Leidenschaftliche Verführung in Las Vegas

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Las Vegas - die Stadt der Sünde! Damaris fühlt sich nicht wohl in dieser Glitzerwelt. Deshalb konzentriert sie sich ganz auf ihren Job: Voller Hingabe kümmert sich die Krankenpflegerin um Noah Breedlove, der nach einem Skiunfall an den Rollstuhl gefesselt ist. Der sexy Casino-Besitzer weckt in ihr ein nie gekanntes Verlangen. In leidenschaftlichen Nächten kommen sie einander näher und teilen Stunden der Lust. Doch Damaris glaubt an die große Liebe. Und Noah? Hat er sie nur verführt, um mit ihr zu spielen?


  • Erscheinungstag 02.02.2021
  • Bandnummer 2170
  • ISBN / Artikelnummer 9783751503518
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Blauer Himmel. Eine leichte Brise. Glitzerndes Sonnenlicht auf festem Schnee. Noah Breedlove stand in der Nähe des Berggipfels und fühlte sich, als wäre er auf dem Dach der Welt. Er war nur noch einen kleinen Schritt davon entfernt, sei erstes großes selbstständiges Geschäft abzuschließen, und das in einer Stadt, die Kritiker für CANN International als tabu einstuften. Hatten sie die Bedeutung des Firmennamens nicht erkannt, der für das Geschick, die Macht und die Fähigkeit stand, so etwas zu erreichen? Dafür, dass die Breedloves alles tun konnten und das auch jeden einzelnen Tag taten? So wie er fast jedes Hindernis im Konferenzraum überwunden hatte, bis auf diesen einen einsamen Verweigerer, so war er nun bereit, den legendären Berg im Manning Valley, zwei Stunden von Salt Lake City entfernt, zu bezwingen. Hoffentlich würde die abenteuerliche Fahrt den Berg hinunter seinen Kopf freimachen und den Stress abbauen, unter dem er während des größten Deals seiner bisherigen Laufbahn gestanden hatte.

„Bereit?“

Noah sah Cole an, den Freund, der in ihm die Leidenschaft fürs Skifahren geweckt hatte, und lächelte sein typisches Breedlove-Lächeln. „Immer.“

„Ich weiß, du bist ein Profi, Kumpel, aber sei vorsichtig“, sagte Cole. „Diese Piste hat schon so manchen in die Knie gezwungen.“

Noah überblickte das Gelände, das auf den Karten mit einem doppelten schwarzen Diamanten markiert war, die Kennzeichnung für die härtesten Abfahrten des Skigebiets. Ein steiler Hang, Haarnadelkurven und ein regelrechter Hindernisparcours aus hohen Kiefern und schroffen Felsen erstreckten sich vor ihm. Noah machte sich keine Sorgen. Er sah vielleicht wie ein Draufgänger aus, war aber in Wirklichkeit keiner. Er hatte Vertrauen in seine Fähigkeiten, war perfekt vorbereitet und voller Vorfreude. Okay, vielleicht war auch ein kleines bisschen Nervenkitzel dabei. Ein Leben, das nicht aufregend war, machte schließlich keinen Spaß.

Sie stießen sich ab, geradewegs den Hang hinunter. Noah setzte seine Stöcke ein und flog wie der Wind. Er glitt um Bäume herum und sprang über Felsen, sein geschmeidiger, straffer Körper schwebte, bevor er mit Leichtigkeit landete. Das Leben war perfekt! Es hätte nicht besser sein können!

Sie sahen das dünne weiße Seil erst, als es genau vor ihnen war. Cole hinter ihm schaffte es gerade noch, darum herum zu fahren. Noah sprang, doch sein Ski verfing sich im Seil, und er stürzte den Hang hinunter. Seine Welt wurde schwarz.

Damaris Glen blickte auf, als hektische Betriebsamkeit den ansonsten ruhigen Abend unterbrach. Sie war bereits aufgestanden, als ihre Kollegin und neue Freundin Wendy den Kopf zur Tür hereinsteckte.

