Liebe meines Lebens Band 33

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NOCH EINE CHANCE FÜR DIE LIEBE von MARY ANNE WILSON

Kann so viel Zärtlichkeit ein Irrtum sein? In der Nacht nach dem Unterzeichnen der Scheidungspapiere kommen Samantha Zweifel, ob ihre Blitzehe mit Nicholas wirklich ein Fehler war: Noch einmal begegnen sie sich in einer warmen Sommernacht voller Leidenschaft – und das hat ungeahnte Folgen …

BRENNENDE HERZEN, BRENNENDE KÜSSE von RAEANNE THAYNE

Gar so hitzig hatte sich Laura ihre Rückkehr nach Pine Gulch nicht vorgestellt! Kaum angekommen, legt ihr übermütiger Sohn im betagten Familien-Gasthof Feuer – und Retter in der Not ist ausgerechnet der verführerische Taft Bowman, den Laura vor zehn Jahren schweren Herzens verlassen hat …


  • Erscheinungstag 28.06.2025
  • Bandnummer 33
  • ISBN / Artikelnummer 9783751532457
  • Seitenanzahl 288
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Mary Anne Wilson, RaeAnne Thayne

LIEBE MEINES LEBENS BAND 33

Mary Anne Wilson

PROLOG

September, Los Angeles, Kalifornien

„Rücksichtslose Fahrweise, verbotener Fahrspurwechsel und Widerstand gegen die Staatsgewalt.“

Nicholas Viera hatte achtunddreißig Jahre gelebt, ohne an glückliche Zufälle zu glauben. Aber das änderte sich, als er die hübsche Angeklagte sah, die vor dem Verkehrsrichter stand.

Normalerweise betrat er diesen Teil des County-Gerichts nie. Verkehrsrecht war nicht sein Gebiet. Aber er war so sehr in Gedanken vertieft gewesen, dass er auf dem Korridor falsch abgebogen war, die falsche Tür aufgestoßen und den falschen Saal betreten hatte.

Als die Anklage verlesen wurde, hob er den Kopf, und sein Blick fiel auf die Angeklagte, eine schlanke Blondine, die ihm den Rücken zukehrte. Und Nick wusste, dass es so etwas wie Glück doch gab.

„Euer Ehren“, begann die Blondine mit leicht atemloser Stimme. „Ich fuhr einfach nur auf der falschen Spur, und dann machte dieser andere Wagen keinen Platz. Ich wollte ihn überholen, aber das ging nicht. Da dachte ich mir, wenn ich über den Parkplatz fahre, kann ich mich vor ihn setzen, auf die linke Spur wechseln und rechtzeitig abbiegen.“

Nick stand an der Tür, und neben der Ernsthaftigkeit in der Stimme der Frau fielen ihm ihre schulterlangen Locken auf. Als er unwillkürlich einen Schritt nach vorn machte, wanderte sein Blick über die sanft geschwungenen Hüften und die endlos langen Beine. Die enge Bluse schmiegte sich an schmale Schultern, die immer wieder zuckten, während die Frau sich verteidigte.

„Das habe ich versucht, aber dass der Bordstein so hoch war, habe ich erst gemerkt, als es zu spät war.“ Sie hob die Arme. „Sonst hätte ich doch gar nicht versucht abzubiegen. Ich habe ihn nicht gesehen, und dann …“

„Miss Wells, bitte“, griff der Richter ein. „Laut Polizei haben Sie eine doppelte gelbe Linie überfahren, wären fast mit einem entgegenkommenden Fahrzeug kollidiert und sind dann gegen den Bordstein geprallt. Als der Beamte vor Ort eintraf, haben Sie sich geweigert auszusteigen, obwohl Ihr Wagen nachmittags um vier, also mitten im Berufsverkehr, quer auf dem Wilshire Boulevard stand.“

„Wie ich schon sagte, ich wollte auf den Parkplatz und habe den Bordstein nicht gesehen. Der Reifen ist geplatzt. Ich dachte, ich könnte weiterfahren, aber der Polizist schrie mich an und verwirrte mich.“

Lächelnd ging Nick nach vorn. Er wollte sich diese Frau genauer ansehen, die nicht aufgab, obwohl sie in Los Angeles ein mittleres Verkehrschaos angerichtet hatte.

„Aber Sie sind gefahren“, beharrte der Richter mit bewundernswerter Geduld. „Ihr Reifen ist geplatzt, also sind Sie verantwortlich.“

„Sicher, aber wenn der andere Fahrer mich herübergelassen hätte, hätte ich das alles nicht tun müssen, und der Verkehr wäre normal weitergeflossen. Und der Polizist schrie mich die ganze Zeit an.“

„Ja, das hat er wohl“, murmelte der Richter. „Aber Sie hätten auch einen kleinen Umweg in Kauf nehmen und einmal um den Block fahren können.“

Nick stand fast neben dem Gerichtsdiener, und als er das Profil der tapferen Miss Wells sah, wurde ihm klar, warum der Richter sie nicht längst ins Gefängnis gesteckt hatte.

Die Frau war einfach wunderschön. Sie besaß eine kleine, vor Empörung leicht gerümpfte Nase und ein Kinn, das sie gerade genug anhob, um den Blick auf einen hinreißend geschwungenen Hals freizugeben. Ihm fiel auf, wie sich die Bluse bei jedem Atemzug über den festen Brüsten straffte. Dass sie nervös war, sah man nur daran, dass sie mit dem Medaillon an ihrem Hals spielte.

Erst nach einer Weile schaffte er es, sich wieder auf ihre unglaublich erotische Stimme zu konzentrieren. „Ich hatte diesen wirklich wichtigen Termin und war schon spät dran“, erklärte sie gerade.

„Haben Sie den Termin geschafft?“

Sie schüttelte den Kopf, und ihre Locken tanzten auf den Schultern. „Nein, Euer Ehren, das habe ich nicht.“

Der Richter lehnte sich zurück. „Das ist schade. Möchten Sie sich jetzt schuldig oder nicht schuldig bekennen, oder bestehen Sie auf einem Verfahren vor einer Jury?“

„Brauche ich vor einer Jury einen Anwalt?“

„Nein, aber an Ihrer Stelle würde ich es in Betracht ziehen.“

Nick hatte wahrlich genug zu tun und suchte keine neuen Mandanten, schon gar nicht im Gericht. Außerdem war er Strafverteidiger. Diese Frau war nur eine wild gewordene Autofahrerin. Er sah, wie sie zögerte, und mischte sich ein, obwohl er ahnte, dass er es nicht tun sollte.

„Euer Ehren, darf ich vortreten?“

Miss Wells drehte sich um, und zum ersten Mal sah Nick ihr Gesicht. Sie war etwa fünfundzwanzig, trug wenig oder gar kein Make-up und hatte unglaublich grüne Augen unter langen dunklen Wimpern. Auf der Nase saßen ein paar Sommersprossen, und der anmutige Mund war vor Überraschung halb geöffnet.

