Liebe oder Karriere?

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Feurige Stunden unter der glühend roten Sonne Kaliforniens: Der temperamentvolle Rodeoreiter Russ verwirrt Abigails Sinne! So stark hat sie sich noch nie zu einem Mann hingezogen gefühlt. Dabei wollte die ehrgeizige Tierärztin sich nie mehr verlieben ...


  • Erscheinungstag 20.06.2019
  • ISBN / Artikelnummer 9783733747060
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG
1963

Spencer Ashton warf einen Blick auf seine Frau Sally und die zwei schreienden Babys auf ihrem Schoß, als er langsam über das Friedhofsgelände von Crawley fuhr. Verdammt, er freute sich unglaublich darauf, schon bald nicht mehr Sallys grenzenlose Liebe und Bewunderung und das unaufhörliche Geheule der Zwillinge ertragen zu müssen. Grant war nicht so schlimm. Der Junge hielt wenigstens gelegentlich den Mund. Aber Grace’ pausenloses Geschrei machte ihm das Leben zur Hölle. Und dieser Hölle wollte Spencer endlich entfliehen.

Im Rückspiegel sah er die Friedhofsarbeiter, die das frische Grab mit Erde auffüllten. Es war das Grab seines alles und jeden beherrschenden Vaters, der an einem Herzanfall gestorben war. Der Tod seines Vaters gab Spencer die lang ersehnte Freiheit. Jetzt konnte er Sally und die Zwillinge loswerden und Crawley, Nebraska, so weit hinter sich lassen, wie sein alter Ford und die hundert Dollar in seiner Tasche ihn brachten. Endlich konnte er seine eigenen Träume verwirklichen.

„Kannst du nicht dafür sorgen, dass das Gör endlich aufhört zu schreien?“, knurrte er, als das Geschrei des kleinen Mädchens an Lautstärke zunahm.

„Sie zahnt“, entgegnete Sally mit ihrer Singsangstimme, die ihm immer eine Gänsehaut verursachte. Sie gab dem Kind einen zärtlichen Kuss auf den kleinen Kopf und versuchte, es zu beruhigen. „Pst, nicht weinen, meine kleine Gracie. Daddy hört gar nicht gern, dass du Schmerzen hast.“

Spencer stieg jedes Mal die Galle hoch, wenn Sally von ihm als „Daddy“ sprach. Er hatte vielleicht die wehleidige Brut gezeugt, aber er war nie ihr Daddy gewesen und würde es auch niemals sein.

Er bog mit dem Truck in den staubigen Weg ein, der zur Barnett Farm führte. Glücklicherweise hatte Sallys Familie beschlossen, nach der Beerdigung noch in die Stadt zu fahren. Das erleichterte ihm sein Vorhaben und ersparte ihm die traurigen Blicke ihrer Eltern, mit denen sie ihn nervten, seit er gezwungen worden war, ihre Tochter zu heiraten und bei ihnen einzuziehen.

Spencer parkte den Truck, stieg aus und ging mit zielgerichteten Schritten auf das zweigeschossige Haus zu, das er als sein Gefängnis betrachtete. Er half Sally nicht mit den Zwillingen und blickte auch nicht zurück, um zu sehen, ob sie ihm folgte, als er die Treppe zur Veranda hinaufstieg und die Haustür öffnete. Immer zwei Stufen auf einmal nehmend stürmte er in das Schlafzimmer, das Sally und er seit ihrer Hochzeit teilten, und zog einen abgenutzten ledernden Matchbeutel aus dem Schrank.

„Spencer, was machst du?“, fragte Sally. Sie war völlig außer Atem. Wahrscheinlich, weil sie die beiden Babys ohne Hilfe die Treppe heraufgeschleppt hatte.

Was soll’s, dachte er und stopfte einige Kleidungsstücke in den Sack. Sie würde sich daran gewöhnen müssen, alles ohne Hilfe zu erledigen.

„Ich gehe.“

Ein unglaubliches Hochgefühl breitete sich in ihm aus, nachdem er seine Absicht laut ausgesprochen hatte. Auf diesen Tag hatte er von dem Moment an gewartet, als sein Vater ihn gezwungen hatte, Sally zu heiraten, nur weil er sie geschwängert hatte.

„Wohin gehst du?“ Beim Klang ihrer weinerlichen Stimme lief es ihm kalt über den Rücken. Als hätte jemand mit den Fingernägeln über eine Tafel gekratzt.

