Nie mehr Single in Manhattan

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Wie unglaublich schön war diese Nacht mit Mitch! Und wenn die junge Wissenschaftlerin Claire einen Wunsch frei hätte, dann wäre es, für immer mit ihm im Bett zu bleiben! Endlich weiß sie alles über das Verhalten von Singles. Denn um das zu erforschen, ist sie in einen New Yorker Club gegangen. Und dank des magischen schwarzen Minirocks einer Freundin, der jeden Mann auf zauberhafte Weise anzieht, kam es zu einer Massenschlägerei um ihre Gunst. Mitch, Undercover-Agent vom Rauschgiftdezernat, musste sie retten. Und so landete sie mit Mitch im Bett. Claire weiß nicht, dass ihr Traumlover sie zwar ungemein süß und verführerisch findet - aber nicht ausschließen kann, dass sie mit verbotenen Liebesdrogen handelt ...


  • Erscheinungstag 30.03.2019
  • ISBN / Artikelnummer 9783733746155
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Wunderbar!“, rief der Fotograf und hob die Kamera ans Auge. „Jetzt biegen Sie den Rücken durch. Gut. Und nun öffnen Sie ein ganz klein wenig die Lippen. Denken Sie an irgendetwas Erregendes.“

Leider konnte Claire Dellafield nur daran denken, wie peinlich es für eine Anthropologin wie sie war, in einer finsteren Seitenstraße von New York über einer Mülltonne zu hängen. So hatte sie sich ihren ersten Tag in der aufregendsten Stadt der Welt nicht vorgestellt.

Stöhnend richtete sie sich wieder auf und zog sich den Kragen zurecht. „Ehrlich gesagt war ich davon ausgegangen, dass Sie ein paar ganz normale Aufnahmen von mir hier vor dem Nachtklub machen. Irgendetwas, was die Universität mit den Ergebnissen meiner Forschungsarbeit verschicken könnte. Das hier …“, sie wies mit dem Kopf auf die dunkle Gasse, „… das macht doch alles gar keinen Sinn.“

Der Fotograf ließ die Kamera sinken. „Ich bin Evan Wang und nehme von niemandem Anweisungen entgegen. Sie sind das Model, ich bin der Künstler. Sie müssen mir schon vertrauen und tun, was ich Ihnen sage.“

„Ich bin kein Model“, stellte Claire klar. Ob der Fotograf vielleicht seine Aufträge verwechselt hatte? „Ich bin Dozentin für Anthropologie.“

„Genau das ist ja das Problem.“ Evan musterte sie kritisch von allen Seiten. „Aber jeder weiß, dass ich Wunder wirken kann.“

Claire unterdrückte mit Mühe eine heftige Erwiderung. Wäre sie bloß ihrem Instinkt gefolgt und hätte dieses Projekt abgelehnt! Aber das konnte sie sich als frischgebackene Anthropologin nicht leisten. Als das Penleigh College ihr den Vorschlag gemacht hatte, eine Studie weiterzuführen, mit der ihr Vater und das College berühmt geworden war, hatte sie nicht Nein sagen können. „Fremde in der Nacht“ hatte vor fünfundzwanzig Jahren großes Aufsehen erregt, und sicher machte ihr jetzt mancher den Vorwurf, sie würde sich nur an den Erfolg des Vaters anhängen.

Vielleicht war da sogar etwas dran.

Claire hob das lange dichte Haar im Nacken hoch und hoffte auf einen kühlen Luftzug, aber in der Straße stand die Luft. In Penleigh, der kleinen Stadt, in der sie aufgewachsen war und in der sie mit ihrem Vater auf dem Campus in einem gemütlichen kleinen Haus gewohnt hatte, war es nie so heiß gewesen. Vor neun Monaten war er nach langer schwerer Krankheit gestorben, und irgendwie empfand sie es als selbstverständlich, seine Arbeit weiterzuführen. Sie hatte seine Vorlesungen übernommen und hatte jetzt sogar vor, seine berühmte Forschungsarbeit fortzusetzen.

Bei dem Gedanken an den Vater wurden Claire die Augen feucht. Vor fünfundzwanzig Jahren war Marcus Dellafield hier gewesen, wo sie jetzt stand. Allerdings mussten damals keine sexy Aufnahmen gemacht werden, die seiner Untersuchung über das Paarungsverhalten des Menschen beigelegt wurden. Aber auch er hatte seine Untersuchungen hier in der Dschungelbar vorgenommen, früher eine der beliebtesten Singlebar in New York City.

Aber Professor Dellafield hatte nicht nur Daten gesammelt. Er hatte die kleine Claire aus diesem Milieu heraus adoptiert und sie in Penleigh allein aufgezogen. In der Presse war das damals groß herausgekommen – ein Professor, der einem unehelich geborenen Kind ein märchenhaftes Leben bot.

