Mit Vollgas ins Glück

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Wie eine Amazone braust das Stuntgirl Emma auf ihrem Motorrad ins Dorf Sunshine Gap und erobert im Sturm den attraktiven Cal. Sie soll hier bei einem Film mitwirken, doch eine kühne Fahrt endet für sie mit einem Beinbruch. Cal pflegt sie liebevoll und träumt schon von der Hochzeit. Aber davon will sie nichts wissen!


  • Erscheinungstag 10.03.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733755874
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Den ganzen Tag war total tote Hose“, beschwerte sich Sylvia Benson und wuchtete ihre ausladende Kehrseite auf einen Barhocker. „Ich dachte, die Zeit geht nie vorbei.“

Cal McBride schenkte seiner Bedienung ein mitfühlendes Lächeln und schob ihr einen mit viel Wasser verdünnten Whiskey hin. „Mittwochs ist es immer ruhig.“

Sylvia trank einen Schluck und verzog das Gesicht. „Nicht nur mittwochs, wenn du so ein Gesöff servierst.“

Cal lachte. Zehn Jahre gehörte ihm „Cal’s Place“ jetzt, das einzige Lokal in Sunshine Gap, Wyoming, und in dieser Zeit hatten sich er und Sylvia, die er vom Vorbesitzer geerbt hatte, einen kumpelhaften Umgangston angewöhnt.

Sylvia war laut, gelegentlich derb, aber auch warmherzig und zuverlässig, und die Gäste liebten sie. In einer Kleinstadt wie Sunshine Gap konnte man sich glücklich schätzen, wenn man solches Personal fand.

Sylvia zündete sich eine Zigarette an, inhalierte tief und gönnte sich noch einen Schluck Whiskey. „Wenn in diesem Kaff nicht bald etwas passiert, gehen wir noch alle vor Langeweile ein.“

„Warte, bis die Filmleute kommen, dann haben wir mehr zu tun, als uns lieb ist“, prophezeite Cal.

„Wer’s glaubt“, gab Sylvia trocken zurück. „Ich hoffe nur, dass es keinen Ärger gibt. Man weiß ja, wie es beim Film zugeht.“

„Geld stinkt nicht“, erwiderte Cal kategorisch.

Bevor Sylvia eine passende Antwort einfiel, war von draußen das Aufheulen eines Motors zu hören. Neugierig ging Cal zur offenen Tür. Eine große chromverzierte, rot-schwarze Harley-Davidson wendete gerade trotz Verbots am Ende der Straße und kam dann zurück. Ein seltener Anblick. In Sunshine Gap bekam man hauptsächlich klapprige Pritschenwagen oder Jeeps mit Pferdeanhängern zu sehen.

Die Harley hielt direkt vor der Tür. Der Fahrer stellte den Motor aus, schwang das rechte Bein über den Sattel und stieg ab. Er war klein und drahtig und ganz in schwarzes Leder gekleidet.

Inzwischen hatten sich zwei Cowboys, die sich bis dahin die Zeit an einem der Billardtische vertrieben hatten, zu Cal gesellt und sahen interessiert zu, wie der Motorradfahrer seinen roten Helm abnahm.

Zu Cals Überraschung kam darunter ein eindeutig weiblicher Kopf zum Vorschein. Die Frau hatte große blaue Augen, ein Kinn, das auf Durchsetzungsvermögen schließen ließ, und fein geschnittene Züge. Sie zog ihre dicke Jacke aus, darunter trug sie ein knallrotes hautenges Oberteil, das nicht einmal Platz für einen Büstenhalter ließ – nicht dass sie einen gebraucht hätte.

Den beiden Cowboys fielen fast die Augen aus dem Kopf, als die Motorradfahrerin jetzt das Zopfband aus ihrem langen, rötlichen Haar löste. Ihre Arme waren braun gebrannt und schlank, aber muskulös, als triebe sie viel Sport.

„Wow!“ Das war Ronnie. Sein Freund Joe stieß einen lang gezogenen Pfiff aus. „Eine echte Zuckerpuppe!“

Cal schnaubte verächtlich. „Glaub das nur nicht. Die hat Haare auf den Zähnen.“

„Aber sie sieht klasse aus“, meinte Ronnie mit anerkennendem Blick auf die weiblichen Rundungen der Motorradfahrerin.

