Liebeszauber auf Santorin

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Auf Santorin soll Cleo einen Monat lang seine Geliebte spielen. Dafür zahlt der attraktive Grieche Andreas Xenides ihr eine Million Dollar. Ein reines Geschäft? Als Andreas es mit einem sinnlichen Kuss besiegelt, verspürt Cleo plötzlich heiße Leidenschaft …


  • Erscheinungstag 30.04.2020
  • ISBN / Artikelnummer 9783733716745
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Rache ist süß.

Andreas Xenides sah zu dem heruntergekommenen Gebäude in der engen Londoner Gasse, das sich auf der im stürmischen Wind schaukelnden Namenstafel als Hotel ausgab.

Wie lange suchte er jetzt schon nach dem Mann, der dort lebte? Wie viele Jahre? Er schüttelte den Kopf, ohne auf die Passanten zu achten, die mit gegen die Kälte hochgeschlagenen Mantelkrägen an ihm vorbeihasteten. Es war unwichtig, wie lange. Jetzt hatte er ihn gefunden.

Das Handy in seiner Tasche klingelte. Mit einem irritierten Stirnrunzeln zog er es hervor. Sein Anwalt hatte doch versprochen, ihn nur anzurufen, falls es ein Problem geben sollte. Doch ein Blick auf die Nummer im Display, und Andreas ließ das Telefon unbeantwortet in die Tasche zurückgleiten. Nichts auf Santorin war wichtiger als das, was heute hier in London geschah. Wusste Petra das nicht?

Der Wind wurde noch heftiger, bevor Andreas die Straße überquert hatte, die grau und nass vor ihm lag. Fußgänger suchten eiligst vor den Böen Schutz. Er stieg die ausgetretene Außentreppe des Hotels empor. Die Tür war verschlossen, wie er vermutet hatte. Es gab eine Klingel und eine mitgenommen aussehende Kamera an der Hauswand. Doch der Zufall kam ihm zu Hilfe. Ein Paar mit festem Schuhwerk und Geldgürteln unter den Regenblousons trat aus dem Haus, zu angewidert vom Wetter, als dass es auf ihn geachtet hätte. Schon stand er im Inneren und folgte den handgeschriebenen Hinweisschildern zur Rezeption.

Die Dielenbretter ächzten bei jedem Schritt unter dem abgelaufenen Teppich. Die Pfeile wiesen ins Souterrain. Auf der Treppe dorthin musste Andreas den Kopf einziehen. Irgendwo plärrte ein Radio, und Andreas rümpfte die Nase über den Geruch von Verfall, der ihm entgegenschlug und gegen den auch das stärkste Reinigungsmittel nicht ankam.

Dieses Gebäude war kaum bewohnbar. Auch wenn die Kapriolen des Londoner Wetters jenseits seiner Macht lagen, zweifelte er nicht daran, dass die Gäste des Hauses wesentlich zufriedener mit den Unterbringungsmöglichkeiten wären, die er ihnen gleich bieten würde.

Am Ende des kurzen Gangs stand eine Tür halb offen, ein weiterer handgemalter Pfeil wies den Weg zum „Büro“. Für einen Moment war Andreas so auf diese Tür und die Ausführung seines lang gehegten Vorsatzes fixiert, dass er die zerzauste Gestalt gar nicht bemerkte, die sich jetzt bückte, einen vollen Abfallsack in der einen Hand, um mit der anderen den Staubsauger aufzunehmen. Wohl die Reinmachefrau, dachte er, als sie sich wieder aufrichtete. Er glaubte schon, sie wolle ihm etwas sagen, dann jedoch drückte sie sich nur in eine Tür, um ihn vorbeizulassen. Dunkle Ringe lagen unter ihren geröteten Augen, das Haar klebte um ihr Gesicht, die Arbeitsuniform war schmutzig. Schnell wandte er den Blick wieder von ihr ab. Als er an ihr vorbeiging, roch er Salmiak und schales Bier. Das war also das Personal, das hier arbeitete. Kein Wunder bei einer solchen Absteige.

Nur vage nahm er ihre sich entfernenden Schritte wahr, hörte, wie der Staubsauger irgendwo anstieß und sie einen leisen Schrei ausstieß. Aber er drehte sich nicht um. Er stand im Begriff, das Versprechen zu erfüllen, das er seinem Vater auf dem Sterbebett gegeben hatte.

Diesen Moment wollte er auskosten, darum verharrte er kurz. Er wünschte, sein Vater könnte hier sein. Doch er war sicher, dass er ihm zusah, wo immer er jetzt auch sein mochte.

