Liebesnächte im Wüstenpalast

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Liz Fielding
Cinderella und der Scheich

Diana darf Scheich Zahir, der zu Besuch in London ist, in einer Luxuslimousine durch die Stadt chauffieren. Ein aufregender Job - und mehr … Diana glaubt zu träumen, als Zahir sie auf seine Jacht einlädt, ein romantisches Picknick am Ufer der Themse vorschlägt, eine zärtliche Melodie summt, während sie in seinen Armen tanzt. Doch als ihr Traumprinz sie mitnimmt in sein exotisches Wüstenreich, mischt sich Wehmut in Dianas verliebtes Glück. Denn ihre Sehnsucht, für immer bei ihm zu bleiben, scheint vergeblich: Schon bald muss Zahir eine standesgemäße Prinzessin heiraten …

Tessa Radley
Mein geliebter Wüstenprinz

Als Jayne in das Scheichtum Zayed zurückkehrt, will sie nur eins: die Scheidung. Fünf Jahre hat sie ihren Mann nicht gesehen - und geglaubt, dass ihre Leidenschaft für ihn längst erkaltet ist. Weit gefehlt! Kaum entdeckt Jayne ihn im Flughafengebäude, steigen die Erinnerungen an wundervolle Zeiten in ihr auf. Insgeheim sehnt sie sich danach, noch eine heiße Nacht mit ihrem faszinierenden Wüstenprinzen zu verbringen, seine Lippen auf der erhitzten Haut zu spüren, seine Wärme … Halt! Tariq hat sie damals tief enttäuscht und wird sich bestimmt nicht geändert haben - oder?

Kate Hewitt
Palast der sinnlichen Träume

Immer, wenn Lucy in die Augen ihres kleinen Sohnes schaut, muss sie an seinen Vater denken: Scheich Khaled el Farrar, der nach leidenschaftlichen Nächten verschwand, noch bevor sie ihm ihr süßes Geheimnis verraten konnte … Doch jetzt ist der Moment der Wahrheit da: Ihr Job führt Lucy in den fernen Wüstenstaat Biryal. Mutig tritt sie Khaled in seinem märchenhaften Palast entgegen. Und spürt sofort: Noch immer schwelt ein sinnliches Feuer zwischen ihnen. Mit klopfendem Herzen erzählt sie ihm von seinem heimlichen Sohn. Jetzt liegt ihr Schicksal in den Händen des Scheichs … Liebesnacht im Wüstenpalast

Tessa Radley
Liebesnacht im Wüstenpalast

Wer ist dieser umwerfend attraktive Scheich? Nervös wendet Megan den Blick ab. Jacques wollte sie doch vom Flughafen abholen … Da hört sie eine tiefe Stimme ihren Namen sagen, dreht sich um - und schaut in die bernsteinfarbenen Augen des Scheichs, der ihr erklärt, dass Jacques verhindert sei. Irritiert lässt Megan sich von Prinz Shafir Al-Dhahara zu einer Limousine führen und findet sich bald in einem Märchenpalast in der Wüste wieder! Unter den glutvollen Blicken ihres sexy Entführers beginnt Megan plötzlich, von einer Liebesnacht unterm Sichelmond zu träumen.


  • Erscheinungstag 25.10.2013
  • ISBN / Artikelnummer 9783733786496
  • Seitenanzahl 608
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cover

Liz Fielding, Tessa Radley, Kate Hewitt

Liebesnächte im Wüstenpalast

Liz Fielding

Cinderella und der Scheich

IMPRESSUM

ROMANA erscheint im CORA Verlag GmbH & Co. KG,
20350 Hamburg, Axel-Springer-Platz 1

Cora-Logo Redaktion und Verlag:
Brieffach 8500, 20350 Hamburg
Telefon: 040/347-25852
Fax: 040/347-25991

© 2007 by Liz Fielding
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V., Amsterdam

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe ROMANA
Band 1749 - 2008 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg
Übersetzung: Name

Fotos: Andrea Zapf

Veröffentlicht im ePub Format im 03/2011 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

eBook-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 978-3-86349-341-7

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Führung in Lesezirkeln nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlages. Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte übernimmt der Verlag keine Haftung. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

 

1. KAPITEL

„Das soll genügen, Di.“

Diana Metcalfe stieg aus dem Minibus aus, den sie gerade geputzt hatte, steckte, während sie die Hecktür zuschlug, noch eine Handvoll zerknülltes Schokoladenpapier in ihre Overalltasche und wandte sich ihrer Chefin zu, die einen ziemlich angespannten Eindruck machte.

„Was ist los, Sadie?“

„Jack Lumley hat sich gerade krankgemeldet. Er ist heute schon der Dritte.“

„Mal wieder die Fleischpastete aus dem Bistro?“

„Sieht so aus, aber das ist Sache des Gesundheitsamts. Mein Problem besteht darin, dass mit Jack jetzt drei Fahrer ausfallen und in einer Stunde ein VIP mit dichtem Terminplan auf dem Londoner City Airport ankommt.“ Selbst angesichts dieses Dilemmas brachte sie ein kleines Lächeln zustande. „Bitte sag jetzt nicht, dass du heute Abend eine heiße Verabredung hast.“

„Nicht mal eine lauwarme.“ Woher sollte sie die Zeit nehmen, jemanden kennenzulernen? „Soll ich eine Schicht zusätzlich übernehmen?“

„Wenn es irgend möglich ist.“

„Ich denke schon. Ich muss nur Dad anrufen, damit er das Abendessen für Freddie macht.“

„Wie geht’s dem Strolch?“

„Wächst wie Unkraut.“

„Daisy will sich schon lange mal wieder mit ihm zum Spielen treffen.“ Nach einer kurzen Pause: „Ich mach’ was für die beiden aus, wenn ich deinen Dad anrufe. Du hast keine Zeit mehr dazu, wenn du rechtzeitig am Flughafen sein willst.“

Diana blinzelte. Am Flughafen …? „Moment mal, soll das heißen, dass ich den Promi fahre?“

„Du fährst den Promi.“

„Aber das geht nicht. Du kannst nicht …“

Sadie runzelte die Stirn. „Du hast dich doch mit dem Wagen vertraut gemacht, oder nicht?“

„Äh, ja schon …“ Grundsätzlich waren alle Fahrer in jeden Wagentyp von Capitol Cars eingewiesen worden. Theoretisch. Aber bei diesem Auto handelte es sich um die neueste, luxuriöseste und teuerste Limousine der Flotte. Sie war der ganze Stolz von Jack Lumley, dem VIP-Fahrer des Chauffeurdienstes. Diana hatte damit gerechnet, am Abend für ein paar kleinere Fahrten einspringen zu müssen. Nie wäre es ihr in den Sinn gekommen, dass sie hinter dem ledernen Steuer dieses Wagens sitzen sollte.

Oder dass man ihr einen der bedeutendsten Kunden anvertraute.

„Glück gehabt!“ Sadie war die Erleichterung anzumerken.

„Heilige Schei…“ Diana schlug sich mit der Hand auf den Mund, aber nicht schnell genug. Das verwünschte Wort war ihr schon herausgerutscht.

Sadie seufzte. „Sag bitte nicht, dass du im Schulbus solche Wörter benutzt, Diana.“ „Ich? Was glaubst du denn, wo ich das Wort aufgeschnappt habe?“

„Sind die Kinder wirklich so schlimm? Mein Vater hat das mit den Schulbussen eingeführt, um unser Stadtviertel zu unterstützen, aber wenn es so …“

„Die Kinder sind in Ordnung“, unterbrach Diana sie schnell. „Wirklich. Sie sind einfach in einem Alter, in dem sie Erwachsene provozieren wollen. Am besten, man reagiert nicht darauf.“

„Diana, am besten, man übernimmt nicht ihre Ausdrücke!“

„Aber ich …“ Angesichts ihres sprachlichen Patzers ruderte sie zurück. „Du hast recht.“

Sadie blickte gedankenverloren vor sich hin. „Vielleicht sollte ich Jack mal ein bis zwei Wochen den Schulbus fahren lassen. Er würde ihnen schon Manieren beibringen.“

Der Flottenchef von Capitol Cars sollte einen Minibus voller vorlauter Schulkinder fahren?

Diana grinste. „Das würde ich gerne sehen.“

Sie wechselten einen Blick. Zwei alleinerziehende Mütter. Die eine auf der untersten, die andere auf der obersten Sprosse in einer von Männern dominierten Branche. Beide hatten sie jeden abgedroschenen Witz über Frauen am Steuer zu hören bekommen. Bedauernd schüttelte Sadie den Kopf. „Er würde kündigen.“

„Absolut unter seiner Würde“, stimmte Diana ihr zu. „Dass ich heute seinen geliebten Wagen fahre, ist schon schlimm genug für ihn.“

Sadie unterdrückte ein Grinsen und war wieder ganz die Chefin. „Also denk dran, bei prominenten Kunden hat der Chauffeur äußerst höflich und zurückhaltend zu sein.“

„Verstanden.“

„Gut, dann informiere ich dich jetzt über den Terminplan von Scheich Zahir. Du kannst dich inzwischen umziehen, für diesen Job brauchst du die komplette Uniform. Und du brauchst gar nicht erst zu fragen: Ja, der Hut gehört auch dazu.“

„Sch… Scheich?“

Sie glaubte, ihren Ausrutscher gut kaschiert zu haben, aber Sadies Blick verriet, dass sie die Chefin nicht hinters Licht führen konnte.

„Scheich Zahir al-Khatib ist der Neffe des Emirs von Ramal Hamrah und der Cousin des Botschafters seines Landes. Außerdem ist er ein milliardenschwerer Geschäftsmann, der aus seinem Land ein hochexklusives, exotisches Touristenziel machen will.“

Diana wurde ernst. „Dann ist er wirklich erste Liga.“

„Absolut. Der Mercedes steht ihm während seines Aufenthalts rund um die Uhr zur Verfügung. Die Arbeitszeiten sind also flexibel. Aber wenn du mir heute über die Runden hilfst, sehe ich zu, dass ich für morgen einen Ersatzfahrer finde.“

„Das ist nicht nötig.“ Diana sagte es mit fester Stimme, in der Hoffnung, ihren Ausrutscher wiedergutzumachen. Auch wenn sie nicht Jack Lumley war, sollten ihre Kunden keinen Grund zur Klage haben. „Ich übernehme das. Zumindest bis Jack wieder gesund ist.“

Darauf hatte sie gewartet. Endlich eine Gelegenheit, bei der sie beweisen konnte, dass sie nicht nur den Schulbus und die Fahrten zum Flughafen meisterte, sondern auch einen Tycoon mit der Limousine chauffieren konnte. Auf keinen Fall würde sie den Mercedes freiwillig dem nächsten Mann übergeben, der nur darauf wartete, die Limousine zu fahren.

„Gib mir eine Chance, Sadie. Du wirst es nicht bereuen.“

Sadie strich ihr leicht über die Schulter, als Zeichen, dass sie verstand. „Lass uns sehen, wie es heute läuft, was meinst du?“

Okay. Sie hatte verstanden. Jetzt konnte sie zeigen, was in ihr steckte.

Entschlossen streifte sie die Plastikhandschuhe ab, die sie zum Putzen übergezogen hatte. Sie legte den Firmenoverall ab und zog eine gebügelte Hose an, dazu eine weiße Bluse statt ihres gewohnten Sweatshirts von Capitol Cars und darüber ihre weinrote Uniformjacke, die nur selten zum Einsatz kam.

Sadie las die Termine von einem Clipboard ab. „Scheich Zahir kommt mit einem Privatjet und landet voraussichtlich um siebzehn Uhr fünfzehn auf dem City Airport. Du wartest auf dem Kurzzeitparkplatz. Die VIP-Hostess hat die Nummer deines Autotelefons und ruft dich an, wenn das Flugzeug landet. Dann kannst du vorfahren.“

„Verstanden.“

„Als Erstes besucht er die Botschaft seines Landes in Belgravia. Dort bleibt er eine Stunde. Dann fährst du ihn in sein Hotel in der Park Lane. Um neunzehn Uhr fünfundvierzig bringst du ihn zu einem Empfang in die Riverside Gallery an der South Bank. Danach Dinner in Mayfair. Die Adressen stehen alle hier auf dem Blatt mit den Dienstanweisungen.“

„Belgravia, Mayfair …“ Lächelnd knöpfte Diana ihre Jacke zu. „Meine kühnsten Träume werden wahr. Soll ich mich in den Arm kneifen?“

„Bleib auf dem Teppich, Di. Und ruf mich an, okay? Wenn es Probleme gibt, will ich es von dir erfahren und nicht vom Kunden.“

Scheich Zahir bin Ali al-Khatib war noch in seine Arbeitsunterlagen vertieft, als der Jet landete und zum Terminal rollte.

„Wir sind angekommen, Zahir“. James Pierce nahm ihm den Laptop ab und übergab den Computer einem Sekretär. Dann legte er ein in Geschenkpapier eingewickeltes Päckchen vor den Scheich.

Zahir runzelte die Stirn und versuchte sich zu erinnern. Dann blickte er auf. „Hast du genau das bekommen, was sie sich wünscht?“, fragte er.

„Einer meiner Mitarbeiter hat es im Internet gefunden. Antik, venezianisch, sehr hübsch. Ich bin sicher, es wird der Prinzessin gefallen.“ Dann fuhr er fort: „Ihr gewohnter Fahrer wartet auf Sie. Wir haben heute Abend einen sehr engen Terminplan. Wenn Sie pünktlich zum Empfang kommen wollen, dürfen Sie die Botschaft nicht später als achtzehn Uhr fünfundvierzig verlassen.“

Diana fuhr am Eingang des Terminals vor, drückte den albernen kleinen Hut fest auf ihrem Haar zurecht, zog ihre Uniformjacke straff herunter und strich die weichen Lederhandschuhe glatt. Dann stieg sie aus und stellte sich wartend neben den hinteren Wagenschlag der Limousine. In ihrem Kopf schwirrten nur so die Filmbilder aus Lawrence von Arabien, aber sie rief sich zur Ordnung und stand aufrecht und gespannt, bereit, beim Erscheinen ihres Kunden in Aktion zu treten.

Doch sie wartete vergeblich auf fließende Gewänder und romantische Kopfbedeckungen, die im Wind flatterten.

Scheich Zahir al-Khatib schien sich an den Ratgeber für bequemes Reisen gehalten zu haben. Gleichwohl hätte sie ihn auch in legerer Kleidung und ohne seine VIP-Eskorte erkannt.

Die edlen grauen Jeans und die Bootsschuhe, die er ohne Socken trug, waren sportlich, aber teuer. Er selbst war groß und athletisch, mit dunklen Haaren, die sich im Nacken lockten. Auf den ersten Blick wirkte er eher wie ein Sportstar als wie ein milliardenschwerer Wirtschaftstycoon. Seine Kleidung und sein verwirrend gutes Aussehen unterstrichen noch seine lässige Arroganz und das aristokratische Selbstbewusstsein, das er ausstrahlte. Man spürte, dass ihm von Geburt an jeder Wunsch von den Augen abgelesen worden war.

Das leuchtend pinkfarbene, mit zahlreichen Bändern versehene Päckchen, das er in der Hand hielt, stand in starkem Kontrast zu seiner männlichen Ausstrahlung. Allein die mädchenhafte Verpackung genügte, um Diana aufzubringen.