Jetzt drehte sie sich um und bedachte die Zuschauer mit einem irritierten Blick. „Ist was? Oder habt ihr noch nie eine Frau gesehen?“

Cal wünschte, sie hätte das nicht gesagt. Die meisten Männer, die nur einen Funken Verstand im Leib hatten, würden vor einer Frau mit solch losem Mundwerk sofort die Flucht ergreifen. Leider gehörte er nicht dazu. Im Gegenteil, er hatte schon immer eine Schwäche für etwas burschikosere Frauen gehabt. Er holte tief Luft und rieb sich den Nacken. Aber es half nichts. Cal spürte, wie sein Körper reagierte – hier auf der Hauptstraße und in aller Öffentlichkeit.

Zum Glück war Cal längst jenseits des Alters, in dem man sich von sexueller Lust zu unüberlegten Handlungen hinreißen ließ. Hinter der Theke hörte er oft genug Geschichten über gescheiterte Beziehungen, und die meisten fingen damit an, dass irgendein Idiot den Reißverschluss seiner Hose nicht unter Kontrolle hatte. Darauf konnte Cal gut verzichten.

Er war viel zu vernünftig, um solche Fehler zu machen. Ein vernünftiger Mann heiratete eine Frau, die zu ihm passte, bei der er sich behaglich und gut aufgehoben fühlte, und nicht eine, die nur Unruhe in sein Leben brachte.

Und das war der Grund, warum Cal am vierundzwanzigsten August seine beste Freundin Sandy Bishop heiraten würde. Sie war nett, hübsch und intelligent, teilte seine Ansichten über die Liebe und das Leben und musste sich so wenig verstellen wie er.

Angesichts dieses beruhigenden Sachverhalts schob Cal Ronnie und Joe in die Bar zurück und lächelte die Frau dann an. „Ich möchte mich für unsere Unhöflichkeit entschuldigen, Ma’am. Möchten Sie nicht hereinkommen? Das erste Getränk geht aufs Haus.“

Emma Barnes schob das Kinn vor. Und obwohl sie bestimmt zwanzig Zentimeter kleiner als er war, vermittelte sie den Eindruck, als schaute sie auf ihn hinunter. „Gehört Ihnen dieses … Etablissement?“

„Ja, Ma’am. Wenn ich mich vorstellen darf: Cal McBride. Willkommen in Sunshine Gap!“

Sie hielt es nicht für nötig, ihm ihren Namen zu verraten, sondern nickte nur huldvoll. „Danke.“ Dann nahm sie ihre Jacke, klemmte sich den Helm unter den Arm, schritt in die Bar und setzte sich dann an einen Tisch neben dem Fenster.

Cal nahm wieder seinen Platz hinter der Bar ein, wobei er die Fremde keine Sekunde aus den Augen ließ.

„Du kannst den Mund wieder zumachen“, teilte Sylvia ihm leicht spöttisch mit.

„Willst du nicht langsam nach Hause gehen und dich ausschlafen? Morgen wird vermutlich einiges los sein“, gab Cal kühl zurück.

Sylvia lachte ihn aus. „Du glaubst doch nicht, dass ich mir das entgehen lasse? So etwas hatten wir hier seit zwanzig Jahren nicht mehr.“ Sie beobachtete den neuen Gast im Spiegel, der die Wand hinter der Theke bedeckte. „Interessant, die Kleine hat eine Tätowierung auf der linken Brust.“

„Was?“ Mit einem Ruck hob Cal den Kopf.

Sylvia wollte sich vor Lachen ausschütten. Die Fremde sah zu ihnen herüber, und Cal schoss das Blut ins Gesicht, als sich ihre Blicke trafen. Er schnappte sich die Speisekarte und nahm sich fest vor, der Lady nicht auf den Busen zu schauen. Unter gar keinen Umständen.

„Falls Sie Hunger haben“, sagte er und schob ihr die Karte hin. „Was darf ich Ihnen zu trinken bringen?“

„Ein alkoholfreies Bier.“ Sie schlug die Karte auf. „Und eine Kleinigkeit zu essen.“

Cal sah auf sie hinunter. Sie hat schönes Haar, dachte er. Voll und hellbraun mit einem rötlichen Schimmer. Im selben Augenblick warf sie die Mähne mit einer schwungvollen Bewegung in den Nacken.