Und Claire hatte sich wirklich immer wie ein einem Märchen gefühlt. Ihr Adoptivvater hatte sie auf seinen Studienreisen mitgenommen und ihr die Welt gezeigt. Sie war in Borneo gewesen und in Tasmanien, hatte Mahlzeiten mit den Maoris in Neuseeland geteilt und mit einem schmalen Boot den Amazonas befahren.

Dieses Leben hatte ihr sehr gefallen und ihrem Vater auch. In den letzten Monaten seiner Krankheit hatte er ihr oft gesagt, dass er nichts bedauere. Er hatte alles erreicht, was er wollte, und sein Leben in vollen Zügen genossen.

Claire wollte es genauso machen. Aber es klappte nicht immer so, wie sie es sich vorstellte. Vielleicht sollte sie endlich dazu übergehen, die eigenen Träume zu verwirklichen. Aber erst einmal musste diese Arbeit abgeschlossen sein.

„Ich habe eine Idee“, bemerkte Evan schließlich. „Wir sollten Ihre unschuldige Ausstrahlung nutzen. Sie wirken wie ein Mädchen aus einer Kleinstadt, das die Welt erobern will.“

„Was?“ Claire sah ihn verblüfft an.

„Ja, natürlich!“ Evan zog eine kleine rote Baskenmütze aus seinem großen gelben Rucksack und reichte sie Claire. „Hier.“

Sie setzte die Mütze auf. „So?“

„Perfekt!“ Er zog die Mütze zurecht, trat dann einen Schritt zurück und sah Claire prüfend an. „Die Bluse stört.“

Sie blickte an ihrer gelben Baumwollbluse herunter, zuckte dann mit den Schultern und zog sie aus. Jetzt trug sie nur noch ihr weißes Tanktop und Kakishorts.

„Sehr viel besser.“ Evan hob die Kamera hoch. „Jetzt lehnen Sie sich bitte da gegen die Tür. Stellen Sie sich vor, die Tür sei ein Mann, an den Sie sich zärtlich schmiegen.“

„Warum das denn?“ Claire drehte sich widerstrebend zu der schäbigen Tür um.

Evan seufzte gequält auf. „Überlassen Sie das mir, ich weiß, was ich tue.“

In diesem Augenblick wurde die Tür von innen aufgestoßen.

„Autsch!“ Claire rieb sich das Schienbein.

„Entschuldigung“, stieß der große dunkelhaarige Mann hervor, der mit einer Kiste voll leerer Bierflaschen aus der Tür getreten war. Sein muskulöser Oberkörper war nackt, das schwarze Haar hatte er aus der Stirn gekämmt, und die klaren blauen Augen bildeten einen aufregenden Kontrast zu seinem dunklen Dreitagebart. Claire starrte ihn an.

„Kann ich mal durch?“, fragte der Mann ungeduldig.

Sie trat schnell zur Seite. Er stellte die Kiste neben die Recyclingtonne und verschwand wieder durch die Hintertür in dem Nachtklub.

„Sir!“, rief Evan ihm hinterher und schlug gegen die Tür.

„Was wollen Sie?“ Der Mann hatte die Tür wieder geöffnet und trug eine zweite Kiste heraus.

„Können Sie uns vielleicht helfen?“, fragte Evan.

„Womit denn?“

„Ich heiße Evan, und dies ist Claire. Wer sind Sie?“

Der Mann blieb überrascht stehen und sah die beiden von oben bis unten an. „Mitch Malone.“

„Okay, Mitch, ich muss endlich mit dem Shooting hier fertig werden. Claire hat Schwierigkeiten, zärtlich zu der Tür zu sein. Wenn Sie vielleicht … ich meine, mit menschlicher Unterstützung ginge es vielleicht einfacher.“

Mitch reagierte nicht auf diese seltsame Anfrage. „Tut mir leid, aber ich muss noch zwanzig Kästen mit Leergut rausstellen.“

„Wunderbar. Genau richtig.“ Evan nahm Claire beim Arm und zwang sie, Mitch anzusehen. „Sie finden ihn doch sexy, oder?“

Sie räusperte sich verlegen, als sie merkte, dass Mitch ihr direkt ins Gesicht sah. Er hatte die blauesten Augen, die sie je gesehen hatte. „Ich, also ich … ja, er scheint nett zu sein.“

„Mitch ist mehr als nett“, sagte Evan beschwörend, „er ist die Erfüllung Ihrer Träume. Zeigen Sie mir, wie sehr Sie ihn begehren. Versuchen Sie, ihn auf sich aufmerksam zu machen, während er die Kästen herausträgt.“

Claire wurde rot und drehte sich empört zu Evan um. „Ist das wirklich notwendig?“

Evan hob abwehrend die Hände. „Keine Widerrede, ich bin hier der Künstler.“

„Ich muss jetzt weitermachen“, sagte Mitch mürrisch und stellte den Kasten ab.

