Neues Glück in den Armen des stolzen Spaniers?

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Damals war Charlotte nicht bereit für ein Kind, nun bittet sie ihn um Geld - für ein Kinderheim! Raul Cazorla glüht vor Wut - und vor Verlangen. Doch er wird seine Gefühle für die sinnliche Blondine ein für alle Mal bezwingen: mit einer Überdosis Leidenschaft …


  • Erscheinungstag 01.12.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733739034
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Der Vollmond stand hoch über dem Hotel und tauchte die Szenerie in ein unwirkliches, fast schon märchenhaftes Licht. Für den normalen Betrachter mochte es ein verlockender Anblick sein. Charlotte dagegen sah nur die dunklen, bedrohlichen Schatten. Das Mondlicht hätte nicht silbern leuchten dürfen. Blutrot wäre die passendere Farbe gewesen.

Aber jetzt war nicht der Zeitpunkt, um sich einschüchtern zu lassen. Sie war aus einem wichtigen Grund hergekommen und musste sich darauf konzentrieren.

Sie atmete tief durch und wartete, bis sich die Schranke hob. Dann fuhr sie in die Tiefgarage. Kein Hoteldiener kam angelaufen, um ihren Fiat 500 in die bewachte Parkzone zu fahren, in der sich die Ferraris, Lamborghinis und Maseratis aneinanderreihten.

In der riesigen Hotellobby wurde sie von klassischer Musik begrüßt. Die Hotelgäste in teurer Abendgarderobe saßen auf cremefarbenen Ledersesseln und nippten an ihren Cocktails. Charlotte, die meistens Charley genannt wurde, senkte den Blick und ging langsam zu dem Festsaal, der sich am anderen Ende der Lobby befand.

Mit jedem Schritt schlug ihr Herz schneller. Als sie die Tür zum Saal erreicht hatte, war das Klopfen so laut geworden, dass sie die Musik kaum noch wahrnahm.

Ein Schrank von einem Mann stellte sich ihr in den Weg.

„Darf ich bitte Ihre Einladung sehen“, sagte er und hob die Hand.

„Mein Mann ist schon da“, sagte sie auf Spanisch, doch war ihr englischer Akzent deutlich zu hören. Obwohl sie schon seit mehr als fünf Jahren im Land lebte, hatte sie erst in den letzten Monaten das Gefühl, die Sprache ansatzweise zu beherrschen. „Er hat sicher ausrichten lassen, dass ich mich ein wenig verspäte“, log sie.

„Ihr Mann?“

Charley öffnete die silberne Handtasche, zog ihren Pass heraus und hielt ihn hoch. „Raul Cazorla.“ Kurz überlegte sie, wie ihr Noch-Ehemann sich an ihrer Stelle verhalten würde, und setzte eine arrogante Miene auf. Sie zog das Handy aus der Tasche. „Soll ich ihn anrufen, damit er kommt und bestätigt, wer ich bin?“

Sie konnte förmlich sehen, wie es in dem Türsteher arbeitete. Wahrscheinlich hatte er Raul erst vor wenigen Minuten selbst in den Saal eingelassen. Und vermutlich war ihm auch das rothaarige Unterwäschemodel an seinem Arm nicht entgangen.

Das Unterwäschemodel …

Als sie an die Frau dachte, spürte sie einen bitteren Geschmack auf der Zunge. Erst vor zwei Wochen hatte eine spanische Illustrierte auf dem Cover ein Foto von dem glücklichen Paar gezeigt. Raul hatte ausgesehen wie ein Kater, der soeben eine ganze Schüssel mit Sahne ausgeschleckt hat. Kein Wunder, denn alles an dieser Jessica war einfach perfekt.

Und Charley war sich ziemlich sicher, dass diese Frau seit ihrer Trennung nicht Rauls erste Geliebte war. Sie war nur die erste, mit der er sich öffentlich zeigte.

Mit wem er sich trifft, geht dich nichts mehr an, ermahnte sie sich selbst. In wenigen Wochen wäre ihre Scheidung rechtskräftig. Danach war er ein freier Mann.