„Was liegt an?“, fragte Damaris, während sie schnell nach ihrem Stethoskop suchte, Notizblock und Stift in ihre Tasche steckte und dann mit Wendy zusammen ins Foyer der Notaufnahme eilte.

„Skiunfall. Notarzt ist unterwegs.“

„Wie ernst?“

„Der Patient ist bewusstlos.“ Wendys Stimme klang gelassen, aber ihre kornblumenblauen Augen vermittelten Besorgnis.

„Dr. Noble?“

„Ist vor einer Stunde gegangen“, fuhr Wendy fort. „Er ist jetzt auf dem Rückweg.“

Damaris’ Herzschlag beschleunigte sich. Das hier war ihre erste Woche ohne Ella, ihre Chefin und Supervisorin. Ihr erster Abend allein als Stationsleiterin. Obwohl sie in der Aufnahme und Behandlung von Traumapatienten umfassend geschult war, machte sie als Krankenpflegerin das nur, wenn kein Arzt anwesend war. Wie heute Abend. „Kommt selten vor“, war Ellas Antwort gewesen, als Damaris sie nach genau diesem Szenario gefragt hatte. Nun war aber genau der Fall eingetreten. Der Patient wurde gerade von einem Sanitäter auf einer Bahre hereingebracht.

Als Damaris sich ihm näherte, wurde sie ganz ruhig. Sie nahm Augenkontakt mit dem Rettungssanitäter auf und nickte ihm kurz zu, aber ihre ersten Worte richtete sie an den Mann, der auf der Bahre lag.

„Hallo, sind Sie wach? Können Sie mich hören?“ Sie legte eine Hand auf seine Stirn, den Finger der anderen Hand auf sein Handgelenk und fühlte seinen Puls. Sie war durch und durch Profi, registrierte aber, dass der Mann unter den Schnitten und Prellungen sehr gut aussah. Was ihr gar nicht auffallen sollte. Gehörte nicht zu ihrem Job.

Sie sah den Rettungssanitäter an. „Hat er irgendetwas gesagt?“

Der Sanitäter schüttelte den Kopf. „Alles, was wir wissen, hat uns der Freund berichtet, der mit ihm unterwegs war. Steht alles hier.“ Er reichte ihr den Bericht.

Damaris überflog ihn schnell. „Vitalzeichen?“

„Stabil“, sagte der Rettungssanitäter.

„Wissen wir, wie es zu dem Unfall kam?“

„Der Freund, der den Notruf getätigt hat, sagte, dass ein Seil über die Piste gespannt war, so dünn, dass sie es erst gesehen haben, als sie genau davor waren. Er war etwas hinter dem Verletzten, sodass er es gerade noch rechtzeitig umfahren konnte.“

„Wo ist dieser Freund?“

In diesem Moment eilte ein offensichtlich aufgelöster Mann um die Ecke und kam auf sie zu. „Ist er wach? Noah!“ Er trat an die Bahre.

Damaris legte eine Hand auf die Schulter des Mannes, während sie mit dem Sanitäter sprach. „Wir übernehmen ab jetzt. Danke.“

Sie drehte sich zu dem besorgten Mann um, der immer noch Skikleidung und Stiefel trug. „Sind Sie der Freund, der den Notarzt gerufen hat?“

Er nickte.

„Wie ist Ihr Name?“

„Cole.“ Seine Stimme bebte, als er ihr über die Schulter sah. „Wird er wieder?“

„Er wurde stabilisiert, und wir tun alles, was wir können. Der Arzt ist auf dem Weg hierher. Ich weiß, es ist schwer, aber bitte versuchen Sie, sich zu beruhigen. Sie müssen dem Arzt alles sagen, woran Sie sich erinnern können.“ Damaris sprach leise und in beruhigendem Tonfall mit ihm.

