Liebe im Doppelpack

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Aufgebracht fährt Max zu dem kleinen Cottage, in dem seine Frau Julia wohnt. Allein - seitdem sie sich aus heiterem Himmel von ihm trennte. Er kann es einfach nicht fassen, dass Julia ihre Schwangerschaft vor ihm verheimlicht hat. Oder ist nicht er der Vater der kleinen Zwillinge?


  • Erscheinungstag 12.09.2019
  • ISBN / Artikelnummer 9783733727345
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

„Ich komme nicht mit.“

Unerwartet laut hallte ihre Stimme durch die Stille im Schlafzimmer, und Max richtete sich auf und blickte Julia erstaunt an.

„Was soll das heißen? Du hast wochenlang daran gearbeitet. Was hast du denn plötzlich noch zu erledigen, ehe du abreisen kannst? Und wann bist du so weit? Morgen? Mittwoch? Ich brauche dich jetzt dort, Jules, wir haben viel zu tun.“

„Nein. Ich meine, dass ich nicht mit nach Japan fliege. Heute nicht, nächste Woche nicht, überhaupt nicht. Oder sonst irgendwohin.“

Sie konnte nicht ihre Sachen packen und in den Sonnenuntergang fliegen. In den Sonnenaufgang, um genau zu sein, da sie nach Japan flogen.

Falsch, Max flog nach Japan. Sie nicht. Sie würde nirgendwohin reisen. Nicht wieder, nicht zum x-ten Mal in ihrem hektischen gemeinsamen Leben. Es ging einfach nicht mehr.

„Ist das dein Ernst? Bist du verrückt geworden?“ Max ließ das sorgfältig zusammengelegte Hemd in den Koffer fallen und sah Julia ungläubig an.

„Nein. Mir ist noch nie etwas so ernst gewesen. Ich habe es satt“, erwiderte sie ruhig. „Du sagst, ich soll springen, und ich frage nur Wie hoch? Ich will das nicht mehr.“

„Ich kommandiere dich doch nicht herum!“

„Nein, da hast du recht. Du sagst, du bist auf dem Sprung, ein Geschäft abzuschließen, und ich sorge dafür, dass etwas daraus wird – in jeder Sprache, in jedem Land, wo auch immer die nächste Herausforderung für dich liegt.“

„Du bist meine persönliche Assistentin. Das ist dein Job!“

„Ich bin auch deine Ehefrau, Max. Und ich lasse mich nicht länger wie irgendeine Angestellte behandeln.“

Nach einem Blick auf seine Armbanduhr griff Max nach einem weiteren Hemd. „Du hast dir einen verdammt ungünstigen Moment für einen Ehekrach ausgesucht.“

„Es ist kein Ehekrach“, erklärte Julia bemüht ruhig. „Ich komme nicht mit, und ich weiß nicht, ob ich noch hier bin, wenn du zurückkehrst. Ich kann das alles nicht mehr ertragen und brauche Zeit, um herauszufinden, was ich wirklich will.“

Wütend zerknüllte Max das Hemd, was Julia jedoch nicht störte. Sie hatte es ja nicht gebügelt – darum kümmerte sich der Wäscheservice. Für solche Dinge hatte sie keine Zeit, weil sie damit beschäftigt war, alle Rädchen am Laufen zu halten.

„Dein Timing ist echt das Letzte.“ Max warf das Hemd in den Koffer, ging zum Fenster und schaute hinaus auf die Londoner Skyline. Sein großer muskulöser Körper bebte vor Anspannung. „Dir ist doch klar, wie wichtig dieses Geschäft in Tokio ist. Warum heute?“

„Ich weiß es nicht“, antwortete Julia ehrlich. „Ich bin es leid, kein Leben zu haben.“

„Wir haben aber doch ein Leben!“, schrie Max. Er drehte sich weg vom Fenster, durchquerte das Zimmer und stellte sich neben sie. „Ein sehr schönes!“