Sie atmete tief ein und kniff die Augen leicht zusammen. Das hatte sie bei Raul oft beobachtet. Damit zeigte er einem Menschen, dass ihm irgendetwas missfiel. „Vielleicht wollen Sie lieber reingehen und ihn suchen, damit er bestätigt, wer ich bin?“

Mehr als diese Frage brauchte es nicht. Der Mann erwiderte nichts mehr, sondern legte eine Hand auf die Tür. Aber wer wäre auch gern derjenige gewesen, der Raul Cazorla, einen der reichsten Männer Spaniens, bei einer High-Society-Party gesucht hätte, um ihn zu fragen, ob die Frau, die seinen Namen trug, auch wirklich seine Frau war?

„Genießen Sie das Fest“, sagte er und stieß die Tür auf.

Der Festsaal des exklusiven Hotel Garcia war eine riesige Halle aus Glas und Chrome, in der sich alles, was in Barcelona Rang und Namen hatte, heute Abend versammelt hatte. Man hatte extra einen Top-DJ einfliegen lassen, und Charley konnte die wummernden Bässe der aktuellen Tanzhits unter ihren schmerzenden Füßen spüren. Es war das erste Mal seit fast zwei Jahre, dass sie sich in High Heels gequetscht hatte, und nun tat ihr jeder einzelne Fußknochen weh.

Kellner und Kellnerinnen trugen geschäftig Tabletts mit Champagnerflöten herum. Charley nahm sich im Vorbeigehen ein Glas und stürzte den Inhalt in einem Zug herunter.

Während sie den Saal durchquerte, bemerkte sie neugierige Blicke. Fast meinte sie, die Leute flüstern zu hören: „Ist das nicht Charlotte …?“

Sie blendete die Menschen um sich herum aus und konzentrierte sich auf die geöffnete Glastür am Ende des Saals, hinter der der herrliche Garten lag.

Draußen in der milden Abendluft saßen weitere Nachtschwärmer an schmiedeeisernen Tischen. Sie waren mit Reden, Rauchen, Küssen beschäftigt …

Ihr Herz nahm ihn zuerst wahr und begann wie wild zu klopfen. Groß und athletisch, eine Hand lässig in die Hosentasche gesteckt, stand er mit dem Rücken zu ihr. Er war mit einem ihr unbekannten Mann ins Gespräch vertieft. Am Tisch daneben saßen zwei Frauen und unterhielten sich. Die Rothaarige zog an ihrer Zigarette und inhalierte tief.

Raul kann rauchen nicht ausstehen, dachte sie.

Einen schrecklichen Moment lang hatte sie das Gefühl, sich übergeben zu müssen.

Plötzlich drehte Raul den Kopf, als hätte er ihren Blick im Rücken gespürt.

Er schaute flüchtig in ihre Richtung, bevor er sich wieder zu dem Mann drehte und das Gespräch fortführte.

Charley nahm ihren Mut zusammen und ging auf ihn zu. Sie hatte nur ein paar Schritte gemacht, als er den Kopf erneut zu ihr umwandte. Dieses Mal schaute er sie direkt an.

Raul drehte sich ganz um.

Er war so attraktiv, wie sie ihn in Erinnerung hatte.

Sie nahm die kurzen, dunklen Haare und den maßgeschneiderten Anzug in sich auf, der die schmalen Hüften perfekt umschmeichelte …

Als sie am Tisch ankam, verstummten die Gespräche. Charley konnte den bohrenden Blick der Rothaarigen fast schon spüren.

„Hallo, Raul“, sagte sie leise. Die Wut, die sie dazu gebracht hatte, in die Party zu platzen, legte sich erheblich, als sie sein Gesicht aus der Nähe betrachtete. Seit fast zwei Jahren hatte sie es nicht mehr gesehen.

Falls ihr plötzliches Auftauchen ihn erschüttert hatte, ließ er sich nichts anmerken. Aber er hatte seine Gefühle schon immer gut verbergen können. Außer im Schlafzimmer …

„Charlotte“, sagte er und beugte sich zu ihr herunter, um ihr auf beide Wangen einen trockenen Kuss aufzudrücken. „Was für eine unerwartete Freude.“

Seine Augen schienen jedoch etwas anderes auszudrücken. Obwohl sie die leichte Berührung seiner Lippen ein wenig benommen gemacht hatte, entging ihr der Zorn in seinen Augen nicht.