„Und Sie sind?“, fragte der Richter.

„Nicholas Viera“, erwiderte Nick und legte eine Visitenkarte auf den Richtertisch. „Ich dachte mir, ich könnte …“ Er drehte sich zu der Frau um. „… Miss Wells helfen.“

„Ich verstehe nicht“, gestand die Frau.

„Mr. Viera ist Anwalt“, erklärte der Richter nach einem Blick auf die Karte.

„Und ich biete an, die Angeklagte in diesem Fall zu vertreten.“ Höchst begehrenswert zu sein war kein strafbares Vergehen, aber wenn es das wäre, hätte selbst er für sie keinen Freispruch erreicht.

„Ich habe dem Richter gerade erklärt, dass ich nur …“

Nick hob eine Hand. „Wir reden noch darüber“, sagte er zu ihr, bevor er den Richter ansah. „Euer Ehren, könnten wir vertagen?“

„Falls Miss Wells wünscht, anwaltlich vertreten zu werden, können wir …“ Er sah seine Sekretärin an. „Wie sieht’s aus, Rhonda?“

„Heute in einer Woche, Euer Ehren. Zehn Uhr.“

„Wie wäre es damit?“, fragte der Richter Nick.

Nick sah Miss Wells an. „Okay?“

Ihre Wangen röteten sich. Sie nickte. „Einverstanden.“

„Bis dann, Miss Wells“, entließ der Richter seine schöne Verkehrssünderin.

„Danke, Euer Ehren“, sagte Nick und eilte mit ihr hinaus, während der Richter sich dem nächsten Fall zuwandte.

Auf dem Korridor drehte sie sich zu Nick um.

Er starrte in die grünen Augen, und was er dabei empfand, ließ ihn beinahe zusammenzucken. Ihr Blick löste etwas aus, das er noch nie erlebt hatte. Das Verlangen, das ihn durchströmte, war so gewaltig, dass es ihn zutiefst beunruhigte.

Sie strich sich über das Haar, und er sah die grünen Farbflecken an ihrer Handfläche. Dann befeuchtete sie sich die Unterlippe, und ihm wurde bewusst, dass er eine Frau begehrte, obwohl er noch nicht einmal ihren Vornamen kannte.

Samantha Wells hatte nichts von Nicholas Viera gewusst, bis der ungemein attraktive Mann im grauen Maßanzug an den Richtertisch getreten war. Aus Angst, den Führerschein zu verlieren, war sie völlig kopflos gewesen. Aber dann war er aufgetaucht. Ein Mann, dessen Selbstsicherheit selbst den Richter beeindruckte. Nicholas Viera.

Als ihre Blicke sich trafen, ging ihr Atem schneller. Ihr Retter aus der Not war sexy, seine Ausstrahlung fast beunruhigend männlich. Zugleich wirkte er gelassen und selbst vor Gericht kein bisschen nervös oder angespannt.

Jetzt stand sie mit Nicholas Viera auf dem Gerichtsflur. Er reichte ihr seine Visitenkarte.

„Viera, Combs und O’Neill. Nicholas Viera“, las sie halblaut. Darunter stand eine Adresse in Bel Air. Es war eine Karte von schlichter Eleganz, offensichtlich teuer, aus elfenbeinfarbenem Büttenpapier. Der Druck hatte vermutlich mehr gekostet, als sie im ganzen letzten Jahr auf ihrem Konto gehabt hatte.

Sie betrachtete den Mann, dessen Name auf der Karte stand. Er war groß, und der perfekt sitzende Anzug betonte seine schlanke, athletische Figur. Er hatte ein markantes, glatt rasiertes Kinn, dunkle Augenbrauen und eine leicht schiefe Nase, die er sich vermutlich beim Football gebrochen hatte.

Elegant, wohlhabend, selbstbewusst, wahrscheinlich Absolvent einer Elite-Universität, lebte er in einer ganz anderen Welt als eine nicht besonders erfolgreiche Kunstmalerin, die Mühe hatte, die Miete für eine Wohnung zu zahlen, die sie mit drei anderen jungen Frauen teilte.

„Danke, dass Sie mich da herausgeholt haben“, sagte sie. „Einen schönen Tag noch.“

„Wie?“

„Ich danke Ihnen.“ Sie hob die Karte. „Möchten Sie die zurück, Mr. Viera?“

„Nein“, erwiderte er. „Nennen Sie mich Nick. Und Ihr Name ist …?“

„Samantha Wells.“

„Miss Wells.“

„Samantha, bitte.“

„Sie sahen aus, als könnten Sie ein wenig Hilfe gebrauchen.“

Sie lächelte. „Ein wenig Hilfe? Wohl eher eine komplette Anwaltskanzlei, aber ich kann mir nicht mal einen leisten.“ Sie steckte die Karte ein und gab ihm die Hand. „Nochmals danke.“

Er nahm sie, schüttelte sie jedoch nicht, sondern betrachtete ihre Handfläche. Als er lächelte, stockte ihr der Atem. „Also sind Sie nicht nur wegen eines Verkehrsvergehens hier, was?“

„Wie bitte?“

Seine Augen blitzten. „Ich verdiene eine Menge Geld damit, meine Mandanten zu durchschauen. Sie stehen wegen Banknotenfälschung vor Gericht, habe ich recht? Obwohl Sie Schwierigkeiten mit der Tinte haben.“

Sie spürte, wie ihr warm wurde, und ärgerte sich einmal mehr darüber, dass sie so schnell errötete. Die Farbe an ihren Händen war ihr immer noch peinlich.

„Grün“, sagte er und strich mit der Fingerspitze über den blassen Fleck. „Nicht ganz die Farbe des Geldes, aber dicht dran.“

Sie zog die Hand zurück und ballte sie hinter dem Rücken zur Faust. „Das Grün, das Sie sehen, ist die Farbe der Bäume im Nebel auf einer Insel im Puget Sound. Und ich habe hart gearbeitet, um sie so hinzubekommen, bevor ich ins Gericht musste.“

„Oh, Sie sind Anstreicherin?“

Sein Lächeln hatte noch nicht an Wirkung verloren, und sie musste sich konzentrieren, um ihm sachlich zu antworten. „Nein, ich bin Künstlerin, jedenfalls versuche ich, eine zu sein. Landschaften, Seestücke, Porträts, wissen Sie? Deshalb hatte ich es so eilig, als ich … gegen den Bordstein gefahren bin. Ich war auf dem Weg zu einem Galeristen wegen einer Ausstellung und wollte nicht zu spät kommen.“ Sie verzog das Gesicht. Der Galerist war verreist und kam erst in zwei Wochen zurück. „Ich kam zu spät.“

„Ich kenne einige Galeristen. Auf was malen Sie? Schwarzem Samt?“

Sie lachte und hielt sich die Hand vor den Mund, bis er danach griff, sie behutsam nach unten zog, aber nicht wieder losließ. Sie spürte, wie seine Finger sich um ihre schlossen, und wehrte sich nicht dagegen, denn die Berührung gab ihr irgendwie Halt.