Jetzt sah er die Tätowierung, aber er konnte nicht erkennen, was sie darstellte. Er fühlte sich stark versucht, sich ein wenig näher damit zu beschäftigen, aber da klappte die Fremde die Karte zu, und er wandte schnell den Blick ab. Aber ihrem spöttischen Gesichtsausdruck entnahm er, dass sie ihn ertappt hatte, und seine Ohren wurden heiß. Andererseits sah er nicht ein, warum ihm die Sache peinlich sein sollte. Eine Frau, die sich an solch prominenter Stelle tätowieren ließ, zog Blicke ja förmlich auf sich.

„Einen Cheeseburger mit Pommes frites, bitte.“ Sie gab ihm die Karte zurück.

Bevor Cal noch etwas sagen konnte, stand sie auf und ging zum Waschraum. Er beobachtete mit Wohlgefallen ihren Hüftschwung, bis die Tür sich hinter ihr geschlossen hatte. Dann schüttelte er über sich selbst den Kopf, schrieb die Bestellung auf, spießte sie für den Koch an die Bestelltafel und schlug auf die Glocke. Niemand reagierte.

Emma wusch sich die Hände und betrachtete sich dann im Spiegel. Ihre Haare waren ziemlich zerzaust, aber sie sah keinen Anlass, daran etwas zu ändern. Im Gegenteil. Diese trägen Cowboys würden sich vermutlich nur einbilden, sie hätte sich ihretwegen hübsch gemacht.

Schade, dass Cal McBride auch so eine Nullnummer war. Er war groß und kräftig gebaut. Seine Jeans – mit Bügelfalten! – saßen wie angegossen, dazu trug er ein weißes Hemd mit einer farbenfrohen Brokatweste und schwarze Cowboystiefel. Es war nicht zu leugnen, der Mann sah gut aus.

Er hatte pechschwarze Haare, einen dichten, sehr gepflegten Schnurrbart, kaffeebraune Augen und verwegene, markante Züge. Wenn er lächelte, erschien in seiner linken Wange ein Grübchen, gleich da, wo der Schnurrbart aufhörte. Allerdings hatte er nicht viel gelächelt, jedenfalls nicht in ihre Richtung.

Wenn sie ehrlich war, kränkte sie seine mangelnde Begeisterung ein wenig, aber das würde sie überleben. Sie blieb ohnehin nicht lange. Sobald die Stunts abgedreht waren, würde sie schleunigst von hier verschwinden.

Emma atmete tief durch und stieß die Tür zur Bar auf. Cal McBride war verschwunden, aber die rosa gekleidete Bedienung mit den üppigen Hüften saß, eine Zigarette zwischen den Lippen, immer noch auf dem Barhocker und betrachtete sie mit deutlichem Interesse. Und den Cowboys am Billardtisch fielen fast die Augen aus dem Kopf. Hatten die Leute hier denn nichts anderes zu tun?

Emma blieb bei Sylvia stehen. „Entschuldigen Sie, aber können Sie mir vielleicht sagen, wie ich zur ‚Flying M Ranch‘ komme?“

„Ja, natürlich. Sie gehört Cals Familie.“ Sylvia lächelte und streckte die Hand aus. „Sylvia Benson.“

Emma drückte Sylvias Hand. „Emma Barnes.“

„Freut mich, Sie kennen zu lernen, Emma. Setzen Sie sich, ich bringe Ihnen was zu trinken.“

„Ich habe schon bestellt, danke.“

„Wo kommen Sie her?“

„Los Angeles.“

„Gehören Sie etwa zum Filmteam?“

Emma nickte. „Ja, ich mache Stunts.“

„Sie doubeln Schauspieler in gefährlichen Szenen? Alle Achtung!“

Emma hob die Schultern. „Es ist ein Beruf wie jeder andere auch.“

Sylvia lachte. „Na ja, ein bisschen aufregender als Kellnern wird er schon sein.“ Sie zeichnete den Weg zur Ranch auf eine Serviette.

