Magie einer Nacht

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Dass Phoebes Verlobter Elliot sie betrügt, ist ein starkes Stück - so kurz vor der Hochzeit und in ihrem gemeinsamen Urlaub auf Jamaika. Doch wirklich aus der Bahn wirft sie nicht Elliots Untreue, sondern das, was mit ihr und Ryan passiert: Seit zwanzig Jahren bester Freund und Tröster vom Dienst, bringt er sie nämlich diesmal nicht zum Lachen, sondern zum Erbeben! So jäh und unerwartet ist das Verlangen, dass die Magie einer Nacht genügt, sie in eine ungewollte Affäre zu verstricken ...


  • Erscheinungstag 17.07.2019
  • ISBN / Artikelnummer 9783733747619
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Na, was meinst du?“ Phoebe schob den dreiseitigen Hochglanzprospekt über den Tisch. Sie wusste schon, wie Ryan über diese Fotos denken würde, die weiße Sandstrände, klares blaues Wasser und heiße Tropennächte versprachen.

Ryan blickte demonstrativ aus dem Fenster des Restaurants zum trüben grauen Himmel und dann auf den Schneematsch, der auf der Straße lag.

„Die Temperatur in Nashville wird diese Woche kaum über den Gefrierpunkt steigen.“ Phoebe lächelte verheißungsvoll. „Sonne, Sand und Sex. Was wäre daran auszusetzen?“

Ryan blätterte in dem Prospekt. „Und aus welchem Anlass willst du dorthin?“

„Es ist eine Belohnung.“ Sie hielt inne, um ihre rote Kostümjacke zurechtzuzupfen. „Vor dir sitzt die neue Leiterin der Marketing-Abteilung von ‚Capshaw und Griffen‘. Mit eigenem Büro und einer ansehnlichen Gehaltserhöhung.“

„Das ist ja großartig, Phoebe! Du hast es also geschafft!“ In aufrichtiger Begeisterung lächelte Ryan und reichte ihr über den Tisch die Hand.

Selbst nach vierundzwanzig Jahren Freundschaft klopfte Phoebes Herz noch immer schneller, wenn Ryan sie so anlächelte. „Ich konnte es kaum erwarten, es dir zu sagen.“

„Du verdienst diese Beförderung. Acht Jahre hast du wie verrückt dafür geschuftet, und du bist brillant. Sie können verdammt froh sein, dich zu haben. Wie hat Charlie es denn aufgenommen?“

Der arme Ryan. Bei wie vielen ihrer wöchentlichen Lunchverabredungen hatte er sich ihre Probleme und ihren Kummer mit Charlie Langley anhören müssen? Etwa genauso oft wie sie seine Erzählungen über seine ständig wechselnden Freundinnen über sich hatte ergehen lassen müssen.

„Gar nicht gut.“ Phoebe knabberte an ihrem Brot. „Er glaubte die Beförderung schon so gut wie in der Tasche zu haben. Er hat gekündigt, als es heute Morgen bekannt gegeben wurde. Ein Glück, kann ich nur sagen.“

„Allerdings. Er hat dir in den letzten beiden Jahren das Leben zur Hölle gemacht. Ich habe mir oft gewünscht, ihm mal in einer dunklen Gasse zu begegnen.“ Ryan war immer bereit, seine langjährige Freundin und besten Kumpel zu verteidigen.

„Ach was. So war es viel amüsanter. Er hätte eben nicht den Fehler machen sollen, eine Frau zu unterschätzen, die ein festes Ziel vor Augen hat.“

„Mit einem festen Ziel und einem Wettbewerbsdenken, die dich zu einem Überflieger machen. Lass mich raten: Du bist die jüngste Leiterin der Marketing-Abteilung in der Geschichte deiner Firma.“

Phoebe lächelte und nickte. „Richtig. Aber erzähl du mir nichts von Überfliegern, du Top-Verkaufsleiter von ‚Rooker Sports Equipment‘.“

Ryan tat ihre Entgegnung mit einem bescheidenen Achselzucken ab. Er wusste, dass seine Leistungen Phoebe ebenso viel bedeuteten wie ihr ihre eigenen. „Diese ansehnliche Gehaltserhöhung, die du erwähntest … wie ansehnlich ist sie denn, in Zahlen ausgedrückt?“

