Neunzig Tage und eine heiße Nacht

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Erpressung! In neunzig Tagen muss Jonas Halstead verheiratet sein. Sonst enterbt ihn sein strenger Großvater, und ein Teil des Hotelimperiums fällt an Jonas’ spielsüchtigen Vater. Aber wo soll Jonas so schnell eine geeignete Heiratskandidatin hernehmen? In seinem eleganten Stammlokal fällt sein Blick auf die wunderschöne Kellnerin Katrina. Plötzlich hat er eine Idee … Katrina tut seinen Vorschlag als Schnapsidee ab. Jetzt ist das Interesse des Noch-Milliardärs erst recht geweckt: Er will sie!


  • Erscheinungstag 10.07.2018
  • Bandnummer 2037
  • ISBN / Artikelnummer 9783733722029
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Ein weiterer Monat, ein weiteres Frühstück. Wie viele dieser gemeinsamen Geschäftsessen hatten sie nun schon hinter sich? Jonas Halstead war seit fünf Jahren CEO von Halstead & Sons. Er überschlug es kurz im Kopf. Sechzig Mittwochsfrühstücke.

Sechzig dreistündige Treffen mit dem Mann, den alle nur den „Weißen Hai der Westküste“ nannten. Jack stand in dem Ruf, der skrupelloseste Geschäftsmann Kaliforniens und moralisch nicht lupenrein zu sein. Außerdem war er Jonas’ Großvater. Jonas hätte lieber Folter ertragen, als diese monatlichen Treffen über sich ergehen zu lassen.

Als er Firmenchef wurde, hatte Jonas seinen Angestellten untersagt, direkten Kontakt zum Vorstandsvorsitzenden aufzunehmen. Die wenigsten von ihnen wären mit Jacks Grobheit, seinen Verhörtaktiken und seinen düsteren Warnungen vor möglichen Katastrophen zurechtgekommen. Selbst wenn sie noch so loyal und eifrig waren – mit Jacks Aggressivität und seinem Perfektionismus konnte kaum jemand umgehen. Jonas war schon lange klar, dass er seine wichtigsten Mitarbeiter vor Jack schützen musste, wenn er nicht riskieren wollte, dass sie kündigten.

Aber das hieß, dass er selbst den Kopf hinhalten musste.

Jonas konnte Jack zwar ertragen, aber er konnte es kaum erwarten, Halstead & Sons irgendwann ohne Jacks ständige Einmischung und Kritik zu führen. Jacks Skrupellosigkeit und der schlechte Ruf von Jonas’ Vater hatten dafür gesorgt, dass der Name Halstead kein Vertrauen mehr genoss. Jack störte das überhaupt nicht – sollen die Bastarde doch Angst vor uns haben, das ist gut fürs Geschäft! –, doch Jonas hasste es, wenn man an seinem Wort und seiner Integrität zweifelte. Er war ein knallharter Geschäftsmann und verhandelte gnadenlos. Aber wenn er sein Wort gab, hielt er es auch. Immer.

Man sagte seiner Familie nach, dass sie zwar legale, aber fragwürdige Geschäfte machte, ihr Gewissen an den Mammon verkaufte, Versprechen brach und log. Das Misstrauen im Gesicht seiner Investoren, Zulieferer und Konkurrenten zu sehen, war Jonas peinlich. Er war entschlossen, den Ruf des Unternehmens wiederherzustellen – er wollte als Mann gelten, dem man vertrauen konnte.

Er hatte den Eindruck, Fortschritte zu machen, aber es dauerte unglaublich lange. Denn es war nun einmal Jacks Firma, und solange der die Zügel nicht aus der Hand gab, musste Jonas mit dem alten Mann fertigwerden und die Mitarbeiter, auf die er Wert legte, von ihm fernhalten.