Emma bedankte sich und ging zu ihrem Tisch zurück. Sie sah aus dem Fenster auf die verlassene Straße hinaus. Warum lebten Menschen freiwillig in einem solchen ereignislosen Nest am Ende der Welt?

Als die Musikbox plötzlich unvermittelt losdudelte, zuckte Emma zusammen. Bitte nicht! Die beiden Cowboys hatten ihren Billardtisch verlassen und nahmen Kurs auf ihren Tisch. Beide hatten eine Flasche Bier und ein Queue in der Hand und ein dümmliches Grinsen im Gesicht, das sie vermutlich für gewinnend hielten.

Der Größere der beiden tippte sich an die Hutkrempe, und Emma wappnete sich gegen das Unvermeidliche. Die andere Hälfte des Duos zog ein rotes Taschentuch aus der hinteren Jeanstasche und wischte sich die Stirn ab.

„Tagchen, Ma’am“, sagte er. „Nette Maschine haben Sie.“

„Danke“, antwortete sie zurückhaltend.

„Wie wäre es mit einem kleinen Spielchen?“

„Nein, danke.“

Das schien ihre Verehrer zu verblüffen. „Wir müssen nicht um Geld spielen“, sagte der Cowboy mit dem Taschentuch. „Einfach nur ein kleines Freundschaftsspiel.“

„Nein, danke“, wiederholte Emma.

„Wir geben Ihnen auch ein paar Punkte Vorsprung.“

Emma schüttelte den Kopf und sah sich ungeduldig um. So viel Begriffsstutzigkeit machte sie misslaunig. Wo steckte nur dieser McBride? Musste er das Brötchen für ihren Cheeseburger erst backen?

„Was bringt Sie nach Sunshine Gap?“, erkundigte sich der Taschentuchcowboy.

„Ich möchte wissen, was Sie das angeht“, erwiderte Emma unfreundlich.

Seine Augen wurden schmal, aber er lächelte immer noch. „Ich wollte Ihnen nicht zu nahe treten, Ma’am, sondern einfach nur ein bisschen freundlich sein.“

„Ich habe genug Freunde, danke.“

„Deshalb brauchen Sie nicht gleich so giftig werden, Lady.“

Emma holte tief Luft und zählte innerlich bis zehn. „Ich bin nicht giftig, ich hätte nur gern meine Ruhe.“

Der Cowboy beugte sich über sie und blies ihr seinen Bieratem ins Gesicht. „Das soll wohl ein Witz sein, Baby! Wer rumläuft wie Sie, ist auf was anderes aus.“

„Ich bin lediglich auf ein Essen und ein Bier aus. Außerdem bin ich nicht Ihr Baby.“

„Das könnte sich ändern“, meinte der Größere und bedachte sie mit einem abschätzenden Blick.

Emma hatte allmählich genug. „Ich gebe Ihnen genau drei Sekunden, um zu verschwinden!“

Der Taschentuchcowboy grinste. „Wollen Sie dann vielleicht die Polizei holen oder was?“

Jetzt lachte auch sein Kumpan. „Pech gehabt. Wir haben nur einen Polizisten, Zack, und der ist zurzeit nicht da.“

Ohne den Blick von den beiden zu wenden, rief Emma: „Sylvia, würden Sie bitte Mr. McBride rufen?“

„Da können Sie lange warten, Darling. Sylvia ist auch nicht da. Sie haben uns ganz für sich.“

Emma hatte ihr Bestes getan, aber allmählich ging ihr die Geduld aus. „Wenn ihr mir Angst machen wollt, müsst ihr früher aufstehen, Jungs.“

„Jungs?“, feixte der eine. „Sieht so aus, als hätten wir es mit einer kleinen Wildkatze zu tun.“ Er stellte seine Bierflasche ab und lehnte das Queue an die Wand. Sein Freund tat es ihm gleich. Beide kamen einen Schritt näher.

„Wenn ihr mich anfasst, wird es euch leid tun“, warnte Emma.

„Na, komm schon, Süße. Wir wollen uns doch nur ein bisschen amüsieren.“

Als Cal den Koch nirgends fand, machte er sich auf den Weg durch das angegliederte kleine Restaurant in die Bar zurück.