„Du willst wissen, ob ich mehr verdiene als du?“ Sie schüttelte den Kopf und lachte. „Das wirst du nie erfahren.“

„Du weißt, ich könnte dir die Schuhe ausziehen und deine Fußsohlen kitzeln, bis du es mir verrätst.“

„Du wärst ein toter Mann. Drücken wir es einfach so aus: Ich bin auf dem besten Weg, dich einzuholen. Möchtest du nun also mit deiner Freundin und Elliott und mir nach Jamaika fahren oder nicht?“ Phoebe spießte etwas grünen Salat, Tomate und Fetakäse auf ihre Gabel. „Komm, sei kein Frosch. Es wird viel lustiger, wenn du dabei bist. Wer ist übrigens deine derzeitige Flamme?“

„Sie heißt Kiki. Und sie ist sehr nett.“

„Ja, ja, das sind sie alle.“ Und das waren sie tatsächlich. Selbst wenn Ryan schon zur Nächsten weiterzog, blieben sie mit ihm befreundet. Sie waren wie ein großer, glücklicher Harem. Etwas, das sie, Phoebe, immer wieder erstaunte – und auch verstimmte. „Du wechselst deine Freundinnen wie andere Männer die Fernsehkanäle.“

Ryan zog eine Braue hoch, ein mutwilliger Ausdruck erschien in seinen grünen Augen. „Es gibt eine Menge netter Frauen, Phoebe. Wenn man zu lange auf einem Kanal verweilt, verpasst man was auf einem anderen.“

Phoebe schüttelte den Kopf. Sie machte sich Sorgen um Ryan wegen seiner ständig wechselnden Beziehungen. „Worüber redest du mit diesen netten, aber nicht besonders gescheiten Frauen, die du zu bevorzugen scheinst?“

„Willst du damit sagen, dass eine intelligente Frau sich nicht mit mir abgeben würde?“

Ryan war ein guter Kumpel, rücksichtsvoll, vertrauenswürdig und amüsant, aber Phoebe hatte im Lauf der Jahre die Beobachtung gemacht, dass er sich nicht viel Mühe gab, diese Eigenschaften auch bei seinen Freundinnen zu zeigen.

„Allerdings“, antwortete sie. „Keine einigermaßen vernünftige Frau würde sich mit einem Mann einlassen, der die Kanäle so oft wechselt.“

Ryan lächelte hintergründig. „Vielleicht habe ich ja eine beeindruckende Fernbedienung.“

Seine anzügliche Bemerkung löste ein eigenartiges Prickeln in Phoebe aus – was sie alarmierte. Er durfte auf keinen Fall erfahren, wie oft sie nachts über dieses Thema nachgedacht hatte, denn ob Mutter Natur ihn beeindruckend ausgestattet hatte oder nicht, ging sie schließlich nichts an.

„Fang jetzt nicht damit an. Und wechsle nicht das Thema.“ Sie zeigte mit ihrer Gabel auf ihn. „Nun sag schon, worüber redest du mit ihnen?“ Das hätte sie wirklich gern gewusst. Was interessierte ihn an diesen Frauen, von ihren offenkundigen körperlichen Reizen einmal abgesehen? Sex war schließlich längst nicht alles in einer Beziehung.

Ryan zuckte mit den Schultern. „Über alles Mögliche. Bei einem Date will ich keine tiefsinnigen Gespräche führen.“

„Gut. Denn das würde dir wohl auch kaum gelingen.“ So, das klang richtig schön gemein. Obwohl er bestimmt könnte, wenn er wollte.

„Wenn ich über den Weltfrieden diskutieren möchte, habe ich ja dich.“

Manchmal sprachen sie stundenlang über Gott und die Welt. Oder sie saßen in einträchtigem Schweigen beieinander.

„Ich habe nachgedacht und bin zu dem Schluss gekommen, dass du ein emotionaler Krüppel bist. Und ich glaube, dass du das deshalb bist, weil ich es dir ermögliche“, erklärte Phoebe und meinte das nicht nur scherzhaft.

War ihre Freundschaft nicht vielleicht mit ein Grund, warum Ryan seine Freundinnen so häufig wechselte? Wenn sie und Ryan sich nicht so gut verstehen würden, würde er dann nicht eine tiefere Bindung suchen zu einer dieser Frauen, mit denen er bisher nur oberflächliche Beziehungen unterhielt? Seltsam, aber die Vorstellung schmerzte sie.