Es war so weit.

Mit zwei Fingern stieß er die Tür auf und ließ die ungeölten Angeln seine Ankunft ankündigen. Der Mann am Schreibtisch schaute nicht einmal auf. Er telefonierte und kritzelte etwas auf einen Notizblock.

„Nehmen Sie Platz.“ Der Mann deutete abwesend zu einem kleinen Sofa. „Ich bin gleich fertig.“

„Ich stehe lieber“, stieß Andreas durch seine zusammengepressten Lippen aus. Er sagte es in Griechisch.

Der Kopf des Mannes ruckte hoch, alle Farbe wich aus seinem Gesicht. Mit rot geränderten Augen starrte er zu dem Neuankömmling, krächzte etwas Unverständliches und legte fahrig den Telefonhörer zurück. Überhastet stieß er sich mit dem Stuhl zurück, landete in dem vollgestellten Raum krachend an der Wand, doch er versuchte nicht einmal, aufzustehen. Vielleicht weil seine Knie zu sehr zitterten, vermutete Andreas.

„Was willst du hier?“

Andreas trat in den Raum und baute sich drohend vor dem Schreibtisch auf, hinter dem der Mann kauerte. Träge nahm er einen Brieföffner auf und befühlte ihn mit schlanken, kräftigen Fingern. Der andere beobachtete ihn nervös.

„Es ist lange her, Darius. Oder sollte ich dich lieber Demetrius nennen? Oder vielleicht Dominic? So viele Namen … ich kann sie mir gar nicht alle merken. Du verbrauchst Namen wie andere Leute Toilettenpapier.“

Der ältere Mann leckte sich über die Lippen, gehetzt blickte er um sich. Aus der Nähe konnte Andreas erkennen, wie sehr der ehemalige Freund und Partner seines Vaters gealtert war. Fast schockierte es ihn. Nur wenig älter als fünfzig, hatte Darius nur noch schütteres graues Haar, und einst drahtig und robust, wirkte er jetzt zusammengefallen und knochig. Das Gesicht war von tiefen Furchen durchzogen.

Die Zeit war also nicht spurlos an ihm vorübergegangen. Pech. Jeder Anflug von Mitgefühl schwand, als Andreas das listige Funkeln in Darius’ Augen aufglimmen sah. Im Moment mochte der Mann Angst verspüren, aber Andreas wusste, er konnte jederzeit zum Angriff übergehen. Nicht, dass es ihm viel nützen würde.

„Wie hast du mich gefunden?“

„Das habe ich immer an dir geschätzt, Darius. Du hast nie viel Zeit mit Small Talk vergeudet. Kein ‚Wie geht es dir?‘, kein ‚Schönen Tag noch‘.“

„Ich kann mir nicht vorstellen, dass du hier bist, um nett zu plaudern.“

„Stimmt.“ Andreas schaute sich um und führte eine interessierte Bestandsaufnahme des Zimmers durch. Er genoss diese Konfrontation sehr viel mehr, als er sich vorgestellt hatte. „Ich muss zugeben, es war nicht leicht. In Südamerika hast du deine Spuren so gut verwischt, dass wir sie in Mexiko tatsächlich verloren haben.“ Andreas sah zu dem hoch gelegenen schmutzigen Fenster, an dem der Schneematsch herablief. „Man stelle sich vor, du könntest noch immer da drüben in der Sonne sitzen. Keiner hat dich für so dumm gehalten, dass du dich wieder in Europa blicken lässt.“

Ein verärgertes Funkeln glühte im Blick des Älteren auf, Darius verzog die Lippen und bleckte die Zähne. Der bissige Hund war also aus dem Zwinger gesprungen. „Vielleicht hatte ich einfach keine Lust mehr, Bohnen zu essen.“

„Meinen Informationen zufolge soll dir das Geld ausgegangen sein. Hast vermutlich das meiste davon bei schmutzigen Geschäften und an kostspielige Frauen verloren und den Rest beim Glücksspiel eingebüßt. Das ganze viele Geld, Darius, all die Millionen. Das hier“, mit einer Handbewegung schloss Andreas den Raum ein, „ist alles, was von dir übrig geblieben ist.“

Darius gab sich nicht die Mühe, den abfälligen Neid zu kaschieren, als er seinen Besucher von Kopf bis Fuß musterte – den Kaschmirmantel, die von Hand gefertigten Schuhe und Handschuhe. „Dir dagegen scheint es ja prächtig zu gehen.“