Als er weitersprach, bemerkte sie die Angespanntheit in seiner Stimme. „Bitte entschuldigt mich einen Augenblick“, sagte er zu seinen Begleitern, bevor er Charleys Arm ergriff und sie mit sanftem Druck wegzog.

Blicke folgten ihnen, als sie schweigend zur hinteren Ecke des Gartens gingen, wo umringt von Blumen ein paar Bänke standen, wie geschaffen für Liebespaare. Charley zwang sich bei jedem Schritt an die Worte zu denken, die sie den ganzen Tag über auswendig gelernt hatte.

Das Zusammentreffen mit ihm war tausendmal schlimmer, als sie es sich vorgestellt hatte.

Das letzte Mal, dass sie ihren Mann gesehen hatte, war genau sechshundert und dreiunddreißig Tage her.

Als sie ihn zum letzten Mal gesehen hatte, hatten sie einander angeschrien, und Hass und Wut waren wie ein Feuerwerk explodiert. An jenem Abend hatte sie ihn verlassen und seitdem nicht wiedergesehen.

Sie hatte eigentlich geglaubt, der Schmerz und die Wut von damals wären längst verflogen. Dass sie jetzt aber in den alten Strudel der Gefühle zurückgezogen wurde, machte ihr mehr Angst als alles, was sie seit jener Nacht erlebt hatte.

Sie spürte förmlich, wie er die eigene Wut im Zaum halten musste, obwohl er auf andere sicherlich ruhig gewirkt hätte. Aber als seine Frau war sie ihm nähergekommen als alle anderen Menschen, und nur sie konnte hinter seine Fassade blicken.

Erst als sie hinter einem Baum angekommen waren, ließ er ihren Arm los und starrte sie finster an. „Was willst du?“

„Mit dir reden.“

„Das habe ich wohl verstanden. Ich meine auch eher, warum du dich auf die Party geschlichen hast, obwohl ich doch klipp und klar gesagt habe, dass ich dich nicht mehr sehen will.“

Seine Worte hätten sie nicht wie eine Ohrfeige treffen dürfen. Aber sie taten beinahe so weh wie seine strikte Weigerung, sich noch einmal mit ihr zu treffen oder auch nur ihre Anrufe entgegenzunehmen.

„Ich brauche deine Hilfe“, sagte sie und schaute ihm dabei in die blauen Augen, die sie früher so geliebt hatte. Als sie ihn das erste Mal gesehen hatte, war ihr Herz so weit geworden, dass sie fast Angst gehabt hatte, es würde ihren Brustkorb sprengen. Seine markante Wangenknochen, die vollen Lippen, die sich interessant von seinem kantigen Kinn abhoben …

Sie blinzelte und blickte weg. Rauls extrem männliche Schönheit hatte ihr schon früher die Sinne geraubt. Aber sie musste unbedingt einen kühlen Kopf bewahren und durfte sich nicht in die Zeit vor fünf Jahren zurückversetzen, als ihre Lust ihren Verstand ausgeschaltet hatte. Sonst würde sie ihn niemals dazu überreden können, ihr zu helfen. „Hast du meinen Brief mit dem Businessplan bekommen?“

Er machte ein verächtliches Geräusch. „Meinst du den Bettelbrief, den du mir vor ein paar Tagen geschickt hast?“

Sie rieb sich die Augen und verfluchte sich im nächsten Moment dafür. Sie hatte eine Ewigkeit gebraucht, um Make-up aufzulegen. Nach fast zwei Jahren, in denen sie sich so gut wie nie geschminkt hatte, war sie völlig aus der Übung gekommen. Vermutlich war jetzt alles ruiniert. Dabei musste sie unbedingt gut aussehen, damit Raul ihre Bitte auch ernst nahm. Ihr Noch-Ehemann legte vor allem Wert auf den schönen Schein. Ganz gleich, was sich hinter verschlossener Tür abspielen mochte, in der Öffentlichkeit musste man sich perfekt präsentieren.