„Nein, wir arbeiten.“

„Und wir sind supererfolgreich.“

„Geschäftlich, ja. Aber das ist kein Leben. Unser Privatleben ist kein Erfolg, weil wir keins haben. An Weihnachten haben wir deine Familie nicht besucht, wir haben bis Neujahr durchgearbeitet und uns das Feuerwerk vom Bürofenster aus angesehen! Wusstest du, dass heute der letzte Tag ist, an dem man den Weihnachtsschmuck abbaut? Kein Problem, denn wir hatten nicht einmal welchen, Max. Weihnachten hat ohne uns stattgefunden, während wir weitergemacht haben.“

Ohne sich einschüchtern zu lassen, erwiderte Julia seinen zornigen Blick. Sie war an seine Wut gewöhnt, und Max hatte ihr noch nie Angst gemacht.

„Und ich will mehr als das. Ich will ein Haus, einen Garten und Zeit haben, um zwischen Pflanzen herumzuwerkeln, mit meinen Händen in der Erde zu graben und um an Rosen zu riechen.“ Julias Stimme wurde weicher. „Wir halten niemals inne und erfreuen uns an Blumenduft, Max. Niemals.“

Laut seufzend blickte er wieder auf seine Armbanduhr. „Wir müssen los, sonst verpassen wir unseren Flug“, sagte er schroff. „Nimm dir eine Auszeit, wenn es das ist, was du brauchst, Jules. Lass dich in Japan massieren, besichtige einen Zen-Garten, aber hör um Himmels willen mit diesem Unsinn auf …“

„Unsinn? Ich fasse es nicht, Max! Du hast kein Wort davon verstanden, was ich gesagt habe. Ich will keinen Zen-Garten besichtigen. Ich komme nicht mit. Weil ich darüber nachdenken muss, was ich mir wirklich vom Leben erwarte. Und das kann ich nicht, wenn du um vier Uhr morgens durchs Hotelzimmer tigerst und mich mit deinem gnadenlosen Enthusiasmus und Machthunger ansteckst.“

Er fuhr sich durch das dunkelbraune Haar, sodass es in alle Richtungen abstand. Dann warf er seine Kulturtasche auf das zerknitterte Hemd und knallte den Kofferdeckel zu.

„Du bist verrückt. Was ist mit dir los? Bekommst du deine Tage oder was? Du kannst mich nicht einfach sitzen lassen. Du hast einen Vertrag!“

„Einen Vertrag?“ Sie lachte seltsam schrill und verstummte plötzlich. Verbittert ging Julia aus dem Schlafzimmer in den großzügigen Wohnbereich mit dem sensationellen Blick auf den Fluss. Es war noch dunkel. Lichter funkelten auf dem Wasser, und Julia starrte sie an, bis sie ihr vor den Augen verschwammen.

Sie hörte die Rollen des Koffers und das Klacken von Max’ Ledersohlen auf dem edlen Holzboden.

„Kommst du mit?“

„Nein.“

„Wenn nicht, dann ist es aus. Glaub ja nicht, dass ich dir hinterherlaufe und dich anbettle.“

Bei der Vorstellung hätte sie fast gelacht, aber er brach ihr gerade das Herz. „Tue ich nicht.“

„Gut, nur damit wir uns richtig verstehen. Wo ist mein Reisepass?“

„Auf dem Tisch, zusammen mit den Flugtickets“, erwiderte Julia, ohne sich umzudrehen. Mit angehaltenem Atem wartete sie.

Worauf? Auf ein kleines Zugeständnis? Eine Entschuldigung? Nein, das nicht. Auf die Worte Ich liebe dich? Julia konnte sich nicht einmal erinnern, wann Max das zuletzt zu ihr gesagt hatte. Und er sagte es jetzt nicht.

Die Kofferrollen waren wieder zu hören, dann Papierrascheln, als Max die Tickets vom Tisch nahm, einen Zettel mit Fluginfos und den Reisepass.