„So weit weg wie möglich von dir und deinen heulenden Blagen.“

Er wusste, dass seine Worte sie tief verletzten. Aber es war ihm egal. Sie und ihre Brut waren der Grund dafür, dass er seine Pläne für ein besseres Leben in den letzten fünfzehn Monaten hatte auf Eis legen müssen.

Ihre Schluchzer töteten ihm den letzten Nerv. Unbeherrscht riss er an dem Reißverschluss des Matchbeutels. Zum Teufel mit seinen restlichen Sachen. Er würde sich sowieso neue kaufen, sobald er in Kalifornien war.

Bestrebt, Sally und die wimmernden Zwillinge endlich zu verlassen, schnappte er sich den Sack und stürmte aus dem Zimmer. Er hörte ihre Schritte hinter sich, doch er drehte sich nicht um. Von jetzt an würde er nur noch nach vorn blicken.

Allerdings wollte er versuchen, mit seinem jüngeren Bruder in Kontakt zu bleiben. Spencer mochte ihn irgendwie.

Aber David hatte schon immer etwas von einem sentimentalen Deppen an sich gehabt. Obwohl die Farm der Ashtons kurz vor der Zwangsversteigerung stand und ihr Vater deshalb einen Herzanfall erlitten hatte und gestorben war, hatte der dumme Kerl Spencers Angebot abgelehnt, mit ihm zu gehen. David hatte gesagt, dass er sich nicht vorstellen konnte, irgendwo anders als in Nebraska zu leben. Er wollte einen Neuanfang in einer anderen Stadt starten – wieder an so einem gottverlassenen Ort wie Crawley.

Er war schon an der Tür, da rissen ihn Sallys Worte aus seinen Gedanken. „Aber dies … sind deine Kinder … Spencer. Bedeuten sie dir … gar nichts?“

Langsam drehte er sich um. Als er sah, wie sie sich krampfhaft an dem Treppenpfosten festklammerte, lächelte er sie verächtlich an. „Sie sind mir völlig schnuppe. Du und deine beiden schreienden Gören, ihr habt für mich nie existiert.“

Spencer sah, wie sie schluchzend auf dem Treppenabsatz zusammenbrach. Angewidert schüttelte er den Kopf, dann verließ er das Haus und schlug die Tür hinter sich zu.

Pfeifend marschierte er zu seinem Truck, warf den Matchsack auf den Sitz und setzte sich hinters Steuer. Er war jetzt ein freier Mann, und nichts konnte ihn mehr davon abhalten, endlich das Leben zu führen, das er nicht nur wollte, sondern seiner Meinung auch verdiente.

1. KAPITEL
Februar 2005

Abigail Ashton trat aus dem Kutscherhaus, warf den Kopf in den Nacken und genoss die warmen Sonnenstrahlen auf ihrem Gesicht. Der Februar in Kalifornien war nicht zu vergleichen mit dem Winter in West-Nebraska. Als sie gestern Morgen von Scottsbluff abgeflogen war, hatte das Thermometer unter null Grad angezeigt, und es lagen fast dreißig Zentimeter Schnee. Hier im Napa Valley herrschten im Vergleich dazu fast milde Temperaturen.

Kein Wunder, dass ihr Onkel seinen Aufenthalt in Kalifornien verlängert hatte. Nicht nur, dass er sich bislang vergeblich darum bemüht hatte, mit seinem Vater zusammenzutreffen, das Wetter allein war schon Grund genug zu bleiben.

Abby lächelte, als sie ihren Blick über das gepflegte Anwesen, The Vines, von Lucas und Caroline Sheppard schweifen ließ. Es war ausgesprochen großzügig von Caroline gewesen, sie und ihren Onkel Grant einzuladen, auf dem Weingut zu wohnen, solange sie im Napa Valley bleiben wollten.

In Anbetracht der Umstände hatte die Frau eigentlich keinen Grund, freundlich zu ihnen zu sein, geschweige denn, sie sogar zu mögen. Schließlich erinnerten sie Caroline schmerzlich an ihre erste Ehe – mit Abbys Großvater Spencer Ashton. Sie schüttelte empört den Kopf. Als der Mann Caroline geheiratet hatte, war ihm im Traum nicht eingefallen zu erwähnen, dass er bereits eine Familie in Nebraska hatte und von seiner ersten Frau Sally überhaupt nicht geschieden worden war.