„Ich bin ein Mann. Und Männer sind nun mal emotionale Krüppel.“

Sie hasste es, wenn er sie nicht ernst nahm. „Und du gibst dir ja auch Mühe, es zu bleiben, nicht wahr? Lach nur. Eines Tages wird auch dir jemand das Herz brechen.“

„Das wird mir nie passieren.“

„Wie kannst du dir da so sicher sein?“

„Weil ich den Kanal wechsle, bevor ich mich zu sehr für den Ausgang des Programms interessiere.“ Ryan schnitt ein Viertel von seiner Pizza Stromboli ab und legte es auf einen kleinen Teller. „Und für den unwahrscheinlichen Fall, dass es doch geschehen sollte, bist du ja da, um mich zu trösten, Phoebe.“

So wie er sie vor vierundzwanzig Jahren getröstet hatte, als er sie weinend im Wald hinter seinem Haus vorgefunden hatte. Damals war sie sechs gewesen und sich gerade darüber klar geworden, dass ihre Eltern, die sie während eines Besuchs bei ihrer Tante Caroline und ihrem Onkel Frank zurückgelassen hatten, nie zurückkommen würden, um sie wieder abzuholen.

Lächelnd schob Ryan ihr den kleinen Teller zu. „Bist du sicher, dass Kiki und ich euch nicht den Spaß verderben, wenn wir mit euch nach Jamaika fahren?“

Phoebe lief das Wasser im Mund zusammen, als ihr der Duft der mit Käse und Spinat belegten Pizza in die Nase stieg. Sie liebte Pizza, aber aus Rücksicht auf ihre Figur nahm sie fast immer nur Salat. Sie bestellte, was vernünftig war, und Ryan gab ihr etwas ab von dem, wonach es sie gelüstete.

„Ich bin sicher, dass Elliott nichts dagegen haben wird.“

„Er weiß also noch gar nichts davon?“ Ryan schüttelte den Kopf. „Du bist mir vielleicht eine. Du organisierst einfach alles und nennst ihm dann das Datum, wann er anzutanzen hat?“

„So ähnlich.“ Ryan neckte sie sehr häufig wegen ihrer dominanten Art. „Er steht kurz vor seiner Festanstellung und ist sehr beschäftigt.“

„Redet ihr eigentlich je über irgendetwas anderes als den Weltfrieden?“, gab Ryan zurück.

Als Privatdozent für Altgriechisch und Latein an der Vanderbilt University nahm Elliott sich sehr wichtig.

„Hin und wieder.“ Elliott war in der Tat so ruhig und gesetzt, dass ein bisschen Frivolität ihm keineswegs geschadet hätte. „Wir brauchen beide Urlaub.“ Phoebe hoffte, dass Ferien ihre flau gewordene Beziehung neu beleben würden. Elliott hatte eine Reihe von Prüfungen abzunehmen, und sie hatte geschuftet wie eine Besessene, um diese Beförderung zu erlangen. Ein bisschen Ruhe würde ihnen beiden gut tun.

Naomi, ihre Bedienung, kam an den Tisch. „Ist die Pizza okay?“

Ryan hob den Daumen.

„Gut. Teilen Sie sich heute auch eine Portion Baklava?“

Geht das zusammen? überlegte Phoebe. Strandurlaub im Bikini und Baklava? „Nein.“

„Doch“, widersprach Ryan. „Einmal Baklava. Mit zwei Gabeln.“

Naomi lächelte ihn an, bevor sie ging.

Ob jung oder alt, Ryan bezauberte sie alle. Nicht zum ersten Mal dankte Phoebe dem Himmel, dass sie als sein guter Kumpel immun war gegen seinen Charme.

„Ich nehme aber nur einen Bissen.“ Sie würde das mit Honig und Walnüssen gefüllte Blätterteiggebäck wirklich nur probieren. Nachdenklich lächelnd sah sie Ryan an. Sie ahnte bereits, wie er auf ihre nächste Nachricht reagieren würde. Manchmal dachte sie, dass sie ihn besser kannte als sich selbst.