Der Scheich selbst sah allerdings fantastisch aus, das musste sie zugeben.

Er blieb kurz am Ausgang stehen, um sich bei seinen Begleitern zu bedanken. Genug Zeit für Diana, ihr höfliches Lächeln aufzusetzen und sich in Erinnerung zu rufen, dass ihr übliches „Hatten Sie eine gute Reise?“ hier nicht angebracht war.

Es war ihr nicht gestattet zu plaudern. Ein gediegenes „Guten Tag, Sir“ war das Äußerste.

Das war nicht leicht für sie; denn es gab zwei Dinge, in denen sie gut war – Autofahren und Reden. In beiden Disziplinen war sie ein Naturtalent. Mit Ersterem verdiente sie ihren Lebensunterhalt, Letzteres gab’s umsonst.

Da sie meistens Kinder fuhr und bei Betriebsausflügen eingesetzt wurde, war das nie ein Problem gewesen, im Gegenteil. Doch ihr war klar, warum Sadie ihr diesen Kunden nur aus einer absoluten Notlage heraus anvertraute.

Nun konnte sie es allen beweisen – Sadie, ihren Eltern, den älteren Nachbarn, die sie immer so verächtlich ansahen. Sie würden schon sehen.

Dianas Lächeln entsprach genau den Vorschriften, als sie rasch die Wagentür öffnete.

„Guten Tag …“

Bis zum „Sir“ kam sie nicht mehr.

Ein kleiner Junge, der hinter anderen Passagieren aus dem Flughafengebäude gesaust kam, sprang mit affenartiger Geschwindigkeit auf die immer enger werdende Lücke zwischen Scheich Zahir und der Wagentür zu, um zu einer Frau zu gelangen, die gerade eingeparkt hatte. Dabei stolperte er über Dianas auf Hochglanz polierte Schuhe und stieß im gleichen Moment mit Scheich Zahir zusammen. Das pinkfarbene Päckchen flog in hohem Bogen durch die Luft.

Der Scheich reagierte blitzschnell. Er bekam den Jungen an seiner Jacke zu fassen und verhinderte einen Sturz.

Diana, auch nicht gerade langsam, machte einen Satz nach dem Geschenk. Sie bekam es an einem der Bänder zu fassen.

„Ja!“, rief sie triumphierend.

Zu früh.

„Neiiiin!“

Sie hielt das Band an einem Ende zwischen den Fingern, die Schleife öffnete sich, und das Geschenk landete mit einem Geräusch, das sehr nach zerbrechendem Glas klang, auf dem Asphalt.

Und da entfuhr ihr das Wort, das ihr – so hatte sie es Sadie hoch und heilig versprochen – nie, nie vor einem Kunden herausrutschen würde.

Vielleicht war Scheich Zahirs Englisch nicht gut genug, um es zu verstehen.

„Heh, wo brennt’s denn?“, fragte er den Jungen, stellte ihn wieder auf die Beine und zerstörte all ihre Hoffnungen bezüglich seiner sprachlichen Möglichkeiten.

Nur ein winziger Akzent verriet, dass Englisch nicht die Muttersprache des Scheichs war.

„Es tut mir ja so unendlich leid …“ Die Großmutter des Jungen kam herbeigeeilt und konnte es nicht fassen. „Bitte lassen Sie mich für den Schaden aufkommen.“

„Das ist nicht nötig“, antwortete Scheich Zahir und zerstreute ihre Besorgnis mit einem angedeuteten Kopfnicken. Ein Wüstenprinz durch und durch, auch ohne die äußeren Merkmale.

Während Diana die Überreste des zerbrochenen Geschenks aufhob, musste sie sich eingestehen, dass er eindeutig Klasse hatte.

Als sie wieder aufrecht stand und er sich zu ihr umdrehte, glaubte sie plötzlich, auf Treibsand zu stehen. Aus der Nähe war es unmöglich, sich seiner Anziehungskraft zu entziehen. Olivenfarbene Haut, dunkle Augen – wenn er lächelte, würde jede Frau schwach werden.

Aber er lächelte nicht. Scheich Zahir sah sie mit einem unergründlichen Blick an.

Erst als sie etwas sagen wollte, merkte sie, dass sie den Atem angehalten hatte.

„Es tut mir leid“, brachte sie schließlich hervor.

„Leid?“

Dass sie ihre Zunge nicht im Zaum gehalten hatte, dass sie das Päckchen nicht hatte retten können.

Letzteres schien ihr die unverfänglichere Entschuldigung. „Es ist leider kaputtgegangen.“ Als er es ihr aus der Hand nahm, fügte sie hinzu: „Und etwas läuft aus.“

Er blickte nach unten, hielt das Geschenk mit ausgestrecktem Arm von sich weg und sah sich nach einem Abfalleimer um. Das gab Diana einen kurzen Augenblick, um ihre Fassung zurückzugewinnen.

Das war also der Scheich. Seine Gesichtszüge hatten etwas Kantiges, Gefährliches, und er sah einfach umwerfend aus.

Aber er würde keinen Blick an sie verschwenden, selbst wenn sie es wollte. Und natürlich wollte sie es nicht.

Ein gefährlich aussehender Mann im Leben war mehr als genug.

Es befand sich kein Abfalleimer in der Nähe, und der Scheich gab ihr kurzerhand das Häuflein klebrigen Papiers zurück. Auch in dieser Situation ganz Mann – um den Schlamassel sollten sich andere kümmern …

„Sie sind nicht mein üblicher Fahrer“, sagte er.

„Nein, Sir.“ Auch den Sehtest hat er bestanden, dachte sie, als sie eine wasserdichte Spucktüte aus dem Handschuhfach zog und das Päckchen darin verstaute. „Was mag mich nur verraten haben?“, murmelte sie vor sich hin.

„Vielleicht der Bart?“, meinte er, als sie sich zu ihm umdrehte.

Auch sein Gehör war erstklassig.

Oh, zweimal Sch… Scheich!

„Daran kann es nicht liegen, Sir“, sagte sie und hoffte, dass die Anweisung ihres Gehirns, ein höfliches Lächeln aufzusetzen, bei ihren Mundwinkeln angekommen war. Die andere Anweisung, nämlich den Mund zu halten, war irgendwo unterwegs verloren gegangen. Von einem inneren Dämonen angestachelt, fügte ihr Sprachzentrum hinzu: „Ich könnte einen falschen tragen.“

Hatte man sich mit seinem losen Mundwerk einmal in Schwierigkeiten gebracht, lag die Rettung manchmal darin, einfach weiterzureden. Das wusste sie noch aus der Schulzeit. Wenn es ihr gelang, ihn zum Lachen zu bringen, kam sie vielleicht gerade noch einmal davon.

Lächle, bitte, bitte lächle!

„Das kommt ja häufiger vor, als man denkt“, fügte sie beinahe flüsternd hinzu, denn er lächelte nicht.

„Wie heißen Sie?“

„Sie brauchen sich meinen Namen nicht zu merken“, antwortete sie, scheinbar unbekümmert, „im Büro weiß man, wer Sie gefahren hat.“

Denn dort würde er anrufen, um sich zu beschweren.

Nicht einmal den ersten Tag hatte sie überstanden. Sadie würde sie umbringen, und das zu Recht.

„Im Büro weiß man es vielleicht, aber ich weiß es nicht.“

Dieser Mann überlässt nichts dem Zufall.

„Metcalfe, Sir.“

„Metcalfe.“ Er sah aus, als wolle er noch etwas hinzufügen, unterließ es aber. „Also, Metcalfe, fahren wir los. Ich habe nicht viel Zeit, und wir werden einen Umweg machen müssen, wenn wir das Geburtstagskind nicht enttäuschen wollen.“

„Geburtstagskind?“

„Prinzessin Ameerah ist die Tochter meines Cousins. Sie wird heute zehn. Ihr Herzenswunsch ist eine Schneekugel, und ich habe ihr versprochen, eine mitzubringen.“

„Oh.“ Ein kleines Mädchen also. Diana vergaß, dass sie nur reden sollte, wenn sie angesprochen wurde. „Ja, Schneekugeln sind wunderschön. Ich habe noch eine, die ich geschenkt bekam, als …“

Sie unterbrach sich. Wie konnte sie nur glauben, dass ihn das interessierte?

„Als …?“

„Äh, als ich sechs wurde.“

„Sechs.“ Anscheinend versuchte er sich vorzustellen, wie sie mit sechs ausgesehen haben mochte. „Die zerbrochene Kugel war antik, aus venezianischem Glas.“

„Für eine Zehnjährige?“ Die Worte waren heraus, bevor sie nachdenken konnte.

Er war im Begriff, in den Wagen zu steigen, hielt aber stirnrunzelnd inne.

„Glas, ob das so klug war?“ Sie hatte den Eindruck, dass seine Entscheidungen bisher nie kritisiert worden waren. Vielleicht konnte sie ihm auf die Sprünge helfen. „Meine ist aus Kunststoff.“ Sie stammte von einem Marktstand. „Nicht wertvoll …, aber sie wäre, äh, nicht zerbrochen.“

Halt schon endlich den Mund!

Sie zog kurz die Schultern hoch, als könne sie sich damit von ihren Worten distanzieren.

„Für ein Kind wäre vielleicht etwas weniger Zerbrechliches passender. Ich bin sicher, die Kugel, die Sie gekauft haben, war sehr schön“, fügte sie schnell hinzu, damit er nicht glaubte, sie kritisiere ihn. Sie hatte sich schon genug Schwierigkeiten eingehandelt. „Aber wahrscheinlich haben Sie keine eigenen Kinder.“

„Sie meinen, sonst wüsste ich es besser?“

„Hmm“, sagte sie. „Eine antike Glaskugel ist eher eine Kostbarkeit als ein Spielzeug.“ Sie bemühte sich zu lächeln, um das Gesagte ein wenig abzumildern.

„Das ist richtig.“ Er runzelte noch immer die Stirn, nicht ärgerlich, eher so, als dämmere ihm etwas.

Angestrengt lächelnd redete sie weiter. „Aber Prinzessinnen sind sicher nicht so ungeschickt wie gewöhnliche kleine Mädchen.“

„Meiner Erfahrung nach sind sie das schon.“

Diana blieb fast das Herz stehen, als er sie nun anlächelte und feine Fältchen um seine dunkelgrauen Augen sichtbar wurden. „Sie sind nicht auf den Kopf gefallen, Metcalfe.“

„Äh …“

„Wie viel würde es kosten, damit Sie sich von Ihrem robusten Spielzeug trennen?“

Sie schluckte. „Tut mir leid, aber ich besitze es nicht mehr.“

Er schaute sie fragend an.

„Es ist nicht kaputtgegangen“, beruhigte sie ihn. „Ich habe es …“

Sag’s ihm.

Sag ihm, dass du einen fünfjährigen Sohn hast. Alle erzählen von ihren Kindern, wie süß sie sind und wie gescheit. Alle, nur ich nicht, die ewige Schwätzerin. Was für eine Ironie.

Ich kann über alles reden, nur nicht über Freddy; denn wenn ich es täte, käme mit Sicherheit die eine Frage, die ich nie einer Menschenseele beantwortet habe.

Scheich Zahir wartete.

„Ich habe die Kugel einem kleinen Jungen geschenkt, der sie unbedingt haben wollte.“

„Machen Sie doch nicht so ein tragisches Gesicht, Metcalfe, ich habe nur gescherzt.“ Sein Lächeln vertiefte sich. „Dann gehen wir jetzt einkaufen.“

„J…ja, Sir.“ Dann, mit einem Blick auf das Flughafengebäude. „Möchten Sie nicht auf Ihr Gepäck warten?“

Sie hatte damit gerechnet, dass jeden Augenblick ein Bediensteter mit so einem beladenen Trolley erscheinen würde.

Doch Scheich Zahir stieg in den Wagen und sagte nur: „Das wird erledigt.“

Sadie hat recht, dachte sie. Das war wirklich eine andere Welt. Sie schloss die Tür, räumte die Überreste des Geschenks weg und atmete tief durch, bevor sie sich hinter das Steuer setzte und den Motor anließ.

Sie ging zum Shopping. Mit einem Scheich.

Unglaublich.

Unglaublich.

Durch eine kurze Ablenkung war die minutiöse Planung von James zunichtegemacht. Aber was für eine Ablenkung … Zahir hatte die Ankunftshalle durchquert und erwartet, von

Jack Lumley abgeholt zu werden, seinem effizienten Fahrer, der nur das Nötigste redete. Stattdessen saß er nun hier mit „Metcalfe“. Eine Frau mit Kurven, die durch den engen Schnitt ihrer Jacke noch betont wurden. Eine Frau, in deren zartem Nacken sich weiche Strähnen kastanienbraunen Haars ringelten.

Mit einem Mund, der sie in Schwierigkeiten bringen konnte.

Er hatte keine Zeit für Eskapaden.

Trotzdem. Er liebte die Erregung des Neuen, er liebte die Herausforderung und das Gefühl, Dinge ins Rollen zu bringen. Ihn reute keine einzige der vielen Stunden, die er in einen kleinen Anbieter von Wüstentouren, der in finanziellen Schwierigkeiten steckte, investiert hatte. Er hatte daraus ein Milliardenunternehmen gemacht.

Er allein hatte den Tourismus in Ramal Hamrah aufgebaut, wo die meisten Urlauber früher nur einen Zwischenstopp eingelegt hatten, um in den Suks einzukaufen. Inzwischen war sein Land fester Bestandteil der Reiseliteratur und wurde in den Wochenendbeilagen der Zeitungen besprochen. Nicht nur die Wüste, auch die Berge und die Geschichte des Landes.

Er hatte ein Urlaubsdomizil geschaffen mit Luxusunterkünften und einem Jachthafen, der so gut wie fertiggestellt war. Nun war die eigene Fluggesellschaft an der Reihe. Sie sollte den Namen seines Landes tragen.

Er hatte hart dafür gearbeitet.

Bis in die jüngste Gegenwart hinein war der Tourismus eine kleine, fast zu vernachlässigende Einnahmequelle neben dem Öl gewesen. Nur wenige Visionäre hatten gesehen, wie man das Land entwickeln konnte. Die Nachbarländer waren in dieser Hinsicht Lichtjahre voraus gewesen.

Vielleicht sogar ein Vorteil aus heutiger Sicht. Er war gezwungen gewesen, neue Wege zu beschreiten, und hatte sich gegen riesige Ferien- und Hotelanlagen entschieden und stattdessen im traditionellen Stil und mit einheimischen Materialien luxuriöse Resorts gebaut. Ein Kontrast für jeden übersättigten Urlauber.

Die Wüste konnte als landschaftliches Wunder zu Pferd oder auf dem Kamel erlebt werden. Lange Zeit unbeachtete archäologische Stätten wurden wieder zugänglich gemacht, um die Besucher anzuziehen, die sich für die reiche Kultur des Landes interessierten.

Und ein sich allmählich änderndes Bewusstsein in der Tourismusbranche hatte ihm in die Hände gespielt. Plötzlich war er der Visionär und an der Spitze.

An der Spitze und allein.

