Naomi und der Playboy

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Die Liebe ist für den attraktiven Playboy-Tycoon Sev Derzhavin nichts als ein skrupelloses Spiel: Je öfter seine schöne Assistentin Naomi seine Avancen zurückweist und ihm die kalte Schulter zeigt, umso stärker fühlt er sich herausgefordert, sie zu erobern …


  • Erscheinungstag 15.08.2019
  • ISBN / Artikelnummer 9783733727208
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

„Sie sind Engländerin?“

Naomi beobachtete, wie Sevastyan Derzhavin lustlos ihre Bewerbung durchblätterte. Es sah ganz so aus, als wüsste er schon jetzt, dass er ihr den Job nicht geben würde. Wahrscheinlich stellte er ihr aus reiner Höflichkeit überhaupt noch eine Frage!

Was sie nicht wusste, war, dass Sevastyan nie etwas aus reiner Höflichkeit tat. Gute Umgangsformen mochten anderen Menschen etwas bedeuten, aber sicher nicht ihm!

„Ich bin hier in New York geboren, und mein Vater lebt hier. Also bin ich geborene …“

„Das habe ich nicht gefragt“, unterbrach er sie kopfschüttelnd. „Ihr Akzent hat mich nur neugierig gemacht. Wie lange leben Sie hier schon?“

„Seit zwölf Tagen.“

Den Blick wieder auf ihre Bewerbung gerichtet, runzelte er die Stirn. „Sie wohnen in einer Jugendherberge?“

„Nur bis ich eine Wohnung finde, obwohl das schwieriger ist als gedacht.“

Als er wieder den Blick hob, fielen ihm ihre geröteten Wangen auf. Sie waren schon rot gewesen, als er sie aufgerufen hatte. Oder sah sie immer so aus? „Ich dachte, Ihr Vater lebt …“

„Seine Frau hat gerade ein neues Baby bekommen“, erklärte Naomi.

„Dann kann ich es Ihnen nicht verdenken.“

„Sorry?“

Sev versteifte sich. Das war schon das dritte Mal, dass sie dieses höfliche Wort verwendete, das er so verabscheute. „Ich kann es Ihnen nicht verdenken, nicht bei ihm zu wohnen, wenn er ein schreiendes Baby im Haus hat“, erklärte er knapp.

Naomi sagte nichts dazu, doch ihr verwirrtes Blinzeln verriet ihm, dass es vielleicht genau andersherum war – dass ihr Vater sie nicht bei sich haben wollte.

Er war drauf und dran, ihr zu sagen, dass sie nur ihre Zeit miteinander verschwendeten. Sevastyan hatte nichts mit Emotionen am Hut. Sein Ding waren Computer und Bücher, nicht das, was Menschen innerlich bewegte. Es hatte daher keinen Zweck, dieses Gespräch unnötig in die Länge zu ziehen. Er würde der jungen Frau sagen, dass sie als seine Assistentin nicht infrage kam. Und er würde ihr auch gern erklären, warum, falls sie das wissen wollte.

Naomi Johnson hatte nämlich die irritierende Angewohnheit, sich bei jeder sich bietenden Gelegenheit zu entschuldigen, und das ging ihm gewaltig auf die Nerven.

Eins der letzten englischen Wörter, die er gelernt hatte, war „sorry“, und er benutzte dieses Wort nur sehr selten. Naomi hingegen hatte schon zweimal „sorry“ gesagt, bevor sie sich überhaupt in seinem Büro hingesetzt hatte. Das erste Mal, als er sie aufgerufen und sie beim Aufstehen ein Wasserglas umgestoßen hatte. Und das zweite Mal, als er sie gefragt hatte, ob ihr Vormittag bisher angenehm gewesen war, sie aber seine Frage offensichtlich nicht verstanden hatte.

Und jetzt hatte sie es schon wieder gesagt!

„Ich glaube nicht, dass das mit uns funktionieren wird“, sagte er.