„Es … tut mir leid“, sagte sie und hatte plötzlich Mühe, den nächsten Atemzug zu machen.

„Das muss es nicht“, erwiderte er. „Gehen wir irgendwohin, wo wir plaudern können.“

„Hören Sie, Mr. Viera. Ich bin pleite. Ich bin eine arme Künstlerin, und wenn ich einen Anwalt bekomme, wird er ein vom Gericht gestellter Pflichtverteidiger sein müssen. Trotzdem danke für alles.“

Er beugte sich zu ihr. „Habe ich etwas von Geld gesagt?“

Seine Antwort verwirrte sie noch mehr. Bot er ihr außer dem Halt etwa auch noch Hilfe an? „Ich habe angenommen …“

„Man nennt so etwas einen Pro-bono-Fall“, unterbrach er sie. „Es kostet Sie nichts. Damit tun wir Anwälte Buße für die Fälle, von denen wir wünschen, wir hätten sie nie übernommen.“ Er lächelte verlegen. „Ich bin gut. Ich kann Ihnen helfen, es sei denn, Sie sind eine Serienmörderin.“ Das Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. „Und selbst wenn Sie eine Serienmörderin wären, würde ich Sie vermutlich freibekommen. Können wir jetzt irgendwo in Ruhe darüber reden?“

Er war ein Fremder, aber Sam wusste, dass sie mit ihm gehen würde. Sie wusste, dass er ihr helfen würde. Und noch etwas wusste sie. Nicholas Viera würde ihr Leben verändern.

1. KAPITEL

Neun Monate später

Malibu, Kalifornien

Nick fühlte sich so elend, wie er es zuletzt als Kind im Internat getan hatte. Er hatte seinen letzten Termin an diesem Tag abgesagt, war nach Hause gefahren, hatte das vom Arzt verschriebene Medikament genommen und sich um kurz nach sieben mit seiner Erkältung im Bett verkrochen. Er hatte keinen Blick für den Ozean gehabt, der sich vor dem Fenster erstreckte, sondern war sofort eingeschlafen.

Aber irgendwann in der Nacht war es mit der erholsamen Ruhe vorbei. Der Traum kam, der Traum von Sam und ihm. Seit sie gegangen war, hatte er oft von ihr geträumt und war am Morgen darauf rastlos und zerschlagen aufgewacht. Aber diesmal war es anders. Vielleicht lag es am Medikament. Die Bilder vor seinen Augen waren klar und deutlich, nicht verschwommen wie sonst immer.

Sam war von einem Tag zum anderen in sein Leben getreten und hatte es auf den Kopf gestellt. Und dann war sie ebenso plötzlich wieder verschwunden, und er hatte vergeblich versucht, sie zu vergessen. Aber jetzt hatte ihr Anblick sich in seine Seele eingebrannt. So sehr, dass er sich fragte, ob der Traum Wirklichkeit war und sein Leben nur ein Traum.

Sam mit den goldenen Locken, der schlanken Anmut, den grünen Augen. Die Faszination, die er damals bei ihrer ersten Begegnung im Gerichtssaal verspürt hatte, war noch da.

Und dann war sie plötzlich fort. Jäh aus seinen Armen gerissen. Keine Wärme mehr. Kein Einssein. Kein Sichverlieren. Nur die Kälte, die sie vertrieben hatte, als sie gekommen war, und die zurückkehrte, als sie ging.

Das Telefon läutete, und Nick zuckte hoch. Er wischte sich über das verschwitzte Gesicht und riss mit zitternder Hand den Hörer von der Gabel.

Es war der Auftragsdienst, der ihm die Anrufe der letzten Stunden vorspielte. Nur einer hatte angerufen. Sein Scheidungsanwalt. Und es ging um Samantha.

„Nick, hier ist Jerod Danforth“, begann die Aufzeichnung. „Die Papiere sind fertig. Komm doch in der Kanzlei vorbei, um sie zu unterschreiben. Damit ist die Scheidung so gut wie durch. Nur ein paar Minuten. Ganz einfach. Ruf mich an, ja?“

Nick legte auf und ließ sich aufs Bett fallen. Verdammt, das war das Letzte, was er jetzt brauchte. Das endgültige Aus für eine Ehe, die in etwa so dauerhaft wie ein Blitzschlag gewesen war. Einen Moment lang intensiv und blendend, dann vorbei, als hätte es ihn nie gegeben.

„Ganz einfach“, hatte Danforth gesagt.

Nein, bei Sam war nichts einfach gewesen. Ihre erste Begegnung nicht, und auch nicht, als sie ihn vor sechs Monaten verlassen hatte. Na gut. Er würde zu Danforth gehen und einen Schlussstrich unter die Verrücktheit ziehen, die Sam in sein Leben gebracht hatte. Als er sich wieder aufsetzte, spürte er den Trennungsschmerz wie ein Ziehen in seinem Körper.

Ja, er musste vergessen, dass es jemals geschehen war. Er musste Sam vergessen. Er stand auf und eilte ins Badezimmer. Und unter die kalte Dusche.

Samantha wollte gerade ihr Hotelzimmer in Brentwood verlassen, als das Telefon läutete. Sie eilte zurück. „Ja, hallo?“

„Samantha, hier ist May Douglas.“

Es war die Witwe, von der Sam das Cottage in Jensen Pass, einer Kleinstadt in Nordkalifornien, gemietet hatte. Das kleine Blockhaus, in dem Sam lebte und arbeitete, war ursprünglich für Mays Ehemann, einen Schriftsteller, gebaut worden und hatte einen herrlichen Blick auf den Pazifik. Nach der Trennung von Nick hatte Sam dort Ruhe und Frieden gefunden. May Douglas, die in einer viktorianischen Villa lebte, zu der das Cottage gehörte, war eine großmütterliche Frau, die sich rührend um sie kümmerte.

„Mrs. Douglas, wie schön“, antwortete Sam. „Ich hoffe, es gibt kein Problem.“

„Natürlich nicht, Liebes. Owen geht es besser, aber er ist etwas mürrisch, weil ich ihm Medizin geben musste, die er hasst.“

Bestimmt hatte die Lady nicht angerufen, um Sam von Owen zu erzählen.

„Ach ja, haben Sie die Ausstellung bekommen?“, erkundigte sich Mrs. Douglas, bevor Sam nachfragen konnte.