„Dann hast du ihn also gelesen?“

Raul hatte nur einen Blick auf die mädchenhafte Handschrift werfen müssen und sofort gewusst, wer der Absender war. Charleys Handschrift war so ungelenk wie die einer Zwölfjährigen.

Mit einem Mal fiel ihm ein, wie sehr sie sich für ihre Schrift immer geschämt hatte. Sie musste demnach ziemlich verzweifelt gewesen sein, dass sie diesen Weg der Kontaktaufnahme gewählt hatte.

Als er den Brief vor ein paar Tagen bekommen hatte, war ihm das noch nicht aufgegangen. Der Anblick ihrer Handschrift hatte ihn tief getroffen und alte Gefühle wieder aufgewühlt, sodass er den Briefumschlag kurzerhand zerknüllt und an die Wand geworfen hatte. Erst eine Stunde später hatte er sich wieder so weit unter Kontrolle gehabt, dass er den Brief lesen konnte. Nach knapp einem Drittel hatte er ihn wieder zerknüllt. Den sogenannten Businessplan hatte er kurzerhand in den Schredder geworfen.

„Ich habe genug gelesen, um zu wissen, dass du noch mehr Geld von mir willst.“ Nachdem er von ihr verlassen worden war, hatte er zehn Millionen Euro auf ihr Konto überwiesen, um sie daran zu erinnern, was sie aufgegeben hatte. Eigentlich hatte er damals erwartet, sie würde reumütig zu ihm zurückkriechen. Selbst, als ein Jahr später die Scheidungspapiere in seinem Briefkasten gelandet waren, hatte er geglaubt, sie würde irgendwann zu ihm zurückkommen.

Jetzt hatte sie die Millionen vermutlich verbraten und stand vor ihm, aufgedonnert bis zum Gehtnichtmehr, und streckte die gierigen Hände nach seinem Geld aus.

„Ich hab’s nicht auf dein Geld abgesehen. Hast du den Teil über die Kindertagesstätte Poco Rio nicht gelesen?“

„Doch“, stieß er hervor.

Kindertagesstätte Poco Rio. Diese Wörter waren der Auslöser gewesen, warum er den Brief ein zweites Mal in die Ecke gefeuert hatte. Schließlich war es die Weigerung seiner Noch-Ehefrau gewesen, ein Kind von ihm zu bekommen, an der ihre Ehe gescheitert war.

Damals hatte er Unsummen in ihre wahnwitzigen Geschäftsideen gepumpt. Jetzt besaß sie die Frechheit, ihn erneut um Geld anzugehen, weil sie wieder eine Idee umsetzen wollte, zum Überfluss auch noch eine, die mit Kindern zu tun hatte.

Wollte sie ihn absichtlich quälen?

„Dann weißt du, was auf dem Spiel steht. Ich habe das perfekte Haus gefunden, aber der Besitzer will mit dem Verkauf nicht länger warten. Entweder einigen wir uns noch in diesem Monat, oder er sucht sich einen neuen Käufer. Bitte, Raul, uns läuft die Zeit davon. In vier Monaten müssen wir aus den alten Räumen ausziehen und …“

„Dein Problem, nicht meins.“

„Aber ohne dich bekomme ich den Rest der Finanzierung nicht zusammen. Ich habe es überall versucht …“

„Dann versuch es eben weiter. Vielleicht bleibst du ja einmal bis zum Ende am Ball, anstatt mittendrin aufzugeben.“

Sie atmete schwer ein. „Ich werde nicht aufgeben. Aber niemand will in das Projekt investieren.“

„Dann musst du wohl deinen Businessplan überarbeiten. Vielleicht frisierst du die Zahlen und hoffst, dass niemand sie überprüft.“ Er trat einen Schritt zurück und schüttelte den Kopf. „Ich habe dir genug von meiner Zeit geschenkt – meine Begleiterin fühlt sich bestimmt schon vernachlässigt. Den Ausgang findest du allein, oder?“

Bei dem Wort Begleiterin wurde sie blass.