Sylvia kam ihm aufgeregt entgegen. „Cal, beeil dich. Da vorn ist der Teufel los!“

Nach einem Blick in ihr Gesicht rannte er los. Lärm drang aus der Bar. Das klang nach einer Schlägerei. Hoffentlich war es nicht allzu schlimm. Cal konnte nämlich kein Blut sehen.

In der Tür blieb er wie angewurzelt stehen. Auf dem Boden, unter einem umgekippten Tisch, lag Ronnie Black, von zwei zerbrochenen Stühlen dekoriert, und rührte sich nicht mehr. Joe Wright lehnte am Billardtisch und umklammerte seinen rechten Arm, wobei ihm das blanke Entsetzen ins Gesicht geschrieben stand. Emma hatte ihn mit einer Hand am Hemd gepackt, in der anderen Hand hielt sie eine Bierflasche, deren Hals abgebrochen war.

Cal stürzte zu ihr. „He, sind Sie verrückt geworden?“

Joe fuhr herum. „Da bist du ja endlich! Schaff diese Furie weg! Bitte!“

„Nanu?“, höhnte Emma. „Sie haben ja plötzlich Manieren.“ Sie rückte ihm etwas näher auf die Pelle, und der Cowboy begann zu zittern. „Die sollten Sie vielleicht öfter bemühen.“

„Weg mit der Flasche, Lady“, befahl Cal. „Und zwar ein bisschen dalli.“

Sie gönnte ihm nur einen flüchtigen Blick. „Gleich. Sobald dieser armselige Wicht seine Lektion gelernt hat.“

„Bitte, Cal“, flehte Joe. „Sag ihr, sie soll mir nichts mehr tun. Sie hat mir schon den Arm gebrochen.“

„Blödsinn.“ Emma sah zu Cal zurück. „Morgen früh ist er wieder wie neu.“

Cal sah, wie Joe vor Angst mit den Zähnen klapperte, und musste ein Lachen unterdrücken. Offensichtlich hatte er etwas verpasst.

„Vielleicht sollten Sie sich um seinen Kollegen kümmern“, riet Emma.

„Lass mich nicht mir ihr allein, Cal!“, jammerte Joe.

Cal wusste nicht recht, wie er sich verhalten sollte.

„Ich tue das wirklich nicht gern“, sagte Emma jetzt. „Aber gegen Drohungen bin ich ziemlich allergisch.“

„Beweg dich nicht, Joe.“ Cal lief zu Ronnie und kniete sich neben ihn. Sein bierseliger Atem ließ keinen Zweifel daran, dass der Mann lebte. Cal rüttelte ihn an der Schulter. „Aufwachen, Ronnie.“

Der stöhnte auf und griff sich an den Kopf. Cal zog ihn halb hoch und befahl ihm, sich ruhig zu verhalten. Dann eilte er zu Joe zurück.

„Ronnie ist okay“, berichtete er, bevor er sich Emma vornahm. „Sie haben sich jetzt genug ausgetobt, Lady. Also her mit der Flasche.“

Er wollte sie ihr abnehmen, aber Emma zog mit einem Ruck die Hand zurück und sah Joe an. „Werden Sie jemals wieder eine Frau belästigen?“, fragte sie streng.

Joe schüttelte heftig den Kopf. „Nein, Ma’am. Nie wieder.“

„Damit wir uns richtig verstehen: Das gilt für alle Frauen!“ Emmas Augen waren schmal geworden. „Egal, wie alt sie sind oder was sie anhaben oder ob sie etwas getrunken haben. Wenn eine Frau Nein sagt, dann lassen Sie sie in Zukunft in Ruhe! Kapiert?“

Joe hörte gar nicht mehr auf zu nicken und erinnerte Cal damit an einen der Wackelhunde, die manche Leute auf der Ablage ihrer Autos herumfuhren. „Ja, Ma’am. Ganz bestimmt.“

Emma bedachte ihn mit einem letzten vernichtenden Blick, ließ ihn dann los und stellte die Bierflasche ab. Kraftlos sank Joe an den Billardtisch, während sich Ronnie gerade mühsam hochrappelte.

„Braucht einer von euch einen Arzt?“, erkundigte sich Cal.