„Mr. Derzhavin …“

„Sev“, unterbrach er sie. „Ich bin schließlich kein Lehrer.“

Doch als er in ihre traurigen braunen Augen blickte, kamen Sev plötzlich Zweifel. Irgendetwas in ihm sträubte sich dagegen, diese Frau einfach wegzuschicken.

Sie hatte sich für dieses Vorstellungsgespräch offensichtlich große Mühe gegeben. Die Herberge, in der sie wohnte, war zwar eine Absteige, aber sie trug ein schickes Kostüm. Ein Kostüm, das jedoch ein klein wenig zu eng saß, wie Sev bemerkte, als er den Blick über Naomis sinnliche Kurven schweifen ließ. Ihr Haar war ordentlich zurückgesteckt, und sie sah aus wie …

Sev konnte es nicht richtig einordnen.

Sie erinnerte ihn an etwas – oder an jemanden. Aber er hatte keine Lust, darüber nachzudenken. Er wusste nur, dass es keine Notwendigkeit gab, unhöflich zu sein.

„Hören Sie, Naomi, Sie sind offensichtlich sehr qualifiziert und für eine Fünfundzwanzigjährige sehr erfahren, aber…“ Als er sie vor Nervosität schlucken sah, verspürte er wieder das seltsame Bedürfnis, Rücksicht auf Ihre Gefühle zu nehmen. „Sie haben sehr viele Hobbys angegeben – Lesen, Reiten, Ballett, Theater und so weiter. Die Sache ist nur leider die – das einzige Hobby, das meine Assistentin haben kann, bin ich.“

„Das hat Felicity mir schon gesagt“, antwortete Naomi. Sevs scheidende Assistentin hatte bei Naomis erstem Vorstellungsgespräch keinen Hehl daraus gemacht, dass Sevastyan Derzhavin die Zeit seiner Assistentin stark in Anspruch nahm. Als Spezialist für Internetsicherheit war er sehr gefragt. Abgesehen davon, dass er ein Workaholic war, war er ein reicher Playboy. Zusätzlich zu ihrer normalen Arbeit musste seine persönliche Assistentin auch noch seine privaten Termine organisieren und die Einsätze von Privatjet und Privathubschrauber koordinieren.

Naomi wusste daher genau, was sie erwartete: Ein arroganter, gefühlloser Sklavenschinder! Der jedoch fantastisch bezahlte …

Und Felicitys verbittertem Tonfall nach zu urteilen, schien ihre plötzliche Kündigung mehr mit verletzten Gefühlen zu tun zu haben als mit der ausufernden Arbeitszeit.

„Trotzdem.“ Sev legte Naomis Bewerbung auf seinen Schreibtisch zurück – offensichtlich, um das Vorstellungsgespräch zu beenden und sie wegzuschicken.

„Würde es helfen, wenn ich Ihnen sage, dass ich in meinem Lebenslauf gelogen habe?“

„Vermutlich nicht.“ Doch anstatt aufzustehen, lehnte er sich in seinem Stuhl zurück. „Aber fahren Sie ruhig fort.“

„Na ja, ich gehe ganz gern ins Ballett und ins Theater, aber es wäre übertrieben zu behaupten, dass das Hobbys sind, und seit meinem vierzehnten Lebensjahr habe ich nicht mehr auf einem Pferd gesessen…“

„Was ist mit lesen?“

„Ich kann ja im Bett lesen.“

Sev lag eine anzügliche Bemerkung auf der Zunge, doch er war vernünftig genug, sie zu unterdrücken. Miss Verlegen war anscheinend auch schon aufgefallen, was ihm durch den Kopf geschossen war, denn sie errötete schon wieder.