Cole nickte. „Sein Name ist Noah. Es ging alles so schnell. Ich habe seine Familie angerufen, sie sind auf dem Weg, aber wir leben in Nevada, es wird also eine Weile dauern, bis sie hier sind. Ich habe ihn zum Skifahren mitgenommen, und wenn ihm etwas passiert …“

Nichts an der Arbeit als Trauma-Krankenpflegerin war einfach, doch der Umgang mit den Angehörigen der Patienten gehörte zu den schwierigsten Aufgaben.

„Wir werden alles tun, was wir können, um Noah zu helfen.“

„Gut.“

Damaris bemerkte, wie der verzweifelte Mann sich beruhigte und fast wütend die Tränen aus seinem Gesicht wischte. Sie drückte tröstend seinen Arm.

Als die Glastüren sich öffneten, blies ein kalter Luftzug die Locken aus Damaris’ Gesicht. „Dr. Noble.“

Ein dünner Mann mit einer Drahtbrille und einem freundlichen Gesicht kam zu ihnen, den Blick auf die Bahre gerichtet. Damaris informierte den Arzt schnell über die Situation.

„Wir brauchen ein CT und Röntgenbilder.“

„Sofort, Doktor.“

Der Arzt ging, um nach anderen Patienten zu sehen. Damaris organisierte die Verlegung in einen anderen Raum, wo der Patient auf eine Röntgen-Trage gelegt wurde, damit seine Wirbelsäule im Liegen untersucht werden konnte. Sie blieb bei dem Mann, den sie jetzt als Noah kannte, erklärte ihm das Verfahren und ermutigte ihn, obwohl er sich weiterhin nicht bewegte. Cole ging, um die Familie anzurufen und sie auf den neuesten Stand zu bringen. Nur Damaris blieb, kontrollierte die Vitalfunktionen des Verletzten und redete weiter mit ihm.

„Manche Menschen glauben, dass unser Körper das Bewusstsein ausschaltet, um sich zu schützen, die Situation einzuschätzen und mit der Heilung zu beginnen.“

Sie beobachtete, ob ein Zucken, ein Flattern, irgendeine Bewegung auf seinem Gesicht zu sehen war, die darauf hindeutete, dass er sie gehört hatte. Nichts. Erneut fielen ihr die kantigen, beeindruckenden Gesichtszüge auf, die unter den Blutergüssen und Verletzungen zu erkennen waren. Als sie seine Gesichtswunden untersuchte, empfand sie tiefes Mitgefühl für diesen Fremden und hoffte auf seine Genesung. Die Gefühle drangen so tief in ihre Seele, dass es ihr Angst machte. Ich bin eine fürsorgliche, mitfühlende Krankenpflegerin, die sich mit Leib und Seele der Heilung verschrieben hat. Heilung, nicht Herzklopfen, sagte sie sich. Natürlich sorgte sie sich um ihn. Es war ihre einfühlsame Art. Wenn es um das Wohl ihrer Patienten ging, hatte sie immer so gefühlt. Oder etwa nicht? Eigentlich nicht, aber sie zwang sich, diese Tatsache zu ignorieren. Es hatte keinen Sinn, Gefühle für einen Patienten zu entwickeln. Sie hatte sich schon einmal unglücklich verliebt, und es hatte sie sehr viel gekostet. Die Schuld lastete immer noch auf ihr.

„Noah, Ihr Freund Cole hat Ihre Eltern benachrichtigt. Ich bin sicher, sie sind auf dem Weg hierher. Mein Name ist Damaris, aber die meisten Leute nennen mich Dee. Ich bin die leitende Krankenpflegerin und bin hier, um Sie im Auge zu behalten, bis der Arzt zurückkommt und Ihre Familie eintrifft.“

Damaris glaubte an die heilende Kraft der Schulmedizin, aber nun schloss sie die Augen und flüsterte ein kurzes Gebet. Als sie sie wieder öffnete, blickte sie in das schönste Augenpaar, das sie je gesehen hatte.