„… wahrscheinlich haben Sie keine eigenen Kinder …“

Wenn man dabei war, ein Imperium aufzubauen, musste anderes zurückstehen. Aber seine Mutter tat ihr Bestes, um diese Situation zu ändern. Während er hier in der Limousine saß und Metcalfes glänzendes kastanienbraunes Haar betrachtete, war seine Mutter wahrscheinlich damit beschäftigt, eine passende Frau für ihn auszuwählen. Und mit der Familie der Glücklichen alle Einzelheiten auszuhandeln.

Er würde seinen Vater zufriedenstellen und ihm einen Enkel schenken, der seinen Namen trug.

So geschah es seit Tausenden von Jahren. Die Vorstellung von der romantischen Liebe gab es in seinem Land nicht. Die Ehe war ein Vertrag. Sie wurde zum Besten der beiden Familien arrangiert. Er würde seine Frau respektieren. Sie war zuständig für sein Zuhause, brachte seine Kinder zur Welt – Söhne, die ihm zur Ehre gereichten, Töchter, die ihm Freude bereiteten.

Sein Blick wanderte zu der jungen Frau zurück, die vor ihm saß. Er konnte ihre leicht geröteten Wangen und die Andeutung eines Grübchens im Rückspiegel sehen.

Ihr Gesicht sieht aus, als wäre sie immer kurz davor zu lächeln, dachte er und musste selbst lächeln, als er sich ihr Mienenspiel vergegenwärtigte. Angefangen bei Entsetzen, als ihr ein Wort herausrutschte, das für einen Chauffeur völlig unangemessen war, über verwirrtes Erröten bis hin zu Trotz und schließlich – ihr rührendster Gesichtsausdruck – Besorgnis.

Glas. Für ein Kind. Was hatte er sich nur gedacht? Was hatte sich James gedacht?

Gar nichts. Er hatte einfach das Teuerste und Exklusivste haben wollen, um einen Kinderwunsch zu erfüllen, und James hatte seine Anweisung wie immer ausgeführt.

Eine Ehefrau hätte diesen Fehler nicht begangen.

Metcalfe hätte diesen Fehler nicht gemacht.

Auch würde sie sich nicht mit einer Beziehung zufriedengeben, die auf Respekt basierte, vermutete er. Nicht mit diesem Lächeln. Und schließlich kam sie aus einer anderen Welt. Das Leben, das sie führte, war undenkbar für all die jungen Frauen, unter denen seine Mutter eine passende Braut für ihn auswählte.

Er fuhr sich mit den Fingern durch die Haare, als ob er auf diese Weise beunruhigende Gedanken abwehren könnte. Er wollte sich nicht ablenken lassen. So kurz vor seiner geplanten Hochzeit sollte er nicht einmal solche Gedanken haben.

„Bleiben Sie meine Fahrerin, Metcalfe?“, fragte er. „Oder kommt Jack Lumley morgen wieder?“

„Das weiß ich nicht, Sir“, antwortete sie und sah in den Rückspiegel, wo sie kurz seinem Blick begegnete, bevor sie sich wieder auf die Straße konzentrierte. „Er ist seit heute krank. Ich bin sicher, es lässt sich ein anderer Fahrer finden, wenn Sie darauf bestehen.“

„Jemand mit Bart?“

„Ja, Sir.“

Ihr Grübchen war verschwunden. Sie lächelte nicht. Glaubte sie, er habe Vorurteile gegenüber einem weiblichen Chauffeur?

„Und wenn ich darauf bestehe?“, bohrte er weiter. „Was machen Sie dann morgen?“

Wieder trafen sich ihre Blicke kurz im Rückspiegel. Ihre Augen waren grün, grün wie frisches Laub im April.

„Mit etwas Glück fahre ich wieder den Schulbus.“

„Und wenn Sie Pech haben?“

„Dann fahre ich auch den Schulbus.“ Nun lächelte sie, wenn auch etwas wehmütig und hielt auf dem Parkplatz eines riesigen Spielwarenladens. Noch bevor sie ihrem Fahrgast die Tür aufhalten konnte, war er ausgestiegen und blickte befremdet an dem Geschäftshaus hoch.

Es war ihm nicht in den Sinn gekommen, ihr ein bestimmtes Kaufhaus vorzuschlagen. Jack Lumley hätte Harrods oder Hamleys gewählt. Er hätte zuvor dort angerufen, um sicherzustellen, dass sie den gewünschten Artikel führen, und ihn dann als Geschenk verpackt und meinem Konto belastet für mich bereitlegen lassen, dachte Zahir.

Keine Wartezeit.

Keine Mühe.

Wie eine arrangierte Ehe.

Ein Windstoß fuhr über den großen Parkplatz, und Diana griff schnell nach ihrem Hut, damit er nicht wegwehte.

Scheich Zahir sah nicht so aus, als wolle er das Geschäft betreten. Er blickte starr an der Fassade hoch, und mit einem flauen Gefühl im Magen wurde ihr klar, dass sie die falsche Entscheidung getroffen hatte.

Sadie hatte recht. Sie war der Sache nicht gewachsen.

„Es tut mir leid“, sagte sie. „Sie haben sicher etwas anderes erwartet.“

Er sah sie an. „Ich habe Ihnen die Entscheidung überlassen.“

Das stimmte. Und sie hatte sie nach bestem Wissen getroffen.

„Ich dachte, so ginge es am schnellsten“, erklärte sie. „Man kann hier direkt parken. Und ehrlich gesagt, in Knightsbridge gibt es Kleidungsvorschriften.“

„Kleidungsvorschriften? Zum Einkaufen?“

„Nicht barfuß in Sportschuhen. Keine Jeans. Kein Rucksack.“ Sie unterbrach sich, als ihr klar wurde, wie albern das klang. Als ob jemand diesen Mann wegen seiner Kleidung abweisen würde. „Nun, einen Rucksack tragen Sie natürlich nicht.“

„Aber der Rest trifft auf mich zu.“

„Für Mitglieder von Königshäusern gelten die Bestimmungen wahrscheinlich nicht.“

„Gehen wir lieber kein Risiko ein“, sagte Scheich Zahir freundlich. Falls er sich über sie lustig machte, so zeigte er es zumindest nicht.

„Gut, dann gehen wir jetzt rein.“

Wir?

„Sie möchten, dass ich mitkomme?“, fragte sie.

„Ihnen ist doch sicher bekannt, dass Mitglieder eines Königshauses ihre Einkäufe nie selbst tragen.“

Nun war sie sicher, dass er sich über sie lustig machte.

„Es heißt auch, dass sie nie Geld bei sich tragen, und leider kann ich Ihnen damit nicht aushelfen. Außerdem sollte ich den Wagen nicht unbewacht stehen lassen.“

„Weigern Sie sich etwa mitzukommen?“ Ein harter Unterton hatte sich in seine Stimme geschlichen und erinnerte Diana daran, dass sie seinen Anweisungen unterstand. „Reizt Sie der Schulbus so sehr?“

Vielleicht habe ich ihn voreilig als freundlich eingestuft, dachte sie, schloss den Wagen ab und folgte Scheich Zahir ohne ein weiteres Wort.

In dem Kaufhaus von der Größe einer Flugzeughalle waren die Regale in jedem Gang vom Boden bis zur Decke mit allem gefüllt, was Kinderherzen höher schlagen ließ.

Diana starrte auf die Einkaufswagen, und ihr fiel ein, dass Selbstbedienung für ihren Kunden wahrscheinlich völliges Neuland war.

Wieder eine dieser Sch… Scheich-Situationen.

„So geht es also schneller“, sagte er und sah sich um. „Wie um alles in der Welt soll man hier etwas finden?“

„Gar nicht so einfach“, gab sie zu. In einem Edelkaufhaus hätte man ihn natürlich sofort bedient. „Alles ist so angelegt, dass man an möglichst vielen Regalen vorbeigehen muss. Was glauben Sie, wie viele Leute, die an der Kasse stehen, wirklich nur den einen Artikel kaufen, den sie eigentlich haben wollten?“

Er wandte sich ihr zu. „Das klingt nach eigener Erfahrung. Vielleicht sollte ich Ameerah Aktien dieses Geschäfts schenken.“

„Aktien eines Spielwarengeschäfts?“ Sie legte sich die Hand aufs Herz. „Warum sind meine Eltern nicht darauf gekommen?“

„Wahrscheinlich, weil man damit nicht besonders gut spielen kann“, erwiderte er ernst. „Nicht gerade das, was sich ein kleines Mädchen zum Geburtstag wünscht.“

„Klar, aber wenn man bedenkt, was ich heute damit anfangen könnte.“ Er zog die Augenbrauen hoch, als warte er auf eine Erklärung. „Statt der kurzen Freude über ein Plastikauto für meine Lieblingspuppe hätte ich jetzt ein echtes Taxi und wäre mein eigener Chef.“

Und sie fügte hinzu, weil sich seine Brauen einen weiteren Millimeter hoben: „Natürlich kein langweiliges, sondern eines in leuchtendem Pink.“

2. KAPITEL

Zahir beobachtete, wie Metcalfe sich umdrehte und auf den Informationsstand zusteuerte. Er hatte sich in ihr getäuscht. Sie war nicht nur eine attraktive junge Frau. Sie hatte auch Ambitionen und Träume.

So wie er selbst vor nicht allzu langer Zeit.

Die meisten Menschen glaubten, ihm sei alles in den Schoß gefallen, nur weil er der Enkel des Emirs von Ramal Hamrah war. Und er war tatsächlich verwöhnt worden, das wusste er. Er hatte alle möglichen Privilegien genossen, einschließlich einer hervorragenden Schulbildung in England mit anschließendem Studium und großen Freiheiten in Amerika. Aber das alles hatte seinen Preis.

Pflichten gegenüber seinem Land, Gehorsam gegenüber der Familie.

Zwei Jahre lang hatte er auf ein Privatleben verzichtet und in der Wüste seinem trauernden Cousin Hanif zur Seite gestanden. Er war dafür belohnt worden, als dieser erkannte, dass er niemals aus ganzem Herzen in die Politik gehen würde, sondern dass es ihn in die Wirtschaft drängte. Hanif hat lange dafür gebraucht, meinen Vater dazu zu bewegen, mich diesen Schritt gehen zu lassen, erinnerte sich Zahir.

Er hatte Zahirs Vater klargemacht, dass die Pläne seines Sohnes ebenso wichtig für das Land waren wie eine Karriere in der Diplomatie. Vor allem, wenn es eine halbherzige Karriere war.

Danach hatte Zahir Geldgeber überzeugen müssen, ihn beim Aufbau seines Imperiums zu unterstützen. Sein Name war dabei keine Erfolgsgarantie gewesen, doch er hatte ihm sicherlich Türen geöffnet. Man war ihm mit Höflichkeit begegnet, hatte ihm zugehört. Anders als seiner Fahrerin, die, wie er feststellte, von der Verkäuferin am Informationsstand kaum beachtet wurde.

„Führen sie das, was wir suchen?“, fragte er und stellte sich neben sie.

„Ich weiß es noch nicht.“

„Wenn es welche gibt, dann bei den Neulieferungen.“ Mit einem Anflug von Ironie ahmte Diana die Verkäuferin nach, die ohne von ihrer Zeitschrift aufzusehen, einfach eine wedelnde Handbewegung gemacht hatte. „Da drüben anscheinend.“

Vielleicht verstand Scheich Zahir keine Ironie. Jedenfalls wandte er sich an die Verkäuferin. „Wir haben nicht viel Zeit …“, er hielt kurz inne, um ihren Namen zu lesen, „… Liza. Wären Sie vielleicht so freundlich, uns zu zeigen, wo genau wir den Artikel finden?“

Liza blätterte um und erwiderte: „Tut mir leid, ich kann hier nicht weg.“

Das war ein Fehler, dachte Diana, erfreut über das „wir“.

„Ich kann nicht“, so viel hatte sie selbst schon erfahren, machte keinen Eindruck auf den Scheich.

„Auf dem Schild hier auf der Theke steht ‚Kundenservice‘“, bemerkte er. Als Liza schließlich seufzend aufsah, lächelte er sie an.

Hin und her gerissen zwischen Entrüstung und Belustigung sah Diana, wie die Verkäuferin aufsprang und hinter ihrem Stand hervoreilte.

„Hier entlang“, sagte sie mit nicht zu überbietendem Lächeln.

„Wir haben das System geschlagen, Metcalfe.“ Mit einladender Geste ließ er Diana vorausgehen.

„Gute Arbeit“, meinte sie. „Aber irgendwie glaube ich nicht, dass diese Taktik bei mir funktioniert hätte.“

Er schenkte ihr ein Lächeln. Weniger strahlend als gegenüber der Verkäuferin, aber intensiver, fand sie.

„Jeder nach seinen Möglichkeiten.“

Bevor sie antworten konnte, waren sie zum Glück beim richtigen Regal angelangt, in dem sich eine bunte Auswahl an Schneekugeln befand.

„Aschenputtel, Schneewittchen, der Froschkönig.“ Die Verkäuferin, nun voll und ganz für Scheich Zahir da, präsentierte sie ihnen. Ihre Motivation hätte nicht größer sein können, wenn sie jede einzelne Kugel selbst hergestellt hätte – von Hand.

„Danke.“ Er nahm die Kugel mit der Prinzessin und dem Frosch.

„Wenn ich noch etwas für Sie tun kann?“ Sein Lächeln hatte aus Liza eine aussichtsreiche Kandidatin für die Wahl zur Verkäuferin des Jahres gemacht, und sie schien nicht die Absicht zu haben, sich zurückzuziehen.

„Dann weiß ich, wo ich Sie finde.“

Höflich, aber bestimmt. Diana verspürte fast so etwas wie Mitleid mit der Verkäuferin, die sich enttäuscht entfernte. Allerdings nur fast.

„Nehmen wir die Prinzessin mit dem Frosch, Metcalfe?“ Er hielt die Schneekugel hoch und betrachtete sie.

Er hatte schöne Hände, nicht verweichlicht. Eine alte Narbe verlief über die Knöchel, und obwohl seine Finger schlank und sehnig waren, wirkten sie sehr kräftig.

„Ich kenne das Märchen nicht“, fügte er hinzu.

„Ich bin erstaunt, dass Sie die anderen kennen.“ Diana zwang sich, nicht seine Hände, sondern die Schneekugel anzusehen. Ein kleines Mädchen mit Krone und ein Frosch saßen auf dem Rand eines Brunnens.

„Disney hat auch vor Ramal Hamrah nicht haltgemacht.“

„Ja, natürlich. Dann hat man anscheinend nur den Froschkönig zu Hause gelassen.“ Sie überlegte kurz. „Und wahrscheinlich war das auch gut so. Ich würde eine der anderen Kugeln nehmen“, riet sie.

„Aber das hier ist eine Prinzessin. Die würde Ameerah gefallen.“

Ebenso wie die Verkäuferin, die mit einem neidischen Blick auf sie gegangen war, spürte auch Diana, dass Widerspruch zwecklos war. Er brauchte einen Befehl nicht einmal auszusprechen. Ein Blick seiner dunklen Augen genügte.

„Ich würde sie nicht nehmen“, riet sie ihm trotzdem ab. „Zugegeben, Aschenputtel ist ein bisschen langweilig, aber sie ist zumindest freundlich. Schneewittchen ist zwar nicht gerade emanzipiert, aber …“

„Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit“, warnte er sie.