Als Abby ihren Blick gedankenverloren über die ausgedehnten Weingärten hinter dem Anwesen schweifen ließ, empfand sie großes Mitleid mit Caroline. Die Frau hatte keine Ahnung davon gehabt, dass ihre Ehe mit Spencer gar nicht rechtsgültig war, bis Uncle Grant vergangenen Monat in Kalifornien aufgetaucht war, in der Hoffnung, seinen Vater das erste Mal nach über vierzig Jahren zu treffen.

Natürlich hatte die Neuigkeit sie geschockt, doch sie hatte Klasse bewiesen. Caroline war in Abbys Augen der Inbegriff einer großzügigen Frau. Nachdem sich erwiesen hatte, dass Uncle Grant tatsächlich Spencers Sohn war, hatte sie darauf bestanden, dass er ihre Kinder – seine Halbgeschwister – kennenlernen sollte. Familie war Familie.

Abby biss sich auf die Unterlippe. Sie machte sich Sorgen um Uncle Grant. Er wollte unbedingt seinem Vater gegenübertreten und die Gründe erfahren, warum er seine erste Familie im Stich gelassen hatte. Doch der alte Mann weigerte sich hartnäckig, mit seinem Sohn zu sprechen. Genauso wie er sich weigerte, Kontakt zu den Kindern zu halten, die er mit Caroline gezeugt hatte.

Abby schlenderte zu dem kleinen See hinter dem Kutscherhaus. Ihr war es egal, ob sie jemals ihren verlogenen Großvater kennenlernte oder nicht. Ein Mann, der seine junge Frau und die acht Monate alten Zwillinge in Nebraska allein ließ, dann eine andere Frau in Kalifornien heiratete, ohne überhaupt von der ersten Frau geschieden zu sein, und diese Frau dann wegen seiner Sekretärin verließ, mit der er seine dritte Familie gründete, war es nicht wert, dass man überhaupt einen Gedanken an ihn verschwendete, geschweige denn, ihn kennenlernte.

Abby sollte lieber an die schönen Dinge des Lebens denken. Sie hatte ihre Ausbildung mit großem Erfolg abgeschlossen und wollte jetzt jede Minute in diesem ersten Urlaub seit Jahren genießen. Anschließend würde sie sich entspannt und ausgeruht auf ihre berufliche Karriere in Crawley stürzen.

Tiefe Befriedigung, aber auch eine gewisse Spannung erfüllten sie. Bis Ende des Frühjahrs hatte sie endlich ihren Traum verwirklicht, den sie seit ihrem zwölften Lebensjahr träumte – sie würde als Tierärztin in ihrer eigenen Großtierpraxis arbeiten.

Ein verträumtes Lächeln erhellte Abbys Gesicht, als sie nicht weit entfernt von dem kleinen See die Ställe entdeckte. Sie marschierte direkt darauf zu. Das weiß gestrichene Gebäude mit den grünen Toren sah aus wie das Paradies eines Pferdeliebhabers, und sie konnte es kaum abwarten, in den Stall zu gelangen.

Die doppelten Stalltüren auf beiden Seiten standen offen, sodass frische Luft in den Stall wehte. Ohne zu überlegen trat Abby ein. Sie musste ihre Augen einen Moment lang an das Halbdunkel gewöhnen, dann aber hielt sie gebannt den Atem an. Der Stall war genauso, wie sie ihn sich vorgestellt hatte. Und noch schöner.

Die Pferdeboxen bestanden aus Massivholz mit Nut und Feder im unteren Teil und einem geschwungenen schwarzen Sprosseneinsatz im oberen Bereich, der heruntergeklappt werden konnte, damit die Pferde neugierig die Köpfe hinausstrecken konnten. Um eine optimale Belüftung der Boxen zu gewährleisten, war das Holz mit Lüftungsschlitzen versehen. Große, verstellbare Drehtüren erleichterten den Zutritt.

Ein wunderschöner Wallach, in der seltenen Farbe Blue Roan, steckte den Kopf über die Boxentür, als Abby herantrat. Sie blieb stehen und strich dem Pferd über die Nüstern. Dabei entdeckte sie, dass die Innenwände der Box aus feuerverzinktem und gegen Rost geschütztem Stahl bestanden und leicht abgespritzt und desinfiziert werden konnten. Als Tierärztin und Pferdeliebhaberin war sie sehr beeindruckt. Alles, was die Sheppards in diesem Stall zum Wohl der Tiere taten, fand bei ihr höchste Anerkennung.