„Letzter Aufruf!“

„Ich fliege nicht mit.“

„Na schön. Mach, was du willst. Du weißt, wo du mich findest, wenn du es dir noch anders überlegst.“

In der darauf folgenden Stille wartete Julia erneut. Nach einer halben Ewigkeit seufzte Max, und einen Moment später fiel die Tür ins Schloss.

Trotzdem wartete Julia weiter, bis sie den Lift nach unten ins Erdgeschoss fahren hörte. Dann setzte sie sich auf die Sofakante und holte tief Atem.

Max war gegangen, ohne auch nur zu versuchen, sie umzustimmen. Ohne ihr einen einzigen Grund zu nennen, warum sie bei ihm bleiben sollte – abgesehen davon, dass sie ihren Arbeitsvertrag brach.

Ausgerechnet! Sie wollte doch nur Zeit haben, um über ihr Leben nachdenken zu können. Und Max warf ihre Ehe weg und redete von einem Vertrag, weil sie nicht mit nach Japan flog!

„Geh zum Teufel, Max!“, schrie sie, aber ihre Stimme kippte, und Julia wurde von Weinkrämpfen geschüttelt.

Plötzlich wurde ihr schlecht und sie rannte ins Badezimmer. Zitternd sackte sie schließlich zu Boden.

„Ich liebe dich, Max“, flüsterte sie, „warum konntest du mir nicht zuhören? Warum konntest du uns nicht eine Chance geben?“

Ihr war wieder zum Weinen. Da sie ihm diese Genugtuung nicht gönnen wollte, stand Julia auf, wusch sich das Gesicht, putzte sich die Zähne und schminkte sich neu. Dann kehrte sie ins Wohnzimmer zurück und nahm das Telefon in die Hand.

„Jane?“

„Hallo, Julia! Wie geht’s dir?“

„Scheußlich. Ich habe gerade Max sitzen lassen.“

„Was? Wo?“

„Nein, ich habe ihn verlassen. Na ja! Eigentlich hat er mich verlassen …“

Jane fluchte leise. „Wo bist du?“

„In der Wohnung. Ich weiß nicht, was ich machen soll.“

„Und wo ist Max?“

„Auf dem Weg nach Japan. Ich sollte ihn begleiten, aber ich konnte einfach nicht.“

„Bleib, wo du bist. Ich hole dich ab. Pack einen Koffer. Du kommst mit zu mir.“

„Ich habe schon gepackt“, sagte Julia.

„Aber nicht Jeans, Pullover und Stiefel, wette ich. Hier ist es eiskalt, such etwas Warmes heraus. Du hast anderthalb Stunden. Versuch, dich zu beruhigen.“ Jane legte auf.

Julia ging ins Schlafzimmer und blickte den Koffer an, der auf dem Bett lag. Sie besaß gar keine Jeans mehr. Und die Art Stiefel, die Jane meinte, auch nicht.

Oder doch?

Ganz hinten im Kleiderschrank fand Julia ihre alten Jeans und Wanderstiefel. Nachdem sie die eleganten Kostüme und High Heels aus dem Koffer geworfen hatte, packte sie ihre Lieblingspullover, die Hosen und Stiefel ein und klappte den Deckel zu.

Auf der Kommode stand ihr Hochzeitsfoto. Nicht einmal Zeit für Flitterwochen hatten sie sich genommen – nur für eine kurze standesamtliche Trauung und die Hochzeitsnacht, in der Max alle Register gezogen und Julia geliebt hatte, bis sie sich beide nicht mehr rühren konnten.

Wie gewohnt war sie in seinen Armen eingeschlafen, ganz ungewohnt allerdings auch darin aufgewacht. Weil Max einmal nicht aus dem Bett gestiegen war, um an seinem Laptop zu arbeiten.

Es schien so lange her zu sein.

Julia wandte sich von dem Foto ab, rollte ihren Koffer zur Tür und sah sich um. Sonst wollte sie nichts mitnehmen. Keine Erinnerungen an Max, an das gemeinsame Zuhause, an das gemeinsame Leben.