Jonas stieg die Stufen zu Jacks palastartigem Anwesen an der vornehmen Palisade Beach Road in Santa Monica hinauf. Das Haus war im spanischen Kolonialstil gebaut und schon im Familienbesitz gewesen, als die Elite von Hollywood die Gegend für sich noch nicht entdeckt hatte. Jonas war sowohl in diesem Haus als auch im Nachbargebäude aufgewachsen; als mutterloser Junge hatte er um die Aufmerksamkeit seines gleichgültigen Vaters und seines fordernden Großvaters gekämpft.

Er betrat die geräumige Eingangshalle und begrüßte Henry, das Faktotum seines Großvaters. Er ging durch die Villa zum Außenbereich mit Panoramablick auf Strand und Ozean. Der Wind hatte aufgefrischt, und die Wellen schlugen hoch. Perfekte Bedingungen zum Surfen. Jonas joggte die Stufen hinunter zur Terrasse. Trotz des Abstands zur Küche war dieses Plätzchen im Schatten der Bäume Jacks Lieblingsort zum Essen.

Sein Großvater saß am Kopfende des Tisches, die Hand um eine Kaffeetasse gelegt, die Brille auf der Nasenspitze. Er las den Wirtschaftsteil der Zeitung wie jeden Tag. Jack hing an seinen Gewohnheiten, geschäftlich wie privat. Er mochte es nicht, wenn andere – ob nun Söhne, Enkel, Kollegen oder Angestellte – etwas Unerwartetes taten. Jonas’ Art, Halstead & Sons flexibel und aus dem Bauch heraus zu managen, war für seinen Großvater ein rotes Tuch. Aber sosehr Jack auch protestierte, gegen die Geschäftszahlen konnte er nichts sagen. Seit Jonas auf dem Chefsessel saß, erhöhten sich die Umsätze und Gewinne stetig.

Jonas bemerkte, dass Preston McIntyre auch da war. Warum frühstückte Jacks Anwalt mit ihnen? Jonas schüttelte Preston die Hand und warf einen verstohlenen Blick in Jacks Richtung. Er kannte diese Erst-wenn-ich-bereit-bin-Miene. Es hatte keinen Sinn, Jack zu drängen. Der alte Mann war stur wie ein Maulesel. Das ging Jonas auf die Nerven, denn er war jemand, der gern alles sofort anpackte. Außerdem wollte er das Frühstück schnell hinter sich bringen.

Er zog sich einen Stuhl heran. „Guten Morgen, Jack.“

Er war „Grandpa Jack“ gewesen, als Jonas jünger war, aber nun redete er seinen Großvater schon lange nur noch mit dem Vornamen an. Jack war kein sentimentaler Typ. „Jonas. Iss etwas.“

Jonas griff nach dem Obstsalat.

„Wie sieht es mit dem Cliff House aus?“, fragte Jack. Seine Augen blitzten.

Das Cliff House war ihr neuestes Projekt: ein riesiges Anwesen, das in den zwanziger Jahren das luxuriöseste Hotel von Santa Barbara gewesen war. Heute war es in üblem Zustand und verschlang Unsummen. Aber es bot eine großartige Aussicht und hatte Potenzial. Vor allem hatte Jonas es Harrison Marshall vor der Nase weggekauft. Harrison war ja vielleicht ein weltberühmter Koch, Restaurantbesitzer und Freund der Familie, aber es hatte Spaß gemacht, ihm eine Immobilie wegzuschnappen. Jonas hatte ihn einfach überboten.

„Wir sind genau im Zeitplan und im Budget“, antwortete Jonas, weil er wusste, dass Jack das hören wollte. Und es stimmte. Er hatte die Lage im Griff.

„Das ist ja wohl das Mindeste“, blaffte Jack. „Erzähl mir mehr.“

Jonas erstattete Bericht. Sein Blick huschte zu dem kleineren, aber auch noch eindrucksvollen Haus nebenan. Die Fenster waren versperrt, die Vorhänge geschlossen. Das hieß, dass sein Vater in Europa war, um seiner ohnehin schon umfangreichen Kunstsammlung neue Werke hinzuzufügen.