Als sie so dastand und wünschte, sie hätte dieselben Bedingungen auf der Farm in Nebraska, erregte eine plötzliche Bewegung am anderen Ende des Stalls ihre Aufmerksamkeit.

Ein Mann mit breitkrempigem Cowboyhut, Baumwollhemd und Jeans öffnete eine der Boxentüren. Ihr erster Gedanke war, dass er besser in eine Scheune in Nebraska passen würde als in einen Stall auf einem kalifornischen Weingut, und sie musste unwillkürlich lächeln.

Doch ihr Lächeln verblasste schnell, und sie vergaß, wie deplatziert er wirkte, als er einen wunderschönen Apfelschimmel aus der Box führte. Das Pferd lahmte, offensichtlich stimmte etwas mit dem linken Hinterhuf nicht.

„Was ist passiert?“, fragte Abby und eilte zu ihnen.

Der Mann beugte sich vor, um die Stute zu untersuchen. Ohne einen Blick in Abbys Richtung zu werfen, sagte er: „Ich weiß nicht, wie sie es angestellt hat, aber Marsanne hat einen Schnitt am Fesselgelenk.“

„Ich sehe es mir an. Vielleicht kann ich ihr helfen.“

Er schüttelte den Kopf und richtete sich zu voller Größe auf. „Ich denke, wir überlassen es besser dem Tierarzt, sich darum zu kümmern.“

Abby hielt den Atem an, und ihr Pulsschlag stieg sprunghaft an, als er sich zu ihr drehte. Der Mann, der auf der anderen Seite der Stute stand, sah nicht nur gut aus, er war absolut umwerfend. Mit den glatten, dunkelblonden Haaren, die ihm unter dem schwarzen Cowboyhut tief in die Stirn fielen, dem sexy Dreitagebart und tollen blauen Augen war er ohne Zweifel der bestaussehende Cowboy, den sie je gesehen hatte. Ohne Einschränkung.

Als sie merkte, dass sie ihn wie ein Schulmädchen anstarrte, das zum ersten Mal verliebt war, riss sie sich zusammen und ging um das Pferd herum, um sich die Verletzung anzusehen. „Holen Sie den Sanitätskasten.“ Sie ging neben dem Pferd in die Hocke und untersuchte schnell die Wunde. „Der Schnitt ist nicht so tief, wie es zuerst den Anschein hatte. Sehnen und Bänder sind nicht verletzt, und die Wunde muss nicht genäht werden.“ Sie richtete sich wieder auf. Die Stallgasse verfügte über ein gutes Wasserablaufsystem, deshalb war es nicht notwendig, das Pferd zur Behandlung nach draußen zu bringen. „Könnten Sie den Wasserschlauch hierherbringen? Wir müssen die Wunde kalt abspülen, damit die Schwellung etwas abklingen kann, bevor ich einen Verband anlege.“

„Jetzt aber mal langsam, Lady. Sie machen an dem Pferd überhaupt nichts.“ Sichtlich verärgert legte er die Hand auf Abbys Schulter und zog sie kopfschüttelnd von der Stute weg. „Ich rufe den Tierarzt an, und Sie gehen zurück ins Haus, oder woher auch immer Sie gekommen sind.“

Ein erregendes Prickeln ging bei seiner Berührung durch ihren Körper, doch sie ließ sich nichts anmerken. Er war vielleicht der attraktivste Mann, der ihr in ihren vierundzwanzig Jahren begegnet war, aber sie gehörte nicht zu den Frauen, die sich von gutem Aussehen blenden ließen.

„Entschuldigen Sie, ich habe Ihren Namen nicht verstanden“, sagte sie, darauf bedacht, ihre Verärgerung nicht zu zeigen.

Er nahm die Hand von ihrer Schulter. „Russ Gannon.“

Er wollte sich umdrehen, doch Abby hinderte ihn daran, indem sie die Hand auf seinen Arm legte. Sie atmete etwas schneller, als sie die harten Muskeln unter dem blauen Hemd spürte. Dann konzentrierte sie sich auf die Stute, die behandelt werden musste. „Freut mich, Sie kennenzulernen, Russ. Mein Name ist Abigail Ashton, Dr. Abigail Ashton. Tierärztin. Bitte nennen Sie mich Abby.“

„Sie sind Tierärztin?“ Sein skeptischer Blick sagte ihr, dass er immer noch Zweifel hatte, ob er sie an eines der wertvollen Tiere der Sheppards heranlassen durfte.