Ihren Reisepass steckte sie ein. Nicht, weil sie ins Ausland reisen wollte, sondern weil Max ihn nicht haben sollte. Der Pass war ein Freiheitssymbol, und außerdem benötigte sie ihn vielleicht, wenn sie sich auch nicht vorstellen konnte, wofür. Egal, Julia schob den Pass in die Handtasche und stellte sie neben den Koffer.

Nachdem Julia den Kühlschrank ausgeräumt und alles in den Müllschlucker geworfen hatte, brauchte sie nur noch zu warten. Da ihr der Kopf immer noch schwirrte, schaltete sie das Fernsehgerät ein, um sich abzulenken.

Keine gute Idee! Dem Reporter zufolge war heute – der erste Montag nach Neujahr – der sogenannte „Scheidungsmontag“. Wenn sich über Weihnachten und Neujahr alle Probleme zugespitzt hatten, wandten sich an diesem Tag Tausende von Frauen an einen Anwalt und leiteten die Scheidung ein.

Sie auch?

Zwei Stunden später saß Julia in Suffolk am Küchentisch ihrer Freundin, und Jane kochte Kaffee.

Der Geruch war ekelerregend.

„Entschuldige, ich kann nicht …“ Sie rannte zur Toilette und übergab sich wieder. Als sich Julia aufrichtete, stand Jane hinter ihr und blickte sie im Spiegel nachdenklich an.

„Ist alles in Ordnung mit dir?“

„Ich werde es überleben. Das sind nur die Nerven. Ich liebe ihn, Jane. Ich habe es vermasselt, und jetzt ist er weg. Ich hasse es!“

„Hm.“ Jane öffnete den Schrank über dem Waschbecken und hielt Julia eine Schachtel hin. „Hier.“

„Ein Schwangerschaftstest? Sei nicht albern. Du weißt doch, dass ich keine Kinder bekommen kann. Ich habe diese ganzen Vernarbungen von meinem geplatzten Blinddarm. Ich habe mich untersuchen lassen. Es ist unmöglich, ich kann nicht schwanger werden.“

Kann nicht gibt’s nicht. Ich bin der Beweis. Mach den Test einfach.“ Jane ging hinaus und schloss die Tür.

Mit einem Schulterzucken begann Julia, die Anweisungen zu lesen. Sinnlos. Dumm! Sie konnte nicht schwanger sein.

„Und was soll ich jetzt machen?“

„Willst du mit ihm zusammenbleiben?“

Darüber brauchte Julia nicht einmal nachzudenken. „Nein. Max hat immer betont, dass er keine Kinder will. Und er müsste sich sowieso erst total ändern, bevor ich einem Kind so einen Vater antun würde. Er hat zu mir gesagt, ich könne ihn nicht sitzen lassen, weil ich einen Arbeitsvertrag habe.“

„Vielleicht hat er sich damit an einen Strohhalm geklammert“, meinte Jane.

„Max klammert sich an gar nichts. Er hat mir zu verstehen gegeben, dass es aus ist, wenn ich ihn nicht begleite. Aber bei dir und Pete kann ich nicht wohnen, besonders jetzt nicht, da du auch schwanger bist. Ein Baby im Haus reicht wohl.“ Julia lachte zittrig. „Ich bin schwanger! Nach all den Jahren. Ich kann es nicht fassen!“

„Du hast Glück, dass ich noch einen Test im Schrank hatte. Ich hätte nämlich fast einen zweiten gemacht, weil ich es beim ersten Mal nicht glauben konnte. So langsam haben Pete und ich uns damit abgefunden. Jetzt freue ich mich sogar, noch eins zu haben, und die anderen Kinder sind begeistert. Also“, kam Jane wieder zur Sache, „wo möchtest du leben? In der Stadt oder auf dem Land?“

„Auf dem Land vielleicht?“, erwiderte Julia unsicher. „Zurück nach London will ich nicht und ich hätte so schrecklich gern einen Garten.“

„Einen Garten?“ Jane lächelte breit. „Gib mir eine Minute.“

Daraus wurden fünf. Julia hörte sie nebenan im Arbeitszimmer sprechen, dann kehrte sie mit zufriedener Miene zurück.