„Tja, über Ihre Zeit im Schlafzimmer kann ich natürlich nicht verfügen“, sagte Sev belustigt. Obwohl die Vorstellung eigentlich gar nicht so abwegig war … Abrupt wechselte er das Thema: „Ich muss Sie jedoch warnen: Wenn ich Ihnen den Job gebe, müssen Sie mir praktisch rund um die Uhr zur Verfügung stehen. Sie werden die Zeit entweder am Laptop oder am Telefon verbringen, um meine Termine zu organisieren. Sie werden noch nicht mal die Zeit haben, das Horoskop zu lesen.“

„Ich glaube nicht an Astrologie.“

„Aber Sie lesen das Horoskop bestimmt trotzdem, oder?“

„Ist das relevant?“

Naomi war anscheinend doch durchsetzungsfähiger, als sie aussah.

Sev musterte sie interessiert. Ihre vollen Lippen und runden Wangen waren reizend, aber wirklich faszinierend waren ihre ausdrucksvollen braunen Augen. „Wie ich sehe, sind Sie verlobt?“, fragte er mit einem Blick auf ihren Ring.

„Nochmals: Ist das relevant?“

„Ehrlich gesagt, ja. Ihr Verlobter muss schon unglaublich verständnisvoll sein, um Ihre Arbeitszeiten zu akzeptieren.“

„Na ja, er lebt in England, nicht in New York, aber …“ Naomi zögerte einen Moment. Plötzlich hatte sie ihre Meinung geändert! Sollte Sev ihr aus irgendwelchen unerfindlichen Gründen doch den Job anbieten, würde sie ihn lieber nicht annehmen.

Noch vor zwölf Minuten war ihr Leben kompliziert, aber überschaubar gewesen. Bis Sevastyan Derzhavin aus seinem Büro gekommen war und sie mit ihrem Vornamen aufgerufen hatte. Er hatte nicht gelächelt, sondern nur in Richtung Büro genickt.

Was für ein Mann! war ihr sofort durch den Kopf geschossen.

Er war groß gewachsen, hatte dunkles Haar und dunkelgraue Augen. Trotz seines tadellos sitzenden Anzugs hatte Sevastyan ausgesehen, als sei er gerade aus einem Club oder Casino gekommen – zerzaust, unrasiert und mit gelockerter Krawatte.

Bei seinem Anblick hatte Naomi vor lauter Aufregung glatt ihr Wasserglas umgestoßen. Als er sich dann in seinem Büro mit seinem starken russischen Akzent nach ihrem Vormittag erkundigt hatte, war sie so verzaubert von seiner tiefen, klangvollen Stimme gewesen, dass sie ihm gar nicht richtig zugehört hatte und ihn hatte bitten müssen, seine Frage zu wiederholen.

Mit jeder weiteren Frage, die er ihr gestellt hatte, war er für sie nur noch anziehender geworden. Mit jeder Silbe, die er von sich gab, war sie elektrisierter. Sogar ihre unschuldigen Hobbys bekamen plötzlich eine verfängliche Note. Sie wollte daher nur noch eins: aufstehen und weg hier.

Ich bin verlobt, hätte sie am liebsten gesagt. Wie können Sie es wagen, solche Empfindungen in mir auszulösen?

Nein, sie durfte auf keinen Fall für diesen Mann arbeiten!

„Sie sprechen keine Fremdsprachen?“, erkundigte Sev sich.

Naomi schüttelte den Kopf. „Nein.“

„Gar keine?“

„Non.“ Naomi musste über ihren eigenen lahmen Witz lachen.

Anstatt mitzulachen, sah er sie nur an. „Englische Muttersprachler sind ganz schön faul.“

„Wie bitte?“

„Sie verlassen sich einfach darauf, dass jeder ihre Sprache spricht.“

„Wie viele Sprachen sprechen Sie denn?“

„Fünf.“

Ach so, dachte Naomi. Jetzt gibt er mir den Job bestimmt nicht.

„Aber in Anbetracht der Tatsache, dass tatsächlich die meisten Leute Englisch sprechen, ist das kein Hinderungsgrund.“

Hilfe!

„Ich muss Sie darauf hinweisen, dass ich nur ein Jahr lang in New York sein werde“, sagte Naomi, doch er zuckte nur die Achseln.