„Für Großtiere“, fügte sie hinzu. „Und jetzt holen Sie den Sanitätskasten und einen Schlauch. Das Pferd muss medizinisch versorgt werden.“

Russ starrte die rothaarige Schönheit an, die ihm Befehle erteilte. Eine Tierärztin wie sie hatte er noch nicht kennengelernt. Überhaupt wurde der Beruf meist von Männern ausgeübt, und die hatten keine Augen, deren Farbe an taufrisches Gras erinnerte, oder sanfte, ebenmäßige Gesichtszüge, die genauso gut das Titelblatt eines Modemagazins zieren könnten.

Als sie sich hinunterbeugte, um die Wunde an Marsannes Fessel zu betrachten, bekam er bei dem Anblick ihres süßen Pos fast einen Herzinfarkt. Auch hatte keiner der ihm bekannten Tierärzte eine Figur, die den Verkehr zum Erliegen bringen könnte und die ihn daran erinnerte, wie lange er nicht mehr mit einer Frau zusammen gewesen war.

„Stehen Sie nicht einfach hier herum“, sagte sie ungeduldig. „Die Fessel der Stute muss behandelt werden. Und wenn Sie den Schlauch holen, bringen Sie gleich Vaseline mit und reiben Sie die Ferse damit ein, damit sie nicht wund wird.“

Russ drehte sich um, um das Gewünschte zu holen, obwohl er es nicht fassen konnte, dass er sich von dieser Frau so herumkommandieren ließ. Er war daran gewöhnt, Befehle zu erteilen, nicht, sie entgegenzunehmen.

Offensichtlich befand er sich in einer Art Schockzustand. Anders konnte er sich seine Reaktion nicht erklären.

Woher zum Teufel kommt sie überhaupt? fragte er sich. Er kannte alle Ashtons hier auf The Vines, und er hatte auch von den meisten Verwandten schon gehört. Ihr Name jedoch war ihm nicht geläufig.

Kopfschüttelnd holte er die gewünschten Dinge. Eines war sicher – wenn er sie früher schon kennengelernt hätte, würde er sich daran erinnern. Er hatte eine Schwäche für rothaarige Frauen. Und Dr. Abigail Ashton hatte nicht nur eine unglaubliche Haarfarbe und eine traumhafte Figur, sie war insgesamt einfach umwerfend.

„Wo bleiben Sie denn so lange?“, fragte sie, als er zurückkehrte.

„Hat Ihnen schon einmal jemand gesagt, dass Sie ganz schön bestimmend sind?“, knurrte er.

„Mein Bruder Ford hält mir das ständig vor.“ Sie zog ihre Jeansjacke aus, schob die Ärmel ihres blauen Pullovers bis zu den Ellenbogen hoch und steckte dann eine Haarsträhne, die sich aus ihrem Pferdeschwanz gelöst hatte, hinter das Ohr. „Und hat Ihnen schon einmal jemand gesagt, dass Sie langsamer als eine Schnecke sind?“

Russ starrte sie einen Moment lang an, dann brach er in schallendes Gelächter aus. Die Frau war nicht auf den Mund gefallen.

„Was halten Sie davon, wenn wir Waffenstillstand schließen, bis wir diese Stute behandelt haben?“, schlug sie lächelnd vor.

Ihm stockte das Herz. Wenn Abigail Ashton lächelte, war sie atemberaubend schön. Er holte tief Luft.

„Was ist los?“, fragte sie. „Sie sehen aus, als seien Sie völlig durch den Wind.“

Verdammt! Sah man ihm so deutlich an, dass seine Hormone plötzlich verrückt spielten? Vielleicht sollte er mal nach Napa fahren und sich eine Frau für eine heiße Nacht suchen.

„Alles okay“, log er.