„Nein, Sir.“ Sie nahm die Schneekugel und schüttelte sie, sodass es schneite. „Also gut, das Märchen geht so: Verwöhnte Prinzessin lässt goldene Kugel in den Brunnen fallen. Frosch macht ihr ein Angebot. Wenn sie ihn mit nach Hause nimmt, von ihrem Teller essen und auf ihrem Kissen schlafen lässt und ihm einen Gutenachtkuss gibt …“ Vom sinnlichen Schwung seiner Oberlippe aus dem Konzept gebracht, verlor sie den Faden.

„Der Frosch kann sprechen?“

„Es ist ein Märchen. Wenn Sie es realistisch wollen, sind Sie hier falsch.“

Mit einem angedeuteten Nicken stimmte er ihr zu. „Wenn sie ihm einen Gutenachtkuss gibt …“, half er ihr auf die Sprünge.

„Hmm. Wenn sie das alles verspricht, dann will er ihr die goldene Kugel vom Grund des Brunnens holen.“

„Ein Gentleman würde das ohne Gegenleistungen tun.“

„Ein Mädchen mit ein bisschen Mumm würde sie sich selbst holen.“

„Wären Sie in den Brunnen geklettert, Metcalfe?“

„Jedenfalls hätte ich nicht den verdammten Frosch geküsst!“

„Sie missbilligen sein Verhalten?“

„Goldene Kugeln gibt es nicht umsonst.“

„Da haben Sie recht.“ Irgendetwas in seinen Augen bewirkte, dass es Diana in ihrer Uniform plötzlich sehr warm wurde.

Sie fasste sich an den Kragen und zog ihn etwas von ihrem Hals weg, um kühlere Luft an ihre Haut zu lassen.

„Also, äh, die Prinzessin ist einverstanden. Sie würde ihm alles versprechen, so sehr hängt sie an der Kugel. Also springt der Frosch in den Brunnen, holt sie hoch und gibt sie der Prinzessin. Die wiederum zeigt ihre Dankbarkeit, indem sie sich aus dem Staub macht.“

„Sich aus dem Staub macht?“

„Abhaut, verduftet, ohne ihn zurück zum Schloss rennt.“

Er legte eine seiner attraktiven Hände aufs Herz. „Ich bin schockiert.“

Also hatte er Sinn für Ironie. Auch wenn er nicht laut lachte, so glitzerten doch seine Augen vor Vergnügen.

„Ich bin sicher, der Frosch nimmt das nicht einfach so hin.“

„Wie Sie schon sagten, der Frosch ist kein Gentleman. Er hüpft zum Schloss und verpetzt die Prinzessin beim König. Der ermahnt seine Tochter, dass eine Prinzessin unter allen Umständen ihr Wort halten muss.“

„Daran sollte man eine Prinzessin nicht ausdrücklich erinnern müssen.“

„Und gewöhnliche Menschen auch nicht. Die Prinzessin ist jedenfalls nicht glücklich darüber, aber sie hat keine Wahl. Also lässt sie den Frosch von ihrem Teller essen, geht aber ohne ihn ins Bett.“

„Unbelehrbar, diese Prinzessin. Gibt der Frosch auf?“

„Was glauben Sie?“

„Ich denke, dass sie das Kissen mit ihm teilen muss.“

„Richtig. Es dauert Stunden, bis er alle Stufen hochgesprungen ist und ihr Zimmer gefunden hat. Als er ankommt, mahnt er sie an ihr Versprechen. Die Prinzessin gibt sich geschlagen, er darf aufs Kissen, und sie gibt ihm sogar einen Gutenachtkuss.“

„Der Frosch ist am Ziel, aber kann das Märchen ein gutes Ende haben?“

„Hängt vom Standpunkt ab. Als die Prinzessin am nächsten Morgen aufwacht, hat sich der Frosch in einen gut aussehen den Prinzen verwandelt.“

Er zog leicht die Augenbrauen hoch.

„Wie das?“

Diana, in deren Erinnerung die Szene stets wie in dem Bilderbuch ihrer Kindheit ablief, wo der Prinz in prächtiger Kleidung neben dem Bett der erwachenden Prinzessin stand, errötete plötzlich, als ihr völlig andere Möglichkeiten in den Sinn kamen.

„Der Prinz war natürlich verzaubert“, sagte sie schnell. „Die Prinzessin musste zu ihrem Glück gezwungen werden, aber als sie ihn küsste, war der böse Zauber aufgehoben. Da da-dada“, sie summte den Hochzeitsmarsch. „Und sie lebten glücklich bis an ihr Ende.“

„Soll das heißen, jetzt, da er kein hässlicher Frosch mehr ist, heiratet sie ihn?“

„Ich hatte Sie gewarnt. Diese Frau hat keinen Charakter. Warum der Prinz sie heiratet, ist mir ein Rätsel.“

„Vielleicht hat der König den beiden die Geschichte mit dem bösen Zauber nicht abgenommen und ihnen die Pistole auf die Brust gesetzt?“, schlug er vor.

„Keine schlechte Theorie. Aber im Märchen kriegt die Frau immer den Prinzen. Es ist jedes Mal Liebe auf den ersten Blick, und es gibt ein Happy End.“

Zahir hörte die Skepsis in ihrer Stimme und betrachtete sie gedankenverloren. „Das scheint Sie nicht zu überzeugen.“

„Nicht?“

Ihre Augen weiteten sich, als sie kurz nachdachte. Sie sind nicht einfach nur grün, sie haben goldene Sprenkel, stellte Zahir fest.

„Sie haben recht. Man lernt schnell, dass es für ein Happy End mehr als einen Prinzen braucht …“

Er konnte genau sehen, in welchem Moment ihr klar wurde, was sie gerade gesagt hatte. Erneut erschien eine leichte Röte, wie sie ihr schon wenige Augenblicke zuvor ins Gesicht gestiegen war.

Er empfand es als eine angenehme Abwechslung, dass jemand einmal völlig vergaß, wer er war, und einfach sagte, was ihm in den Sinn kam.

„Von mir werden Sie keinen Widerspruch hören“, sagte er, nahm ihr die Kugel ab und blickte kurz auf ihre unberingte Hand. Für sie hatte es bislang also keinen attraktiven Prinzen und kein Happy End gegeben. Und eine innere Stimme sagte ihm, dass es eine schmerzhafte Lektion gewesen war.

„In meinem Land halten wir nichts von der romantischen westlichen Vorstellung von der Ehe. Eine Ehe wird von der Familie arrangiert.“

„Damit vermeidet man bestimmt viele Unsicherheiten“, sagte sie ernst. Dann erschien ihr Grübchen wieder. „Schlechtes Terrain für verzauberte Frösche.“

„Allerdings.“ Schnell drehte er sich zum Regal um, bevor ihm das Gespräch völlig entglitt. „Welche dieser Heldinnen ist Ihrer Meinung nach also das beste Vorbild für eine moderne Prinzessin? Die Langweilige, die zu Hause wartet, bis ihr die Fee mit dem Zauberstab zu Hilfe kommt? Das Hausmütterchen, das hinter den Männern herputzt? Oder die Prinzessin, die einen Blick auf den Frosch wirft und türmt?“

„Vergessen Sie die Prinzessin. Der Frosch ist interessant. Er lässt sein Ziel nicht aus den Augen und gibt nicht auf. Er ist ein gutes Vorbild für alle Kinder …“

Er wartete, denn er war sich sicher, dass sie noch etwas hinzufügen würde.

„Und für alle Erwachsenen“, sagte sie schnell.

„Also nehmen wir den Frosch. Machen wir uns auf die Suche nach der hilfsbereiten Verkäuferin? Ich könnte mir vorstellen, dass sie das Geschenk nur zu gerne einpacken und mit rosa Schleifen verzieren wird.“

Diana widerstand der Versuchung, auf einen Sprung nach Hause zu fahren, während Scheich Zahir der Prinzessin das Geburtstagsgeschenk übergab.

Wahrscheinlich hätte die Zeit gerade so gereicht, und nach der Märchenstunde hatte sie das starke Bedürfnis, Freddy zu umarmen, bevor seine Großmutter ihn ins Bett brachte.

Doch wenn sie ehrlich war, hatte ihr die Einkaufstour mit dem Scheich ziemlich zugesetzt, und sie wollte sich nicht darauf verlassen, dass der Londoner Verkehr mitspielte. Also nahm sie dankbar die Einladung des Botschaftsangestellten an, den Wagen auf dem Parkplatz hinter dem Gebäude abzustellen und in einem bequemen Aufenthaltsraum auf den Scheich zu warten.

Mit viel Glück hatte sie ihn noch pünktlich zur Botschaft gebracht. Der Verkehr war nicht sehr dicht gewesen, und da ausreichend Zeit für Staus eingeplant war, hatten sie trotz des Einkaufsbummels nur zehn Minuten verloren.

War er beim Märchenerzählen noch ganz aufmerksam gewesen, schien er, nachdem er seine Wahl getroffen hatte und zur Kasse geeilt war, ganz vergessen zu haben, dass sie existierte. Er war charmant zu der Verkäuferin, die sich mit den Schleifen abmühte und dabei durchblicken ließ, dass sie sich am liebsten selbst als Geschenk für ihn eingepackt hätte.

Zweifellos erlebte er solche offenen Avancen ständig, ohne dass er dabei in Versuchung zu geraten schien. Es war Diana eine Warnung, seinen gefährlichen Charme nicht ernst zu nehmen.

Nach dem Einkauf hatte er ihr nur kurz gesagt, dass er die Botschaft um Viertel vor sieben verlassen würde. Ganz wie sie es erwartet hatte.

Es wäre dumm, seine Aufmerksamkeit persönlich zu nehmen.

Das hier war ein Job, nicht mehr. Nachdem man ihr eine Kanne Tee, ein Sandwich und einige süße Törtchen gebracht hatte, konzentrierte sie sich wieder auf ihren eigenen Alltag und rief zu Hause an.

„Mummy!“ Freddy klang ganz aufgeregt. „Ich habe heute einen Sticker für gutes Lesen gekriegt!“

„Wow, da bin ich aber stolz auf dich!“

„Ich will ihn dir zeigen. Kommst du bald heim?“

Diana schluckte. Es tat ihr leid, dass sie nicht zu Hause sein konnte, wenn er aus der Schule kam und seine Erlebnisse zuerst ihren Eltern erzählte. Aber so ging es allen arbeitenden Müttern, nicht nur den alleinerziehenden. Sadie hatte zwar ein Kindermädchen, trotzdem war sie in derselben Situation, auch ihr Tag hatte nicht genug Stunden für alle Erwartungen und Wünsche.

Dabei hatte ich noch Glück, dachte Diana. Ihre Eltern hätten verärgert oder abweisend reagieren können, als sie schwanger wurde. Aber sie hatten sie unterstützt, und sie liebten Freddy.

„Mummy?“

„Ich muss heute Abend arbeiten“, sagte sie.

„Ooh … Kommst du heim, bevor ich ins Bett gehe?“

„Ich bin da, wenn du aufwachst“, versprach sie. „Sei schön lieb zu Grandma und Grandpa, ja?“

„Okay.“

„Ich drück dich ganz fest.“

„Oh, Mummy!“

Dumme Mummy, dachte sie, während sie in ihr Sandwich biss und ihr all die idiotischen Sachen durch den Kopf gingen, die sie von sich gegeben hatte, seit sie Scheich Zahir vom Flughafen abgeholt hatte.

Höflich und zurückhaltend sollte sie sein. Was hatte sie sich nur gedacht?

Sie hatte gar nicht gedacht. Seit dem Augenblick, als er aus dem Flughafengebäude getreten war, hatte nur noch ihr Mundwerk funktioniert.

Gut, er war darauf eingegangen, hatte sie sogar ermuntert, aber das hieß nicht, dass sie sich völlig zum Idioten machen musste.

Würde sie nie lernen, erst zu denken und dann – wenig – zu reden?

In diesem Leben wahrscheinlich nicht mehr.

Das leise Läuten ihre Handys wäre eine willkommene Ablenkung von ihren düsteren Gedanken gewesen, hätte sie nicht auf dem Display die Nummer ihrer Chefin erkannt.

Wahrscheinlich hatte der Scheich sich schon über sie beschwert und einen anderen Fahrer verlangt. Einen mit einer richtigen Chauffeursmütze und einem männlichen Chromosomensatz. Jemand Unterwürfiges, der wusste, wie ein VIP einzukaufen wünscht, und vor allem jemand, der nicht redete, als bekäme er es bezahlt.

„Di?“

„Hmm … Ja. Entschuldigung. Ich esse gerade ein Sandwich …“ Prompt verschluckte sie sich. Sie hatte versagt und ihre Chefin blamiert. Dabei hatte sie versprochen, ihre Sache gut zu machen, selbst anzurufen, wenn es Probleme gab. Wie kam sie dazu, eine Prinzessin zu kritisieren, die einen Frosch sitzen ließ?

„Hör zu. Anscheinend gibt es am Grosvenor Place einen Wasserrohrbruch“, sagte Sadie, ohne abzuwarten, bis Dianas Husten aufhörte. „Du musst über den Sloane Square ausweichen.“

Sadie rief an, um sie über den Verkehr auf dem Laufenden zu halten?

„Gut“, antwortete Diana, als Ei und Kresse endlich unten waren. „Danke, dass du mir Bescheid sagst.“

„Ich hatte erwartet, dass du mich anrufst. Du solltest dich doch melden.“

„Bei jedem Stopp?“, fragte sie überrascht. „Ruft Jack jedes Mal an, wenn er parkt?“

„Du bist nicht Jack.“

Das stimmte allerdings. „Ja, es hat alles seine Vor- und Nachteile.“

„Was sind die Nachteile?“, fragte Sadie sofort alarmiert.

„Keine“, antwortete Diana schnell. „Absolut keine.“ Und sie lächelte strahlend. Der Scheich hatte sich nicht über sie beschwert … „Wir sind ein bisschen spät dran, das ist alles. Scheich Zahir musste noch shoppen.“

„Wirklich?“ Kaum war das S-Wort gefallen, reagierte die Chefin sehr weiblich. „Wo wart ihr? Bei Aspreys oder Garrard?“

„In einem Spielwarengeschäft.“

Nach einer längeren Pause hörte sie ein lang gezogenes „Okaaay, selbst ein Scheich hat wahrscheinlich ein paar Bälger, für die er Mitbringsel braucht.“

„Keine eigenen“, erwiderte sie rasch. Obwohl er genau genommen auf diese Frage nicht eingegangen war. „Er wollte etwas für die Tochter des Botschafters besorgen. Sie hat heute Geburtstag.“

„Hauptsache, es ist alles gut gegangen.“

„Das musst du ihn fragen.“

„Wenn er unzufrieden ist, erfahre ich es schnell genug. Übrigens habe ich deinen Vater angerufen. Er hat alles im Griff.“

Sie wollte Sadie gerade sagen, dass sie selbst schon zu Hause angerufen hatte, aber dann fiel ihr ein, dass die Chefin vielleicht nicht ganz mit ihren Prioritäten einverstanden sein würde, und sie beließ es dabei.

„Danke dir.“

„Du bist nicht bei der Sache, Zahir.“ Hanif hatte ihn beiseitegenommen, weg von dem Trubel um Ameerah, die gerade ihrem fünfjährigen Bruder und ihrer kleinen Schwester das neue Spielzeug zeigte.