Wie viel Reichtum doch mit unserem Namen verbunden ist, dachte Jonas. Die Häuser, die Autos, die Option, in seinem ganzen Leben keinen Tag mehr zu arbeiten … Das war die Wahl, die sein Vater getroffen hatte.

Jonas schauderte. Die Arbeit gab seinem Leben einen Sinn. Sie strukturierte seine Tage und verhinderte, dass er den Verstand verlor. Nichts zu tun zu haben, war für ihn ein Albtraum.

Er war zu leidenschaftlich, zu ehrgeizig. In der Hinsicht war er wie Jack: ein zielstrebiger Workaholic, der entschlossen war, das Familienunternehmen unter seiner Führung wachsen zu lassen. Was sollte er sonst auch mit seiner Zeit anfangen? Er hatte weder Frau noch Kinder, wollte auch keine und spielte nicht Golf.

Wie schon oft fragte er sich, ob er so ehrgeizig gewesen wäre, wenn er eine entspanntere Kindheit gehabt hätte. Sein Vater und sein Großvater hatten ihm ständig im Nacken gesessen, mehr zu leisten. Für sie war er die Zukunft der Firma, der fünfte Halstead, der ihr Familienimperium führen würde. Erfolg war immer das Wichtigste gewesen. Jack hatte ihn zu eigenständigem Denken und Handeln ermuntert – aber auch dazu, um jeden Preis zu gewinnen. Sein Vater Lane hielt nichts von Gefühlen. Als Kind hatte Jonas daher gelernt, Emotionen zu unterdrücken. Sein Vater nutzte sie sonst doch nur aus, um ihn lächerlich zu machen. Er hatte gemerkt, dass es einfacher war, seine emotionalen Bedürfnisse und die anderer zu ignorieren.

Jack stellte ihm weitere Fragen, und Jonas konzentrierte sich wieder aufs Hier und Jetzt. Der Blick zurück hatte ja doch keinen Sinn, und da Jack streng genommen Jonas’ Chef war, musste er sich Mühe geben. Auch wenn seine Stellung ziemlich abgesichert war. Er hatte die Firma ins einundzwanzigste Jahrhundert geholt. Aktienkurs und Gewinnspanne waren auf einem hohen Stand. Er trug den Namen Halstead, aber das Unternehmen gehörte ihm nicht. Noch nicht.

Jack lehnte sich zurück und bat Jonas, Kaffee einzuschenken. Jonas tat ihm den Gefallen. Preston hatte die letzte halbe Stunde über nichts gesagt. Jonas fragte sich wieder, warum der Anwalt überhaupt da war. Preston warf ihm einen nervösen Blick zu, und Jonas erkannte, dass er gleich mehr erfahren würde. Es würde ihm nicht gefallen.

Jonas musterte Jack, der zum Strand hinuntersah. Was hat er vor?

Am Ende richtete Jack die Augen auf ihn, sie hatten dasselbe Grün wie die seines Enkels. „Ich mache ein neues Testament.“

Jonas wurde flau im Magen. Verdammt, schon wieder? Das passierte ungefähr alle fünf Jahre. Soweit Jonas wusste, würde er Jacks Anteile an der Firma erben. Sein Vater würde eine gewaltige Lebensversicherung und einen Großteil von Jacks Habseligkeiten bekommen.

„Dieses Haus und meine Anteile an der Firma werden dir allein gehören.“

Gut. Es hätte ihn geärgert, wenn er zehn Jahre lang sechzehn Stunden am Tag für nichts und wieder nichts geschuftet hätte. „Danke“, sagte er, weil er wusste, dass Jack es hören wollte.

„Aber nur …“

Ach du Schande.

„… wenn du in den nächsten neunzig Tagen heiratest.“

Was zum Teufel …?

Es verlangte Jonas all seine Selbstbeherrschung ab, nicht aufzuspringen, auf den Tisch zu schlagen und eine Erklärung zu verlangen. Er wollte Jack fragen, ob er nicht mehr alle Tassen im Schrank hatte. Aber die einzige Geste der Verärgerung, die er sich gestattete, war, seine Kaffeetasse fester zu packen.