„Der Galerist ist interessiert. Ich soll ihm noch ein paar Bilder bringen, dann wird er sich entscheiden.“

„Sie werden ihm gefallen, Liebes, da bin ich sicher. Kommen Sie morgen zurück?“

„Ja, am Nachmittag.“

„Wunderbar. Ich mache uns Tee, und dann reden wir.“

„Ich freue mich schon darauf“, sagte Sam. Sie wollte sich gerade verabschieden, als Mrs. Douglas noch etwas einfiel.

„Oh, jetzt hätte ich fast vergessen, was ich Ihnen erzählen wollte. Ich war gerade im Cottage, um die Blumen zu gießen, als das Telefon läutete. Ich weiß, ich hätte es dem Anrufbeantworter überlassen können, aber das ist so unpersönlich, also habe ich abgenommen. Ich hoffe, das ist okay?“

„Natürlich. War es wichtig?“

„Augenblick.“ Sam hörte Papier rascheln, bevor ihre Vermieterin weitersprach. „Mal sehen, ob ich meine Handschrift lesen kann. Ja, es war die Sekretärin eines Mr. Danforth. Sie rief an, um Ihnen zu sagen, dass Sie die Scheidungspapiere jetzt unterschreiben können. Sie möchten sich bei ihm melden, um einen Termin zu vereinbaren.“

Sam ließ sich aufs Bett sinken. Die Scheidung. „Sonst noch etwas?“, fragte sie betrübt.

„Nein. Aber sie hat mir erzählt, dass Sie nur drei Monate verheiratet waren. Warum haben Sie die Ehe nicht einfach annullieren lassen? Ich meine, drei Monate sind doch gar keine richtige Ehe.“

Die alte Dame konnte nicht ahnen, wie recht sie hatte. „Nick hat sich um alles gekümmert. Er ist Anwalt, und ich dachte mir, er wird schon wissen, was zu tun ist.“

Sam schloss die Augen, riss sie jedoch sofort wieder auf, als sie Nick vor sich sah. Verdammt, seit sechs Monaten versuchte sie, ihn zu vergessen. Sie war in den Norden gezogen, um ganz von vorn anzufangen. Aber plötzlich war er wieder da, groß und schlank, mit einem Blick, der bis in ihre Seele zu dringen schien.

Aber sie hatte sich getäuscht. In Wirklichkeit hatte er ihr nicht in die Seele schauen können. Er hatte sie gar nicht richtig gekannt. Er hatte mit ihr zusammen sein wollen, aber die Ehe, auf der sie bestand, hatte er nicht gewollt. Leider hatte sie das zu spät gemerkt. Das und viele andere Dinge. Sam schüttelte den Kopf, um die schmerzlichen Erinnerungen zu vertreiben.

„Es ist sinnlos, in die Vergangenheit zu schauen“, sagte sie. Vor allem dann, wenn die Rückschau so wehtat.

„Sie haben recht, Samantha. Sie sind jung und haben so viel vor sich. Auf die Zukunft kommt es an.“

„Danke, Mrs. Douglas“, sagte Sam. „Wir sehen uns morgen.“

„Gute Reise, Liebes. Und melden Sie sich doch gleich bei mir, damit ich weiß, dass Sie zu Hause sind.“

„Das tue ich“, versprach Sam und legte auf.

Die Scheidung war reine Formsache, mehr nicht. Aber das half nicht gegen die schmerzhaften Erinnerungen an jene Nacht, in der ihre Ehe zu Ende gegangen war. Nick hatte mit Greg O’Neill, seinem Freund und Partner, auf der dunklen Terrasse ihres Strandhauses in Malibu gesessen. Vom Wohnzimmer aus hatte sie jedes Wort gehört.

„Mein Gott, Greg“, hatte Nick gesagt. „Da habe ich mir ganz schön was eingebrockt. Diese Ehe …“ Sie hatte gehört, wie die beiden Männer mit den Gläsern anstießen. „Ich weiß nicht einmal, wie es dazu gekommen ist. Ich kannte sie erst zwei Wochen.“

Sam versuchte, die Erinnerung wieder zu verdrängen, aber die Stimmen wollten nicht verstummen.

„Du hast einen Richter bestochen, nicht wahr?“, fragte Greg lachend.

Sie stand nur wenige Schritte von der Terrassentür entfernt und wartete darauf, dass Nick in das Lachen einstimmte und sich alles als Scherz herausstellte.

Aber Nick lachte nicht. „Bestochen? Nein, aber er war mir einen Gefallen schuldig. Leider … Wenn ich drei Tage hätte warten müssen, wer weiß?“

„Du hättest es nicht getan?“, fragte Greg.

„Ich wäre zur Vernunft gekommen“, erwiderte Nick, und sie hörte es an seiner Stimme, dass er die Wahrheit sagte. „Die Ehe ist doch ein unnormaler Zustand. Möchte wissen, wer auf die Idee gekommen ist, dass zwei Menschen das ganze Leben miteinander verbringen können.“

Sam hatte gewusst, dass es zwischen ihnen nicht zum Besten stand und sie in vielerlei Hinsicht noch Fremde waren. Sie war bei wechselnden Pflegeeltern aufgewachsen und hatte sich immer nach einer richtigen Familie gesehnt, aber jetzt war ihr klar, dass es die mit Nick nicht geben würde.

So schmerzhaft es war, sie wusste, was sie tun musste. Wenn sie erst die Scheidungspapiere unterschrieben hatte, würde sie in ihr richtiges Leben zurückkehren und anfangen können, Nick zu vergessen … Zum zweiten Mal.

2. KAPITEL

Als Nick an diesem Nachmittag in Danforths Kanzlei eintraf, ging es ihm noch schlechter. Sein Körper schmerzte an Stellen, die er noch nie gespürt hatte, und jeder Schritt war eine Qual.

Er nickte der Sekretärin zu und kniff die Augen zusammen, als es hinter der Stirn wieder zu hämmern begann. „Marge, ich brauche nur eine Minute seiner Zeit.“

„Ich bin nicht sicher, ob er …“

„Es wird nicht lange dauern“, unterbrach er sie und ging an ihr vorbei.

Er klopfte an Danforths Tür.

Sein Anwaltskollege öffnete ihm. „Ich habe dich nicht erwartet“, sagte er mit seiner dröhnenden Stimme, die vor Gericht so wirkungsvoll, im Moment jedoch schmerzhaft laut war. „Du hast nicht zurückgerufen.“ Danforth trat zurück. „Aber komm erst einmal herein.“

„Ich habe deine Nachricht erst heute Morgen bekommen“, murmelte Nick. „Also bin ich gleich …“

Er verstummte, als er die Frau, von der er in der Nacht geträumt hatte, plötzlich in Fleisch und Blut vor sich sah. Ein paar lange Schritte, und er hätte Sam berühren können. Sam in einem figurbetonten blauen Sommerkleid. Die Locken waren fast alle verschwunden. Eine modisch kurze Frisur ließ ihr Gesicht noch anmutiger und die Augen noch grüner erscheinen.