Metcalfe hatte recht gehabt. Glas wäre völlig untauglich gewesen.

„Hast du Probleme mit dem Projekt am Nadira Creek? Oder mit der Fluggesellschaft, die du gründen willst?“

Zahir lächelte. „Die Geschäfte sind nie ein Problem, Hanif.

Lucy wird immer genug für ihre wohltätigen Zwecke haben.“

„Dann müssen es familiäre Probleme sein. Wie geht es deinem Vater?“

„Er verlangt seinem Schrittmacher alles ab. Diese Woche ist er zu Friedensgesprächen im Sudan.“ Er hob die Hände in einer hilflosen Geste. „Ich habe immer wieder ein schlechtes Gewissen deswegen. Im Grunde sollte ich dort sein.“

„Nein, Zahir. Dein Talent liegt auf einem anderen Gebiet.“

„Vielleicht.“

„Da ist doch noch etwas?“

Zahir blickte zu dem fünfjährigen Jamal und zu Ameerah hinüber, die von der Schneekugel völlig gefesselt waren. Dann wandte er sich Hanif zu. „Vater erwartet mit Ungeduld einen Enkel, der seinen Namen trägt. Er ist sehr verärgert, weil ich ihm diese Freude bisher versagt habe. Ich bin tatsächlich in jeder Hinsicht eine Enttäuschung für ihn.“ Er brachte ein Lächeln zustande. „Aber nicht mehr lange. Meine Mutter hat sich der Sache angenommen und sucht eine Braut für mich.“

Er hatte mit einer belustigten Reaktion gerechnet, aber Hanif lächelte nicht. „Die Ehe währt ein Leben, Zahir. Du solltest dich nicht unüberlegt binden, auch nicht deinem Vater zuliebe. Und der Zeitpunkt könnte für eine Eheschließung wirklich günstiger sein.“

„Das habe ich deutlich klargemacht. Aber meine Mutter meinte nur, wenn ich warten wolle, bis ich Zeit habe, würde ich nie heiraten.“ Er hob die Schultern. „Und dann sagte sie noch einiges über meine Sturheit und meinen Egoismus …“

„Sie wünscht sich sehr, dass du eine Familie gründest, Zahir. Stur bist du vielleicht, aber nicht egoistisch, und das weiß sie. Du hast mir mehr als zwei Jahre deiner Zeit geopfert und mir beigestanden. Das hast du für die Familie getan.“

„Ich habe es für dich getan, Hanif. Für dich würde ich mein Leben geben.“

Jetzt endlich lächelte sein Cousin. „Sein Leben zu geben ist einfach, Zahir. Glaub mir, ich weiß, wovon ich rede. Es zu leben, macht sehr viel mehr Mühe.“

„Mühe habe ich nie gescheut, aber es ist Zeit, dass ich auf Vaters Wünsche eingehe und sie respektiere.“

„Wenn es sein soll, dann wird es geschehen. Ob es nun der Wunsch deiner Mutter oder dein eigener ist, und ich wünsche dir alles Glück mit deiner Braut.“

„Du glaubst an das Schicksal?“

Hanif klang so überzeugt. Aber ihm hatte das Schicksal auch die reizende Lucy Forrester zugeführt. Wer hätte das voraussehen können?

Und wer hätte ahnen können, dass die entzückend unkonventionelle Metcalfe mit ihren appetitlichen Kurven heute seinen Wagen steuern würde.

„Kann ich Ameerah kurz mitnehmen? Meine Fahrerin hat die Schneekugel für sie ausgesucht, weil mein ursprüngliches Geschenk zerbrochen ist. Wir könnten uns bedanken.“

„Fahrerin?“ Kaum merklich hob Hanif die Brauen.

Diana sah auf die Uhr. Es war Zeit, den Wagen vorzufahren. Doch als sie aufstand, wurde die Tür des Aufenthaltsraums aufgerissen, und ein schlaksiges Mädchen mit dunklem Teint und schwarzen Haaren stürmte herein.

„Danke!“, rief sie laut. „Vielen Dank, dass Sie die Schneekugel für mich ausgesucht haben. Sie ist wunderschön!“

Verblüfft über den überschwänglichen Auftritt blickte Diana zur Tür, um zu schauen, wer das Mädchen begleitete, und sah Scheich Zahir am Rahmen lehnen.

„Ich bin froh, dass sie dir gefällt, Prinzessin. Du feierst heute Geburtstag?“

„Oh nein, wir feiern heute nicht. Ich hatte Schule, und Mummy geht heute Abend aus. Aber am Samstag machen wir mit meiner ganzen Klasse eine Bootsfahrt auf dem Kanal bis zum Zoo, und dort picknicken wir. Ich möchte, dass Zahir mitkommt, aber er sagt, das müssen Sie entscheiden.“

„Ich?“

„Sie sind seine Fahrerin!“

„Oh, verstehe.“

Diana blickte den Mann an, der lässig am Türrahmen lehnte. Seinem Gesichtsausdruck war nichts zu entnehmen, und doch hatte sie die starke Empfindung, dass er ihr etwas sagen wollte. Vielleicht musste sie doch nicht gleich morgen wieder den Schulbus fahren?

Sie wandte sich dem Mädchen zu. „Egal wer Scheich Zahir fährt, er wird auf jeden Fall zu deiner Feier kommen, das verspreche ich dir.“

„Siehst du!“ Wie der Blitz war die Prinzessin zu ihm gelaufen. „Ich habe doch gesagt, dass es klappt.“

„Das hast du.“ Er fuhr ihr über die Locken. „Dann sehen wir uns am Samstag, du Schlingel.“

Sie rannte davon, während Zahir stehen blieb. „Egal wer fährt?“, wiederholte er.

„Jack Lumley wird Samstag längst wieder arbeiten.“

„Aber was soll ich mit ihm? Sie sind viel unterhaltsamer.“

Unterhaltsam!

„Bitte“, flehte sie ihn an, „sagen Sie das auf keinen Fall zu Sadie Redford. Das ist meine große Chance, ihr zu beweisen, dass ich eine VIP-Fahrerin sein kann. Wie Sie sicher bemerkt haben, bin ich kein Naturtalent, aber wenn Sie ihr sagen, ich sei unterhaltsam, dann ist das mein Ende.“

„Ich werde nichts verlauten lassen, Metcalfe. Aber Sie haben unrecht, Sie sind ein Naturtalent.“

Es gelang ihr nicht ganz, ein Stöhnen zu unterdrücken.

„Wenn Sie einen Fahrer für die neueste Limousine von Capitol Cars brauchen, bin ich gewiss nicht die erste Wahl.“

„Sie machen Ihre Sache gut. Versprechen Sie mir, dass Sie mich nicht dem langweiligen Jack Lumley ausliefern, und ich werde kein Wort darüber verlieren, was für ein Naturtalent Sie sind.“

Sie schluckte.

„Gehen wir?“

„Ich hole sofort den Wagen.“ Schnell sah sie auf ihre Uhr. Bloß nicht in diese amüsierten Augen blicken, die sie provozierten, etwas „Unterhaltsames“ zu sagen.

„In fünf Minuten?“

„Am besten, ich gehe gleich mit durch den Hinterausgang, dann müssen Sie nicht um den ganzen Block fahren.“

Beide schwiegen, bis Diana vor seinem Hotel vorfuhr, wo ein Portier ihrem Fahrgast den Wagenschlag aufhielt.

„Neunzehn Uhr fünfundvierzig, Metcalfe“, sagte Scheich Zahir, als er ausstieg.

„Jawohl, Sir.“

Der Portier winkte sie in eine Parkbucht, die für besondere Gäste reserviert war. „Sie können hier warten.“

Sie nickte höflich, als wenn sie nichts anderes erwartet hätte, und parkte den Wagen. Die Ehre wird nicht mir erwiesen, sagte sie sich, sondern meinem Kunden. Natürlich auch der Uniform und dem Wagen. Mit ihr persönlich hatte das nichts zu tun.

Sie rief Sadie an, um ihr mitzuteilen, dass alles nach Plan verlief. Dann stieg sie aus, ging mit dem Poliertuch in der Hand um den Wagen und überprüfte, ob sich ein Schmutzfleck auf dem dunkelroten Lack oder dem glänzenden Chrom befand.

Zwei andere Chauffeure, die ebenfalls warteten, nickten ihr zu, bewunderten den Wagen und stellten ihr ein paar technische Fragen. Anscheinend gehörte sie, obwohl sie eine Frau war, dazu.

Vielleicht war sie es selbst, die sich nie akzeptierte, die sich immer wieder Vorhaltungen machte, dass sie alleinerziehend war, bei ihren Eltern wohnte, Unterstützung brauchte. Warum setzte sie sich nicht stärker für ihre Ziele ein?

So oft hatte sie zu hören bekommen, was sie alles nicht konnte, wie eingeschränkt ihre Möglichkeiten waren, dass sie schon selbst daran glaubte.

Sogar ihr Traum vom eigenen Taxi war inzwischen in ihrer Familie zu einem überbeanspruchten Witz geworden. „Nächstes Jahr fährst du dein eigenes Taxi, Di. Ha, ha, ha.“

3. KAPITEL

Der Portier hatte ihr ein Zeichen gegeben, und Diana wartete bereits vor dem Eingang des Hotels, als Scheich Zahir herauskam. Diesmal war er nicht allein. Ein junger Mann mit scharfen Gesichtszügen begleitete ihn.

Da dieser den Laptop in der Hand hielt, gehörte er vermutlich ebenso wie sie zur Klasse der Kofferträger. Dem Schnitt seines Anzugs nach zu urteilen, war er allerdings in der Hierarchie der Dienstleister beträchtlich über ihr angesiedelt.

Diesmal geschah beim Einsteigen kein Missgeschick, der Portier übernahm die Sache mit der Autotür, und niemand – nicht einmal ein kleiner Junge – würde dieser beeindruckenden Persönlichkeit in die Quere kommen.

Sobald ihre Fahrgäste im Wagen saßen, fädelte sie sich zügig in den Verkehr ein und fuhr Richtung South Bank. Und es gelang ihr sogar, höflich und zurückhaltend zu sein.

Kaum hatte sie sich insgeheim zu dieser Leistung gratuliert, als Scheich Zahir sagte: „Metcalfe, das ist James Pierce. Er ist der Mann, der die Dinge für mich ins Rollen bringt. Es kann sein, dass Sie ihn gelegentlich zu einem Termin fahren werden.“

„Sir“, erwiderte sie in seinem formellen Ton. Alles ging gut, bis sie an einer roten Ampel den Fehler machte, in den Rückspiegel zu schauen, und direkt in seine Augen sah. Sein Blick entsprach überhaupt nicht seiner Stimme, und sie erkannte, dass er sich nicht einen Augenblick von ihrer Förmlichkeit täuschen ließ. Ihre verräterischen Mundwinkel verweigerten den Gehorsam, und sie lächelte ihn an.

Ein Fehler.

James Pierce war erst durch ihre kurze Antwort darauf aufmerksam geworden, dass nicht Jack Lumley am Steuer saß. Er sagte: „Das ist ungeheuerlich!“ und sah sie zum ersten Mal an.

Ihre Stimme konnte er nicht meinen. Es mussten die Grübchen sein, die ihr, ebenso wie eine leichte Rundlichkeit der Wangen, ein jugendliches Aussehen verliehen. Unangenehm, wenn man ernst genommen werden wollte.

„Als ich bei Capitol Cars anrief, verlangte ich ausdrücklich …“

„Jack Lumley ist krank“, unterbrach ihn Scheich Zahir.

„Ich werde Sadie anrufen. Sie muss einen Ersatz für ihn zur Verfügung stellen.“

Diana konnte James Pierce nicht im Rückspiegel sehen, aber von dem Moment an, als er zu reden begann, war er ihr unsympathisch. Und was er sagte, machte es nicht besser.

Sein vornehmer Anzug passte zu seinem Auftritt. Sie war so dumm gewesen zu glauben, sie seien auf derselben Seite – er sah das offensichtlich anders. Aber vielleicht war das nur natürlich für einen Mann, der für einen milliardenschweren Scheich die Dinge ins Rollen brachte.

„Warum brauchen wir jemand anderen?“, griff Scheich Zahir ein. „Metcalfe ist …“

Bitte, bitte kein Naturtalent, betete sie innerlich, als die Ampel grün wurde und sie in den Rückspiegel blicken musste. Er sah sie immer noch an. Sein Gesicht war ernst, nur seine Augen lächelten. Das Lächeln, so stellte sie fest, war nur für sie.

„… eine äußerst kompetente Fahrerin.“

Er weiß es, dachte sie. Er wusste genau, was in ihr vorging, und er nahm sie auf den Arm, machte sie zu seiner Komplizin in einer Allianz gegen den Stockfisch an seiner Seite.

Ohne Warnung breitete sich Wärme in ihrem ganzen Körper aus und ließ ihr die Röte in die Wangen steigen.

Zum Glück hatte Scheich Zahir sich bereits abgewandt.

„Sie sind doch sicher keiner dieser Dinosaurier, die etwas gegen Frauen am Steuer haben, oder, James?“, fragte er neckend.

„Nein …“ Er klang nicht überzeugt. „Nein, natürlich nicht.“

„Da bin ich aber froh. Als Anwalt sollten Sie Metcalfe nicht die Gelegenheit geben, uns wegen sexueller Diskriminierung zu verklagen.“

„Ich dachte nur …“

„Ich weiß, James, aber wie gesagt, es ist kein Problem.“

Zahir wartete nicht auf eine Antwort, sondern ging zum Geschäftlichen über und begann ein Gespräch über komplexe rechtliche Fragen im Zusammenhang mit einem Pachtvertrag.

Auch ich sollte mich besser auf Dienstliches konzentrieren, dachte Diana. Im Rückspiegel mit einem Kunden zu flirten, gehörte sich definitiv nicht für eine äußerst kompetente Fahrerin. Ganz im Gegenteil.

Vor dem Eingang der Riverside Gallery stieg sie aus und öffnete ihren Fahrgästen die Tür, ihren Blick hielt sie dabei starr geradeaus gerichtet.

James Pierce ging davon, ohne sie auch nur einmal anzuschauen. Er sah verärgert aus.

Scheich Zahir blieb stehen, und da erst bemerkte sie, dass sie hinter Pierce hergrinste. Sie beeilte sich, ein ernstes Gesicht zu machen.

„Was werden Sie tun, bis Sie uns wieder abholen, Metcalfe?“

„Ich habe ein Buch dabei“, antwortete sie schnell. Chauffeure waren es gewohnt zu warten.

Vielleicht sollte sie sich mal wieder das „Blaue Buch“, die Bibel für Taxifahrer, vornehmen, in der die kürzesten Strecken von einem Ort in London zum anderen verzeichnet waren. Dieses Wissen wurde für die Taxifahrerlizenz abgefragt.

Er zögerte noch immer. „Warum kommen Sie nicht mit in die Galerie? Es gibt etwas zu essen, und Sie können sich die Bilder anschauen, wenn Ihnen die Präsentation zu langweilig wird.“

Vor Schreck vergaß sie ihren Entschluss, ihm nicht mehr in die Augen zu sehen. Sein Lächeln wurde strahlender. Als Antwort pochte ihr Herz schneller.

