleich das Auto sehr langsam fuhr, schlang der Nicht-Engel einen Arm um Phoebe, um sie vor jedem Holpern zu schützen. Sie ließ ihren Blick schweifen. Nur nicht in seine Augen schauen! Stattdessen musterte sie seinen Körper. Wie lang und muskulös seine Beine waren! An einem Knie bemerkte sie eine frische Schürfwunde.

„Du blutest“, sagte sie leise. „Bitte reich mir meine Tasche. Ich habe ein Pflaster dabei.“

„Ich werde es überleben.“ Dennoch griff er nach ihrer Tasche. Der Verschluss sprang auf und der schlimm zerdrückte Pfirsich kullerte heraus. Mit hochgezogenen Brauen betrachtete der Fremde die Frucht. Dann warf er sie in hohem Bogen in ein nahes Feld.

Wut brandete in Phoebe auf. „Das war mein Mittagessen! Willst du mich bevormunden? Ich kann gut für mich selbst sorgen.“

„Vielleicht. Aber du bist auf der falschen Straßenseite gegangen.“ Achselzuckend reichte er ihr die Tasche. „Du hast Glück, dass du mit mir und nicht mit einem Auto zusammengeprallt bist, sonst hätte weit Schlimmeres passieren können als ein gebrochener Knöchel.“

„Er ist sicher nur verstaucht.“ Sie musste sich eingestehen, dass er recht hatte. Trotzdem wollte sie nicht klein beigeben. „Ein Auto hätte ich bestimmt gehört.“

„Wir waren nicht gerade leise“, entgegnete er.

„Ich habe einfach die Sonne und den Moment genossen“, murmelte sie. „Ich habe mich auf den Pool, mein Buch und den Pfirsich gefreut. Das nennt man Selbstfürsorge! Und jetzt – he! Das war meine Abzweigung!“ Alarmiert fuhr sie hoch. „Wir müssen da …“

„Wir müssen einen Arzt und ein anständiges Mittagessen für dich organisieren.“ Er schlang seinen Arm fester um sie.

Mit offenem Mund blickte sie zu ihm auf.

„Du bist verwirrt.“ Mit sanftem Druck schob er ihre Kinnlade zu. „Du könntest eine Gehirnerschütterung haben. In diesem Zustand solltest du nicht allein sein.“

„Wieso glaubst du, dass ich allein bin?“

„Wenn du nicht allein wärst, würdest du nicht gedankenverloren durch ein fremdes Land stolpern. Mit nichts als einem Pfirsich zum Mittagessen!“

Sie starrte ihn an. Wie bitte?

Er nahm ihr Gesicht in beide Hände. „Ich fühle mich schrecklich wegen des Unfalls.“

Seine Berührungen, aber mehr noch seine Worte gingen ihr unter die Haut. Sie schüttelte sich.

„Also geht es nur darum, dass du dich besser fühlst?“, fragte sie entrüstet.

Er betrachtete sie aus schmalen Augen, doch er ließ sie sofort los. „Warum fällt es dir so schwer, Hilfe anzunehmen?“

Auch ihre Freundinnen warfen ihr das häufig vor. Aber Phoebe hatte eben gelernt, allein zurechtzukommen. Sie war stolz darauf. „Ich mag meine Unabhängigkeit.“

„Das tue ich auch. Dennoch hole ich eine Expertenmeinung ein, wenn es notwendig ist. Sobald der Arzt grünes Licht gibt, werde ich dich in deine Unterkunft bringen.“

Vermutlich träumte sie immer noch. Denn entgegen jeder Vernunft lehnte sie sein Angebot nicht ab. Im Schritttempo kroch der Pick-up einen Hügel hinauf und bog schließlich in eine lange, von Zypressen gesäumte Allee ein. Vor Phoebes Augen tat sich ein atemberaubender Blick über die Weinberge auf. Mit offenem Mund sog sie alles in sich auf. Ja, sie hatte eine wundervolle Woche verbracht. Doch ohne Auto war sie nie weiter als bis ins nahe gelegene Dorf gekommen. Nun näherten sie sich einer Ansammlung von terrakottafarbenen Häuschen mit kleinen Gärten samt Terrasse, Blumenbeeten und Rasenfläche. Weiter hinten machte sie einen üppigen Obstgarten aus. Sicher brauchte es eine Armee von Arbeitskräften, um dieses Paradies zu pflegen!

„Arbeitest du hier?“

Nach einem kaum merklichen Zögern bejahte er.

„Mit den anderen aus deiner Laufgruppe.“ So braun gebrannt und durchtrainiert sie waren, hatten die Männer trotzdem nicht wie Arbeiter eines Weinguts gewirkt. Allerdings wusste Phoebe nicht, wie Arbeiter eines Weinguts typischerweise aussahen.

Der Pick-up kam auf einem kleinen Kiesplatz zum Stehen. Der Nicht-Engel erhob sich und erteilte erneut Anweisungen auf Italienisch, bevor er sich mit entschlossener Miene zu ihr umwandte.

„Du brauchst mich nicht zu tragen.“ Sie wusste, dass ihr Einspruch zwecklos war.

„Aber du bist so süß, wenn du dich darüber aufregst.“ Er grinste.

„Weil es mir peinlich ist“, murmelte sie, als er sie hochhob. „Ich kenne dich gar nicht!“

Wieso war ihm nicht peinlich, dass er beinahe nackt war? Er sonnte sich geradezu in seiner Körperlichkeit. Schön für ihn! Er hatte eine Million fein definierter Gründe.

„Ich dachte, du hieltest mich für einen Engel.“

Oh, zur Hölle! Hatte sie das laut ausgesprochen?