„Okay, nur ein Bissen.“ Ryan lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. „Was gibt es? Du hast schon wieder diesen gewissen Blick.“

„Was für einen Blick?“

„Diesen Blick, als wenn du etwas geplant hättest.“

„Stimmt, das habe ich auch.“

Phoebe plante immer alles. Sie hatte genug Überraschungen und Veränderungen erlebt, als ihre Eltern sie als Sechsjährige bei ihrer Tante und ihrem Onkel abgeladen hatten wie ein Möbelstück, für das sie keine Verwendung mehr hatten. Deshalb sorgte sie vor. In Übereinstimmung mit ihrem Langzeitplan hatte sie die Zeit zwischen ihrem Collegeabschluss und ihrem dreißigsten Geburtstag dem Aufbau ihrer Karriere gewidmet und pünktlich ein bedeutendes Karriereziel erreicht. Nun wurde es Zeit, an ihrem Privatleben zu arbeiten.

„Lass hören. Was kommt als Nächstes? Die Vizepräsidentschaft in zwei Jahren?“

„Das auch, aber im Augenblick denke ich an etwas viel Persönlicheres.“

„Willst du einen Yoga-Kurs beginnen?“

„Nein. Aber vielleicht sollte ich mal darüber nachdenken. Jetzt möchte ich erst mal sehen, ob Hot Sands ein geeigneter Ort für Flitterwochen ist. Elliott und ich sind nun schon fast ein Jahr zusammen. Sobald er seine Festanstellung hat, sollten wir an eine Verlobung denken.“

„Du sprichst von Verlobung? Von Flitterwochen?“, stieß Ryan hervor.

Mit seiner Überraschung hatte Phoebe gerechnet. Aber er sah aus, als hätte sie ihm einen Schlag auf den Kopf versetzt.

„Du würdest diesen Typen wirklich heiraten?“

Warum fühlte sie sich plötzlich so schuldbewusst? Als ob sie Ryan hintergangen habe? „Magst du Elliott nicht?“ Was für eine dumme Frage. Seit ihrer allerersten Verabredung hatte Ryan an ihren Freunden immer etwas auszusetzen gehabt. Allerdings konnte sie auch nicht behaupten, sie würde sich aus Ryans Harem viel machen.

„Er ist okay. Aber doch nicht zum Heiraten.“ Ryan stolperte geradezu über das Wort. „Wozu brauchst du einen Ehemann?“

„Ich brauche keinen, aber ich hätte gern einen. Wir sind schon dreißig, Ryan. Ich möchte jemanden haben, mit dem ich alt werden kann.“

„Erinnerst du dich noch, wie wir uns mit neun versprachen haben, dass wir immer Freunde bleiben würden? Du und ich, wir werden zusammen alt werden.“

Phoebe sah Ryan an. Wie konnte sie ihm das Gefühl der Leere in ihrem Herzen verständlich machen? Diesen sehnlichen Wunsch nach dem Einzigen, das ihr bisher immer versagt geblieben war? „So meinte ich das nicht. Ich möchte eine Familie haben.“

„Du hast deine Tante Caroline und deinen Onkel Frank.“

„Ja, und sie sind wunderbar. Aber ich war in ihrer Familie eigentlich nur geduldet. Liebevoll geduldet, aber trotzdem nur geduldet. Sie sind eingesprungen, als meine Eltern mich bei ihnen abluden. Aber wir sind keine echte Familie, sondern eher so etwas wie eine Notgemeinschaft. Was die Bindungen zu meinen Eltern betrifft, dazu gibt es nichts mehr zu sagen. Ryan, ich möchte eine eigene Familie haben.“

„Aber wir beide sind doch so etwas wie eine Familie“, entgegnete er.

Ryans ganzes Leben hatte etwas Provisorisches. Er leaste seine Sportwagen und tauschte sie jedes Jahr gegen ein neueres Modell ein. Seine Beruf als Verkaufsleiter brachte für ihn täglich neue Gesichter und neue Eroberungen mit sich. Seine Freundinnen … nun, das hatten sie ja schon besprochen. Die einzige Konstante in seinem Leben war sie, Phoebe.

Sie fuhr ihre Wagen, bis sie schrottreif waren. Ihr Beruf verlangte monatelange Arbeit an langfristigen Projekten. Schon seit ihrem Collegeabschluss arbeitete sie bei „Capshaw und Griffen“. Deshalb sollte Ryan, der das alles wusste und sie besser kannte als jeder andere, ihren Wunsch nach Stabilität und einer eigenen Familie eigentlich verstehen.