Ein schnell hingehauchtes „D…danke“ sollte überspielen, dass ihr der Atem stockte. Fest entschlossen, sich nicht ein zweites Mal zu seiner Komplizin machen zu lassen – dafür hatte er schließlich den Stockfisch –, antwortete sie: „Ich sollte wirklich …“

„Beim Wagen bleiben“, beendete er den Satz für sie, bevor sie es sich anders überlegen konnte.

„Es ist ratsam.“ Sie lächelte entschuldigend, räusperte sich und fügte mit einer Kopfbewegung Richtung Galerie hinzu: „Mr. Pierce wartet auf Sie, Sir.“

„Zahir.“

„Sir?“

„Alle, die für mich arbeiten, nennen mich Zahir. Das scheint heute so üblich zu sein. Es klingt ja fast wie Sir. Vielleicht kriegen Sie es auch hin?“

„Ja, Sir.“

Das Lächeln erstarb, er nickte. „Viel Spaß mit dem Buch, Metcalfe.“

Sie sah ihm nach. Noch immer kein flatterndes Gewand, stattdessen die gewöhnliche männliche Uniform – dunkler Anzug, Seidenkrawatte –, die allerdings an Scheich Zahir alles andere als gewöhnlich aussah.

Zahir.

Seit Sadie sie aus dem Minibus herausgeholt hatte, spukte Diana der Name im Kopf herum.

„Zahir …“

Exotisch.

Gefährlich …

Sie fröstelte ein wenig, als eine leichte Brise vom Fluss herauf über den Platz zog.

Fetzen von Jazzmusik drangen von einem die Themse hinabfahrenden Boot zu ihr herüber. Trotz des kalten Winds zog sie die Handschuhe aus, nahm den Hut ab und warf beides auf den Fahrersitz. Dann verschloss sie den Wagen und ging zu einem Geländer am Fluss, legte die Ellbogen darauf und blickte auf die altbekannte Skyline mit der Kuppel der St. Paul’s Cathedral im Hintergrund.

Reiß dich zusammen, Diana! Keine Träumereien. Das ist nicht der richtige Zeitpunkt für gefährliche Spielchen mit einem attraktiven Prinzen, der dir den Vornamen anbietet. Märchen sind etwas für Kinder. Du hast jetzt die Chance, weiterzukommen, genug zu verdienen, um deinen Traum zu verwirklichen. Mach es dir nicht kaputt, nur weil der Prinz mit seinen dunklen Augen dich ansieht, als ob … Vergiss es!

Sie hatte es doch alles schon einmal erlebt – dunkel und gefährlich. Sie würde nicht zweimal denselben Fehler machen.

Freddy, ihr kleiner Sohn, war ihr Ein und Alles. Für seine Zukunft war sie verantwortlich. An ihn musste sie zuallererst denken.

Und wenn das nicht genügte, um sie vor Dummheiten zu bewahren, dann brauchte sie sich nur daran zu erinnern, wie der Banker sie angesehen hatte, als sie einen der verführerischen Werbespots der Bank für bare Münze genommen und einen Kredit für ein eigenes Taxi beantragen wollte. Er hatte sie kurz angeschaut, dann kam die typische Vierpunkte-Reaktion:

  1. Alleinerziehende Mutter
  2. Null Immobilien als Sicherheit, nicht mal hoch verschuldete Immobilien
  3. Null Vermögenswerte
  4. Null Chance

Damals war sie so wütend über sein herablassendes Verhalten gewesen. Hatte sich geschworen wiederzukommen …

Und jetzt, zwei Jahre später, war ihr Ziel kein bisschen näher gerückt. Wenn sie so dumm war, ein zweites Mal auf ein sexy Lächeln hereinzufallen, dann wäre es so, als gäbe sie dem Banker im Nachhinein recht.

Zahir beendete seine Präsentation vor den versammelten Reiseveranstaltern und Journalisten. Der Geschäftsführer eines exklusiven Reiseunternehmens, der gerade die ausgestellten Fotos und das Architektenmodell des Urlaubsdomizils in Nadira betrachtete, wollte Einzelheiten wissen.

„Interessantes Konzept, Zahir. Ungewöhnlich. Genau was unsere anspruchsvollen Kunden wollen. Ich nehme an, es ist teuer?“

„Aber natürlich.“ Er wusste, was der Mann hören wollte. „Am besten, Sie reden mit James. Er organisiert die Besichtigungen für Reiseveranstalter. Wir freuen uns darauf, Ihnen unser Angebot zu zeigen.“

Zahir ging weiter, schüttelte Hände, beantwortete Fragen, sprach persönliche Einladungen an eine Gruppe von handverlesenen Reisejournalisten aus.

Als die Frau, mit der er sich gerade unterhielt, einen Schritt zur Seite trat, um eine Kellnerin durchzulassen, wurde der Blick durch eines der hohen, schmalen Fenster der Galerie frei. Der Wagen stand noch an Ort und Stelle, aber Metcalfe war nicht zu sehen.

Sicher hatte sie sich mit ihrem Buch auf den Rücksitz gelegt. Vielleicht sollte er hingehen und sie erschrecken. Zusehen, wie sie errötend auf die Beine kam und diesen albernen Hut gerade rückte.

Das würde ihm gefallen.

Aber ihr nicht.

Metcalfe.

Er hatte ihr seinen Vornamen angeboten und gehofft, dass sie ihren nennen würde. Sie hatte klug reagiert und war nicht auf die Einladung eingegangen, mehr als nur seine Fahrerin zu werden. Selbstverständlich glaubte sie, dass das „mehr“ nicht in ihrem Interesse sein konnte. Und wie sollte er ihr sagen, dass sie unrecht hatte, wenn er selbst nicht wusste, was in ihn gefahren war?

Vielleicht hatte James doch recht. Lumley war zwar ein Langweiler, aber er lenkte ihn wenigstens nicht ab. Er hätte sich nicht einen Augenblick lang Gedanken darüber gemacht, wie Lumley die Wartezeit verbrachte. Und er hätte ihn bestimmt nicht eingeladen, ihn in die Galerie zu begleiten, um ihm sein Projekt zu zeigen. Über seine Pläne zu reden …

„Ist Ihr Ziel, nur Energie aus erneuerbaren Quellen zu verwenden, realistisch, Scheich Zahir?“, hakte seine Gesprächspartnerin nach.

„Ja, Laura, wir haben das Glück, dass Sonnenenergie in Ramal Hamrah das ganze Jahr über zur Verfügung steht“, antwortete er und konzentrierte sich endlich wieder auf sein Gegenüber. Er hatte einige Zeit darauf verwendet, sich die Namen aller Gäste einzuprägen, die er hier treffen würde. „Ich hoffe, Sie kommen nach Nadira und überzeugen sich selbst.“

„Das ist das nächste Problem. Wie rechtfertigen Sie den Ausbau der Tourismusindustrie, wenn Flugzeuge inzwischen als Hauptverursacher des Kohlendioxidausstoßes gelten?“

„Indem ich eine Fluggesellschaft neuen Typs gründe“, antwortete er mit einem Lächeln. Dann fiel ihm Metcalfes trockener Kommentar ein, als er im Spielwarengeschäft ebenso gelächelt hatte, und er wurde ernst. Er warf James einen Blick zu, der daraufhin sofort herbeieilte. „James, Laura Sommerville ist Wissenschaftsjournalistin beim Courier …“

„Laura …“ Geschickt übernahm James das Gespräch, sodass Zahir sich entschuldigen konnte.

Bewusst blickte er nicht auf seine Armbanduhr.

Diese Art von Promotion wurde ihm immer lästiger. Er hatte inzwischen größere Träume. War glücklicher im Hintergrund, wo er Pläne für die Zukunft schmiedete. Er musste jemanden finden, der ihm die öffentlichen Auftritte abnahm, damit er sich aus dem Rampenlicht zurückziehen konnte. Jemanden, der bei seinen Geschäftspartnern Interesse wecken und seinem Projekt Flügel verleihen würde.

Oder vielleicht rührte sein Wunsch, woanders zu sein, weniger daher, dass er gelangweilt war, als dass er mit jemand anderem zusammen sein wollte. Er bemühte sich, nicht aus dem Fenster zu sehen – und scheiterte.

Vielleicht war seine so unerwartet aufgetauchte, seine so ungewöhnliche wie entzückende junge Fahrerin der Grund für seine Sehnsüchte.

Eine Bewegung in der Nähe des Flusses erregte seine Aufmerksamkeit, und er sah, dass Metcalfe nicht lesend im Auto lag, sondern am Geländer lehnte und auf die Lichter am anderen Ufer blickte. Sie trug keinen Hut, hob nun die Arme, um sich die vom Wind zerzausten Strähnen zurück in den Haarknoten zu stecken.

Eine Kellnerin blieb mit einem Tablett vor ihm stehen, und er trat einen Schritt zur Seite, um Metcalfe nicht aus den Augen zu verlieren, deren Jacke mitsamt Bluse ein wenig nach oben gerutscht war und den Blick auf ein paar Zentimeter ihrer Haut freigab.

„Kanapees, Sir?“

„Bitte?“

Dann registrierte er, was die Kellnerin gesagt hatte, sah erst sie an, dann die Kanapees.

„Danke“, sagte er, nahm das Tablett und ging zur Tür.

„Sie passen aber nicht gut auf, Metcalfe. Jeder hätte inzwischen mit Ihrem wertvollen Wagen davonfahren können.“

Diana, die trotz bester Vorsätze an nichts anderes denken konnte als an diesen außergewöhnlich attraktiven Mann, der so überraschend in ihr Leben getreten war, machte einen kleinen Satz, als sie seine Stimme dicht hinter sich hörte.

„Das sollte mal jemand versuchen“, sagte sie. „Das Schloss aufbrechen, die Alarmanlage ausschalten und dann das GPS austricksen.“

„Ja, mit diesen Apparaten wird man überall gefunden“, gab er ihr recht und stellte sich neben sie ans Geländer. „Warum sind Sie dann nicht mit in die Galerie gekommen?“

„Mr. Pierce wäre nicht einverstanden gewesen“, antwortete sie und hielt die Augen fest auf das nördliche Themseufer gerichtet. „Außerdem ist das hier viel schöner als ein paar alte Bilder.“

„Die Erde hat nichts Schöneres zu zeigen …“, zitierte er.

„Wordsworth hat den Nagel auf den Kopf getroffen, meinen Sie nicht?“ Gegen ihren Willen sah sie ihn an. „Wie viele Engländer könnten wohl einen arabischen Dichter zitieren?“ Dann, bevor er eine für sie beide peinliche Antwort geben musste, fragte sie rasch: „Ist die Veranstaltung schon zu Ende?“

„Nein, sie ist noch in vollem Gange.“

„Oh.“ Er war gekommen, um sie zu sehen. Sie blickte auf das Tablett. Er hatte ihr etwas zu essen gebracht. „Weiß Mr. Pierce, dass Sie geflüchtet sind?“

„Geflüchtet?“

„Sie sind doch die Hauptattraktion des Abends.“

„Im Gegenteil, die Ferienanlage in Nadira ist die Hauptattraktion. Außerdem habe ich James mit einer ernsthaften jungen Journalistin abgelenkt, die an meiner Integrität zweifelt.“

„Warum?“

Er hielt ihr das Tablett hin. „Ich dachte, Sie hätten vielleicht Hunger.“

Sie starrte einen Augenblick darauf. „Nein. Warum zweifelt sie an Ihrer Integrität?“

„Sie wissen doch, wie Journalisten sind, die geborenen Zyniker.“

„So kann man es auch nennen. Aber warum sollte sie James mehr glauben als Ihnen?“

„Wird sie nicht. Seine Aufgabe ist es, sie dazu zu bringen, nach Nadira zu kommen, um sich selbst ein Bild zu machen.“

Ein Lächeln von Scheich Zahir hätte genügt, dachte sie. Mit diesem Lächeln würde er alles bekommen, was er wollte …

„Dann hat sich der Zynismus gelohnt“, sagte sie und schob den Gedanken beiseite. Nein, alles bekam er nicht. Nicht ihre Schneekugel. Nicht sie. „Wenn ich gewusst hätte, dass Sie kostenlose Urlaubsreisen verteilen, wäre ich vielleicht auch in …“

Versuchung geraten.

Sie sprach es nicht aus, aber sie wussten beide, was sie hatte sagen wollen. Verlegen betrachtete sie die appetitlichen Kanapees. Das war die einzige Versuchung, der sie erliegen würde.

„Die sehen nicht schlecht aus.“

„Bedienen Sie sich.“

Sie war nicht hungrig, aber wenn sie etwas aß, würde sie das zumindest davon abhalten, Dinge zu sagen, die sie hinterher bereute.

Das kleine Blätterteigteilchen zerging in ihrem Mund und hinterließ eine zarte, warme Käsecreme. Es war nicht völlig geschauspielert, als sie vor Vergnügen seufzte.

„Haben Sie schon etwas davon probiert?“

„Sollte ich?“, fragte Zahir ernst.

„Ja … nein! Auf keinen Fall. Am besten, Sie lassen mir alles hier und gehen zurück zu Ihrer Veranstaltung.“

Er nahm eines und probierte es. „Sehr gut“, sagte er und leckte einen Klecks Käse von seinem Daumen ab, wobei ein Krümel an seiner Unterlippe hängen blieb.

Es kostete Diana viel Beherrschung, ihn nicht mit dem Finger wegzuwischen. In ihrer Fantasie hielt sie sich nicht zurück.

„Nehmen wir das Tablett doch mit rüber zu der Bank“, schlug er vor. „Im Sitzen können wir die Kanapees besser genießen.“ Dann fügte er noch hinzu: „Ich hätte uns auch etwas zu trinken mitbringen sollen.“

„Uns? Entschuldigung, aber wird man Sie nicht vermissen?“

„Sie wollen das alles allein essen, habe ich recht?“ Seine Stimme klang ernst, sein Gesicht war es nicht, und sie musste lachen. Wie schnell er sie zum Lachen brachte.

„Erwischt“, sagte sie.

„Nehmen Sie. Mir steht noch ein Dinner bevor.“

Er klang nicht sonderlich begeistert bei dem Gedanken, in einem der exklusivsten Restaurants von London zu Abend zu essen.

„Ist das so schlimm?“

„Gutes Essen wird durch Gespräche über die Hochfinanz ruiniert. Das beste Rezept für Verdauungsstörungen.“

„Das kommt davon, wenn man Geschäft und Vergnügen verbindet.“

„Wie weise Sie sind, Metcalfe. Schade, dass die Menschen aus der Finanzwelt nicht so vernünftig sind.“

„Wahrscheinlich halten sie es mit dem Spruch ‚Zeit ist Geld‘. Wenn sie zwei Sachen gleichzeitig tun, verdienen sie doppelt so viel.“

„Besonders, wenn sie für das Abendessen nicht selbst bezahlen.“

Er stellte das Tablett ab, wartete, bis sie sich hingesetzt hatte, und nahm nach kurzem Zögern ebenfalls Platz. Er setzte sich so, dass das Tablett zwischen ihnen stand. Diana schwankte zwischen Erleichterung und Enttäuschung.