„Alles klar. Pete hat einen Freund, John Blake, der für ein Jahr in Chicago arbeiten wird. Er hatte jemanden gefunden, der sich währenddessen um sein Haus kümmert, aber es hat sich zerschlagen. Und jetzt sucht er verzweifelt nach einem Homesitter.“

„Warum vermietet er nicht einfach?“

„Weil er zwischendurch immer mal wieder zurückkommen wird. Es ist ein Superhaus. John bezahlt alle deine laufenden Ausgaben und Lebenshaltungskosten, und du musst nur darin wohnen und nötigenfalls den Klempner rufen. Ach ja, den Hund füttern und ausführen auch noch. Magst du Hunde?“

Julia nickte. „Ich wollte schon immer einen haben.“

„Großartig. Murphy ist ein Schatz. Du wirst ihn lieben. Und das Haus erst! Es heißt Rose Cottage und hat einen wunderschönen Garten. Das Beste ist, dass es nur drei Meilen von hier entfernt liegt, also können wir uns oft sehen.“

„Was ist mit dem Baby? Wird John nichts dagegen haben?“

„Nein. Außerdem ist er doch sowieso fast nie da. Los, wir besuchen ihn jetzt gleich.“

1. KAPITEL

„Ich habe sie gefunden.“

Max erstarrte.

Darauf hatte er seit Juni gewartet, doch jetzt fürchtete er sich fast davor, die Frage zu stellen. Langsam lehnte er sich in seinem Sessel zurück und versuchte, den Gesichtsausdruck des Privatdetektivs zu deuten. „Wo?“, fragte Max rau.

„In Suffolk. Sie lebt in einem Cottage.“

Lebt. Er holte tief Luft. Die ganzen Monate hatte er Angst gehabt …

„Ist sie gesund?“

„Ja.“

„Ist sie allein?“

Der Privatdetektiv zögerte. „Nein. Das Cottage gehört einem Mann namens John Blake. Er arbeitet zurzeit im Ausland, aber er kommt und geht.“

Ihm war so schlecht, dass er die nächsten Worte kaum registrierte, doch allmählich drangen sie zu ihm durch. „Sie hat was?

„Babys. Zwillinge. Die Mädchen sind acht Monate alt.“

„Also hat dieser John Blake Kinder!?“, überlegte Max laut.

„Nein, anscheinend nicht. Ich gehe davon aus, dass es ihre sind. Sie wohnt dort seit Mitte Januar vergangenen Jahres, und die Kinder wurden im Sommer geboren. Im Juni, meinte die Frau auf dem Postamt. Sie hat mir übrigens sehr geholfen. Die Dorfbewohner stellen allerhand Vermutungen an über die Beziehung Ihrer Frau zu John Blake.“

Das kann ich mir vorstellen, dachte Max. Und er würde Julia umbringen. Oder John Blake. Vielleicht alle beide.

„Wenn man sich die Daten ansieht, war sie wahrscheinlich schwanger, als sie Sie verlassen hat, deshalb könnten die Kinder Ihre sein. Oder sie hatte davor schon eine Affäre mit John Blake.“

„Halten Sie sich an Ihre Aufgabe. Rechnen kann ich selbst!“, fuhr Max den armen pflichtbewussten Privatdetektiv an. „Wo ist sie? Ich will die Adresse haben!“

„Es ist alles hier drin.“ Der Mann schob einen großen Umschlag über den Schreibtisch. „Zusammen mit meiner Rechnung.“

„Ich werde die Zahlung veranlassen. Danke.“

„Wenn Sie weitere Informationen benötigen, Mr. Gallagher …“

„… dann melde ich mich.“

„John Blake ist im Moment nicht da, wie ich von der Frau im Postamt erfahren habe“, fügte der Privatdetektiv leise hinzu und ging hinaus.

Als Max den Umschlag öffnete und die Fotos herausrutschten, stockte ihm der Atem.