„Gut.“ Sie reichte ihm den Topf mit der Vaseline. „Reiben Sie damit die Ferse der Stute ein, und dann spülen Sie kaltes Wasser über die Wunde.“ Sie machte ein nachdenkliches Gesicht. „Haben Sie zufällig auch Grüne Mineralerde?“

„Natürlich“, sagte er. „Zum Auflösen oder als Paste?“

„Die Paste, bitte. Ich möchte eine heiße Kompresse auflegen, um die Bakterien aus der Wunde zu ziehen. Gibt es hier heißes Wasser?“

Er nickte, stand auf und reichte ihr das Gefäß mit der Vaseline. „Ich hole welches, während Sie das Bein der Stute kühlen.“

„Das ist nicht nötig“, sagte sie lächelnd. „Sagen Sie mir einfach …“

„Ich kümmere mich darum“, unterbrach Russ sie höflich, aber bestimmt.

Er war vielleicht nicht so gebildet wie die Ashtons, aber er besaß Manieren. Und er würde nicht dastehen und tatenlos zusehen, wie eine Frau sich mit einem schweren Eimer Wasser abschleppte.

Außerdem brauchte er etwas Abstand zu ihr. Jedes Mal, wenn sie ihn so strahlend anlächelte, spielten seine Hormone verrückt, und sein Blutdruck schnellte in die Höhe.

Er holte tief Luft und rang um Fassung. Wenn er sich nicht endlich in den Griff bekam, dann duschte er sich am besten selbst mit dem Schlauch kalt ab, um sich zu beruhigen.

Russ beobachtete, wie Abby die Paste für die Wundheilung auflegte und mit einer Bandage fixierte. Glücklicherweise war Marsanne ein sehr gut dressiertes Pferd. Die Stute tolerierte die Behandlung, ohne sich selbst, Abby oder ihn zu verletzen.

„So, fürs Erste ist sie versorgt“, sagte Abby und stand auf. „Ich sehe morgen früh wieder nach ihr und lege einen neuen Verband an.“

Russ schluckte, als sie mit der Hand über das Hinterteil des Pferdes strich. Wie würde sich ihre zierliche Hand auf seiner Haut anfühlen?

Das Herz schlug ihm bis zum Hals. Was zum Teufel war nur mit ihm los? Er hatte Abby vor gerade einer Stunde kennengelernt und malte sich in seiner Fantasie jetzt schon aus, wie es wäre, von ihr berührt zu werden.

Oh, er musste unbedingt in die Stadt, ein kaltes Bier trinken und sich eine Frau für eine Nacht suchen – nicht unbedingt in der Reihenfolge.

Nachdem sie die Ärmel ihres Pullovers wieder hinuntergezogen und in ihre Jeansjacke geschlüpft war, drehte sie sich zu ihm und streckte die Hand aus. „Ich habe mich gefreut, Sie kennengelernt zu haben, Russ.“

Unwillkürlich nahm er ihre Hand, doch in dem Moment, als sich ihre Handflächen berührten, wusste er, dass er einen großen Fehler gemacht hatte. Der kurze Körperkontakt war wie ein elektrischer Schlag, durchzuckte seinen Arm, lief weiter durch seinen Oberkörper und schoss geradewegs in seine Lenden.

„Wir sehen uns“, stieß er hervor.

„Alles in Ordnung?“, fragte sie und ließ seine Hand schon wieder los. Ihre leichte Atemlosigkeit und die dezente Röte, die sich über ihre zarten Wangen zog, zeigten ihm, dass auch sie den Funken gespürt hatte, der übergesprungen war.

Gut. Zumindest war er nicht der Einzige, der dieses erregende Knistern wahrnahm.

„Ja, alles in Ordnung“, erwiderte er und unterdrückte ein Grinsen. „Und bei Ihnen?“

Sie hob den Kopf und straffte die Schultern, als sie an ihm und dem Pferd vorbeiging. „Es könnte nicht besser sein.“

Russ unterdrückte einen Seufzer, als er Abby nachsah, wie sie mit schwingenden Hüften die kurze Distanz zur Stalltür zurücklegte. Die Frau hatte Beine, die selbst einen Eunuchen in Versuchung führen könnten. Und er war alles andere als ein Eunuch. Sein Körper erinnerte ihn fast schmerzhaft daran.

Verärgert über sich selbst führte er Marsanne zurück in die Box. Dann steuerte er das andere Ende des Stalls an, wo seine eigenen Pferde Blue und Dancer standen. Selbst wenn die Frau zu einem heißen Urlaubsflirt bereit war, er war es nicht.

Autor

Kathie De Nosky
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