„Bis dahin sind Sie längt ausgebrannt. Ich glaube, keine meiner Assistentinnen hat länger als ein halbes Jahr durchgehalten. Bei Ihnen tippe ich auf drei Monate, obwohl ich mir natürlich etwas anderes wünsche.“

Naomi setzte ein entschuldigendes Lächeln auf. „Hören Sie, ich will nicht länger Ihre Zeit verschwenden. Ihre Assistentin hat keinen Hehl aus den Arbeitszeiten gemacht, aber mir war nicht bewusst, dass ich so viel arbeiten muss. Ich habe die Wochenenden gern frei …“ Sie lächelte wieder, doch er reagierte nicht darauf. „Eigentlich bin ich nur in New York, um meinen Vater besser kennenzulernen, also …“

„Sie bekommen die Wochenenden frei“, fegte Sev ihren Einwand beiseite. „Es sei denn, wir sind auf Geschäftsreise.“

„Außerdem“, fügte Naomi hinzu, „kenne ich mich auf Ihrem Gebiet nicht aus.“

„Auf meinem Gebiet?“ Sevastyan wusste zwar genau, was sie meinte, aber es machte ihm Spaß, sie sich winden zu sehen.

„Ich meine, dass ich nicht viel über Online-Sicherheit weiß.“

„Würden sie sich auskennen, wären Sie meine Konkurrentin.“

Sie stand auf und hielt ihm eine Hand hin. „Tut mir leid, aber ich …“

„Zum Job gehört eine Wohnung mit Blick auf den Central Park. Na ja, sobald Felicity auszieht. Das Haus ist sehr schön … Zumindest wohne ich sehr gern dort.“

„Wir würden im selben Haus wohnen?“ Das wurde ja immer schlimmer!

„Keine Sorge, ich werde nicht an Ihre Tür klopfen, um mir eine Tasse Zucker zu borgen. Aber die Lage ist praktisch für frühe oder späte Meetings. Und wir sparen Zeit, wenn wir auf Geschäftsreise gehen müssen. Ich muss Sie dann nicht extra abholen.“ Er nannte ihr den Betrag, der monatlich für ihre Garderobe zur Verfügung stehen würde.

Zu seiner Überraschung biss sie immer noch nicht an. „Nein, ich muss wirklich …“ Naomi wollte so schnell wie möglich in ihr altes Leben zurück. Eine Welt, in der sie diesem Mann nie begegnet war. Warum setzte er sich jetzt auf einmal in den Kopf, sie doch einzustellen?

Aber für Sev war Naomi plötzlich so unwiderstehlich geworden wie eine verbotene Frucht. Er liebte das Wort „nein“! Für ihn war es wie eine Firewall, die es zu umgehen galt. Es stachelte seinen Ehrgeiz nur umso mehr an.

„Danke für Ihre Zeit“, sagte Naomi. Sie hatte die Hand immer noch ausgestreckt, aber Sev ergriff sie nicht. „Sorry“, sagte sie einmal mehr, doch diesmal ärgerte es ihn nicht.

Schweigend blieb er sitzen und sah ihr hinterher.

Er griff nach der nächsten Bewerbung und blätterte sie gelangweilt durch. In Gedanken war er immer noch bei der jungen Frau mit den traurigen braunen Augen.

Augen wie … Ja, sie erinnerte ihn an ein Hündchen, das Angst hatte, getreten zu werden, sich aber nach Liebe sehnte.

Sev schüttelte den Kopf über sich selbst. Was hatte er nur für seltsame Gedanken!

Er verließ sein Büro, um den nächsten Bewerber namens Emmanuel hineinzubitten, aber das Wartezimmer war leer.

„Felicity!“, rief er seine Assistentin, doch auch ihr Platz war nicht besetzt. Und ihre Tasche war weg.

Auf ihrem Computerbildschirm befand sich jedoch eine Abschiedsnotiz für ihn:

Ich habe ihn nur vorgetäuscht!!!

Nein, hast du nicht, dachte Sev grinsend. Das Lächeln verging ihm, als die Fahrstuhltür aufglitt und ein Mann herausschoss. Emmanuel vermutlich.