Die beiden Helden schüttelten einmütig den Kopf. „Fein. Möchte irgendjemand Anzeige erstatten?“ Wieder Kopfschütteln. „Möchte mir dann vielleicht jemand erklären, was hier los war?“Ronnie und Joe tauschten einen Blick. „Nein.“

„Gut“, sagte Cal. „Ich bekomme fünfundzwanzig Dollar von euch für euren Anteil am Schaden, und dann will ich euch nie wieder hier sehen.“

„Mensch, Cal!“, protestierte Ronnie. „Es war nicht unsere Sch…“

„Spar dir deine Ausreden“, empfahl ihm Cal. „Ihr kennt die Regeln. Also raus hier!“

Murrend zog das Paar ab, und Cal wandte sich seinem weiblichen Gast zu. In den blauen Augen konnte er jedoch nicht die geringste Reue entdecken. „Möchten Sie mir vielleicht erzählen, was passiert ist?“

„Drei Mal dürfen Sie raten.“

„Joe und Ronnie sind zwar nicht unbedingt eine Zierde ihres Geschlechts, aber sie sind eigentlich harmlos. Sie dagegen kenne ich nicht, deshalb würde ich gern Ihre Version hören.“

Emma schüttelte den Kopf. „Keine Lust.“

„Gut. Dann gilt für Sie dasselbe. Ich dulde keine Schlägereien in meiner Bar. Sie werden also fünfundzwanzig Dollar bezahlen und sich nie wieder hier blicken lassen.“

„Einfach so?“

„Ja. Ich mache nie Ausnahmen.“

Emma ging zu ihrem Tisch zurück, zog eine Geldbörse aus ihrer Lederjacke und legte das Geld abgezählt auf die Theke. An der Tür drehte sie sich noch einmal um. „Auf Wiedersehen, Sylvia. Danke für die Wegbeschreibung.“

„Keine Ursache. Fahren Sie vorsichtig, Emma. Die Straße ist nicht besonders gut.“

Emma ging, und Sylvia lief, gefolgt von Cal, ans Fenster, um ihr nachzuschauen.

„Emma?“, sagte er. „Und was für eine Wegbeschreibung?“

„Zur ‚Flying M‘. Sie heißt Emma Barnes und gehört zu den Filmleuten.“

Cal hoffte nur, dass das kein schlechtes Vorzeichen war.

Der Motor der Harley heulte auf, und Sylvia lachte. „So eine Frau solltest du heiraten“, sagte sie. „Die hat wenigstens Pfeffer im Hintern. Im Übrigen ist sie ausgesprochen nett.“

Cal warf ihr einen düsteren Blick zu und machte sich daran, die Theke abzuwischen.

Sylvia kannte keine falsche Zurückhaltung. „Ich mag Sandy wirklich sehr gern, das weißt du, aber wenn du meine Meinung hören willst: Sie ist nicht die richtige Frau für dich, Cal.“

„Ich habe dich aber nicht nach deiner Meinung gefragt“, gab Cal zurück.

„Was Marsh wohl zu eurer Verlobung sagen wird?“, überlegte Sylvia laut.

„Keine Ahnung. Aber es interessiert mich auch nicht.“ Doch insgeheim musste Cal zugeben, dass er sich darüber auch schon Gedanken gemacht hatte. Doch sein Cousin hatte seine Chance gehabt und vertan. „Marsh hat schon vor Jahren Schluss mit Sandy gemacht.“

„Vielleicht bereut er es ja.“ Sylvia drückte ihrem Boss ein Geldstück in die Hand. „Hier. Emma hat dir ein Trinkgeld dagelassen. Und erzähl mir nicht, dass du sie nicht gern wieder sehen würdest.“

Cal wollte ihr die Genugtuung einer Antwort nicht gönnen, steckte das Geldstück ein, ohne es anzuschauen, und machte sich wieder an seine Arbeit. Später, als Sylvia gegangen war, fischte er die Münze aus seiner Westentasche und sah sie an. Ein Penny! Er musste lachen. Diese Emma Barnes hatte wirklich Stil. Schlimmer konnte man jemanden, der in der Gastronomie arbeitete, nicht beleidigen. Natürlich würde er sie gern wieder sehen, aber bevor er das zugab, biss er sich lieber die Zunge ab.