Er erwartete, Genugtuung zu empfinden, aber stattdessen stiegen Schuldgefühle in ihm auf. Warum bloß? Charley hatte ihn verlassen. Nachdem er sie drei Jahre lang mit Geld überschüttet, sie in allem unterstützt und ihr jeden Wunsch von den Augen abgelesen hatte … hatte sie sich geweigert, ihm ein Kind zu schenken.

Drei Jahre lang hatte sie ihm das Versprechen wie eine Karotte vor die Nase gehalten, bevor sie ihm endlich die Wahrheit gestanden hatte. Sie wollte kein Kind von ihm.

Ihre Ehe war nichts als eine Lüge gewesen.

Und nun besaß sie die Frechheit, ihn um Hilfe zu bitten.

Aber, als er sie jetzt im Mondlicht vor sich stehen sah, mit ihrer blassen Alabasterhaut, musste Raul die Hände zu Fäusten ballen, damit er sie nicht nach ihr ausstreckte.

Bei ihrer ersten Begegnung hatte er gerade die Leitung der Cazorla-Hotelkette übernommen, weil sein Vater einen Schlaganfall erlitten hatte. Obwohl er ein eigenes Geschäftsimperium zu führen hatte, hatte Raul nicht eine Sekunde gezögert und war für seinen kranken Vater eingesprungen. Seit dem Schlaganfall saß dieser im Rollstuhl und konnte nicht mehr sprechen, aber er hatte Raul dennoch deutlich spüren lassen, wie wenig er von ihm als seinem Nachfolger hielt. Es schien ihn zu ärgern, dass sein Sohn die Geschäfte übernahm. Raul wusste, dass der Erfolg, zu dem er das Familiengeschäft seitdem geführt hatte, schwer an dem alten Mann nagte.

An jenem Tag hatte er das Hotel auf Mallorca inspiziert, so wie er allen Hotels im Besitz der Cazorlas einen Kurzbesuch abgestattet hatte. Im Gegensatz zu den übrigen Luxusresorts handelte es sich hierbei um ein Familienhotel. Charley war bei einer spanischen Firma angestellt gewesen und hatte dort als Animateurin für Kinder gearbeitet.

Am Abend hatte er sie zum ersten Mal gesehen. Sie hatte den Hotelkomplex verlassen, in Shorts, Glitzertop und Flip-Flops, und ihr offenes, honigblondes Haar hatte ihre Schultern umspielt. Sie hatte über irgendetwas gelacht, das eine Freundin zu ihr gesagt hatte, und ihr von Herzen kommendes Lachen hatte ihm ein Lächeln ins Gesicht gezaubert. Am nächsten Abend hatte er sie auf einer Bühne wiederentdeckt. Sie hatte eine Gameshow moderiert und die Zuschauer zum Mitmachen animiert. Dank ihrer fröhlichen, energiegeladenen Art hatten ihr Jung und Alt buchstäblich aus der Hand gefressen. Nach dem Ende der Show hatte er sie ausfindig gemacht. Eigentlich hatte sie mit Kollegen auf eine Party gehen wollen, aber er hatte sie nicht lange überreden müssen, stattdessen mit ihm auszugehen.

Die Frau, die jetzt vor ihm stand, hatte kaum noch Ähnlichkeit mit dem jungen Mädchen von damals. Sie trug ein enges, rotes Kleid mit einem tiefen Ausschnitt, der ihr zart gebräuntes Dekolleté perfekt zur Geltung brachte, und farblich passende High Heels. Sobald Charley Zugriff auf sein Bankkonto bekommen hatte, hatte sie ihren Stil komplett umgekrempelt und den Kleiderschrank mit teuren Designerstücken gefüllt.