„Ja, wir sind wie eine Familie.“ Phoebe hatte eine sehr innige Beziehung zu Ryan, doch sie wollte mehr als reine Freundschaft. „Aber ich möchte einen Ring an meinem Finger. Einen Ring, der eine Bindung symbolisiert. Ich möchte einen Ehemann, der abends zu mir heimkommt. Und in paar Jahren möchte ich ein Baby. Ich möchte die Familie, die ich niemals hatte.“

Naomi stellte die Baklava zwischen sie und blieb noch stehen, um in dem Reiseprospekt zu blättern. „Fahrt ihr zusammen nach Jamaika?“

Ryan seufzte. „Phoebe möchte sehen, ob Hot Sands der geeignete Ort für Flitterwochen wäre.“

Naomi griff sich an die Brust. „Ich fall in Ohnmacht! Wie lange kommt ihr schon her? Sieben, acht Jahre. Jeden Donnerstag um halb eins. Na endlich, kann ich da nur sagen! Endlich kommt ihr zwei zusammen!“

Phoebes verspürte ein merkwürdiges Herzflattern bei Naomis Kommentar. Naomi war nicht die Erste im Lauf der Jahre, die vermutete, es könne mehr als Freundschaft sein, was sie und Ryan verband. Aber sie alle irrten sich.

„Du brauchst nicht in Ohnmacht zu fallen, Naomi. Wir sind nur gute Freunde“, erklärte sie.

Ryan schluckte und lächelte erzwungen. „Es wären Flitterwochen mit einem anderen Mann. Ich helfe Phoebe bloß, herauszufinden, ob Hot Sands der geeignete Ort dazu ist. Wozu hat man schließlich Freunde?“

Kartons mit chinesischem Essen und einen Sechserpack Bier auf den Armen balancierend, klopfte Ryan an Phoebes Tür. Warum nicht gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen? dachte er. Während sie sich das Eishockeyspiel ansahen, konnte er versuchen, Phoebe ihren verrückten Einfall, Elliott zu heiraten, auszureden.

Der bitterkalte Wind drang durch seine dicke Jacke. Wenn es nach ihm, Ryan, ging, so konnte er gar nicht schnell genug nach Jamaika kommen. Hoffentlich kam Phoebe zur Vernunft, bevor sie hinflogen, damit er die eine Woche Sonne, Sand und Sex – die Reihenfolge ging auch umgekehrt – auch wirklich genießen konnte.

Er klopfte erneut.

„Moment.“

Schlösser klickten, dann öffnete Phoebe die Tür. Sie trug ihre übliche Sonntagsnachmittagskluft: eine alte Jogginghose, dicke Wollsocken und ein weites T-Shirt. Sein T-Shirt, um genau zu sein. Seine T-Shirts hatten die merkwürdige Angewohnheit, in Phoebes Kleiderschrank zu landen.

„Hi. Was hast du mitgebracht? Ich habe einen Bärenhunger.“

„Was vom Chinesen.“ Er hob die Kartons hoch.

„Gute Idee.“ Phoebe trat beiseite und griff nach dem Sechserpack. „Komm rein. Ich stelle das Bier in den Kühlschrank. Das Essen kannst du auf den Sofatisch stellen.“

Ryan stellte die Kartons auf den mit Zeitschriften übersäten Couchtisch und schüttelte den Kopf über das Durcheinander. Bei der Arbeit war Phoebe die personifizierte Tüchtigkeit, aber daheim neigte sie zur Faulheit. Er warf seine Jacke auf einen Sessel, auf dem schon ihre lag, und während sie in die Küche ging, um Teller und Besteck zu holen, schaltete er den Fernseher ein und öffnete die Pappkartons. Ein anheimelndes Feuer prasselte im Kamin.

„Möchtest du gleich ein Bier?“, rief Phoebe aus der Küche.

„Klar.“

Bridgette, Phoebes etwas übergewichtiger Border Collie, kam zu Ryan herüber und legte den Kopf auf seinen Schoß. „He, altes Mädchen, mir machst du nichts vor. Mich kennst du schon. Es ist nur das Essen, was dich interessiert.“

Die Hündin schaute ihn mit ihren großen braunen Augen an.