War es doch nur ein Traum? Eine Halluzination, verursacht durch die Medikamente? Automatisch machte er einen Schritt nach vorn, blieb jedoch stehen, als die Erscheinung tief Luft holte und seinen Namen flüsterte.

„Nicholas.“

Er musste selbst durchatmen und antwortete ruhiger, als er es sich zugetraut hätte. „Sam. Ich hatte ja keine Ahnung, dass du in Los Angeles bist.“

„Ich … bin nur für ein paar Tage hier. Morgen fahre ich nach Hause.“

Jetzt fiel es ihm wieder ein. Danforth hatte ihm ihre Adresse genannt. Jensen Pass, ein winziges Küstendorf nördlich von San Francisco. Und genau dort sollte sie sein, nicht hier, vor einem gewaltigen Schreibtisch aus Kirschholz, mit Papieren in der Hand, den erstaunten Blick auf ihn gerichtet, als wäre er ein Außerirdischer.

Als Sam sich straffte, griff Danforth hastig ein. „Diese Situation ist für beide Parteien vielleicht peinlich“, sagte er. „Pass auf, Nick, ich schicke dir die Unterlagen morgen per Kurier ins Büro.“

Nick brauchte frische Luft, aber er blieb. Es war höchste Zeit, diese Sache abzuschließen. Endgültig. „Nein, nicht nötig. Bringen wir es hinter uns. Hier und jetzt.“

Er sagte es schärfer, als er beabsichtigt hatte, und ihm entging nicht, wie Sams Mund noch schmaler wurde.

„Ich wollte gerade gehen“, erwiderte sie leise und senkte die Lider, um ihre Gefühle vor ihm zu verbergen. Während sie weitersprach, schob sie einige Papiere in einen Umschlag. „Ich bin hier fertig.“ Ihre Stimme schien ein Echo zu haben. Natürlich konnte es in diesem luxuriösen Büro so etwas nicht geben. Nein, das Echo war in ihm. Sie sah Danforth an. „Ich werde sie lesen und schicke sie Ihnen so bald wie möglich zurück.“

„Ich kann einen Kurier in Ihr Hotel schicken“, bot Danforth an. „Rufen Sie einfach an, wenn Sie damit fertig sind.“

„Ich reise gleich morgen Früh ab, also schicke ich sie Ihnen zu.“

„Habt ihr bei euch in … Jensen Pass einen Kurierdienst?“, fragte Nick und verstand nicht, warum er so sarkastisch klang.

Sie drehte sich zu ihm um, in einer Hand den Umschlag, die andere am Medaillon. Es hatte einmal ihrer Mutter gehört, und früher war sein Foto darin gewesen. „Keine Sorge, wir haben Strom, fließend Wasser, sanitäre Anlagen und einen Kurierdienst. Wir sind keine Hinterwäldler.“

Er wusste nicht, was die Einwohner von Jensen Pass waren oder nicht waren. Er wusste nur, dass er immer sarkastischer wurde. „Du hast all den Luxus zurückgelassen, um die Papiere zu holen?“

Sie starrte auf den Umschlag. „Nein, ich hatte keine Ahnung …“

Sie strich sich mit der Zunge über die blassen Lippen, und der Anblick ging ihm so nah, dass er sich unwillkürlich räusperte, um nicht die Fassung zu verlieren. Was war los mit ihm? Es war, als könnte er Sam auf der Zunge schmecken.

„Ich war in der Stadt, um eine Ausstellung zu arrangieren. Das mit der Unterschrift … war nur …“

„Ein zusätzlicher Anreiz?“

Ihre Stirn legte sich in Falten, und die Wangen röteten sich. „Wohl kaum“, entgegnete sie und hob das Kinn ein wenig. „Aber es ist ganz praktisch.“

Plötzlich fühlten seine Beine sich an, als wären sie aus Gummi. Er tastete nach dem nächsten Stuhl und hielt sich an der Lehne fest. Danforth sagte etwas, und Nick musste sich konzentrieren, um es zu verstehen.

„Ich finde, Samantha hat recht. Es ist wirklich praktisch, dass beide Parteien anwesend sind. Da können wir gleich alles erledigen“, schlug der Scheidungsanwalt vor.

„Meinetwegen“, murmelte Nick.

„Ich will nichts von Nick“, sagte Sam. „Also dürfte es keine Probleme geben. Ich verstehe nur nicht, warum wir keine Annullierung der Ehe beantragt haben.“

Danforth sah Nick an. „Davon hast du mir nichts gesagt.“

„Ich habe nicht daran gedacht“, erwiderte Nick und packte die Lehne noch fester. „Aber wenn Sam lieber eine Annullierung …“

„Nein, nein“, unterbrach sie ihn. „Die Scheidung ist so gut wie durch. Alles andere wäre eine überflüssige Verzögerung.“

Und Betrug, dachte Nick. Denn ihre Ehe war vollzogen worden. Immer wieder. Sex war so ungefähr das Einzige gewesen, was sie beide gewollt hatten. Abgesehen von der Scheidung natürlich.

„Eine Scheidung ist in Ordnung“, sagte Sam, den Umschlag in der linken Hand, der ohne Ring. Der Ring mit dem einzelnen Brillanten lag dort, wo sie ihn zurückgelassen hatte. In der seitlichen Schublade seines Schreibtischs. Er hatte ihn nie wieder angesehen, seit sie fortgegangen war. „Aber ich muss die Papiere erst lesen, bevor ich sie unterschreibe.“

„Natürlich“, sagte Danforth.

Sam ließ das Medaillon los, legte die Hand in den Nacken, hob das Kinn noch ein wenig und gab dadurch den Blick auf ihren Hals frei. Schlagartig stieg in Nick die Erinnerung auf. Die Erinnerung daran, wie es war, ihre Haut an seiner zu fühlen, Hitze an Seide, ihren Puls an seinen Lippen. Er räusperte sich. „Was macht die Arbeit?“

Sie sah ihn an, und ihm wurde fast schwindlig. Lag es an der Grippe oder an ihren grünen Augen? „Ich arbeite gerade an mehreren Bildern. Gut möglich, dass sie für die Orleans-Serie ausgewählt werden. Das sind Kinderbücher“, erklärte sie. „Es geht um Ehre, Wahrheit, Loyalität … um gute Taten.“

Irgendwie hatte er das Gefühl, dass das gegen ihn gerichtet war. „Eine Serie?“

„Fünf Titel sind geplant. Der Verlag hat ein paar von meinen anderen Illustrationen gesehen und fand sie gut.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Sehr gut sogar.“

Einen Moment lang glaubte er, sie würde lächeln, und wappnete sich dagegen. Er erinnerte sich an ihr Lächeln und das, was es bei ihrer allerersten Begegnung in ihm angerichtet hatte.