„Sie sind wach.“ Sie sah, wie er schluckte und zu sprechen versuchte. „Erinnern Sie sich daran, was passiert ist?“

Er schüttelte den Kopf.

„Sie waren mit Ihrem Freund Cole Ski fahren und sind schwer gestürzt“, sagte sie und beantwortete damit die Frage in seinen Augen, während sie das Schwesternzimmer anpiepte. „Ihr Mund ist wahrscheinlich trocken, und Sie sind bestimmt durstig, aber ich fürchte, ich kann Ihnen momentan kein Wasser geben.“

Eine Stimme drang durch die Sprechanlage. „Ja?“

„Wendy, kannst du dem Arzt bitte sagen, dass unser Patient wach ist?“

„Ja, natürlich.“

Damaris richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf Noah. „Der Arzt wird gleich hier sein.“

Außer den großen Schnitten auf seiner Stirn und am Kinn bemerkte sie, dass seine Lippen trocken und rissig waren. „Sie haben ein paar üble Schnittwunden“, fuhr sie fort, ging zu einem Schubladenschrank und holte mehrere Gegenstände heraus. „Ich werde sie säubern und mit Medikamenten behandeln, sodass Sie sich hoffentlich etwas besser fühlen.“

Er beobachtete jede ihrer Bewegungen. Sie wusste es. Nicht, weil sie Augen im Hinterkopf hatte, so wie ihre Mutter, sondern weil sich der durchdringende Blick seiner dunkelbraunen Augen wie ein Laserstrahl auf ihrem Rücken anfühlte. Zweifellos hatte er Schmerzen, wahrscheinlich war er auch verwirrt. Dennoch hatte er keine Fragen gestellt, keinen Laut von sich gegeben. Hatte er einen Schock? Eine ruhige Persönlichkeit? Wer konnte das wissen? Sie an seiner Stelle wäre verzweifelt. Nachdem sie Wattestäbchen, Sprays, Medikamente und ein Tuch aus dem Schrank entnommen hatte, füllte Damaris einen kleinen Pappbecher mit Wasser und stellte alles auf einen Stahlwagen, den sie neben das Bett rollte. Dann tauchte sie das Tuch ins Wasser.

„Das hilft ein wenig gegen den trockenen Mund.“

Sie führte das Tuch an seinen Mund. Seine Hand schoss nach oben. Die Bewegung war schnell und unerwartet. Seine Augen waren suchend, er bewegte seine Lippen, versuchte zu sprechen.

„Haben Sie Schmerzen?“, fragte Damaris.

Er schüttelte den Kopf.

„Haben Sie Durst?“

Nein.

Er räusperte sich und sagte die ersten Worte, seit er im Krankenhaus war: „Ich kann meine Beine nicht bewegen.“

Damaris hörte eine Mischung aus Angst, Panik und Unglauben in diesen sechs Worten. Sie versuchte, ihn zu beruhigen. „Es ist alles in Ordnung. Versuchen Sie …“

„Nichts ist in Ordnung. Haben Sie mich nicht gehört?“, fuhr er sie heiser an. „Meine Beine. Ich kann sie nicht bewegen.“

„Es tut mir leid. Was ich meinte, war …“

„Wie ich höre, ist hier jemand wach.“ Dr. Noble betrat den Raum. „Ich bin Dr. Noble. Sie hatten einen schweren Sturz, junger Mann. Wir werden unser Bestes tun, um Ihnen wieder auf die Beine zu helfen, okay?“

Damaris war dankbar für die Unterstützung. Sie schob den Wagen vom Bett weg, sodass der Arzt sich frei bewegen konnte, dann eilte sie an seine Seite zurück, bereit zu assistieren.