Das ist nicht dein Verdienst! Andreas ballte die Hände zu Fäusten, lockerte sie aber wieder, als er sich an sein Versprechen erinnerte, den Mann nicht in Stücke zu reißen. Er blieb zivilisiert. „Hast du ein Problem damit?“

„Bist du deshalb hier? Um zu prahlen?“ Verächtlich verzog Darius die Lippen. „Um mich auf das hier“, er ahmte Andreas’ Handbewegung nach, „reduziert zu sehen? Schön, jetzt hast du es also gesehen. Zufrieden? Heißt es nicht allgemein, Erfolg sei die beste Rache?“

„Siehst du, eben da liegt der Irrtum.“ Jetzt beherrschte Andreas sich nicht mehr, sondern erlaubte es sich, zu lächeln. „Es gibt noch andere, viel bessere Wege für Rache als den Erfolg.“

Mit misstrauisch zusammengekniffenen Augen lehnte der ältere Mann sich vor. „Was soll das heißen?“

Andreas zog ein Dokument aus der Innentasche seines Mantels und hielt es hoch, damit der andere es erkennen konnte. „Das hier ist die beste Rache.“

Und dann sah er zu, wie Darius leichenblass wurde, als er den Kreditvertrag erkannte, den er erst letzte Woche unterschrieben hatte.

„Hast du dir das Kleingedruckte überhaupt durchgelesen? Hast du dich nicht gefragt, warum jemand dir so problemlos Geld leihen sollte, nur mit dieser Bruchbude als Sicherheit? Hast du wirklich nicht einmal vermutet, dass es da einen Haken geben könnte?“

Darius schluckte, seine Haut wirkte jetzt grau.

Andreas lächelte noch immer. „Ich bin der Haken. Die Bank gehört mir. Ich habe dir das Geld geliehen. Und jetzt fordere ich den Kredit zurück.“

„Das kannst du nicht … So viel Geld habe ich nicht flüssig.“

Ungerührt warf Andreas den Vertrag auf den Tisch. „Doch, ich kann. Lies. Wenn du die Summe nicht heute zurückzahlen kannst, bist du in Verzug. Und was das bedeutet, weißt du.“

„Nein! Unmöglich, du weißt, dass ich das nicht kann …“ Dennoch blätterte Darius hektisch in den Papieren und suchte nach einer Klausel, die ihm einen Ausweg bieten könnte. Doch er fand nur bestätigt, was Andreas gesagt hatte. Er sah auf und wusste, dass er geschlagen war. „Das kannst du nicht tun. Das ist nichts anderes als Diebstahl.“

„Du müsstest doch alles über Diebstahl wissen. Nenn es, wie du willst, aber mit dem heutigen Tage gehört dieses Hotel mir. Und es wird auch mit dem heutigen Tage schließen.“

Das Entsetzen auf Darius’ Gesicht genoss Andreas in vollen Zügen. Der Mann sah aus, als hätte er einen Schlag in den Magen erhalten.

Oh, ja, und wie süß Rache ist, dachte Andreas. Vor allem wenn man so lange darauf hatte warten müssen.

2. KAPITEL

Ganz unten.

Da war Cleo Taylor angekommen.

Ihr dröhnte der Kopf. In ihrem Schienbein, dort, wo der Staubsauger sie getroffen hatte, pochte es heiß, und nach nur drei Wochen in dem Job war sie völlig ausgelaugt, sowohl physisch wie auch psychisch. Es war gerade mal fünf Uhr nachmittags, und sie wollte nichts anderes als schlafen.

Sie stellte den Sauger in die Ecke und warf sich auf das schmale Bett, dessen Sprungrahmen sich laut quietschend über das Gewicht beschwerte.

Wie viele Leute hatten sie nicht gewarnt? Und wie vielen von diesen Leuten hatte sie nicht bloßen Neid unterstellt, nur weil sie die wahre Liebe gefunden hatte? Und das an dem unwahrscheinlichsten aller Orte – in einem Chatroom im Internet, bei einem Mann auf der anderen Seite der Erdkugel.

Viel zu viele.

Niemand konnte behaupten, sie hätte es nicht verdient. Denn sie war dumm und naiv genug gewesen, Kurt zu glauben. Sie hatte ihm all seine Geschichten abgenommen, hatte geglaubt, dass er sie liebte. Und er hatte sich revanchiert und ihr nicht nur das Herz gestohlen, sondern auch das gesamte Geld, das sie von ihrer Großmutter hatte.