„Offenbar bist du sehr gut“, murmelte er. „Das klingt, als würde es dir nicht schlecht gehen.“

Er fragte sich, warum er sie hatte gehen lassen. Aber erst als Sam fortfuhr, kannte er die Antwort.

„Ich arbeite gern bei Kinderbüchern mit.“

Kinder. Das war einer der Gründe, an denen ihre Ehe gescheitert war. Sie hatten am Strand gesessen, abends, kurz vor Sonnenuntergang, und Sam hatte die Arme um die angezogenen Beine geschlungen, während sie auf den Horizont starrte.

„Hier sollten Kinder aufwachsen.“

Er hatte etwas Zustimmendes von sich gegeben, aber viel interessanter war ihr knapper blauer Bikini gewesen. Und wann sie ins Haus zurückkehren konnten, um endlich wieder miteinander zu schlafen.

„Ich wollte meine Kinder immer am Meer aufziehen. Das war die schönste Zeit meines Lebens … oben in Jensen Pass. Der Ozean war für mich … Freiheit. Ich wusste, wenn ich einmal heirate, wollte ich wie er sein, und meine Kinder sollten wie Fische im Wasser sein.“

„Ein schöner Traum“, sagte er damals.

„Das ist es, was ich will“, erwiderte sie. „Einen Ehemann und Kinder … eine Familie.“

Er wollte nur sie, nicht ihre Träume.

Er wollte keine Kinder, wollte sich nicht fesseln lassen. Sie wollte er, also hob er sie auf die Arme und trug sie ins Haus.

Es war das letzte Mal gewesen, dass er sie berührt hatte.

„Kinder“, wiederholte er jetzt, in Danforths Büro, in der Kanzlei des Scheidungsanwalts. „Es freut mich, dass es dir gut geht.“ Er sah zur Seite und bereute zutiefst, dass er sich zu der Heirat hatte hinreißen lassen. Sie hatte es gewollt, und er hatte nicht an die Folgen gedacht. Sie waren einander fremd gewesen und waren es geblieben. Ehemann und Ehefrau, aber Fremde.

„Und wie ist es dir ergangen?“, wollte Sam wissen, und die Frage traf ihn unvorbereitet.

Er wehrte sich gegen das Verlangen und die Sehnsucht nach ihr, die in ihm aufstieg, sobald er in ihrer Nähe war. „Ich arbeite viel“, wich er aus.

„Natürlich“, sagte sie sanft. „Der Verteidiger der Schuldlosen. Der Retter derjenigen, die ihre Unschuld nicht beweisen können?“

Sein Kopfschmerz verschlimmerte sich mit jedem Echo aus der Vergangenheit. Wie können Sie mich verteidigen, wenn Sie genau wissen, dass ich all das getan habe, was man mir vorwirft? Ich meine, ich wollte es nicht tun, aber ich bin trotzdem schuldig, hatte sie damals gesagt.

Und jetzt kam seine Antwort so schnell und selbstverständlich wie vor so langer Zeit. „Jeder hat das Recht auf einen Verteidiger, und ich bin gut.“ Er hatte dafür gesorgt, dass sie mit nicht mehr als einer Geldstrafe, einer Nachschulung und einem dreimonatigen Führerscheinentzug davonkam. Nach dem, was sie getan hatte, war das höchstens ein Klaps auf die Finger. „Ich habe dich vor dem Gefängnis bewahrt, oder?“

„Sicher. Aber wie gesagt, ich war keine Serienmörderin.“

„Du bist wie eine gefahren.“

Sie kehrte ihm den Rücken zu und konzentrierte sich auf Danforth. Aber es half nichts. Nicks Anblick schien sich ihr eingebrannt zu haben. Der dunkelblaue Anzug, das gestreifte Hemd mit der roten Krawatte. Das Haar war etwas länger als früher und aus dem markanten Gesicht gekämmt. Und aus den Augen, die sie so gut kannte. Eines war wie immer. Nick war verdammt sexy. Selbst dann, wenn es ihm nicht gut zu gehen schien.

Noch immer wirkte er so auf sie wie damals, als er zum ersten Mal mit seiner leisen, rauen Stimme zu ihr gesprochen und sie sanft, wie zufällig berührt hatte. Sam holte tief Luft. Sie sollte sofort nach Hause fahren, doch das ging erst morgen. Bis dahin musste sie nur dieses Büro und Nick hinter sich lassen.

„Mr. Danforth, Sie bekommen diese Papiere zurück, bevor ich morgen abfliege“, versprach sie.

„Sehr schön.“ Der Mann schien froh zu sein, dass sie ging, bevor es zur Explosion kam. „Wirklich sehr schön.“

Sie griff nach ihrer weißen Tasche und wandte sich zum Gehen. Sie war fast an der Tür, als sie Nicks Stimme hörte. „Sam?“

Sie blieb stehen, drehte sich jedoch nicht um. „Ja?“

„Es tut mir leid.“

Reglos stand Sam da und wusste nicht, was sie tun sollte. Es tat ihm leid. Aus irgendeinem Grund half ihr das, die Verwirrtheit zu überwinden und zum alten Zorn zurückzufinden. Sie dachte an den Moment, in dem ihr klar geworden war, dass ihre Ehe vorbei war. Dass Nick ihr fremd geblieben war.

Als sie an jenem Tag vom Strand nach Hause gekommen waren, hatten sie miteinander geschlafen. Leidenschaftlich, verzweifelt, zum letzten Mal. Danach hatte sie sich in ihre Malerei vertieft, und als der Abend angebrochen war, hatte sie Stimmen gehört.

Sie wischte sich die farbverschmierten Hände ab und ging hinüber. Nick und Greg O’Neill saßen auf der dunklen Terrasse.

„Mein Gott, Greg, ich weiß nicht mehr, was ich tun soll“, hörte sie Nick sagen. „Erst diese Ehe, und jetzt … will Sam auch noch Kinder. Wenn es so weitergeht, will sie bald auch noch einen Jägerzaun und Gänseblümchen im Garten.“

Greg lachte. „Du würdest gern alles rückgängig machen, was?“

„Nur die Ehe. Gegen eine Affäre hätte ich nichts gehabt.“

„Du liebst sie nicht?“, fragte Nicks Freund.

Sam hielt den Atem an, bis Nick antwortete.

„Lieben? Ich begehre sie. Dagegen kann ich nichts tun. Aber Liebe? Die gibt es nicht.“

Das war der Moment, in dem ihr Traum zerstoben war.