Ihre perfekt betonten grünen Augen blinzelten, und sie presste die vollen Lippen aufeinander, bis nur noch ein Strich zu sehen war. Beschwörend hob sie die Hand. „Du bist der Einzige, der mir helfen kann. Endlich habe ich eine Bank gefunden, die bereit ist, mir Geld für das Projekt zu geben, aber leider wollen sie sich nur darauf einlassen, wenn du für mich bürgst.“

„Was zum …“ Er verkniff sich den Fluch. „Das ist ja noch schlimmer, als würdest du mich direkt um Geld bitten. Du musst verrückt sein, wenn du glaubst, ich würde als Bürge für deine waghalsigen Geschäftsideen fungieren. Als wir verheiratet waren, habe ich Millionen von Euro für deine abenteuerlichen Ideen zum Fenster rausgeworfen.“

Plötzlich kam ihm ein Verdacht. „Warum will die Bank, dass ich für dich bürge? Wir leben seit zwei Jahren getrennt. Unsere Scheidung, die du, falls ich dich erinnern darf, selbst in die Wege geleitet hast, wird in wenigen Wochen rechtskräftig sein.“

Sie senkte betreten den Kopf. „Ich …“

„Was hast du ihnen erzählt?“ Er wusste, wie impulsiv seine Frau handeln konnte. Bei ihr war alles möglich.

„Ich … ich habe gesagt, wir hätten uns wieder versöhnt.“

„Wie bitte?“

Sie zuckte zusammen. „Ich wusste nicht mehr, was ich tun soll“, gestand sie kleinlaut.

„Verstehe ich das richtig … Du hast der Bank erzählt, wir wären wieder zusammen, damit sie dir Geld für dein nächstes Schwachsinnsprojekt geben?“

„Es ist nicht schwachsinnig“, erwiderte sie zornig. „Ohne die Finanzierung haben die Kinder sonst bald keinen Ort mehr, wo sie hingehen können.“

„Das ist nicht mein Problem.“ Die Wut, die er bisher unterdrückt hatte, kochte hoch. „Mir ist es egal, was für Lügen du ihnen aufgetischt hast. Ich will damit nichts zu tun haben. Genauso wenig wie mit dir. Du hast diesen Mist verzapft und wirst die Suppe allein auslöffeln. Adios.“

Er ließ sie stehen, war aber nur ein paar Meter weit gegangen, als sie ihm hinterherrief.

„Noch ist es nicht zu spät, dich auf eine viel größere Summe Unterhalt zu verklagen, und das weißt du.“

Er blieb abrupt stehen.

„Unsere Scheidung ist noch nicht rechtskräftig. Ich kann meine Anwältin am Montagmorgen anrufen und ihr sagen, ich habe meine Meinung geändert und will nun doch die höhere Abfindung, die mir nach ihrer Auskunft zusteht.“

Langsam drehte er sich zu ihr um. Wagte sie es wirklich, ihm zu drohen? Bevor er wusste, was er tat, stand er wieder vor ihr.

„Vielleicht steht dir eine größere Summe zu. Aber bis das Gericht zu einer Entscheidung kommt, können Monate ins Land gehen. Das dürfte für deine neue Geschäftsidee wohl zu spät sein.“ Er grinste sie an und beugte sich so weit vor, dass ihre Gesichter nur noch wenige Zentimeter voneinander getrennt waren. „In der Zwischenzeit hast du genug Zeit, um über die Folgen deines unüberlegten Handelns und deiner Lügen nachzudenken.“

Als er sich erneut zum Gehen wandte, rief sie ihm nicht hinterher.

Doch als er wieder am Tisch angelangt war, sah er noch immer ihr entsetztes, schmerzerfülltes Gesicht mit den hohen Wangenknochen vor sich.

Jessica warf ihm einen unterkühlten Blick zu und zog gelangweilt an ihrer Zigarette. „Was war denn das, bitte?“

Er schaute sie an. Seit der Trennung von Charley war sie sein erster Dating-Versuch gewesen, und inzwischen gingen sie schon seit einem Monat miteinander aus.

Jessica war groß, schlank und schön und belegte bei der Wahl zur Sexiest Woman Alive immer einen der vorderen Plätze. Sie war selbstsicher und cool und machte sich einfach gut an seinem Arm.

Charley war fast einen Kopf kleiner und wesentlich kurviger. Dazu war sie impulsiv und herzlich, und ihr Lachen wirkte ansteckend. Und sie duftete nach Vanille.