„Die Verspätung tut mir schrecklich leid, Mr. Derzhavin …“

Sev runzelte missbilligend die Stirn. Den Typen kannte er doch irgendwie. Ach ja, der junge Mann hatte sich schon vor zwei Jahren bei ihm vorgestellt. Anscheinend wollte er heute wieder sein Glück versuchen.

Leider kam er fünf Minuten zu spät.

„Sie machen gerade keinen guten ersten Eindruck.“

„Ich weiß, nur …“

„Verschwenden wir nicht unsere Zeit miteinander.“

„Aber …“

Sev wollte keine Erklärungen hören. Stattdessen ging er zurück in sein Büro, das noch immer schwach vom blumigen Duft Naomi Johnsons erfüllt war. Er hatte seine Entscheidung getroffen. Rasch griff er nach seinem Handy.

Naomi nahm den Anruf sofort an. Da sie ihrem Vater soeben eine Nachricht geschickt hatte, ging sie davon aus, dass er am Apparat war. Er war ziemlich beeindruckt gewesen, als sie ihm von ihrem Vorstellungsgespräch mit Sevastyan erzählt hatte. Vielleicht wollte er sich erkundigen, wie es gelaufen war?

„Hi Dad, ich komme gerade von …“

Sev stutzte. Ihre Stimme klang total überschwänglich und atemlos – ganz anders als gerade eben. „Ich bin nicht Ihr Vater. Hier ist Sev.“

„Ach.“

Ihre Enttäuschung war nicht zu überhören – ein Novum für Sev. Normalerweise überschlugen sich die Frauen förmlich vor Begeisterung, wenn er sie anrief. „Ihr Chef“, fügte er hinzu.

„Sorry?“

„Ha! Daran müssen wir noch arbeiten. Herzlichen Glückwunsch, Naomi. Sie haben den Job.“

Naomi, die noch im Foyer stand, spielte mit dem Gedanken, das Telefonat einfach zu beenden. „Ich dachte, ich hätte mich klar ausgedrückt …“, versuchte sie es, aber Sev unterbrach sie ungeduldig.

„Wie wär’s, wenn ich Ihnen den Job mit vierteljährlichen Englandaufenthalten versüße? Ich muss dort im November aus privaten Gründen hin. Sie können sich dann zwei Wochen freinehmen. Ihr Verlobter wird sich bestimmt freuen, Sie wiederzusehen.“

Naomi schluckte.

„Warum ist er eigentlich nicht mitgekommen?“

„Wie bitte?“

„Nach New York. Warum sind Sie allein hier?“

„Wir haben Vertrauen zueinander …“, behauptete sie eilig, doch in diesem Augenblick traute sie sich ehrlich gesagt selbst nicht über den Weg.

„Ich rede nicht von Vertrauen. Ich frage mich nur, warum er Sie nicht begleitet hat.“

Seine Frage versetzte ihr einen schmerzhaften Stich. Das hatte sie sich nämlich selbst schon oft gefragt. „Er hat einen wichtigen Job.“

„Den habe ich auch.“ Sev beschloss, nicht weiter in sie zu dringen. Im Grunde interessierte ihr Verlobter ihn nicht die Bohne. „Sagen Sie Ja, Naomi.“

Sie schloss für einen Moment die Augen, aber hinterher war ihr immer noch schwindlig. Schon allein der Klang seiner tiefen Stimme machte sie atemlos.

„Dann also abgemacht?“, fragte Sev.

Naomi war bewusst, dass sie mit dem Feuer spielte, wenn sie Ja sagte. Andererseits bezweifelte sie, dass ein so attraktiver Typ wie Sevastyan Derzhavin sich zu ihr hingezogen fühlte. Sie würde ihre Gefühle also unter Verschluss halten müssen. Aber darin war Naomi geübt! Schließlich hatte sie fünfundzwanzig Jahre lang nichts anderes gemacht.