„Meine Beine, Doktor. Ich habe versucht, sie anzuheben und die Position zu wechseln, aber nichts scheint zu funktionieren. Ich kann sie auch nicht richtig spüren.“

„Dafür kann es viele Gründe geben.“ Ähnlich wie Damaris plauderte Dr. Noble ruhig, während er arbeitete, und begutachtete das Röntgenbild auf dem Leuchtschirm, bevor er das Bettlaken von Noahs Unterschenkeln zog. „Wie ich schon sagte, hatten Sie einen schweren Sturz. Ihr Körper befindet sich wahrscheinlich in einem Schockzustand, einem Zustand, in dem das Gehirn und der Körper nicht optimal miteinander kommunizieren.“

Damaris lächelte Noah ermutigend zu, der seinen Blick auf sie gerichtet hatte. Sein Gesichtsausdruck blieb ernst, fast eindringlich.

Sie schaute auf ihre Uhr. „Doktor, soll ich eine andere Krankenpflegerin bitten, meine Visite zu übernehmen?“

„Ich denke, wir kommen hier gut zurecht“, antwortete er mit einem Nicken. „Ich werde ein paar Tests durchführen und dann werden wir Sie für das CT nach unten bringen. In Ordnung?“

Noah nickte.

„Sie sind in guten Händen“, sagte sie zu Noah und ging zur Tür.

„Das sind Sie auf jeden Fall“, stimmte Dr. Noble zu. „Dee ist eine der besten Schwestern hier.“

Sie lächelte den Arzt an, winkte ihrem schweigsamen, aufmerksamen Patienten zu und ging zurück in den Flügel, für den sie zuständig war. Bei der Visite der anderen Patienten war Damaris effizient und freundlich und schenkte ihnen ihre ungeteilte Aufmerksamkeit, so gut sie konnte. Ihr Körper wanderte von Raum zu Raum und verrichtete seine Arbeit. Ein Teil ihres Geistes blieb jedoch zurück bei dem Unfallopfer mit den irritierend schönen Augen.

2. KAPITEL

Ein Tumult auf dem Flur erregte Noahs Aufmerksamkeit. Vertraute Stimmen drangen an sein Ohr. Sekunden später öffnete sich die Tür zu dem Einzelzimmer, in das er verlegt worden war, und seine Mutter Victoria stürmte ins Zimmer. Direkt hinter ihr kamen sein Vater Nicholas, sein Bruder Adam und dessen Frau Ryan herein. Die Liebe und Sorge in ihren Augen fühlte sich wie eine warme Decke an, die Noah ganz umhüllte. Seine Beine reagierten nicht, aber sein Herz füllte sich mit Freude. Als seine Mutter ihn umarmte, musste er kämpfen, um seine Gefühle unter Kontrolle zu halten.

„Oh, Baby. Sieh dich nur an!“ Victoria küsste sanft die Bandagen, die seine Gesichtsverletzungen bedeckten, als ob er ein Kind wäre. „Es tut mir so leid, dass du so lange alleine warst. Wir sind so schnell gekommen, wie wir konnten.“

„Mom! Ich kann meine Beine nicht bewegen.“

„Ich weiß, mein Sohn. Der Arzt sagte …“ Victoria trat zurück.

Ein schnelles Kopfschütteln von Nicholas brachte sie zum Verstummen. „Sohn.“

Noah blickte von einem Elternteil zum anderen. „Was ist?“

Nicholas antwortete nicht. Noahs Schwägerin Ryan trat vor. Als Naturheilpraktikerin mit einer gut gehenden Klinik in Las Vegas war ihr Umgang mit Patienten sanft und tröstlich, mit einem Hauch von Autorität, der Noahs Ängste linderte.