„Das ist eine ganz schön happige Forderung, Jack“, sagte er. „Gibt es einen Grund dafür?“

„Du bist stinksauer“, sagte Jack.

Jonas hörte einen amüsierten Unterton in seiner Stimme. „Wärst du das nicht?“, konterte er und musste an sich halten, um nicht laut zu werden.

„Doch“, gab Jack zu. „Aber du kannst so sauer sein, wie du willst, ich bleibe dabei. Du heiratest – oder du verlierst alles.“

Jonas rieb sich die Stirn. Er konnte nicht fassen, dass Jack binnen fünf Minuten sein Leben auf den Kopf gestellt hatte. „Ist das legal?“, fragte er Preston.

Der Anwalt sah ihn mitfühlend an. „Es sind seine Vermögenswerte. Er darf damit machen, was er will. Es ist Erpressung, aber legale Erpressung.“

Preston sah seinen Mandanten aus zusammengekniffenen Augen an.

Jonas’ Respekt vor dem Anwalt stieg.

„Ich bin entschlossen“, sagte Jack, ohne auf die Bemerkung seines Anwalts einzugehen. „Heirate binnen neunzig Tagen, dann überschreibe ich dir alles. So vermeiden wir die astronomisch hohe Erbschaftssteuer.“

„Und wenn nicht?“

„Dann erbt dein Vater meine Aktien. Er will sie und meint, dass er ein Recht darauf hat.“ Jacks Ton war steinhart. „Er hat den Wunsch geäußert, wieder in die Firma einzusteigen.“

Jonas Miene versteinerte, er hatte Mühe, nicht Nur über meine Leiche zu sagen.

„Er ist ein Halstead, Jonas. Er sagt, dass er sich langweilt und dass es Zeit wird, dass er seinen Platz als nächster Halstead an der Spitze unseres Unternehmens einnimmt.“

Aber Lane hat die Firma bestohlen, um seine Spielsucht zu finanzieren! Es lag Jonas auf der Zunge, aber er konnte es nicht aussprechen. Wen wollte er schützen, indem er Lanes Geheimnis wahrte? Jack? Seinen Vater? Sich selbst?

„Er ist gegangen, Jack.“ Das war alles, was er einwenden konnte.

„Er ist immer noch ein begabter Geschäftsmann. Und mein Sohn.“

„Und all die Arbeit, die ich in den Jahren seit seinem Abgang geleistet habe, bedeutet nichts? Das würdest du ohne meine Zustimmung tun?“ Jonas las die Antwort in Jacks Gesicht und schüttelte den Kopf. „Du machst es einem wirklich nicht leicht.“

Jack zuckte die Schultern. „Für mich zählt nur, was das Beste für Halstead ist.“

Natürlich, möge Gott verhüten, dass die Wünsche seines Enkels ihm je wichtiger sind als die Firma!

„Du hast deine Sache in der Firma ganz anständig gemacht“, fuhr Jack fort, „aber was, oder besser gesagt, wer kommt nach dir? Früher bist du mit einer Frau nach der anderen ausgegangen, aber in dem Alter schlägt jeder ein bisschen über die Stränge. Jetzt bist du bald fünfunddreißig. Du hast mir nie eine deiner Freundinnen vorgestellt, und ich habe Angst, dass du dich nie bindest.“

„Du bist selbst seit über fünfzig Jahren Single“, wandte Jonas ein.

„Ich war verheiratet. Ich habe einen Erben gezeugt. Lane auch. Du nicht. Du solltest mittlerweile verheiratet sein und ein, zwei Kinder haben.“

„Heute heiratet man eben später!“

Jack starrte ihn böse an. „Ich will miterleben, wie du heiratest. Ich will dein Kind kennenlernen. Ich will sicher sein, dass das Halstead-Vermögen in der Familie bleibt.“

„Dann wundert es mich, dass du nicht auch gleich noch verlangst, dass ich binnen drei Monaten ein Kind herbeizaubere“, stieß Jonas hervor.