Wenn ihr Vater erfuhr, dass sie den Job hatte, würde er sie vielleicht mit neuen Augen sehen. Vielleicht konnten sie beide dann endlich noch mal ganz von vorne anfangen …

„Naomi?“, hakte Sev nach. „Sind Sie einverstanden oder nicht?“

„Ja“, krächzte Naomi. „Wann soll ich anfangen?“

Insgeheim hoffte sie, dass er sie erst in einem Monat oder in zwei Wochen brauchte. Oder dass er den Montag vorschlug. Naomi brauchte Zeit, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen, bevor sie ihm gegenübertrat.

Leider Fehlanzeige!

„Am besten kehren Sie gleich wieder um“, hörte sie Sevs tiefe Stimme. „Sie können gleich anfangen!“

1. KAPITEL

Naomi wachte in einem sehr warmen und sehr bequemen Bett auf. Mit pochendem Herzen wartete sie auf den Anbruch des Tages.

Gestern Abend hatte sie endlich Andrew angerufen und ihm gesagt, dass es zwischen ihnen aus war.

Wie zu erwarten, hatte er nicht gerade positiv darauf reagiert.

Aber das hatte er auch nicht, als sie ihm damals gesagt hatte, dass sie nach New York wollte, um mehr Zeit mit ihrem Vater zu verbringen. Sie hatten deshalb schon am Abend vor Naomis Abflug Schluss gemacht, doch dann war er morgens plötzlich mit einem Verlobungsring am Flughafen aufgetaucht und hatte gesagt, dass er auf sie warten würde.

Erst hier in New York war ihr bewusst geworden, dass sie sich von ihm unter Druck hatte setzen lassen. Aber jetzt war es endlich vorbei.

Eigentlich hätte Naomi jetzt erleichtert sein müssen, und irgendwie war sie es auch, aber was ihr gerade zu schaffen machte, war nicht Andrew.

Sie würde heute nämlich noch ein schwieriges Gespräch führen müssen.

Mit Sev.

Natürlich hatte Andrew sie gefragt, ob es einen anderen Mann in ihrem Leben gab, und Naomi hatte einen Moment zu lange gezögert, bevor sie die Frage verneint hatte. Dabei war es die Wahrheit gewesen.

Na ja, zumindest so halbwegs.

Naomi arbeitete inzwischen seit drei Monaten für Sev. In dieser Zeit hatte er mehrere Annäherungsversuche gemacht. Einmal – sie hatten in Mali stundenlang in seinem Flugzeug auf die Flugerlaubnis gewartet – hatte er sein Buch weggelegt und ihr vorgeschlagen, sich hinzulegen. Vorzugsweise mit ihm obendrauf. Oder auch gern andersherum, er sei da sehr großzügig …

Das nächste Mal hatte er sie in ihrer Hotelsuite in Helsinki aufgesucht, um sie über ein Geschäftsmeeting zu informieren. Naomi hatte sich brav Notizen gemacht, bis Sev ihr erzählte, dass er für immer von seinem Faible für Blondinen geheilt war. Danach hatte er sie gefragt, ob sie nicht kurz mit ihm ins Bett hüpfen wollte.

Natürlich hatte Naomi ihn sofort darauf hingewiesen, dass sie zwar geschmeichelt war, aber einen Verlobten hatte – und dass sie nie etwas mit ihrem Chef anfangen würde.

Gott, war der Typ unromantisch!

Was nichts daran änderte, dass sie total scharf auf ihn war.

Nervös betrachtete Naomi den Ring an ihrem Finger, den sie bis zu ihrer Kündigung weitertragen wollte. Sie brauchte jedes bisschen Rückendeckung, das sie kriegen konnte, um nicht doch noch Sevs Charme zu erliegen.

Ach, wie gern würde sie mit ihm schlafen, um diese Erfahrung wenigstens mal gemacht zu haben! Was sie jedoch nicht gebrauchen konnte, war das Nachspiel.

Weil nämlich keins stattfinden würde.

Als Naomis Handywecker klingelte, stellte sie ihn aus, schlug die Decke zurück und tapste barfuß in die Küche, um sich einen Kaffee zu machen.