Der Schmerz hatte sich seitdem nicht gelegt, und sie biss sich auf die Lippe. Sie hätte Danforths Büro auf der Stelle verlassen, wenn Nick geschwiegen hätte. Doch das tat er nicht.

„Sam? Ich sagte, es tut mir leid.“

Sie atmete tief durch, um ihr hämmerndes Herz zu beruhigen, und zwang sich, über die Schulter zu schauen.

Er saß noch immer auf dem Stuhl, die Hände auf den Oberschenkeln. Ihr tat es auch leid. Dass sie sich nachts an ihn geschmiegt hatte, dass sie ihn berührt hatte, dass sie sich von ihm hatte berühren lassen.

„Was tut dir leid?“, fragte sie mit gepresster Stimme.

„Dass ich nicht das war, was du brauchtest.“

„Das ist nicht deine Schuld. Du hast dich eben nicht als der Mann entpuppt, für den ich dich gehalten habe“, sagte sie leise. „Ich habe mir etwas vorgemacht.“ Sie öffnete die Tür und ging hinaus. Sie verließ Danforths Kanzlei, ohne nach links oder rechts zu sehen.

Erst am Fahrstuhl hatte sie wieder das Gefühl, atmen zu können. Obwohl zwischen Nick und ihr inzwischen zwanzig Meter und drei geschlossene Türen lagen, glaubte sie, seine Nähe zu spüren.

Sechs Monate hatte sie ohne ihn gelebt. Es war nicht das Leben, das sie sich erträumt hatte, aber es war ruhig und friedlich gewesen. Und jetzt brachte eine einzige flüchtige Begegnung sie aus dem mühsam wiedergewonnenen Gleichgewicht.

„Mrs. Viera?“

Sie zuckte zusammen. So hatte sie seit Monaten niemand mehr genannt. Die Fahrstuhltür war offen, und sie hatte keine Ahnung, wie lange sie schon so dastand und warum der ältere, ganz in Schwarz gekleidete Gentleman in der Kabine sie lächelnd betrachtete.

3. KAPITEL

Einen Moment lang glaubte Sam, sie hätte sich nur eingebildet, ihren erheirateten Namen gehört zu haben. Bis sie den Fahrstuhl betrat und der ältere Gentleman sie erneut ansprach. „Sie sind doch Mrs. Viera, nicht wahr?“

„Entschuldigung, kenne ich Sie?“

„Simon Curtis“, murmelte er. „Wir sind uns auf einem Empfang bei Richter Wagner begegnet. Am Unabhängigkeitstag im letzten Jahr.“

Sie erinnerte sich an ein Feuerwerk und Musik und viele Leute, aber nicht an den alten Herrn. „Natürlich“, erwiderte sie höflich. „Wie geht es Ihnen?“

„Ein junger Kollege braucht meinen Rat. Und wie geht es Ihnen?“

„Gut“, log sie.

„Und was macht die Malerei?“

„Der geht es auch gut, danke. Vielleicht stelle ich bald in der Berry Gallery aus.“

„Wie schön.“ Simon Curtis war sichtlich beeindruckt. „Ich habe mir dort eine Ausstellung angesehen. Meine Liebe, es ist ein angemessener Ort, um Ihre Werke zu präsentieren.“

„Ich hoffe sehr, dass es klappt.“

„Ihr Mann muss sehr stolz auf Sie sein.“ Er lächelte charmant. „Als ich Sie beide auf der Party sah, wusste ich gleich, dass Sie zusammengehören.“

Seine Worte trafen sie wie ein Schlag.

Sie starrte auf die Leuchtziffern über der Tür, während die Kabine nach unten glitt. „Wir lassen uns scheiden“, sagte sie, und in dem engen Raum klang es noch schrecklicher als sonst.

„Oh, das tut mir leid. Ich dachte nur … Es tut mir wirklich leid.“

„Das konnten Sie ja nicht wissen“, murmelte sie.

Der Fahrstuhl hielt in der zweiten Etage, die Tür ging auf, aber Mr. Curtis stieg nicht gleich aus. „Meine Liebe, es war schön, Sie wiederzusehen. Ich hoffe, Sie haben mit Ihrer Kunst großen Erfolg und finden, was Sie suchen.“

Sie umklammerte den Umschlag mit den Scheidungspapieren so fest, dass sie ihn fast zerknüllte. „Danke“, erwiderte sie, obwohl sie gar nicht mehr sicher war, was sie überhaupt suchte.

Er machte eine altmodische Verbeugung und stieg aus. Die Tür schloss sich hinter ihm, und Sam war allein, sehr allein. Sie hatte nicht oft geweint, seit sie Nick verlassen hatte, aber jetzt brannten ihre Augen.

Als der Fahrstuhl auf dem Parkdeck hielt, eilte sie zu ihrem Mietwagen. Sie warf ihre Handtasche und den Umschlag auf den Beifahrersitz und drehte den Zündschlüssel. Doch der sonst so verlässliche Motor des blauen Kleinwagens ließ sie im Stich. Sie versuchte es drei Mal. Ohne Erfolg.

Sam fluchte.

Und erschrak, als jemand an die Scheibe klopfte.

Sie schaute zur Seite. Dieser Tag wurde immer schlimmer. Es war Nick.

Mit einer Handbewegung forderte er sie auf, die Scheibe herunterzukurbeln. „Ich dachte, du wärst längst weg.“

„Ich auch“, murmelte sie und schlug mit der flachen Hand gegen das Lenkrad. „Das verdammte Ding springt nicht an.“

Er musste lächeln. Wie gut er das kannte! Sam brauchte nur in einen perfekt laufenden Wagen einzusteigen, und schon versagte das zuverlässigste Gefährt.

„Entschuldige die Frage, aber … hast du noch Benzin im Tank?“

„Den habe ich gerade erst gefüllt.“

„Steht der Hebel auf Parken?“

Sie warf einen Blick zwischen die Sitze.

„Auf P wie Parken.“

Er ging in die Hocke. „Und der Schlüssel …?“

„Ja, es ist der richtige Schlüssel“, antwortete sie gereizt.

„Okay“, sagte er und dachte daran, wie sie geschlagene fünf Minuten in seinem Jeep gesessen und sich gewundert hatte, warum der Schlüssel nicht ins Zündschloss passte.

„Es ist der Wagenschlüssel, nicht der vom Hotelzimmer. Du glaubst doch wohl nicht, dass ich versuchen würde, eine Plastikkarte hineinzustopfen.“

„Guter Punkt“, sagte er sanft.