„Dieser Blick ist wunderbar, nicht?“, sagte Zahir. „So viel Geschichte auf jedem Quadratmeter.“

„Haben Sie viel Zeit in London verbracht?“

„Zu viel“, gestand er vergnügt, lehnte sich zurück und streckte seine langen Beine aus. „Ich bin ein Stück weiter flussaufwärts zur Schule gegangen.“

„Wirklich? Ich auch.“ Dann, als ihr aufging, welche Schule er meinte: „Bei mir war es natürlich nicht Eton, sondern die Gesamtschule in Putney.“

„Leben Sie noch immer dort?“

„Hmm.“ Sie steckte sich ein weiteres Blätterteigwunder in den Mund – es schmeckte nach geräuchertem Lachs und Crème fraîche. „Dreiundzwanzig Jahre alt und noch immer zu Hause. Ist das nicht traurig?“

„Traurig?“

„Langweilig, bemitleidenswert.“

„Im Gegenteil. So sollte es sein. In meinem Land leben die Frauen im Schutz der Familie, bis sie heiraten.“

Nicht wenn sie einen fünfjährigen Sohn haben, aber keinen Ehemann, dachte Diana, während sie sich ansahen.

Zahir wusste, dass er gehen, dass er damit aufhören sollte, was auch immer es war. Während er hier saß, mit seiner Fahrerin flirtete und dabei viel mehr wollte, wählten seine Mutter und seine Schwestern unter den gut situierten Töchtern von Ramal Hamrah eine geeignete Braut für ihn aus.

Als der Wind Metcalfe eine Haarsträhne ins Gesicht blies, griff er instinktiv danach.

Seide, dachte er, kastanienbraune Seide, der perfekte Kontrast zu den grüngoldenen Augen. Die Versuchung, ihre Haare um seine Finger zu wickeln und sie zu sich heranzuziehen, war fast überwältigend.

Fast. Er hatte sich unter Kontrolle …

Langsam, darauf bedacht, nicht ihre Wange zu berühren, steckte er ihr die Strähne hinter das Ohr. Die glatte Haut ihres Halses überwältigte ihn. Ihre Wärme zog ihn an, nahm ihn gefangen, und schließlich spreizte er die Finger und legte die Hand auf ihr Haar.

Sie sah ihn an, die Augen weit aufgerissen, doch eine Sekunde, bevor er sie küsste, presste sie die Lippen zusammen, hielt den Atem an und versteifte sich. Es kam ihm vor wie eine Ewigkeit, bis sie nachgab und seinen Kuss erwiderte.

Das Klappern des Tabletts brachte sie wieder in die Gegenwart.

Metcalfe zuckte zurück. Ihre Pupillen hatten sich geweitet, ihr Mund war voll und dunkel, die Wangen gerötet. Alles, was sie fühlte, las er in ihrem Gesicht. Als wüsste sie es, wandte sie den Blick ab und sah auf das Tablett.

„Ein Festmahl für die Tauben“, brach sie das Schweigen, während die Vögel sich über die verstreuten Häppchen hermachten.

Er wollte etwas sagen, aber was? Er kannte nicht einmal ihren Namen. Metcalfe ging nun nicht mehr …

„Ich muss zurück in die Galerie“, sagte er im Aufstehen.

Sie nickte. „Ich bringe das Tablett nachher zurück.“ Dann, als er immer noch nicht ging, sah sie ihn an und sagte: „Diana. Ich heiße Diana Metcalfe.“

„Wie die Prinzessin?“

„Leider. Meine Mutter war ein Fan von ihr.“

„Diana war auch eine Göttin.“

„Ich weiß. Ein ziemlich großartiger Name für ein durch und durch gewöhnliches Mädchen.“ Sie schluckte. „Die meisten nennen mich einfach Di.“

„Es gibt keine gewöhnlichen Mädchen, Diana. Jeder Mensch ist einzigartig.“ Und dann setzte er mit einer Spur von Verärgerung in der Stimme hinzu: „Die Welt ist voller Menschen, die es begrüßen, wenn wir auf der Stelle treten. Wir sollten ihnen nicht in die Hände spielen, indem wir uns selbst kleinmachen.“

Diana starrte ihn einen Augenblick lang an, aber er wartete nicht auf eine Antwort. Mit einer Kopfbewegung, die mehr als ein Nicken und weniger als eine Verbeugung war, drehte er sich um und entfernte sich schnell.

War er wütend auf sie?

Nicht nötig. Sie würde schon selbst mit sich ins Gericht gehen, wenn sie wieder zu sich gekommen war. Sie würde die Berührung, die sie bis ins tiefste Innere aufgewühlt hatte, vergessen, ebenso die erwachenden Gefühle, die Begierde, nachdem sie so lange innerlich tot gewesen war.

Und was das auf der Stelle treten anging, so hatte er leicht reden. Sein Platz in der Welt lag so unendlich hoch über dem normaler Menschen, dass er wahrscheinlich eine Sauerstoffmaske brauchte.

Was wusste er schon von ihrem Leben?

Alleinstehende Mutter mit achtzehn. Und dann, gerade als sie glaubte, es ginge aufwärts, war ihr Vater durch einen Schlaganfall arbeitsunfähig geworden. Ihre Mutter und sie mussten nun beide ganztags arbeiten, das Äußerste aus sich herausholen, und traten doch auf der Stelle. Alle Träume auf Eis gelegt.

Morgen werde ich mir wie üblich Sandwiches, eine Thermoskanne mit Tee und eine Wasserflasche mitbringen, nahm sie sich vor, während sie das Tablett aufhob und die Reste der Kanapees den Tauben hinwarf.

Auf wackeligen Beinen machte sie sich auf den Weg zur Galerie, gab das Tablett einer Kellnerin und ging, ohne nach links oder rechts zu sehen, um sich die Hände zu waschen.

Als sie ein paar Minuten später zurückkam, erblickte sie als Erstes Zahir. Sie hätte auf ihre Fußspitzen schauen und unverzüglich zum Ausgang gehen können, aber es bestand keine Gefahr, dass er sie bemerkte und mit ihr flirtete. Seine Aufmerksamkeit wurde völlig von einer großen, eleganten Frau in Anspruch genommen, deren langes karamellblondes Haar raffiniert hochgesteckt war. Kein dummes Mädchen, sondern eine schöne Frau. Keine hässliche Uniform, dafür ein herrlich bestickter Salwar Kamiz, ein Kaftan, dessen Preis sicher so lang wie eine Telefonnummer gewesen war.

Diana blieb wie angewurzelt stehen. Die Frau lächelte und berührte mit einer vertrauten Geste Zahirs Arm. Man spürte sofort, dass sie sich gut kannten.

Es war, als hätte sie einen Schlag versetzt bekommen, der sie zurück in die Realität brachte.

Scheich Zahir zog schöne Frauen magnetisch an. Frauen in schicken Kleidern und eleganten Schuhen, umwerfenden hochhackigen Designerpumps.

Er hat mich geküsst, weil ich gerade da war, dachte sie. Das war seine Art. Männer waren so. Sie nahmen, was sie kriegen konnten. Ohne nachzudenken, ließen sie sich von ihren Hormonen steuern.

Sie musste ihn doch nur ansehen, um das zu erkennen. Und sie hatte selbst erlebt, wie die Verkäuferin auf ihn reagiert hatte.

Sie selbst hatte zweifellos dieselben Signale ausgesendet, und er war darauf eingegangen, instinktiv, wie es eben seine Art war.

Das war ihr schon einmal passiert. Daher wusste sie, dass es nichts zu bedeuten hatte. Gar nichts, dachte sie, drehte sich um und stand vor James Pierce.

Pierce sah zu seinem Chef hinüber, dann zu ihr, und als wüsste er genau, was in ihr vorging, lächelte er sie mitleidig an und sagte: „Entzückende Frau, nicht wahr?“

„Reizend“, brachte sie heraus. Dann konnte sie sich nicht mehr zurückhalten. „Wer ist sie?“

„Seine Partnerin.“ Während ihr Gehirn noch die Neuigkeit verarbeitete, fuhr er fort: „Sie sollten besser zurück zum Wagen gehen. Scheich Zahir verlässt die Veranstaltung in fünf Minuten.“

Die Aufforderung war überflüssig. Diana flüchtete an die frische Luft, wo sie tief durchatmete, ihren Hut aufsetzte und die Handschuhe überstreifte.

Sie hatte erwartet, dass die blonde Frau ihn begleiten würde, aber als Zahir aus der Galerie trat, war nur James Pierce bei ihm.

„Ich überlasse die restlichen Gäste Ihnen, James. Sie sollen alle nach Nadira kommen und sich ein eigenes Urteil bilden.“

„Ich bin schon alle durch, außer zwei Journalisten von der Boulevardpresse, die eine besondere Einladung erwarten, aber ich bin sicher, sie werden der Prinzessin sehr schnell aus der Hand fressen.“

Die blonde Frau ist eine Prinzessin?

Warum war sie überrascht?

„Ohne Zweifel. Würden Sie Lucy in meiner Abwesenheit zu ihrem Wagen begleiten?“

„Es wird mir ein Vergnügen sein. Soll ich die Anrufe entgegennehmen, für den Fall, dass Lord …“ James Pierce warf einen Blick auf Diana, vollendete den Satz nicht und brachte damit zum Ausdruck, dass er ihr nicht vertraute.

„Danke, James. Ich denke, ich bin in der Lage, eventuelle Fragen von Lord Radcliffe selbst zu beantworten“, antwortete Zahir ohne Zögern.

„Berkeley Square, Diana“, half er ihr auf die Sprünge und stieg ein.

„Sir“, antwortete sie.

„Kommen Sie danach zurück und holen mich hier ab, Metcalfe!“, befahl James Pierce scharf.

Scheich Zahir hielt die Tür fest, die sie gerade mit einer gemessenen Bewegung schließen wollte, und sagte zu seinem Assistenten: „Nehmen Sie sich ein Taxi, James.“

„Es ist kein Problem“, reagierte Diana schnell. Sie wollte dem Stockfisch keinen Grund geben, sich bei Sadie über sie zu beschweren. „Ich muss sowieso warten.“ Sie brachte ein höfliches Lächeln zustande. „Ich komme so schnell ich kann, Mr. Pierce.“

Sie stieg in den Wagen, startete den Motor und fuhr im Taxifahrerstil, die Seitenspiegel benutzend, durch London, wobei sie jeden Augenkontakt mit ihrem Passagier vermied.

Da sie sich strikt an die Regel „Nur reden, wenn man angesprochen wird“ hielt, wurde es eine schweigsame Fahrt, denn Scheich Zahir sagte nichts.

Wahrscheinlich war er verärgert, weil sie sich über seine Anweisung an James Pierce hinweggesetzt hatte. Sicher war er es nicht gewohnt, dass ihm jemand widersprach. Oder glaubte er, dass sie nach dem Kuss Teil seines persönlichen Harems war und ihm allein gehörte?

Als sie vor dem Restaurant am Berkeley Square anhielt, machte er keine Anstalten auszusteigen.

War das seine Art, ihr zu zeigen, dass alles beim Alten oder alles anders geworden war?

Weder noch. Als sie seine Tür öffnete, fand sie ihn tief in Gedanken versunken. Er hatte anscheinend nicht einmal bemerkt, dass sie angekommen waren.

„Um wie viel Uhr soll ich Sie abholen, Sir?“, fragte sie, um kein Risiko einzugehen.

Zahir hatte während der Fahrt über das bevorstehende Treffen nachgedacht und sich bemüht, Diana Metcalfe aus seinen Gedanken zu verbannen. Doch eine kurze Frage von ihr genügte, um seine Bemühungen zunichtezumachen.

„Wenn Sie es nicht genau wissen, können Sie mich gern anrufen.“ Sie nahm eine Karte aus ihrer Jackentasche und hielt sie ihm hin. „Vielleicht wenn Sie beim Kaffee angelangt sind?“

Es war eine der Firmenkarten von Capitol Cars.

„Sie anrufen?“

„Hier vorne steht die Nummer des Autotelefons“, sagte sie.

„Auf die Rückseite habe ich meine Handynummer geschrieben.“ Er nahm die Karte, die noch warm von ihrem Körper war.

Um das plötzliche Zittern seiner Hände zu verbergen, drehte er sie um und blickte auf die deutlich geschriebenen Ziffern. Er hatte von Anfang an vorgehabt, zurück zum Hotel zu laufen. Egal, wie das Treffen ausging, würde er danach frische Luft brauchen, um den Kopf wieder freizubekommen. Er wollte ihr gerade sagen, dass sie nach Hause fahren konnte, dass sie sofort hätte Feierabend machen können, wenn sie nicht darauf bestanden hätte, James abzuholen, doch dann zögerte er. Er würde ihr keinen Gefallen tun, wenn er sie früher nach Hause schickte. Im Gegenteil, er würde sie damit um drei Stunden Arbeitszeit zum teuersten Abendtarif bringen.

„Ich denke, dass wir um halb zwölf fertig sind“, sagte er. „Ansonsten rufe ich Sie an.“

„Jawohl, Sir.“

Das „Sir“ nagte an ihm. Aber es war nicht nur die Anrede. Zum ersten Mal, seit sie ihm vor dem Flughafen das zerbrochene Spielzeug in die Hand gegeben hatte, sah sie ihm nicht in die Augen. Sie blickte haarscharf an ihm vorbei über seine rechte Schulter, und er verstand, was Diana ihm mit bemerkenswertem Takt vermitteln wollte. Sie ging davon aus, dass der Kuss nichts zu bedeuten hatte. Sie gab ihm und sich selbst damit die Chance, einen Schritt zurückzutreten und noch einmal von vorne anzufangen.

Er hatte keine Wahl. Mit einer angedeuteten Verbeugung würdigte er ihren Takt und sagte: „Danke, Metcalfe.“

4. KAPITEL

Für einen winzigen Augenblick begegneten sich ihre Blicke, und er sah etwas in ihren Augen, das ihn die mächtigen Männer, die auf ihn warteten, und die geplante Fluggesellschaft vergessen ließ. Es wollte Diana zurückhalten, neben ihr in den Wagen steigen und mit ihr an einen ruhigen, ungestörten Ort fahren, an dem es keinen Abgrund mehr zwischen seiner und ihrer Welt gab.

Wozu?

Für ihr Lächeln? Um es aufleuchten zu sehen, trotz ihres Vorsatzes, ernst zu bleiben?

Um ihr zuzuhören, um sich mit ihr zwanglos zu unterhalten. Ohne Termindruck.

Sie hatte zwar gelacht, war errötet, hatte seinen Kuss erwidert, doch ihre prompte Rückkehr zum „Sir“ zeigte ihm, dass ihr der Abstand zwischen ihnen bewusst war, auch wenn er sich darüber hinweggesetzt hatte. Sie wusste ebenso wie er, dass es für sie beide nicht mehr als eine kurze Spielerei ohne Zukunft geben konnte. Und sie war so klug gewesen, sich zurückzuziehen, so zu tun, als wäre nie etwas geschehen. Eine berechnendere Frau hätte ihre Chancen genutzt.

Mit dem Verkauf ihrer Romanze an die Boulevardpresse hätte sie sich ihren Traum vom eigenen Taxi zweimal erfüllen können. Es hätte nicht nur für ein leuchtend pinkfarbenes Taxi gereicht, sondern zudem noch für einen spritzigen Wagen fürs Wochenende. Er kannte sich aus mit Träumen …

Sie hatte Rücksicht auf ihn genommen. Warum fiel es ihm schwer, diese Haltung zu akzeptieren? Normalerweise verlor er nicht so schnell den Kopf oder gar sein Herz nur wegen eines Lächelns.