Die Wohnung war wunderschön, mit hohen Decken, Türen aus Mahagoni und offenen Kaminen. Nicht dass Naomi sie benutzte. Sie verließ sich lieber auf die Heizung, aus purer Angst, sonst womöglich das Gebäude abzufackeln.

Sev wohnte im Penthouse über ihr, und er hatte recht gehabt: Wenn sie sich nicht wegen einer Geschäftsreise im Foyer miteinander verabredet hatten, liefen sie sich hier im Haus nur sehr selten über den Weg.

Das Problem war der Job an sich. Die langen Tage, die sie zusammen verbrachten und die noch längeren Auslandsreisen.

Naomi nahm ihren Kaffee mit ins Bett. Würde sie mit ihrer Kündigung nicht den größten Fehler ihres Lebens machen? Wie auf ein Stichwort klingelte in diesem Augenblick ihr Handy.

Es war erst sechs Uhr an einem Montagmorgen, aber das war Sev natürlich egal. Er hatte recht gehabt damit, dass er Naomi rund um die Uhr in Anspruch nehmen würde. Sie bekam kaum Zeit, zwischendurch mal Luft zu holen oder sich zu sammeln.

„Hi, Sev.“

„Wie spät ist es?“, erkundigte er sich grußlos.

Naomi unterdrückte die sarkastische Bemerkung, dass er ein Handy besaß, aber dafür bezahlte er sie zu gut. „Es ist sechs Uhr. Morgens“, fügte sie pointiert hinzu. Man wusste ja nie.

„Okay, können Sie meine Termine für heute Vormittag absagen? Ach was, sagen Sie gleich alle ab. Ich bin morgen wieder da.“

Oh nein!

Jetzt verstand sie seine seltsame Frage zur Uhrzeit. Er war nicht in derselben Zeitzone.

„Sev, wo sind Sie?“

„Auf dem Rückweg.“

„Aber von wo? Sie haben um elf einen Termin mit Scheich Allem, und wir wollten heute Abend mit ihm und seiner Frau essen gehen. Ich habe das Restaurant schon vor einer Ewigkeit gebucht, und das hat Wochen gedauert.“

„Das weiß ich alles.“

„Sie müssen kommen.“

„Wie lange dauert ein Flug von Rom nach New York?“

„Etwas über acht Stunden“, antwortete sie seufzend.

„Sehen Sie? Das schaffe ich nie.“

Sie konnte sein gleichgültiges Achselzucken förmlich vor sich sehen. „Sev, Scheich Allem hat mich noch gestern Abend angerufen und betont, wie sehr er und seine Frau sich auf den Besuch freuen. Er hat schon lange genug auf dieses Treffen gewartet.“

Scheich Allem war bisher tatsächlich erstaunlich geduldig gewesen. Er bat Sev schon länger, nach Dubai zu kommen, um das Sicherheitssystem seines Hotels zu überprüfen, aber Sev hatte den Besuch immer wieder hinausgeschoben. Jetzt kam Allem selbst mit seiner Frau.

„Okay, okay“, antwortete Sev genervt. „Ich bin ja schon unterwegs. Ich werde meinen Piloten bitten, aufs Gaspedal zu treten oder was auch immer er macht. Aber vor drei komme ich auf keinen Fall an.“

„Was soll ich ihm sagen?“

„Ich bezahle Sie dafür, sich selbst etwas zu überlegen. Setzen Sie Ihren Charme ein, Naomi.“

„Den habe ich längst aufgebraucht.“

Autor

Carol Marinelli
<p>Carol Marinelli wurde in England geboren. Gemeinsam mit ihren schottischen Eltern und den beiden Schwestern verbrachte sie viele glückliche Sommermonate in den Highlands. Nach der Schule besuchte Carol einen Sekretärinnenkurs und lernte dabei vor allem eines: Dass sie nie im Leben Sekretärin werden wollte! Also machte sie eine Ausbildung zur...
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