„Vergiss es. Chinesisch ist nicht gut für Hunde.“

Phoebe kam mit Tellern, Servietten, Besteck und zwei Flaschen Bier herein. „Sei vorsichtig“, sagte sie lachend. „Sie weiß nicht, dass sie ein Hund ist.“

Bridgette legte sich zwischen dem Sofa und dem Tisch auf den Boden.

„Sie ist schlau. Ich glaube, sie hat das schon kapiert“, erwiderte Ryan.

Er setzte sich an das eine Ende des abgenutzten Sofas, und Phoebe machte es sich am anderen bequem. Während sie nach dem Karton mit der Wantan-Suppe griff, fühlte er sich Huhn auf.

„Was machst du mit Bridgette, wenn wir auf Jamaika sind?“

Der Hund, der nicht wusste, dass er ein Hund war, hob bei der Erwähnung seines Namens seinen schwarz-weißen Kopf.

„Sie bleibt bei Tante Caroline und Onkel Frank. Du weißt ja, sie können nicht Nein sagen zu Streunern.“ Ein Anflug von Melancholie lag in Phoebes Stimme.

„Ich glaube nicht, dass sie es als Last empfinden, sich um die zu kümmern, die sie lieben.“ Ob Phoebe je begreifen würde, wie sehr Frank und Caroline sie liebten? „Bridgette wird sich bei ihnen wohler fühlen als in einer Tierpension.“

„Das denke ich auch.“ Phoebe wandte sich zum Fernseher. „Schauen wir uns jetzt das Spiel an oder nicht?“

„Fünf Dollar, dass die Rangers die Flyers schlagen“.

Sie wetteten immer, wenn sie sich Sportsendungen ansahen.

„Mit anderthalb Punkten, dann bin ich dabei.“

Während der ersten Halbzeit erfreute Ryan sich mehr an Phoebes Begeisterung als an dem Spiel. Sie glühte geradezu vor Eifer.

„Hast du das gesehen? Hast du diesen Schlag gesehen? Er hätte dem Kerl eine runterhauen sollen!“

Phoebe war ein echter Eishockeyfan und ungeheuer blutdürstig. Ihre goldbraunen Augen funkelten vor Empörung, und ihr blondes Haar stand stellenweise hoch, weil sie so oft mit der Hand hindurchgefahren war.

Ryan lachte. „Man kann richtig Angst kriegen, wenn man dich so sieht.“

„Ja, und vergiss das bloß nicht.“ Sie grinste und wandte sich dann wieder dem Spiel zu.

Er wollte gerade das Thema Elliott anschneiden, da sagte sie: „Was ist mit Keely? Kommt sie nun mit oder nicht?“

Verdammt! dachte Ryan. Es war geradezu unheimlich, wie Phoebe ihm manchmal zuvorkam, wenn er auf etwas ganz Bestimmtes hinauswollte. „Kiki. Sie heißt Kiki. Und ja, sie fliegt mit uns nach Jamaika.“

„Was macht Kiki beruflich?“, fragte Phoebe, ohne den Blick vom Bildschirm zu nehmen.

„Sie arbeitet an Raumfahrtprojekten“, antwortete er und lehnte sich zurück, um Phoebes Reaktion zu beobachten.

„Ja, klar. Und was tut sie wirklich?“ Phoebe schob ein Stückchen Brokkoli in ihren Mund.

„Sie ist tatsächlich Diplomphysikerin. Ihr Spezialgebiet ist Quantenphysik.“ Das hatte er natürlich nicht gewusst, als er sie in der Autowaschanlage kennengelernt hatte – nur dass sie sehr, sehr sexy war. Er hatte es bis gestern Abend nicht gewusst, als sie ausgegangen waren und er sich die Mühe gemacht hatte, nach ihrer Arbeit zu fragen.

„Im Ernst?“ Phoebes geschockter Gesichtsausdruck war unbezahlbar.

Ryan nickte. „Außerdem spricht sie fünf Sprachen fließend.“ Ihn selbst interessierte das nicht sonderlich. Er war nicht auf der Suche nach einer langfristigen Beziehung, und Kiki war mit oder ohne genialem Intelligenzquotienten nett, doch Phoebe schien wahnsinnig beeindruckt zu sein.

„Oh“, hauchte sie.