„Deine Schlüssel sahen damals alle gleich aus, und jeder Wagen, den du fuhrst, war so verdammt kompliziert. Ich bin eben technisch völlig unbegabt.“

„Das erklärt nicht, warum du deine Reifen am Bordstein zum Platzen bringst.“

„Ein einziges Mal.“

„In letzter Zeit keine Festnahmen wegen Verkehrsgefährdung mehr?“

Sam starrte Nick an und fühlte sich in die Vergangenheit versetzt. Sie hasste es, so hilflos zu sein, und war sich bewusst, wie nah ihr seine Hände waren. Hände, die sie einst so zärtlich gestreichelt hatten und jetzt auf der Scheibe lagen. „Ich wurde nicht festgenommen.“

„Weil ich dich davor bewahrt habe.“

Erst jetzt bemerkte sie, wie blass er war. „Bist du krank?“

„Ich habe mich schon mal besser gefühlt.“

„Warum fährst du nicht nach Hause? Du siehst nicht gut aus, und ich muss die Mietwagenfirma anrufen.“

„Es ist nur eine leichte Grippe. Nichts Dramatisches.“

„Na ja, du siehst jedenfalls schrecklich aus“, sagte sie, obwohl er selbst so ungemein attraktiv war. Sie griff nach der Handtasche und nahm die Wagenpapiere heraus. „Hier muss doch irgendwo ein Telefon sein.“

Sie spürte, wie er sich kurz aufrichtete, und als sie den Kopf drehte, hielt er ihr ein Handy hin. „Bitte“, sagte er, als sie zögerte. „Garantiert keine Bakterien.“

Sie nahm es und rief die Mietwagenfirma an. Als sie erfuhr, dass sie frühestens in zwei Stunden einen Ersatzwagen bekommen würde, verzichtete sie und erklärte, dass sie ein Taxi nehmen würde. Sie klappte das Handy zu.

„Um diese Zeit in L.A. ein Taxi …“ Er schüttelte den Kopf. „Das wird nicht leicht.“

Sie nahm die Tasche und stieg aus. „Ich habe es schon mal geschafft.“

„Stimmt.“

Sie musterte ihn, und jetzt fielen ihr Dinge auf, die sie in Danforths Büro nicht bemerkt hatte. Die winzigen Falten um die Augen, der müde Blick und die Tatsache, dass er seine Krawatte abgenommen hatte. Er sah wirklich nicht gesund aus. Dass sie sich um ihn sorgte, ärgerte sie.

„Danke für deine Hilfe.“ Sie gab ihm das Handy zurück und zuckte zusammen, als seine Finger ihre streiften.

„Darf ich dir etwas vorschlagen?“ Er lehnte sich mit der Hüfte gegen ein graues Mercedes-Cabrio.

„Was denn?“

„Ich bin mit dem Wagen hier. Ich fahre dich ins Hotel. Dann brauchst du auf der Jagd nach einem Taxi nicht dein Leben zu riskieren.“

Sie antwortete nicht sofort. „Ich weiß nicht …“

„Ich werde dich nicht anhusten. Versprochen.“

„Du siehst wirklich schlimm aus“, sagte sie.

Er lächelte matt. „Danke, das brauchte ich“, sagte er und wurde wieder ernst. „Du dagegen siehst fantastisch aus. Offenbar bekommt dir das Leben in der Kleinstadt.“

„So klein ist Jensen Pass gar nicht“, widersprach sie. „Und du solltest dich hinsetzen.“

„Das werde ich … sobald du dich entschieden hast, ob ich dich fahren soll.“

Sie hatte ihn noch nie krank erlebt. Kunststück, so lange waren sie ja auch nicht zusammen gewesen. „Vielleicht sollte ich lieber fahren.“

Zu ihrem Glück lächelte er nicht wieder, sondern rieb sich das Gesicht. „Ich fahre“, sagte er und kniff die Augen zusammen, als täte ihm das grelle Licht auf dem Parkdeck weh. „Kommst du?“

„Ja.“

Er drehte sich um und öffnete die Beifahrertür des Mercedes-Cabrios. Der schnittige Wagen passte zu ihm. Sie hätte wissen müssen, dass es seiner war. „Neuer Wagen?“, fragte sie.

„Ja. Und ich möchte, dass er noch eine Weile heil bleibt.“

„So schlecht fahre ich nun auch …“

Er berührte sie an der Schulter. „Steig ein. Ich möchte mich jetzt nicht mit dir über deine Fahrkünste streiten.“

Seine Finger waren heiß an ihrer Haut, und sie warf ihm einen nervösen Blick zu, bevor sie auf den Ledersitz glitt. Als er sich ans Steuer setzte, umgab sie ein Duft, den sie schon fast vergessen hatte. Die Männlichkeit, die er verströmte, verschmolz mit dem milden Aftershave, das er immer trug.

Sie versuchte, nicht zu tief einzuatmen, als könne der Duft ihr zu Kopf steigen, und starrte auf die Konsole zwischen den Sitzen, um sich abzulenken. Zwischen all dem Wurzelholz und Leder fiel ihr etwas Goldglänzendes auf. Sie sah genauer hin. Es war ein Etui, eine winzige Schachtel wie die, in denen man Ringe verschenkte.

Hastig schaute sie zur Seite. Aber nicht schnell genug. Nick hatte es bemerkt, sagte jedoch nichts.

Ein Ring. Warum war die Vorstellung, dass es in Nicks Leben eine andere Frau gab, für sie so unerträglich? Sie war nicht so naiv gewesen, anzunehmen, dass er lange allein bleiben würde. Und sie selbst gehörte ja nicht mehr in sein Leben. Sobald die Papiere unterschrieben waren, gab es nichts mehr, das sie verband. Aber es tat weh, dass er sich so bald nach ihrer Trennung in eine neue Beziehung gestürzt hatte. Vielleicht war er deshalb trotz seiner Grippe bei Danforth gewesen, um die Scheidung zu beschleunigen.

„Wohin?“, fragte er, und fast wäre sie zusammengezuckt.

Sie nannte ihm ihr Hotel.

„Es geht dir also gut?“, sagte er, nachdem er sich in den dichten Nachmittagsverkehr eingefädelt hatte.

„Ja. Und dir?“

„Ebenfalls. Ich habe viel zu tun.“

„Du magst es, wenn du viel zu tun hast.“

„Manchmal.“ Er rieb sich den Nacken und drehte den Kopf langsam hin und her. „Heute hätte ich es gern etwas ruhiger gehabt.“

„Warst du den ganzen Tag im Gericht?“

Autor

Rae Anne Thayne
<p>RaeAnne Thayne hat als Redakteurin bei einer Tageszeitung gearbeitet, bevor sie anfing, sich ganz dem Schreiben ihrer berührenden Geschichten zu widmen. Inspiration findet sie in der Schönheit der Berge im Norden Utahs, wo sie mit ihrem Ehemann und ihren drei Kindern lebt.</p>
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