Du lieber Himmel, sie sah fantastisch aus! Aber anders. Es dauerte einen Moment, bis Max seine Frau erkannte, weil sie ihr Haar länger trug und es zu einem Pferdeschwanz gebunden war. Dadurch wirkte sie jünger und irgendwie freier. Die hellblonden Strähnchen waren verschwunden und das Haar hatte wieder seine natürliche goldbraune Farbe.

Julia hatte ein bisschen zugenommen, doch es stand ihr. Sie sah gesund aus, glücklich und schön. Ein Jahr lang – ein Jahr, drei Wochen und zwei Tage, um genau zu sein – hatte Max verzweifelt darauf gewartet, etwas von ihr zu hören. Und dennoch waren es jetzt die Babys, die seine ganze Aufmerksamkeit fesselten. Auf dem Foto saßen sie nebeneinander in einem Einkaufswagen – zwei einander völlig gleiche, bildhübsche Mädchen.

Seine Mädchen? Das lag eindeutig im Bereich des Möglichen. Max brauchte ja nur das in alle Richtungen abstehende dunkle Haar auf den kleinen Köpfen zu betrachten. Es war, als hätte er ein Babyfoto von sich selbst vor sich.

Dass es seine Kinder waren, sagte ihm der gesunde Menschenverstand. Seine Kinder, die Max noch nie gesehen hatte. Kinder, von denen er gar nichts gewusst hatte. Plötzlich konnte er kaum noch atmen. Warum hatte Julia ihm das nicht mitgeteilt? Hätte er jemals von ihnen erfahren? Wie konnte sie es wagen, seine Töchter vor ihm geheim zu halten? Oder sie waren doch nicht von ihm …

Eine schreckliche Wut stieg in ihm auf, und er wollte etwas zerstören, genau so, wie Julia ihn zerstört hatte.

Der Briefbeschwerer knallte an den Fensterrahmen und zersprang, die Einzelteile prallten ab und fielen auf den Boden. Max neigte den Kopf und zählte bis zehn.

„Max?“

„Er hat sie gefunden. In Suffolk. Ich muss hinfahren.“

„Natürlich, aber beruhige dich erst einmal“, erwiderte seine persönliche Assistentin. „Ich koche dir eine Tasse Tee und sorge dafür, dass jemand für dich packt.“

„Ich habe ein fertig gepacktes Bordcase im Auto. Sag New York ab. Und ich will keinen Tee, Andrea. Ich will meine Frau sehen.“

Und die Babys. Seine Babys.

Andrea versperrte ihm den Weg. „Es ist über ein Jahr her, Max. Zehn Minuten mehr machen nichts aus. Du kannst nicht einfach bei ihr hereinplatzen, du wirst sie zu Tode erschrecken. Geh es langsam an, leg dir deine Worte zurecht. Jetzt setz dich hin. So ist’s recht. Hast du zu Mittag gegessen?“

Gehorsam setzte sich Max. Wovon redete Andrea? „Zu Mittag gegessen?“

„Das dachte ich mir. Tee und ein Sandwich, dann kannst du losfahren.“

Max blickte ihr nach. Andrea war mütterlich, tüchtig, kommandierte gern herum, war ein Organisationstalent und … unendlich nett, wie er nun erkannte.

Unfähig, still dazusitzen, zertrat er die Überreste des Briefbeschwerers und drückte die Stirn an die beruhigend kühle Fensterscheibe. Warum hatte er es nicht erfahren? Wie hatte Julia ihm etwas derart Wichtiges so lange verschweigen können?

Hinter sich hörte er die Tür aufgehen und Andrea zurückkehren.

„Ist sie das auf dem Foto?“

„Ja.“

„Und die Babys?“

„Interessant, stimmt’s?“ Max drehte sich um. „Anscheinend bin ich Vater, und sie hat es nicht einmal für nötig gehalten, mir dies mitzuteilen. Entweder das oder sie hatte eine Affäre mit meinem Doppelgänger, denn die Mädchen sehen genauso aus wie ich in dem Alter.“

„Na, na!“, sagte Andrea leise und stellte das Tablett ab.