Er steckte den Penny zurück und machte sich wieder an die Arbeit. Hoffentlich hatte der Vorfall keine Folgen. Cal hatte den Verdacht, dass Miss Emma Barnes für reichlich Ärger sorgen konnte, wenn sie dazu aufgelegt war. Sunshine Gap brauchte die Filmleute, und dazu musste man sie bei Laune halten. Und das war sein Job. Schließlich war er nicht nur Barbesitzer, sondern auch der Bürgermeister hier.

Er schloss einen Moment die Augen, und sofort tauchte Emmas Bild vor ihm auf. Schon als er sie zum ersten Mal gesehen hatte, hatte er gewusst, dass sie Ärger bedeutete. Die Frage war nur, wie viel Ärger …

2. KAPITEL

Emma kochte. Woher nahm dieser Cal McBride die Frechheit, ihr zu verbieten, jemals wieder seine dämliche Bar zu betreten? Daran hätte sie sowieso im Traum nicht gedacht. Auf diese Kitschbude mit dem Westernkram an den Wänden brauchte er sich wahrhaftig nichts einzubilden. Ganz zu schweigen von diesen ausgestopften Tierköpfen. Da konnte ein zivilisierter Mensch ja nur das Grauen kriegen!

Die Sonne war hinter den Bergen verschwunden, und der Himmel tauschte sein strahlendes Azur allmählich gegen ein sanftes Graublau. Es hatte angenehm abgekühlt, und die Luft roch wunderbar erdig. Feiner Staub von der unbefestigten Straße behinderte Emmas Sicht, drang unter den Helm in ihre Nase und ließ ihre Augen tränen.

Sie hielt am Straßenrand an. Die zerklüfteten Berge und die karge Prärie schienen unangetastet von allen menschlichen Eingriffen, als hätten sie sich seit Jahrtausenden nicht verändert. Die Landschaft war auf so dramatische Weise wild und einsam, dass sie Emma innerlich tief berührte. Eine unerklärliche Sehnsucht danach, Teil dieser Welt zu sein, hatte sie erfasst.

Sie hatte nie eine richtige Heimat gehabt und auch kein Verlangen danach. Es gefiel ihr, dass ihre Arbeit sie an immer neue Orte führte und sie sich nirgends lange aufhalten musste. Ihre Wohnung hatte sie längst aufgegeben, und wenn sie in Los Angeles war, schlief sie bei ihrer Freundin Diana, die sich auch um ihre Post kümmerte und telefonische Nachrichten entgegennahm.

Emma war schon an vielen Orten gewesen, die auf landläufige Weise schöner waren als diese karge, staubige Ecke von Wyoming. Aber keiner hatte auch nur einen annähernd starken Eindruck auf sie gemacht. Worin die Faszination dieser Landschaft für sie bestand, konnte sie nicht erklären. Vielleicht war es einfach der Reiz des Neuen. In ein paar Tagen würde sie wahrscheinlich gar nicht mehr verstehen, was sie so berührt hatte. Und doch …

Plötzlich schoss ein schwarzer Chevy Blazer vorbei, bremste ein paar Meter vor ihr abrupt und fuhr dann wieder ein Stück rückwärts, sodass er sich auf gleicher Höhe mit ihr befand. Emma wedelte den aufgewirbelten Staub vom Gesicht. Dann entdeckte sie das Emblem an der Wagentür. Na, großartig. Genau das hatte ihr noch gefehlt! Ein Cop, der sich wahrscheinlich berufen fühlte, sie darüber zu belehren, dass dies eine ruhige, friedliche Gegend war, in der Motorradfahrer und andere lästige Typen nicht erwünscht waren.

Sie nahm ihren Helm ab und legte ihn vor sich auf den Benzintank. Der Polizist drehte das Beifahrerfenster hinunter, lehnte sich quer über den Sitz und tippte grüßend an seinen grauen Stetson. Angesichts seines Berufs lächelte er erstaunlich freundlich. Und abgesehen von seinem schwarzen Vollbart sah er aus wie Cal McBride.