„Hallo, mein Lieber. Der Arzt hat kurz mit uns gesprochen. Er ist sich noch nicht sicher, was mit dir los ist. Sie warten auf die Ergebnisse des CTs. Bis wir genau wissen, was es ist, ist es besser, nicht zu spekulieren. Und du solltest so ruhig und optimistisch wie möglich bleiben.“

Noah beruhigte das in keiner Weise. „Ich weiß, du meinst es gut, Ryan, aber es ist nicht so leicht, ruhig zu bleiben. Was vermutet er denn? Glaubt er, dass das mit meinen Beinen von Dauer sein könnte, dass ich nie wieder laufen kann?“

„Er will nicht spekulieren, und das solltest du auch nicht. Wenn etwas gezerrt oder gebrochen ist, solltest du dich möglichst nicht bewegen.“

„Moment mal!“ Noahs Gesicht hellte sich auf. „Mein Körper könnte gerade unter Schock stehen, oder? Der Arzt hat vorhin so etwas in der Art gesagt. Ich bin zwar immer noch etwas durcheinander, aber ich glaube, das war es, was er gesagt hat.“

„Das ist gut möglich“, bestätigte Ryan. „Mit einer Schockreaktion schützt der Körper sich manchmal selbst.“

Der Körper schützt sich selbst. Das hatte er eben schon mal gehört. Hatte der Arzt es gesagt? Noah runzelte die Stirn, während er sich anstrengte, die Gedanken in seinem Gehirn zu entwirren.

„Sohn, hast du Schmerzen?“

Noah sah seinen Vater an und war bewegt von der Zuneigung in dessen Stimme. „Ungefähr so, als wäre ich in einer Kneipenschlägerei verdroschen und dann von einem Zug überfahren worden.“

Adam trat vor. „Aber abgesehen davon geht es dir gut?“

Alle lachten, und die Stimmung lockerte sich.

„Wo ist mein Zwillingsbruder?“, fragte Noah.

„Christian und Nick sind noch geschäftlich in Afrika, Schatz. Sie nehmen den ersten Flug morgen früh.“

„Ist das wirklich nötig? Meine Unbeweglichkeit kommt wahrscheinlich nur vom Schock. Bis sie aus Djibouti hier sind, bin ich vielleicht schon entlassen und vor ihnen zu Hause.“

„In diesem Fall kommen sie rechtzeitig für ein Willkommensessen“, sagte Victoria. „Als sie von deinem Unfall erfahren haben, war alles andere unwichtig.“

„Ja, Mann, ich musste deinen Zwilling echt beruhigen“, erklärte Adam. „Hätte er keinen Platz in einer Maschine bekommen, wäre Nick hergeschwommen.“

Die Familie unterhielt sich lebhaft, bis sich die Tür öffnete. Eine Krankenpflegerin trat ein, an die sich Noah nicht erinnerte. Sein Blick blieb auf die Tür gerichtet, in der unbewussten Hoffnung, jemand anderes käme herein. Sie, der Engel von gestern. Er war regelrecht enttäuscht, als sie nicht erschien. Die Krankenpflegerin überprüfte seine Vitalwerte und empfahl ihm dringend Ruhe. Wenige Minuten, nachdem seine Familie gegangen war, schlief Noah ein.

Als er aufwachte, war der Engel zurück. Die gelöste Stimmung aber, für die seine Familie am Tag zuvor gesorgt hatte, war leider verflogen. Stattdessen hatte er Angst, dass er vielleicht nie wieder laufen können würde.

„Guten Morgen, Noah!“

„Was soll an dem Morgen gut sein?“

Er bemerkte, wie Damaris kurz ihre wunderschönen braunen Augen aufriss, bevor sie antwortete und dabei ihr sonniges Lächeln lächelte. „Meine Großmutter würde sagen, dass jeder Tag, an dem man außerhalb des Sarges aufwacht, ein ziemlich guter Tag ist.“

„War Ihre Großmutter gelähmt?“

Ihr Lächeln verschwand schneller, als Usain Bolt aus den Startblöcken kam. „Nein.“ Sie holte tief Luft. Er konnte förmlich sehen, wie sie eine professionelle Maske aufsetzte, während sie alles Mögliche von den Geräten ablas und es notierte. Noah fühlte sich schlecht, weil er sie angeblafft hatte. Sie versuchte nur, ihm ein besseres Gefühl zu geben, kümmerte sich um ihn und hatte nichts damit zu tun, warum er hier war.