Wenn es um geschäftliche Dinge ging, konnte er durchaus ein Draufgänger sein, der beträchtliche Risiken einging. In seinem Privatleben war er bisher wesentlich vernünftiger gewesen. Er hatte darauf geachtet, dass seine Beziehungen oberflächlich blieben und die Frauen nach denselben Regeln spielten wie er. Sie hatten stets gewusst, dass es nichts Ernsthaftes, schon gar keine gemeinsame Zukunft geben konnte. Es waren zwanglose Flirts gewesen, die niemanden verletzt hatten.

Diana Metcalfe war anders als diese Frauen. Und ihm war nicht nach einem zwanglosen Flirt zumute.

Er wusste, dass er sich nun aufs Geschäftliche konzentrieren musste. Trotzdem wollte er seinen Namen aus ihrem Mund hören, ihr Lächeln und den Duft ihrer Haut mitnehmen.

Heute Abend würde er seinen ganzen Verstand brauchen, wenn er den größten Deal seines Lebens durchziehen wollte. Doch er konnte nur daran denken, dass das Lächeln aus ihren Augen verschwunden war.

Spontan hob er ihre Karte hoch, die er noch immer in der Hand hielt, und nahm einen Hauch ihres Duftes wahr. Nichts aus der Parfümflasche, sondern ein warmer, weiblicher Duft, ganz und gar Diana Metcalfe.

Er steckte die Karte ein und fuhr sich mit beiden Händen durch die Haare, um alle quälenden Gedanken zu vertreiben.

Er sollte James anrufen und ihn bitten, beim Chauffeurdienst einen anderen Fahrer zu verlangen. Aus den Augen, aus dem Sinn!

Aber nicht einmal das war möglich.

Es hatte nicht erst mit dem Kuss angefangen. Nein, sein erster Fehler war gewesen, mit ihr zu reden. Wirklich mit ihr zu reden.

Er hatte sich auch mit Jack Lumley unterhalten. Und trotzdem wusste er nach einer Woche in seiner Gesellschaft nichts über ihn.

Diana machte keine höfliche, leere Konversation.

Er hatte sie ein Naturtalent genannt, aber sie war mehr als das. Sie war absolut unaffektiert, redete, ohne lange zu überlegen, machte keine Anstrengungen, anderen zu gefallen. Sie hatte nichts von der antrainierten Höflichkeit, welche die Jack Lumleys dieser Welt bis ins Kleinste beherrschten.

Er konnte und wollte ihr nicht diese große Chance kaputt machen und sie zurück ans Steuer des Schulbusses schicken. Sie hatte nichts falsch gemacht.

Blind hatte er sich über alle Regeln hinweggesetzt, nun musste er leiden.

Vielleicht werden die Verhandlungen über meine Fluggesellschaft ja dieselbe Wirkung wie eine kalte Dusche haben, dachte er, als er die Rücklichter des Wagens verschwinden sah.

Vielleicht musste er sich schlicht und einfach nur zusammenreißen.

„Hoheit.“ Der Oberkellner begrüßte ihn formvollendet und führte ihn in einen privaten Raum, der für dieses sehr diskrete Dinner gebucht worden war. „Es ist schön, Sie wieder einmal zu sehen.“

„Ich freue mich auch, George.“

Während er dem Maître die breite Treppe hinauf folgte, nahm er innerlich bewusst Abstand von der internationalen, kosmopolitischen Welt. Mit jedem Schritt rief er sich seine eigene Kultur, seine eigene Geschichte und Zukunft in Erinnerung. Er erkundigte sich nach der Familie des Mannes in der Weise, wie es in Arabien die Höflichkeit verlangte, wo es einer Beleidigung gleichkam, wenn man nach der Ehefrau und den Töchtern fragte.

„Wie geht es Ihren Söhnen?“, fragte er, so wie es auch sein Vater und sein Großvater getan hätten.

Diana fuhr zurück in die Firma, trug die Strecken in ihr Fahrtenbuch ein, wickelte die zerbrochene Schneekugel in Zeitungspapier und entsorgte sie. Dann saugte sie den Wagen.

Sogar einen Bissen von dem Sandwich, das sie sich auf der Rückfahrt gekauft hatte, brachte sie hinunter.

Aber obwohl ihre Hände beschäftigt waren, konnte sie ihre Gedanken nicht zur Ruhe bringen. Wieder und wieder durchlebte sie den Moment, als Zahir sie geküsst und sie sich für einen kurzen Augenblick wie eine Prinzessin gefühlt hatte.

Zahir hatte Diana absagen wollen. Er hatte vorgehabt, sie um elf Uhr anzurufen und nach Hause zu schicken. Aber dann vergaß er den Anruf, und als er aus dem Restaurant trat und sie warten sah, wusste er, dass sein Unterbewusstsein ihm einen Streich gespielt hatte. Er konnte nicht anders, als sich darüber zu freuen.

Er wollte in diesem Augenblick nicht allein sein, wollte seine Aufregung mit jemandem teilen. Mit einer Frau, deren Lächeln ihn tief berührte und sein Herz erwärmte.

„Sie hatten einen langen Tag, Metcalfe. Haben Sie noch fünf Minuten für mich übrig?“

„Ja … ja, natürlich. Wohin wollen Sie?“

„Nirgendwohin. Machen Sie einen Spaziergang mit mir um den Platz?“

Vielleicht hatte er diesmal den richtigen Ton getroffen, oder vielleicht spürte sie die vibrierende Erregung, die von ihm ausging und die er im Beisein der Finanziers hatte unterdrücken müssen. Auf jeden Fall schloss sie den Wagen ab und begleitete ihn.

„Man sieht gar keine Sterne“, sagte er aufblickend. „Die helle Beleuchtung in London stiehlt uns den Sternenhimmel. In der Wüste wäre die Nacht schwarz, die Sterne wären zum Greifen nah.“

„Ehrfurcht gebietend.“

„Ja, Sie haben recht. Die Leere, die Kälte und die Stille, nur der Wind ist zu hören. Jeder wird dort ehrfürchtig. Man wird sich bewusst, wie klein man ist, wie unbedeutend.“

„Ist Ihr Treffen nicht gut gelaufen?“, fragte sie besorgt.

„Besser, als ich zu hoffen wagte.“ Eine selten arrogante Alles-oder-Nichts-Stimmung war ihn beim Dinner an diesem Abend überkommen. Er hatte alles auf eine Karte gesetzt, sich nicht auf die üblichen Spielchen eingelassen, war direkt aufs Ziel zugesteuert, hatte sein Angebot und seine Bedingungen genannt. Und er war überzeugend gewesen. „Abgesehen von den Teilnehmern des Dinners sind Sie die Erste, die es erfährt – Ramal Hamrah bekommt eine eigene Fluggesellschaft.“

„Oh. Das ist großartig.“

„Jeder Geschäftsabschluss ist großartig, nur die Zahlen unterscheiden sich.“ Dann sah er sie an. „Wenn Sie erst ihr pinkfarbenes Taxi kaufen, wird das eine riesige Sache.“

„Es wird ein Wunder“, sagte sie schwärmerisch. „Wenn es jemals so weit sein sollte, das verspreche ich Ihnen, dann schaue ich hoch zu den Sternen und nehme mir vor, nicht größenwahnsinnig zu werden.“

Er fasste sie am Arm, während sie die Straße überquerten, und als sie sicher auf dem gegenüberliegenden Gehweg ankamen, hielt er sie weiter untergehakt und blickte in den rötlichen Nachthimmel auf. „Aber nicht in London, Metcalfe.“ Für einen Augenblick versteifte sie sich, doch vielleicht war es die Verwendung ihres Nachnamens, die sie beruhigte, und sie entspannte sich wieder. „Obwohl man ins Planetarium gehen könnte.“

„Nicht nötig. In London sucht man die Sterne nicht am Himmel. Man sieht nach unten.“ Er runzelte die Stirn, und sie lachte. „Wussten Sie nicht, dass die Straßen von London nicht mit Gold gepflastert sind, sondern mit Sternen?“

„Wirklich?“

Er sah nach unten und blickte sie dann von der Seite an.

„Anscheinend habe ich etwas verpasst.“

„Wir sind auf dem Berkeley Square“, half sie ihm auf die Sprünge.

„Und?“

„Kennen Sie das Lied nicht?“ Sie schüttelte den Kopf. „Nein, Sie können es nicht kennen. Es ist alt.“

Berkeley Square … Irgendetwas tauchte in seiner Erinnerung auf, eine verkratzte alte Schallplatte, die sein Großvater manchmal gehört hatte. „Ich dachte, es hat etwas mit einer Nachtigall zu tun.“

„Sie kennen es!“

„Ich erinnere mich an die Melodie.“ Er summte eine kurze Tonfolge, und Diana lächelte.

„Fast“, sagte sie lachend. „Aber es geht nicht nur um die Nachtigall. Auch die Sterne kommen darin vor.“ Leicht verlegen fuhr sie fort: „Mein Dad sang es meiner Mum öfter vor. Und dann tanzten sie in der Küche dazu.“

„Wirklich?“ Die Vorstellung verzauberte ihn. „So?“ Er drehte sich zu ihr hin und legte ihr einen Arm um die Taille. „Worauf warten Sie? Singen Sie …“, befahl er.

Diana konnte nicht glauben, dass dies wirklich geschah. Es waren noch Passanten unterwegs. Männer im Smoking und Frauen in Abendkleidern auf dem Weg zu einem der schicken Nachtclubs der Gegend. Sie rissen Witze und lachten. Dann posierten sie nebeneinander, und einer aus der Gruppe machte mit dem Handy ein Foto.

Wenn sie selbst etwas Elegantes angehabt hätte, wäre sie sich vielleicht nicht so albern vorgekommen. Aber in ihrer Uniform …

„Bitte nicht!“ Doch Zahir nahm ihre Hand und drehte sich summend mit ihr auf dem Gehweg. „Zahir …“ Er hörte nicht auf sie. „Um Himmels willen, das ist nicht einmal die richtige Melodie!“

„Nicht? Wie geht sie dann?“

Vielleicht waren sein Übermut und seine Freude ansteckend. Ohne weiter nachzudenken, begann sie zu singen, und Zahir summte dazu. Sie tanzten um den Berkeley Square zu einem Lied, das bereits alt gewesen war, als ihre Eltern es gesungen hatten. Ein Lied über den Zauber des Verliebtseins und über Unmögliches, das wahr wird: London wird zu einem Ort, wo Engel dinieren, Nachtigallen singen und die Straßen mit Sternen gepflastert sind.

Sie tanzten, als wären sie allein im Universum, und die Straßen funkelten voller Sterne.

Erst als das Lied zu Ende war, bemerkte Diana, dass sie nicht mehr tanzten, sondern neben dem Wagen standen. Dass Zahir sie im Arm hielt. Und dass sie sich nichts sehnlicher wünschte, als von ihm geküsst zu werden.

Als könne er ihre Gedanken lesen, hob er ihre Hand an seine Lippen. Dann neigte er den Kopf, als lausche er einem leisen Klang.

„Können Sie es hören?“, murmelte er.

„Die Nachtigall.“

Sie musste ihre ganze Vernunft zusammennehmen, um den warmen Atem an ihrer Wange zu ignorieren, seine Finger, die ihre noch umfasst hielten, seine Hand, warm auf ihrer Taille, den Zauber des süßen Liedes, das die Nachtigall in ihrem Herzen sang.

Sie musste sich Freddys Stimme in Erinnerung rufen, die fragte: „Mummy, kommst du heim, bevor ich ins Bett gehe?“ Und ihr Versprechen: „Ich bin da, wenn du aufwachst.“

„Nein, Sir.“ Ihre Stimme klang ganz fremd. „Sie werden feststellen, dass es ein Spatz ist.“

Damit zerbrach sie die zarte Schönheit des Augenblicks, die Gefahr war gebannt. Er trat einen Schritt zurück und sagte mit kaum wahrnehmbarem Lächeln: „Ich vergaß, Metcalfe, Sie glauben nicht an Märchen.“

Für einen Augenblick wollte sie es bestreiten. Stattdessen sagte sie: „Sie auch nicht, Sir.“

„Nein.“ Erneut berührte er ihre Finger mit seinen Lippen, dann drehte er sich ohne ein Wort um und ging fort.

Was?

„Sir!“ Er schien sie nicht zu hören. „Wohin gehen Sie?“ Dann rief sie geradezu verzweifelt: „Zahir!“

Ohne stehen zu bleiben, ohne sich umzudrehen, sagte er: „Fahren Sie nach Hause, Metcalfe. Ich gehe zu Fuß zurück ins Hotel.“

„Aber …“

Er blieb stehen. Blickte hinauf in den von Neonlichtern erhellten Himmel.

Aber? Was aber? Was glaubt sie denn?

Wie zur Antwort auf ihre unausgesprochene Frage drehte er sich um, und sie sahen sich an.

Diana hatte es schon einmal erlebt, doch die Macht seines glühenden Blicks erschreckte sie zu Tode.

Sie hatte so viel Vernunft besessen, sich zurückzuziehen, und nun, als wolle sie sich ein zweites Mal ruinieren, hatte sie alles wieder rückgängig gemacht mit ihrem „Aber“.

Und dieses Mal gab es keine Entschuldigung. Sie war nicht mehr achtzehn. Sie war dreiundzwanzig Jahre alt, hatte ihren Ruf wiederhergestellt, trug Verantwortung …

Sie hatte sich etwas vorgemacht.

Gerade erlebte sie Leidenschaft in ihrer ursprünglichsten Form. Ein Urtrieb, der die Menschheit fortbestehen ließ. Alter, Erfahrung – nichts half, dagegen wurde man nicht immun.

„Aber?“ Zahirs Stimme war samtweich.

Ohne nachzudenken, hatte sie die Hand nach ihm ausgestreckt, als wolle sie ihn anflehen zurückzukommen, dort weiterzumachen, wo sie eben aufgehört hatten.

Er kam einen Schritt auf sie zu.

Vielleicht war es die Bewegung, die den Zauber brach. Vielleicht half die Erfahrung doch, denn sie machte eine rasche Handbewegung zur anderen Seite des Platzes. „Sie gehen in die falsche Richtung“, sagte sie. „Sie müssen die Charles Street hinunter, dann, äh, dann in die Queen Street und dann in die Curzon Street.“

„Das ist aus dem Handbuch für Taxifahrer, stimmt’s?“

„Ja. Nein …“ Sie konnte ihren Blick nicht von ihm abwenden. „Die Queen Street ist eine Einbahnstraße. Ich … mit dem Taxi müsste man durch die Erfield Street.“

Autor

Kate Hewitt
<p>Aufgewachsen in Pennsylvania, ging Kate nach ihrem Abschluss nach New York, um ihre bereits im College angefangene Karriere als Schauspielerin weiter zu verfolgen. Doch ihre Pläne änderten sich, als sie ihrer großen Liebe über den Weg lief. Bereits zehn Tage nach ihrer Hochzeit zog das verheiratete Paar nach England, wo...
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