„So anspruchsvoll bin ich nun auch wieder nicht. Aber wenn du heiratest, gehen aus der Ehe sehr wahrscheinlich früher oder später Kinder hervor“, sagte Jack stur. „Und ich kenne dich gut genug, um zu wissen, dass es dich genauso stören würde wie mich, wenn das Halstead-Geld nach generationenlanger harter Arbeit an jemanden fällt, der nicht von unserem Fleisch und Blut ist.“

Fleisch und Blut? Jack klingt ja wie ein mittelalterlicher Fürst, der über seine Ländereien redet! „Wir leben nicht im sechzehnten Jahrhundert, Jack. Und es passt mir überhaupt nicht, dass du dich in mein Privatleben einmischst.“

„Pah! Arrangierte Ehen haben jahrhundertelang gut funktioniert, bevor die Liebe alles durcheinandergebracht hat. Es ist ganz einfach, Jonas. Heirate, dann gebe ich dir Halstead. Heirate nicht, dann musst du mit deinem Vater fertigwerden.“

Jonas fluchte leise. Jack wusste ganz genau, wo er den Hebel ansetzen musste. Er wusste, dass Jonas alles tun würde, um Lane von der Firma fernzuhalten und selbst die volle Kontrolle über Halstead & Sons zu bekommen.

Aber diese Freiheit hatte ihren Preis, und der bestand darin zu heiraten.

Jack ließ ihm keine Wahl.

Jonas rückte vom Tisch ab, warf die Stoffserviette neben seinen Teller und beugte sich vor, um Preston die Hand zu schütteln. Er ignorierte seinen Großvater, weil er zu wütend war, um mit ihm zu sprechen. Er wandte sich zum Gehen.

Jacks Stimme folgte ihm: „Na, was tust du?“

Jonas kostete die Verunsicherung seines Großvaters aus. Er drehte sich langsam um und musterte den alten Mann kalt lächelnd. „Das wirst du wohl in drei Monaten erfahren. Bis dahin kannst du warten.“

Katrina Morrison griff sich an den Nacken, verschob das immer noch an ihrem Kleid befestigte Preisschild ein wenig – in der Hoffnung, dass es sie gleich nicht mehr kratzen würde. Sie wünschte, sie könnte es abreißen. Aber dann würde sie von ihrer besten Freundin Tess, der Geschäftsführerin von The Hanger, einer Boutique in der Innenstadt von Santa Barbara, wahrscheinlich nie wieder ein Kleidungsstück bekommen. Tess musste die Kleider, die Kat sich „lieh“, schließlich noch verkaufen.

Gott allein wusste, was Tess tun würde, wenn das Kleid zerrissen wäre oder Flecken von Wein oder Essen hätte.

Im schlimmsten Fall würde Kat es bezahlen müssen. Aber sie hatte keine tausend Dollar übrig. Und selbst wenn sie so viel Geld gehabt hätte, es wäre ihr zu schade gewesen für so ein ärmelloses Faltenkleid, das so schlicht war, dass man ihm auf dreißig Meter Entfernung ansah, wie teuer es war. Aber der schöne Schein war alles, besonders für eine Hostess. Das preisgekrönte Restaurant El Acantilado gehörte dem in ganz Amerika beliebten Koch Harrison Marshall. Dort erwarteten die Gäste ein unvergleichliches Erlebnis. Kat war diejenige, die sie im Restaurant willkommen hieß, und der erste Eindruck zählte. Deshalb das Designerkleid, das professionelle Make-up und die High Heels aus schwarzem Wildleder.

Kat fühlte sich eigentlich in Jeans und T-Shirt am wohlsten und trug ihr hüftlanges Haar gern als Pferdeschwanz oder Zopf. Aber sie brauchte diesen Job. Wenn sie sich dafür wie ein Model aufrüschen musste, tat sie es eben.