Schneematsch spritzte von der Straße gegen das winzige Souterrainfenster, und Cleo erschauerte. So viel also zum angeblichen Frühling.

Kurz dachte sie daran, sich von dem altersschwachen Bett zu quälen, aber sie hatte nicht vor, dem Mann von vorhin noch einmal irgendwo in den Korridoren zu begegnen. Wie er sie angesehen hatte, mit diesen eiskalten Augen! Der höfliche Gruß war ihr prompt auf den Lippen erstorben. In Sekundenbruchteilen hatte er sie als niederes Subjekt eingestuft, um dann hoheitsvoll an ihr vorbeizulaufen, in seinem Kaschmirmantel und eingehüllt in eine dezente Wolke eines teuren Aftershaves, das man an einem Ort wie diesem niemals zu riechen bekam.

Aber sie musste aufstehen. Sie durfte jetzt nicht einschlafen, auch wenn sie seit fünf Uhr morgens auf den Beinen war. Sie stank nach Bier, und ihre Uniform war völlig verdreckt, dank der Studenten, die im Raum nebenan drei Tage lang eine Dauerparty gefeiert hatten.

Es war eine Zumutung gewesen, den Raum in Ordnung zu bringen. Der Abfall war aus den Papierkörben gequollen, der Boden mit unzähligen Bierdosen bedeckt, und jemand hatte aus Pizzakartons einen Turm in der Zimmerecke gebaut, der fast bis unter die niedrige Decke reichte. Erstaunlich, dass er nicht irgendwann durch das Rumpeln der in der Nähe vorbeifahrenden U-Bahn zusammengebrochen war. Aber nein, er hatte mit dem Zusammenbrechen gewartet, bis sie das Zimmer betrat – damit sich angebissene Pizzastücke und Bierreste über sie ergießen konnten.

Kein Wunder, dass der Mann sie angesehen hatte, als wäre sie das Allerletzte. Nach dem Tag, der hinter ihr lag, fühlte sie sich auch so.

Cleo raffte sich vom Bett auf, schob ein Handtuch und ihre Kulturtasche unter den Arm und machte sich auf den Weg ins obere Stockwerk zum Bad. Was sollte es sie kümmern, was ein Fremder, den sie nie wiedersehen würde, von ihr dachte? In einer Viertelstunde würde sie frisch geduscht in ihrem Bett liegen und schlafen. Mehr interessierte sie im Moment nicht.

Die Sonnenseite. In Gedanken bedankte sie sich bei ihrer Großmutter, als sie die Treppe hinaufkam und den Schneeregen gegen die Fenster schlagen sah. Sie hatte ein Dach über dem Kopf und musste bei diesem Wetter nicht nach draußen.

„Es gibt immer einen Silberstreif“, hatte ihre Großmutter ihr gesagt, wenn sie sich als kleines Mädchen wieder einmal die Knie aufgeschlagen hatte oder wenn man sie in der Schule wegen der selbst genähten Schuluniform gehänselt hatte. Auch wenn ihre Familie beklagenswert arm gewesen war, es hatte immer etwas gegeben, an dem sie sich hatte festhalten können, irgendeine Sonnenseite, auf die sie sich hatte freuen können.

Fast immer.

Cleo seufzte, als endlich heißes Wasser aus der Leitung kam und ihre schmerzenden Muskeln wärmte. Eine heiße Dusche, ein Dach über dem Kopf und ein Zimmer, in dem ein Bett für sie stand. Es könnte schlimmer sein.

Wenn der Sommer kam und mit ihm die längeren Tage, dann würde sie London besichtigen, so wie sie es sich geschworen hatte, bevor sie nach Hause flog. Nicht, dass ihr die Zeit dafür knapp werden würde. So, wie man sie hier bezahlte, würde es wohl noch dauern, bevor sie sich ein Ticket zurück nach Australien leisten konnte. Gott, wie hatte sie nur so dumm sein und Kurt ihr Geld anvertrauen können!

Plötzlich überfiel Cleo Heimweh. Vor knapp sechs Wochen hatte sie Kangaroo Crossing, die kleine Stadt im australischen Outback, mit hochfliegenden Erwartungen verlassen. Jetzt würde sie alles geben, um die Arme um ihre Mutter und ihre Halbbrüder schlingen zu können. Wahrscheinlich hätte sie sogar ein freundliches Lächeln für ihren Stiefvater übrig. Aber wann würde das wohl sein?