Er zuckte mit den Schultern. „Wie du siehst, gibt es also wenigstens eine intelligente Frau, die bereit ist, mit mir auszugehen.“ Er hatte Phoebes Bemerkung beim Lunch am Donnerstag nicht vergessen.

Ihr Blick wurde wachsam. „Wie sieht diese Kiki aus?“

„Sie ist eine ehemalige Miss Texas.“

„Oh.“ Phoebe richtete sich etwas gerader auf. „Nun, da bin ich ja sehr gespannt darauf, sie kennenzulernen.“

„Sie freut sich auch schon auf dich.“

Phoebe blickte an ihrem T-Shirt – oder vielmehr an seinem – und ihrer Jogginghose hinunter. „Hm.“

„Wenn du dich ein bisschen zurechtmachst, bist du ganz okay.“

„Vielen Dank.“

„Das war ein Scherz. Ich finde, du siehst fabelhaft aus, so wie du jetzt bist.“ Mit ihren zerzausten Haaren und in seinem viel zu großen Hemd wirkte sie wie am Morgen nach einer heißen Nacht. Eine Vorstellung, die ihn erstaunte und gleichzeitig erregte.

Er streckte die Hand aus, um ihr mit dem Daumen einen Tropfen Soße von der Unterlippe abzuwischen, und ließ sich mehr Zeit als nötig dazu, während eine verräterische Hitze ihn durchflutete. „Du siehst süß aus“, murmelte er.

Sie starrte ihn an, als habe er den Verstand verloren. Und vielleicht war er gar nicht so weit davon entfernt. Erschrocken über seine Reaktion auf sie, zog er seine Hand zurück. Denn sie war schließlich Phoebe, sein bester Kumpel.

Etwas leuchtete in ihren Augen auf. Doch eine Sekunde später war der Ausdruck verschwunden.

„Ja, genau.“ Mit ihrer lakonischen Antwort löste Phoebe die Spannung zwischen ihnen, und sie bewegten sich wieder auf den ungefährlicheren Bahnen der Freundschaft. „Da ist noch Rindfleisch und Brokkoli, falls du noch was möchtest.“

„Klar.“ Ryan fühlte sich etwas auf seinen Teller, um seine momentane Verlegenheit zu überbrücken. Er hatte Phoebe ein schlichtes Kompliment machen wollen. Stattdessen hatte er fast einen Annäherungsversuch gestartet. „Dann hat Elliott also nichts dagegen, wenn Kiki und ich mitkommen?“

Phoebe zuckte mit den Schultern. „Er schien etwas geistesabwesend, als ich am Telefon mit ihm darüber sprach, war aber einverstanden.“

„Hast du noch einmal gründlich nachgedacht über diese …“ Er brachte das Wort Heirat nicht über die Lippen. „Über diese Sache mit Elliott?“

„Natürlich. Ich mag ihn. Wir kommen gut miteinander aus. Er ist solide und zuverlässig. Ich finde, es ist ein guter Plan.“

Mist! dachte Ryan. Wenn er nicht etwas unternahm, würde sie noch mit Elliott vor dem Traualtar landen, bloß um ihren verdammten Plan zur verwirklichen. Dabei war Elliott einfach nicht der Richtige für Phoebe, weil … Ach, verdammt, fluchte Ryan. Er wusste selbst nicht, warum dieser Mann nicht zu ihr passte. Er wusste bloß, dass Elliott der Falsche für sie war.

Wenn Phoebe wirklich so aufs Heiraten versessen war, würde er, Ryan, ihr helfen, den Richtigen zu finden. Später. Nach ihrer Rückkehr aus Jamaika. Und es musste jemand sein, der ihre Schönheit, ihren Verstand und ihre Vielzahl guter Eigenschaften zu schätzen wusste. Jemand, der so viel Charakter hatte, dass er sich durch ihre starke Persönlichkeit und ihr Konkurrenzdenken nicht verunsichert fühlte. Und dieser Jemand war gewiss nicht Elliott.

Ryan seufzte im Stillen. Er musste einen Weg finden, Phoebe zu überzeugen. Denn Freunde ließen Freunde nicht den Falschen heiraten.

2. KAPITEL

„Willkommen!“

Phoebe lächelte den jungen Mann an, der sie am Restauranteingang begrüßte.

„Ein Tisch für zwei?“

„Für vier. Wir erwarten noch zwei Personen.“

Autor

Jennifer La Brecque
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