Und dann – völlig unerwartet – umarmte ihn seine elegante, gelassene, sachliche persönliche Assistentin. Einen Moment lang wusste Max nicht, was er tun sollte. Es war so lange her, dass ihn jemand in die Arme genommen hatte. Schließlich umfasste er Andrea auch, und das Empfinden von Wärme und Trost richtete ihn fast zugrunde. Max trat zurück und mühte sich ab, die Lage in den Griff zu bekommen.

„Du meine Güte, die sehen dir aber wirklich ähnlich!“ Lächelnd betrachtete Andrea die Fotos auf dem Schreibtisch.

„Ja, es gibt Aufnahmen von mir …“ War das seine Stimme? Max räusperte sich und versuchte es noch einmal. „Ich war wohl ungefähr im selben Alter. Meine Mutter hat ein Fotoalbum …“ Und da wurde ihm plötzlich klar: Seine Mutter war Großmutter geworden! Er würde es ihr sagen müssen. Natürlich würde sie außer sich vor Freude sein.

Oh, verdammt. Ihm traten Tränen in die Augen.

„Hier, trink deinen Tee und iss die Sandwiches. Ich veranlasse, dass David den Wagen vorfährt.“

Sein Auto. Ein zweisitziger sexy Sportwagen mit versenkbarem Verdeck. Nirgendwo Platz für Kindersitze, dachte Max, als er einstieg. Er tippte die Adresse in das Navigationssystem ein und fuhr aus der Stadt heraus. Das Verdeck ließ er offen, weil er hoffte, im eisigen Februarwind einen klaren Kopf zu bekommen und wieder logisch denken zu können. Er hatte nämlich noch immer keine Ahnung, was er zu Julia sagen wollte.

Fast zwei Stunden später hatte er noch immer keine Ahnung. Das Navi hatte ihn mitten ins Dorf geführt, und Max hielt in der Abenddämmerung an und studierte die Karte, die ihm der Privatdetektiv mitgegeben hatte.

Direkt vor ihm befand sich die Brücke über den Fluss, also müsste es die Auffahrt auf der rechten Seite sein.

Ihm wurde bewusst, dass er fror und dass es zu regnen begann. Max schloss das Verdeck, holperte langsam die Auffahrt hoch und sah im Scheinwerferlicht ein hübsches romantisches Cottage mit Reetdach. Und dann schlug ihm das Herz bis zum Hals – am Fenster in einem Zimmer rechts von der Haustür erschien Julia mit einem Baby in den Armen.

„Schsch…, Ava, sei schön brav. Wein nicht, Liebling … Oh, guck mal, es kommt jemand. Vielleicht ist es Tante Jane!?“

Julia ging zum Fenster und blickte gerade nach draußen, als das Auto hielt. Sie spürte, wie ihr das Blut aus den Wangen wich. Max! Wie …? Abrupt setzte sie sich auf das alte Sofa im Erker und ignorierte, dass Ava an ihrer Schulter quengelte und ihre Schwester im Laufstall auch damit anfing.

Julia konnte nur Max anstarren, der jetzt ausstieg, die Autotür zuschlug und zielstrebig auf den überdachten Eingang zukam.

Der Bewegungsmelder war angegangen und Max würde sie in der hell erleuchteten Küche bestimmt sehen. Jeden Moment. Jetzt!

Er klingelte und wandte sich von der Tür ab. Die Schultern starr vor Anspannung, schob er das Jackett zurück und steckte die Hände in die Hosentaschen.

Dünner war er geworden. Natürlich – dadurch, dass sie nicht alles für ihn organisierte, sorgte er bestimmt nicht genug für sich. Sofort verdrängte Julia aufflackernde Gewissensbisse.

Es war allein seine Schuld. Wenn er ihr zugehört hätte, als sie ihm im vergangenen Jahr erklärt hatte, sie sei nicht glücklich, wenn er wirklich innegehalten und mit ihr ausführlich darüber gesprochen hätte … Aber nein.

Autor

Caroline Anderson
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