Sie würde erniedrigt nach Hause kommen. Ein Fehlschlag … Die Sonnenseite, ermahnte sie sich. Immer an die Sonnenseite denken.

Nach der Dusche ging Cleo in ihr Zimmer zurück und schlüpfte unter die Bettdecke. Sie lag warm und trocken, und ihr blieben mindestens zehn Stunden Schlaf, bevor sie wieder aufstehen musste und die Plackerei von vorn anfing.

„Du kannst das Hotel nicht schließen“, protestierte Darius. „Die Zimmer sind besetzt, wir haben Gäste!“

„Die Gäste werden in ein komfortables Hotel umgesiedelt, das Personal erhält eine großzügige Abfindung. Ich bin sicher, niemand wird Grund zur Beschwerde haben.“ Andreas klappte sein Handy auf, gab ein paar knappe Anweisungen und ließ das Telefon wieder in seine Tasche gleiten. „Und jetzt wünsche ich, dass du meinen Besitz räumst. Meine Leute kommen gleich, sie werden sich darum kümmern, dass mit dem Transfer der Gäste alles glattläuft. In zwei Stunden müsste das Hotel leer sein.“

Ein letztes Mal versuchte Darius, Andreas zu erweichen. Er entschuldigte sich für das, was vor Jahren geschehen war. Doch Andreas zeigte so wenig Mitleid mit ihm, wie Darius vor Jahren kein Mitleid mit Andreas’ Vater gekannt hatte. „Du hast zehn Minuten.“

Darius wusste, dass er geschlagen war. Er räumte seine persönlichen Sachen in einen Karton und schlurfte zum Zimmer hinaus, während schon die ersten Angestellten von Andreas ins Zimmer strömten.

Gerade als Andreas sein Team mit Anweisungen an die Arbeit geschickt hatte, klingelte sein Handy wieder. Automatisch griff er danach, gönnte sich aber einige wenige Sekunden des Triumphs über seinen Erfolg, bevor er es hochnahm. Den Ausdruck auf Darius’ Gesicht, dem Gesicht des Mannes, der seinem Vater vor so vielen Jahren Millionen gestohlen und nun selbst alles verloren hatte, würde er niemals vergessen.

Mit gerunzelter Stirn schaute er auf das Display. Schon wieder Petra? Gab es vielleicht doch einen Notfall?

„Ja?“

Vom anderen Ende des Kontinents erklang Petras Stimme. „Andreas!“

Er hörte das Strahlen in ihrer Stimme, als wäre eine Lampe eingeschaltet worden. „Was ist los?“

„Oh, ich habe mir solche Sorgen gemacht. Wie sieht es in London aus? Läuft alles nach Plan?“

Ärger erfasste Andreas. Also kein Notfall. Nur Petra, die sich irrigerweise einbildete, sie hätte etwas mit der Sache zu tun. „Warum rufst du an, Petra?“, fragte er kühl.

Stille, dann sagte sie: „Der Bonacelli-Deal! Die Papiere liegen zur Unterschrift vor.“

„Das war abgesprochen. Ich hatte auch gesagt, dass ich sie unterzeichne, wenn ich wieder zurück bin.“

„Und Stavros Markos hat angerufen“, fügte sie eilig hinzu. „Er möchte den Palazzo Caldera für die Hochzeit seiner Tochter im Juni nächsten Jahres mieten. Es soll eine riesige Hochzeit werden, und er will nur das Beste vom Besten. Ich habe ihm gesagt, dass es höchstwahrscheinlich klappt, auch wenn ich dafür ein paar andere Reservierungen zurückstellen muss …“

„Petra“, unterbrach er sie, „du weißt, dass es klappt, du brauchst keine Rücksprache mit mir zu halten. Gibt es sonst noch etwas?“

Nach einer kurzen Pause lachte sie leise. Ein Lachen, bei dem Andreas sich unwohl fühlte. „Es klingt sicher albern, aber … ich vermisse dich. Wann, meinst du, kommst du wieder zurück?“

Sein Magen zog sich zusammen. Jetzt ergaben ihre regelmäßigen Anrufe einen Sinn, auch wenn er diesen Sinn nicht anerkennen wollte. Sie überprüfte ihn, wollte sicherstellen, dass keine andere den Platz in seinem Bett besetzte, während er in London war und sie auf Santorin die Stellung hielt. Nach einer unverbindlichen Antwort beendete Andreas die Verbindung. Was war mit Petra los? Er machte nicht in Beziehungen, und Petra müsste das besser als jede andere wissen. Sie kannte doch die Parade von Frauen, die durch sein Leben zog. Verdammt, sie war es, die die Blumen bestellte, solange eine Frau zum inneren Kreis gehörte, und sie war es auch, die das Geschenk besorgte, mit dem diese Frau aus dem Kreis hinauskomplimentiert wurde.