„Guten Abend, Ma’am. Kann ich Ihnen helfen?“

„Nein, danke.“

„Genießen Sie die Landschaft?“

„Ja.“

Er nickte. „Es ist wirklich schön hier. Darf ich fragen, wohin Sie unterwegs sind? Man kann sich hier leicht verfahren, wenn man fremd ist.“

„Ich habe eine Karte.“

Langsam schwand das Lächeln aus seinem Gesicht. Er sah sie noch einen Moment forschend an und zog dann seinen Hut in die Stirn. „Gute Fahrt, Ma’am. Und einen schönen Tag noch.“

Ohne auf eine Antwort zu warten, fuhr er mit Vollgas an, sodass Emma in eine Wolke aus Staub und kleinen Steinchen gehüllt wurde. Hustend und fluchend legte sie den Gang ein und machte sich wieder auf den Weg. Als sie den schwarzen Wagen durch das Tor mit dem Zeichen der „Flying M Ranch“ abbiegen sah, stöhnte sie auf. Es konnte ja nicht anders sein. Dieser Polizist und Cal McBride waren verwandt. Darauf hätte sie auch gleich kommen können. Jetzt hatte sie es sich schon mit zwei wichtigen Leuten hier verdorben.

Wenn das so weiterging, fuhr sie am besten schleunigst nach Los Angeles zurück. Und wenn Emma nicht so pleite gewesen wäre, hätte sie es vielleicht auch getan. Aber leider waren die fünfundzwanzig Dollar, die Cal ihr abgeknöpft hatte, ihre letzte Barschaft gewesen.

Die „Flying M“ sah aus, wie man sich eine Ranch vorstellte: ein geräumiges, zweistöckiges weißes Holzgebäude mit grünen Fensterläden und einer umlaufenden Veranda, von deren Dach eine Schaukel an Ketten hing. Auf den angrenzenden grünen Koppeln grasten Rinder und Pferde friedlich vor sich hin. An der großen Scheune war ein Basketballkorb angeschraubt, und auf dem Dach drehte sich ein Wetterhahn im lauen Abendwind. Zum Glück war der Polizist nirgendwo zu sehen.

Emma stellte ihre Maschine ab und klopfte an die Haustür. Ein zweiter – diesmal bartloser – Doppelgänger von Cal öffnete ihr und stellte sich als Jake McBride vor. Wie viele von der Sorte mochte es wohl noch geben?

Fünf Minuten später stand Emma vor dem Haus, zu dem er ihr den Weg gewiesen hatte. Es war aus Stein gebaut, zwei Stockwerke hoch, dunkelgrün und fügte sich ideal in die Landschaft ein. Mit dem Farmhaus konnte es zwar nicht mithalten, aber es hatte seinen eigenen Charme.

Barry Jacobson, der Chef der Stuntleute und bereits zu Lebzeiten eine Legende, kam ihr entgegen. „Emma!“, rief er erfreut. „Du bist ja schon da. Wie war die Fahrt?“ Er legte ihr den Arm um die Schulter, und sie umfasste seine Taille.

„Gut, aber doch ganz schön lang.“

„Kann man sagen. Mit dir sind wir fast komplett. In ein oder zwei Tagen können wir in die Planung gehen.“

Emma sah zum Haus hinüber. „Hier?“

Barry schüttelte den Kopf. „Zu wenig Platz. Wir treffen uns in der Stadt, in einer Bar namens ‚Cal’s Place‘. Wir haben den Nebenraum als eine Art Hauptquartier für die gesamten Dreharbeiten gemietet.“

„Ach, du Schande.“

Barry sah Emma prüfend an. „Probleme?“

Emma spürte, wie ihr die Röte ins Gesicht stieg, und räusperte sich. „Na ja. Ich habe da Lokalverbot.“

Nachdem sie erzählt hatte, was passiert war, seufzte Barry. „Musste das sein?“

Autor

Myrna Temte
Eigentlich führt Myrna ein ganz normales Leben. Sie ist mit ihrer Collegeliebe verheiratet, hat zwei bezaubernde Kinder, einen süßen kleinen Hund und lebt in einer angenehmen Nachbarschaft in einer netten kleinen Stadt im Staat Washington.
Viel zu durchschnittlich, findet sie. Um mehr über sie zu erfahren muss man ihrer Meinung...
Mehr erfahren