„Es tut mir leid.“

„Schon gut“, antwortete sie, und die Wärme kehrte in ihre Stimme zurück.

„Ich bin nie in Ihrer Lage gewesen und kann nicht wissen, wie sie sich fühlen. Wahrscheinlich ist es untertrieben zu behaupten, dass es schwer für Sie ist. Aber unser Denken beeinflusst auch unsere Heilung, daher wäre es gut für Sie, jetzt positiv zu denken.“

„Unser Denken beeinflusst unsere Heilung. Noch ein Zitat Ihrer Großmutter?“

Damaris schüttelte den Kopf. „Das habe ich im College gehört, ich weiß nicht, wer den Satz geprägt hat. Die meisten Zitate meiner Großmutter stammten aus der Bibel. Sie glaubte an die Schriften und an die Kraft des Gebets.“

„Ja, nun, ich stehe nicht auf die Bibel und bin kein Mann des Gebets.“

Ihr Gespräch wurde unterbrochen, als die Breedloves in voller Besetzung eintraten. Noahs Freund Cole war ebenfalls bei ihnen. Nicholas, Victoria, Adam und seine Frau Ryan, die gestern schon da gewesen waren, wurden von Noahs Zwilling Nick sowie seinem Bruder Christian und dessen Frau Lauren begleitet. Kaum hatten sie einander begrüßt, betrat Dr. Noble den Raum.

„Ich habe eine gute Neuigkeit und eine etwas unangenehmere“, begann er, nachdem er mehrere Röntgenbilder an einem Wandschirm befestigt hatte. „Welche möchten Sie zuerst hören?“

„Die schlechte“, sagte Noah.

„Die gute“, riefen Victoria und Ryan gleichzeitig.

Dr. Noble konzentrierte sich auf Noah. „Die unangenehme Nachricht“, sagte er, „ist, dass die Bewegungslosigkeit in Ihren Beinen nicht auf den Schock zurückzuführen ist. Wäre das der Fall gewesen, hätten Sie wahrscheinlich schon wieder Gefühl in den Beinen und könnten sie zumindest in begrenztem Umfang bewegen.“ Er deutete auf die Röntgenbildern. „In diesen Bereichen haben Sie schwere Blutergüsse am Rückenmark, die die Nerven, die die Bewegung Ihrer Beine und andere Funktionen steuern, beeinträchtigen. Die gute Nachricht ist, dass Sie keinerlei Frakturen haben. Mit viel Zeit, Physiotherapie und einer positiven Einstellung werden Sie höchstwahrscheinlich wieder all Ihre Extremitäten in vollem Umfang nutzen können.“

Da war wieder dieser Satz. Positive Einstellung. Wenn er ihn noch einmal hörte, dachte Noah, müsste er kotzen. „Über was für einen Zeitraum sprechen wir?“

„Bei manchen dauert es Wochen, bei anderen Monate. Schwer zu sagen.“

„Aber im Moment bin ich gelähmt?“

„Sie leiden an einer vorübergehenden Lähmung, ja.“

Zum zweiten Mal in weniger als vierundzwanzig Stunden verdunkelte sich Noahs Welt. Diesmal war es ein geistiger Blackout, aber das Ergebnis war dasselbe. Er nahm kaum wahr, was der Arzt nach dem Wort Lähmung noch sagte oder was seine Familie sagte, um ihn aufzumuntern. Er hatte kaum zehn Worte mit seinem besten Freund Cole gesprochen, der sich die Schuld an dem Unfall gab. Und er lehnte den Begriff vorübergehend als Beschreibung seines Zustands ab, weil er davon ausging, dass der Arzt die unvermeidliche Wahrheit nur abmildern wollte. Er konnte nicht laufen. Jetzt nicht und vielleicht nie wieder. Mit jedem Gedanken daran, wie sich die Lähmung auf sein Leben auswirken würde, verdüsterte sich Noahs Stimmung.