Kat nahm das Buch mit den Reservierungen in die Hand und warf einen Blick in das mit Holz und Stahl eingerichtete Restaurant, um die Servicekräfte im Auge zu behalten. Fred, der neue Kellner, wirkte gestresst. Ihm zitterte die Hand, als er Harrisons Markenzeichen, die gebratene Ente, vor Senator Cordell abstellte. Glücklicherweise bediente er nicht Harrisons Tochter, Elana Marshall, die mit Jarrod Jones am besten Tisch im Haus saß.

Elana isst gar nicht mit ihrem langjährigen Freund Thom. Auch Jarrods Frau, die gefeierte irische Schauspielerin Finola, war nicht mit von der Partie.

Kat hätte ein Vermögen damit verdienen können, Klatsch und Tratsch über Prominente an die Regenbogenpresse zu verkaufen. Man hatte ihr schon Angebote gemacht und ihr Anonymität versprochen, und sie hätte das Geld gut gebrauchen können.

Kat seufzte. Klatsch zu verkaufen hätte all ihre finanziellen Probleme beseitigt. Zum Teufel mit meiner Integrität und meiner Selbstachtung!

Kat lächelte, als Fred einen Seitenblick zu Elanas Tisch riskierte. Die Kellner waren gehalten, absolut diskret zu sein, aber Fred war jung und noch ziemlich promigeil. Eigentlich konnte man ihm das auch nicht verdenken: Die schöne Elana Marshall war in ihrem Hauch von einem Kleid kaum zu übersehen.

Auch Kat war von all den Stars sehr beeindruckt gewesen, als sie hier als Kellnerin anfing. Sie hatte gestottert, als sie zum ersten Mal mit Angel Morales sprach, und war rot geworden, als der jüngere Windsor-Bruder ihr freundlich für das wunderbare Abendessen dankte. Als sie an einem Tisch voller Oscar-Nominierter zweitausend Dollar Trinkgeld bekam, war sie fast ohnmächtig geworden.

Nachdem sie so viele Reiche und Schöne bedient hatte, war sie nicht mehr so leicht ins Bockshorn zu jagen. Deshalb war sie vor einem Jahr zur Hostess befördert worden. Harrison Marshall hatte es persönlich veranlasst und seine Entscheidung damit begründet, dass Kat bei den Gästen so beliebt war. Sie war höflich und sympathisch, aber keine Speichelleckerin. Das kam wohl gut an.

Kat sah ins Reservierungsbuch und warf dann einen Blick auf ihre Armbanduhr. Die Henleys waren spät dran, aber das war typisch. Jonas Halstead würde mit einem Gast in fünf Minuten eintreffen, und er war immer pünktlich.

Kat fragte sich, wen Jonas wohl heute Abend dabeihatte. Nach ihrer Berechnung war das Haltbarkeitsdatum des blonden Popsternchens, mit dem er in den vergangenen drei Monaten unterwegs gewesen war, mittlerweile abgelaufen. Er würde ein anderes Mädchen mitbringen. Der auf Hotels und Casinos spezialisierte Milliardär war seit einem Jahr Stammgast im Acantilado. Vor Kurzem hatte er das Cliff House gekauft und renovierte nun das Kulthotel. Gerüchten zufolge hatte er Harrison Marshall das Anwesen vor der Nase weggeschnappt. Entweder war Halstead ein vorzüglicher Geschäftsmann – oder ein richtiger Hai.

Kat seufzte. Knallharter Firmenchef oder nicht, seine Welt war die, in der sie leben wollte. Die, für die sie einmal bestimmt gewesen war und die sie immer noch lockte. Aber mit achtundzwanzig arbeitete sie immer noch hier, und in die Nähe der Finanzelite kam sie nur, wenn sie Milliardäre wie Jonas zu ihrem Tisch führte.

Mein Gott, wie traurig.

„Katrina.“

Kat hob den Kopf und fluchte stumm, als sie Jonas vor sich stehen sah. Er trug einen schwarzen Designeranzug, dazu ein graues Hemd mit offenem Kragen – einfach perfekt. Sie ließ den Blick nach oben wandern, über seine Brust und seine breiten Schultern, seinen sonnengebräunten Hals entlang, über sein markantes Kinn mit dem Dreitagebart bis zu seinem Mund, der selten lächelte, aber trotzdem sexy war. Jonas hatte eine gerade Nase und dunkelgrüne Augen unter dichten Brauen. Reich, erfolgsverwöhnt und schön.