Er hatte einen Fehler gemacht. Geradezu berauscht von der Nachricht, dass man Darius aufgetrieben hatte, hatte er Petra zum Dinner eingeladen und Champagner bestellt, um zu feiern. Und er hatte reagiert, als sie sich vertraulich immer näher gelehnt hatte. Viel zu nah.

Was für ein Narr! Er hatte geglaubt, sie würde verstehen, dass es nur Sex war. Und doch, jedes Mal, wenn sie ihn jetzt anrief … Kalte Finger krochen seinen Rücken hinauf. Hoffte sie etwa auf mehr? Meinte sie, ihr stünde etwas Festeres zu nach all den Jahren, die sie jetzt mit ihm zusammenarbeitete?

Was hatte seine Mutter neulich zu ihm gesagt? Es sei Zeit, sesshaft zu werden und sich eine Ehefrau zu suchen. Und an wen wandte seine Mutter sich immer zuerst? Statt seiner Handynummer wählte sie grundsätzlich die Büronummer an, weil „der eigene Sohn ihr ja grundsätzlich nichts sagte“. Hatte seine Mutter etwa auch Petra, der Tochter ihrer Freundin, ihren Herzenswunsch anvertraut, dass ihr einziges Kind endlich solide werden sollte? Darauf ging er jede Wette ein.

Verdammt. Er wollte keinen neuen Marketingdirektor suchen müssen. Petra war gut in ihrem Job. Die Beste, wenn es darum ging, die Besitztümer von Xenides Exclusive Property zu managen. Er wollte sie nicht verlieren, sie waren ein großartiges Team. Aber sie sollte auch nicht glauben, sie könnte mehr als eine geschätzte Mitarbeiterin werden.

Er seufzte. Was würde sie wohltun, wenn er eine andere fand – was unvermeidlich war? Kündigen? So wenig ihm dieser Gedanke gefiel, das Risiko musste er eingehen. Lieber einen neuen Marketingdirektor einarbeiten als eine Hochzeit planen.

Was ihm nur eine Möglichkeit ließ: Er würde mit einer Frau an seinem Arm und in seinem Bett nach Santorin zurückkehren müssen.

Sie müsste anders sein, eine Frau, die die Rolle seiner Geliebten übernahm und problemlos wieder abgab, wenn er sie nicht mehr brauchte. Keine Bedingungen, keine Bindungen. Eine Art Vertragsverhältnis. Für einen Monat, das müsste reichen.

Jetzt musste er diese Frau nur noch finden, bevor morgen sein Flug nach Griechenland zurückging.

Während Andreas sich in dem schäbigen Raum umsah, seufzte er noch einmal. Ein Gewicht, das jahrelang schwer auf seinen Schultern gelegen hatte, war verschwunden. Seine Arbeit hier war erledigt, die alte Rechnung beglichen, Darius zerstört. Er brauchte nicht länger zu bleiben, sein Team kümmerte sich um alles. Die Gäste wurden in ein Vier-Sterne-Hotel umgesiedelt, und natürlich würde er alle Kosten für die Unannehmlichkeiten tragen. Dann würden die Handwerker und Innenarchitekten aufkreuzen und dafür sorgen, dass aus diesem Gebäude etwas gemacht wurde, das in die über die ganze Welt verteilte Gruppe der Xenides-Luxushotels passte.

Alles war unter Kontrolle.

Dann hörte Andreas den gellenden Schrei.

3. KAPITEL

Der Schrei kam aus dem Keller. Innerhalb von Sekunden war Andreas unten, gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie einem seiner Mitarbeiter, der sich hastig auf den Gang zurückzog, ein Pantoffel an den Kopf flog.

Autor

Trish Morey
Im Alter von elf Jahren schrieb Trish ihre erste Story für einen Kinderbuch- Wettbewerb, in der sie die Geschichte eines Waisenmädchens erzählt, das auf einer Insel lebt. Dass ihr Roman nicht angenommen wurde, war ein schwerer Schlag für die junge Trish. Doch ihr Traum von einer Karriere als Schriftstellerin blieb.
Nach...
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