„Ich war verwirrt“, murmelte sie.

„Und genau deswegen fürchte ich, dass du eine Gehirnerschütterung haben könntest.“ Er trug sie um eines der Gebäude herum zu einem azurblauen Pool.

„Ich war nicht einmal ohnmächtig.“

„Du standest ziemlich neben dir.“

Durch weit geöffnete Glastüren betrat er ein niedriges Häuschen neben dem Pool. Trotz der nachmittäglichen Hitze hielten die Marmorfliesen den Raum angenehm kühl. Der Fremde setzte Phoebe auf einer Sonnenliege ab und legte ihr eine leichte Decke um die Schultern.

„Darf ich?“ Er beugte sich über sie. Sie blickte ihn mit großen Augen an. „Darf ich deinen Kopf untersuchen?“

Oh. Richtig. Es lag nicht an dem Sturz, dass sie keinen klaren Gedanken fassen konnte. Es lag an ihm! Seine schiere Anwesenheit raubte ihr den Atem. Und nun berührte er sie sogar! Durch sanften Druck am Kinn hieß er sie den Kopf drehen. Sie schlug den Blick nieder, um ihm nicht in die Augen sehen zu müssen. Doch der Anblick seiner nackten Brust trieb ihr umso heftiger die Hitze ins Gesicht. Seine breiten gebräunten Schultern luden zum Anlehnen ein. Und da waren Muskeln, von denen sie nicht einmal gewusst hatte, dass es sie gab. Perfekt definiert. Zum Greifen nah! Rasch schloss sie die Augen, um der Verlockung zu widerstehen. Das machte alles nur schlimmer.

„Sag mir, wenn es irgendwo wehtut“, murmelte er, während er auf ihrem Kopf herumdrückte.

Es tat nicht weh. Es fühlte sich ausgesprochen gut an. Mit angehaltenem Atem mühte sich Phoebe, ihre Fantasie in Zaum zu halten.

„Wie heißt du?“, fragte er heiser.

Sie öffnete die Augen, doch sie brachte kein Wort heraus. Wie nah sie einander waren! Seine ganze Aufmerksamkeit galt ihr, und sie schmolz unter seinen Berührungen dahin.

„Was für einen Wochentag haben wir?“

„Freitag“, hauchte sie.

Nun war sein Gesicht ganz nah vor ihrem. Sicher dachte er keinen Augenblick daran, sie zu küssen. Das waren nur Hirngespinste, die sie dem heftigen Schlag gegen den Kopf verdankte. Dennoch beschleunigte sich ihr Atem. Ihr wurde heißer. Ihr Mund kribbelte. Sie senkte den Blick zu seinen Lippen.

„Stimmt.“ Wie verführerisch er lächelte! „Aber an deinen Namen kannst du dich nicht erinnern? Das ist nicht gut.“

„Phoebe! Ich heiße Phoebe.“

„Willkommen zurück, Phoebes Erinnerung. Mein Name ist Edo.“

Seine warme Stimme ging ihr unter die Haut. Sein Blick schien tief in ihr Innerstes vorzudringen. Einen Moment lang setzte ihr Herz aus.

„Alles in Ordnung?“, fragte sie schüchtern.

„Perfekt.“ Er betrachtete sie eingehend. „Makellos.“

Nun kniete er sich auf den Boden neben sie und zog ihr die Sandale aus. Behutsam tastete er ihren Knöchel ab. Wie unglaublich sachte er sie behandelte! Dennoch versteifte sie sich.

Er hielt sofort inne. „Tut das weh?“

Wortlos schüttelte sie den Kopf.

„Lügnerin“, erwiderte er sanft und ließ seine Hand noch vorsichtiger über ihre abgeschürfte Haut wandern. Das war keine intime Berührung. Er untersuchte eine Verletzung! Es gab keinerlei Grund, dass ihr Körper sich verhielt, als wolle der Nicht-Engel sie verführen. Aber ihr Blut kochte, und irgendwo in ihrem Innersten zündete ein wahres Feuerwerk.

„Wo ist nun der Experte, dessen Meinung du einholen wolltest?“ Sie musste sich am Riemen reißen, um nicht den Verstand zu verlieren. „Oder willst du mir erzählen, du seist Arzt?“

„Ich bin kein Arzt, da muss ich dich enttäuschen.“ Spitzbübische Freude funkelte in seinem Blick. „Aber ich wollte mal Tierarzt werden, als ich …“

„Wie bitte?“ Sie entzog ihm ihren Knöchel und bewegte den Fuß vorsichtig. „Ich bin die Gesundheits- und Sicherheitsbeauftragte meiner Firma …“

„Tatsächlich?“ Er schien gegen ein Lachen anzukämpfen.

„Ich habe eine Ersthelferausbildung.“ Sie ignorierte seine Belustigung. „Der Knöchel ist lediglich verstaucht. Ein bisschen Eis, Hochlegen und Ruhe sollten genügen. Ich habe sogar Schmerzmittel in meiner Tasche.“

„Kannst du mit den Zehen wackeln?“ Das konnte sie. Wieder griff er nach ihrem Fuß. Nachdem er ihn eingehend betrachtet hatte, sah er mit ergebener Miene zu ihr auf. „Es ist nur eine Verstauchung.“

„Wie ich schon sagte“, knurrte sie. „Und zwar vor zwanzig Minuten.“

„Ein bisschen Eis, Hochlegen und Ruhe sollten genügen“, fügte er hinzu. Seine Mundwinkel zuckten. 

Nun konnte sie ihr Lachen nicht länger zurückhalten.

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