Er stand in dem Ruf, ein ziemlicher Dreckskerl zu sein, beruflich wie privat. Das ließ ihn aber nur ein Viertelprozent weniger sexy wirken.

„Mr. Halstead, willkommen zurück im Acantilado“, murmelte Kat und ignorierte ihr Herzklopfen und das Kribbeln in ihrem Bauch. Ja, er ist athletisch und verdammt gut aussehend, aber ich bin keine zwanzig mehr.

„Nennen Sie mich Jonas.“

Er machte ihr das Angebot nicht zum ersten Mal, aber Kat hatte nicht vor, es anzunehmen. Es wäre unprofessionell gewesen, und sie wahrte ohnehin lieber Abstand zu den Jonas Halsteads dieser Welt. Man durfte reichen Männern in schicken Anzügen nicht vertrauen, das hatten ihr Vater und ihr Exmann bewiesen.

Aber welchem Mann konnte man schon vertrauen?

Es nervte Kat, dass Jonas ihr Herz hüpfen ließ und ihr Schmetterlinge im Bauch bescherte.

Heftiges sexuelles Begehren hatte sie damals verleitet, Wes zu heiraten. Seit er mit ihrem Herz Pingpong gespielt hatte, war sie nicht mehr sicher, ob ihre Pheromone die richtigen Männer anlockten.

Aber jedes Mal, wenn sie Jonas sah, rief ihre Libido ihr laut ins Gedächtnis, dass sie schon lange keinen Sex mehr gehabt hatte. Jonas Halstead musste verdammt gut im Bett sein. Wie man hörte, hatte er viel Übung.

Aber heute Abend war er allein. „Konnte Ihr Gast Sie leider nicht begleiten?“

Jonas steckte die Hände in die Hosentaschen. „Doch, Rowan kommt gleich.“

Kat riss überrascht die Augen auf. Er ging mit Rowan Greenly aus, der Schauspielerin, die sich gerade von ihrem Mann getrennt hatte? Der jähzornige Rockstar sollte sie misshandelt haben und hatte geschworen, dass er jeden umbringen würde, der sich an seine Frau heranmachte.

„Sie sind mutig. Tragen Sie lieber eine kugelsichere Weste“, rutschte es Kat heraus, obwohl sie wusste, dass es indiskret war. „Rock mag Schusswaffen.“

Jonas runzelte verwirrt die Stirn. Dann wurde seine strenge Miene weicher, und er lachte leise.

Tausend Funken tanzten auf Kats Haut. Das Lächeln verwandelte den reservierten, gut aussehenden Mann in einen, dem sie am liebsten die Kleider vom Leib gerissen hätte. Kat drückte sich die Faust unters Brustbein und musste sich zwingen, nicht die Augen zuzukneifen.

Oh Gott, nein. Sie durfte Jonas Halstead nicht wie verrückt begehren. Sie hatte schon einmal einen skrupellosen und unbarmherzigen Mann geheiratet. Ein ehrgeiziger Milliardär, der über Leichen ging, hätte der Letzte sein sollen, der sie interessierte. Sie mied Männer generell, besonders, wenn sie sexy waren.

Jonas war nicht ihr Typ.

Die Tür des Restaurants schwang auf, und der talentierteste Basketballspieler der USA kam hereinspaziert: Rowan Brady.

Mein Gott, natürlich!

Kat sah Jonas an.