Er hatte ihren Duft noch immer in der Nase.

„Nun?“, hakte Jessica nach und drückte die Zigarette im Aschenbecher aus.

Charley hatte immer wundervoll gerochen, vor allem am frühen Morgen, wenn sich der Duft der Liebesnacht mit ihrem Parfüm vermischt hatte.

Er hasste den Gestank von Zigaretten. War es da ein Wunder, dass er Jessica in der ganzen Zeit noch nicht einmal geküsst hatte?

Aus den Augenwinkeln nahm er wahr, wie ein rotes Kleid vorbeirauschte. Er drehte sich um und sah Charley ins Hotel zurücklaufen. Ihre Körperhaltung verriet, wie bedrückt und niedergeschlagen sie nach der Begegnung mit ihrem Noch-Ehemann war.

Er schaute zu Jessica und zwang sich zu einem Lächeln. „Einen Drink noch, dann brechen wir auf“, sagte er schnell.

Ohne ihre Antwort abzuwarten, drehte er sich um und ging raschen Schrittes in den Festsaal des Hotels. Während er sich zur Bar durchdrängelte, schaute er sich vergeblich nach der Frau im roten Kleid um.

Charley war nicht mehr da.

2. KAPITEL

Charley zwang sich zu einem Lächeln, als sie dem Bankdirektor zum Abschied die Hand schüttelte und sein Büro verließ. Dabei war ihr so eng ums Herz, dass sie meinte, keine Luft mehr zu bekommen. Schnell trat sie in die Empfangshalle des riesigen Glasgebäudes, ging im Eilschritt zur Damentoilette und schloss die Tür der ersten Kabine hinter sich.

Es war aus.

Der Direktor hatte ihr unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass sie ohne die Bürgschaft von Raul kein Darlehen bekommen würde.

Ihre letzte Hoffnung hatte sich zerschlagen. Sie riss eine Hand vor den Mund, um den tiefen Seufzer zurückzuhalten.

Obwohl sie wirklich alles gegeben hatte, würde Poco Rio keine neue Bleibe finden und wohl für immer schließen müssen.

Die armen Kinder. Die Hiobsbotschaft würde sie und ihre Eltern noch viel härter treffen. Dabei hatten sie in ihrem kurzen Leben wahrlich schon genug gelitten.

Jetzt wusste sie wirklich nicht mehr weiter. Sie hatte alles versucht und sich in ihrer Verzweiflung sogar an Raul gewendet.

Sie hätte beinahe laut aufgeschluchzt, als sie daran dachte, wie er ihr die Bitte ins Gesicht zurückgeschleudert hatte. Nie hätte sie ihn für so herzlos gehalten. Und nie hätte sie geglaubt, dass ihn das Scheitern ihrer Ehe noch immer so wütend machte.

Sie erinnerte sich noch gut an den vernünftigen Tonfall, den er immer angeschlagen hatte, wenn sie über ihre beruflichen Misserfolge geredet hatten. „Cariño“, hatte er dann zu ihr gesagt. „Begreif doch endlich, du bist nun mal keine Businessfrau. Du hast es versucht, aber jetzt sollten wir endlich die Familie gründen, von der wir einmal geredet haben.“

Noch deutlicher aber erinnerte sie sich daran, wie ihr das Blut bei diesen Worten in den Adern gefroren war.

Hatte er wirklich von ihr erwartet, ein Kind zu bekommen, obwohl ihre Ehe doch so ungleich war?

Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sie sich immer darauf gefreut, eines Tages Kinder zu haben. Aber zuerst wollte sie sich etwas Eigenes aufbauen und ihre Nische im Leben finden.

Autor

Michelle Smart
Michelle Smart ist ihrer eigenen Aussage zufolge ein kaffeesüchtiger Bücherwurm! Sie hat einen ganz abwechslungsreichen Büchergeschmack, sie liest zum Beispiel Stephen King und Karin Slaughters Werke ebenso gerne wie die von Marian Keyes und Jilly Cooper. Im ländlichen Northamptonshire, mitten in England, leben ihr Mann, ihre beiden Kinder und sie...
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