Als der Engel eintrat, wappnete er sich für ihre Fröhlichkeit, absolut bereit, sie dafür auseinanderzunehmen, diesmal ohne anschließende Entschuldigung. Doch als sie sich seinem Bett näherte, lächelte sie nicht. Sie fing seinen Blick auf und hielt ihm stand. Das Mitgefühl, das aus ihrem Blick sprach, war so intensiv, dass es geradezu nervtötend war.

„Ich will Ihr Mitleid nicht“, murmelte er.

„Gut, denn ich habe keines, das ich Ihnen geben könnte.“ Sie begann ihre tägliche Pflege mit der Überprüfung seines Gesundheitszustandes. „Das ist das Letzte, was Sie brauchen, besonders jetzt, wo die Chance besteht, dass Sie wieder gehen können. Es wird kein leichter Weg sein, aber wenigstens haben Sie eine Perspektive. Mein Mitleid ist den Menschen vorbehalten, denen ohne den Schatten eines Zweifels vom Arzt gesagt wird, dass sie nie wieder laufen oder aus eigener Kraft stehen werden.“

Sie drehte sich zu ihm herum und begegnete seinem Blick. „Was Ihnen passiert ist, Noah, ist ein großes Unglück. Und obwohl Sie es wahrscheinlich nicht hören wollen, sollten Sie begreifen, wie gesegnet Sie sind, dass Sie auf einer Bahre und nicht in einem Leichensack vom Death Mountain getragen worden sind.“

Ihr Gesicht wurde weicher, während ihr Auftreten professionell und autoritär blieb. „Der Arzt kommt gleich, zusammen mit einem Physiotherapeuten. Sie führen eine Reihe von Tests durch, um festzustellen, wie umfassend die Lähmung ist und mit welchen Übungen Sie vielleicht sofort beginnen können. Es ist wichtig, möglichst viele Ihrer Muskeln aktiv zu halten. Es wird ziemlich anstrengend, ruhen Sie sich bis dahin etwas aus.“

Mit einem angedeuteten Lächeln drehte sie sich um und verließ den Raum. Noah musste erst einmal verdauen, dass sie ihm so unmissverständlich gesagt hatte, was sie von ihm und seinem Verhalten hielt. Er hätte nie gedacht, dass diese warmherzige, lebhafte Frau so stark und energisch sein konnte. Offensichtlich hatte diese Krankenpflegerin, deren Namen er sich nicht merken konnte, viele verborgene Seiten. Und es war eine reizvolle Vorstellung, sie alle kennenzulernen. Doch das war nicht das Einzige, was er wollte, aber immerhin ein Anfang. Er wollte auch wieder gehen, am liebsten aus dem Krankenhaus. Und er plante, deutlich zu machen, dass der Bau eines CANN Casino Hotels und Spa in Utah nicht nur im Interesse von CANN International lag. Sondern auch das Beste für diejenigen war, die dagegen waren.

3. KAPITEL

Während sie ihre anderen Patienten versorgte, blieben Damaris’ Gedanken bei Noah. Seine anhaltend negative Haltung war nicht nur unerfreulich, sondern auch besorgniserregend. Die Einstellung spielte eine große Rolle im Heilungsprozess eines Patienten. Sie hatte Einfluss darauf, welche Verbesserungen er erzielte und manchmal auch, ob sich sein Zustand überhaupt änderte. Zwar ließ Damaris Noah die bestmögliche Behandlung zukommen, sie sah es aber ebenfalls als ihre Aufgabe an, ihr Wissen mit seiner Familie zu teilen und diese dazu zu ermutigen, ihn zu unterstützen. Dr. Noble war für die Heilung von Noahs Körper zuständig. Damaris würde sich auf seine Einstellung konzentrieren.

Autor

Zuri Day
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