Er zog eine dunkle Augenbraue hoch. „Mein Date.“

Der knapp zwei Meter große Rowan kam zu ihnen und schlug Jonas auf die Schulter. „Ich habe dir schon tausendmal gesagt, dass du nicht mein Typ bist, Joe.“ Kat hörte den spöttischen Unterton in Rowans tiefer Stimme und wurde rot, als er ihr ins Gesicht sah. „Warum willst du, dass diese wunderschöne Dame etwas anderes glaubt?“

Jonas sah Rowan schief an. „Katrina dachte, ich würde mich mit Rowan Greenly treffen.“

Rowan schauderte. „Dazu bist du viel zu vernünftig. Sie ist sexy, aber ihr Mann ist völlig durchgeknallt.“

Jonas zog die Hände aus den Taschen und stützte die Unterarme auf den Tresen. Der Stoff seines Jacketts spannte sich um seinen eindrucksvollen Bizeps. Kat zog eine Augenbraue hoch und ärgerte sich, dass sie sich nur zu leicht vorstellen konnte, ihm den Anzug auszuziehen und das Hemd aufzureißen, um herauszufinden, ob seine Haut so heiß war, wie sie es sich vorstellte.

Sie schluckte ein Stöhnen herunter. Es wurde Zeit, ihren Job zu erledigen. „Darf ich Sie zu Ihrem Tisch führen, Mr. Halstead?“

„Da Sie keine Hemmungen hatten, über mein Liebesleben zu spekulieren, sollten sie auch keine haben, mich Jonas zu nennen. Oder Joe.“

Kat ging um den Tresen herum und wies auf den belebten Speisesaal. Sie ignorierte die Provokation bewusst. „Ich habe Ihnen den Tisch am Fenster ausgesucht. Von dort hat man eine wunderbare Aussicht auf den Strand. Hier entlang, bitte.“ Sie schlug den vertrauten Weg ins Restaurant ein und tat gelassen.

Bitte schau mir nicht auf den Po, dachte sie, als Jonas sich hinter ihr einreihte. Und wenn doch, gefällt er dir hoffentlich.

Meine Güte, Katrina! Was ist bloß mit dir?

„Sie haben ein …“

Zum Glück waren sie an seinem Tisch angekommen. Kat drehte sich zu ihm um und wartete auf seine dreiste Bemerkung.

Aber Jonas sagte nichts. Er stellte sich nur hinter sie. Angesichts seiner Körpergröße kam sie sich winzig vor. Er hob die Hand an ihren Nacken. Kat spürte, wie seine Fingerspitzen ihre Haut streiften. Er berührte sie kaum, aber sie fühlte sich plötzlich wie am Boden festgewachsen. Jede Zelle in ihrem Körper vibrierte.

Wenn er mich küsst, gehe ich in Flammen auf.

Jonas riss das Preisschild ihres Kleids ab und hielt es hoch. „Sie haben offenbar vergessen, es abzuschneiden. Bitte sehr.“

Kats Blick huschte zwischen dem Etikett in seiner Hand und seinen Augen hin und her. Schieres Entsetzen erstickte das Begehren, das sie für ihn empfand.

Verdammt, verdammt, verdammt. Er hatte das Schild beschädigt. Sie konnte es nicht wieder anbringen. Tess hatte ihr eingeschärft, dass der Barcode intakt bleiben musste, weil das Schild sich nicht neu ausdrucken ließ. Kat konnte das Kleid nicht zurückgeben.

Ihr drehte sich der Magen um, und sie bekam kaum noch Luft.

„Geht es Ihnen gut?“, fragte Jonas aus weiter Entfernung. „Katrina?“

Seine Stimme riss sie vom Abgrund zurück, gerade weit genug, um sie einatmen zu lassen und ihr Gehirn mit Sauerstoff zu versorgen.

Du darfst nicht ohnmächtig werden. Du darfst ihn nicht anschreien. Du darfst nicht einmal reagieren. Du brauchst diesen verdammten Job.

Autor

Joss Wood
<p>Schon mit acht Jahren schrieb Joss Wood ihr erstes Buch und hat danach eigentlich nie mehr damit aufgehört. Der Leidenschaft, die sie verspürt, wenn sie ihre Geschichten schwarz auf weiß entstehen lässt, kommt nur ihre Liebe zum Lesen gleich. Und ihre Freude an Reisen, auf denen sie, mit dem Rucksack...
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