„Ja, ja, das ist okay.“ Evan machte schnell ein paar Aufnahmen, während Mitch wieder ins Haus ging. „Und nun, Claire, wenn er gleich wieder herauskommt, zeigen Sie, was Sie können. Das Ganze muss sinnlich aussehen, sexy.“

Claire trat zur Seite, als Mitch an ihr vorbeiging und wieder einen Kasten abstellte. Es war einfach eine lächerliche Situation, und es tröstete sie auch nicht, dass Mitch überhaupt keine Notiz von ihr zu nehmen schien. Sie versuchte, sinnlich auszusehen, und lehnte sich in einer aufreizenden Pose gegen den Türpfosten.

„Gut, sehr gut.“ Evan drückte unentwegt auf den Auslöser, während Mitch ungerührt an ihr vorbeiging.

Was sie besonders ärgerte, war ihre eigene Unfähigkeit, an Mitch vorbeizusehen. Der Mann war halb nackt, und seine Haut glänzte feucht. Sie hatte auf ihren Reisen schon viele gut gebaute Männer gesehen, aber irgendetwas faszinierte sie an der Art und Weise, in der Mitch Malone sich bewegte. Er hatte eine raubtierhafte Geschmeidigkeit, mit der verglichen alle anderen Männer hölzern wirkten. Ihr wurde heiß.

„Nicht schlecht.“ Evan legte einen neuen Film ein. „Jetzt noch ein paar Bilder in der Unschuldspose. Werfen Sie mal die Baskenmütze in die Luft, heiter und unbefangen.“

Sie war froh, diese peinliche Situation bald beenden zu können, und warf die Mütze hoch in die Luft.

„Gut. Und nun noch einmal. Diesmal versuchen Sie, die Mütze zu fangen.“

Claire hob die Mütze auf und hörte, dass die Tür wieder geöffnet wurde. Aus dem Augenwinkel sah sie, wie Mitch den nächsten Kasten abstellte. Um ihm zu zeigen, wie gleichgültig er ihr war, warf sie die Mütze wieder hoch, ohne ihn anzusehen. Aber um sie aufzufangen, musste sie ein paar Schritte rückwärts gehen und landete in Mitchs Armen.

„Hoppla!“ Er fasste sie bei den Hüften. „Alles in Ordnung?“

Sie holte tief Luft und war sich der Situation allzu deutlich bewusst. Seine Hände lagen auf ihren Hüften, mit dem Rücken berührte sie seine nackte Brust. „Ja, alles in Ordnung.“

Er ließ sie los, bückte sich und hob die Baskenmütze auf. „Sie haben was verloren.“

„Danke“, stieß sie leise hervor.

2. KAPITEL

Eine Stunde später hatte Claire Evan Wang und Mitch Malone beinahe vergessen. Das Taxi hielt am Central Park West, und als Claire ausstieg, um den Fahrer zu bezahlen, schlug ihr Herz schneller vor Aufregung. Sie sah an dem hohen Gebäude mit den Art déco-Verzierungen empor, während der Mann ihre Koffer aus dem Kofferraum holte.

Ihre Patentante Petra Gerard wohnte hier, und Claire freute sich, sie wieder zu sehen. Aber zuerst musste sie an dem jungen Mann vorbei, der auf einem Liegestuhl in dem kleinen Glasfoyer saß. Er trug Badeshorts mit blauen Tupfen und hatte eine verspiegelte Sonnenbrille auf der Nase.

Als sie ihre schweren Koffer durch die Glastür zerrte, sah er noch nicht einmal hoch. Er hatte Kopfhörer aufgesetzt und wippte mit dem Fuß im Takt.

Erst als sie schwer atmend stehen blieb, hob er den Kopf. „Das Passwort“, knurrte er. „Sonst kann Sie leider nicht durchlassen.“

„Wer sind Sie denn?“ Claire musterte den schmächtigen jungen Mann. Auf dem linken Oberarm hatte er eine Tätowierung, die aussah wie ein kleiner Schnauzer.

„Franco Rossi, Schauspieler und momentan hier Portier.“ Er schob sich die Sonnenbrille auf die Stirn und musterte Claire prüfend.

Sie hatte beide Koffer auf dem polierten Marmorboden abgesetzt. „Ich möchte zu Petra Gerard. Sie erwartet mich.“

„Ah, Petra!“ Franco lächelte. „Die mag ich besonders gern. Sie schwebt oft in höheren Sphären, nicht wahr?“

Das war noch untertrieben. Petra war Künstlerin und am normalen Leben nicht besonders interessiert. Sie war lebhaft und exzentrisch und hatte früher am Penleigh College Kunst unterrichtet. Mit Marcus Dellafield hatte sie enge Freundschaft verbunden. Nach der Pensionierung war sie nach New York gezogen und war in ihrer zweiten Karriere als Bildhauerin ausgesprochen erfolgreich.

„Könnten Sie ihr bitte sagen, dass ich da bin? Ich heiße Claire Dellafield.“

„Nur zu gern, Claire“, sagte Franco sanft, „wenn Sie mir den Flug zu den Bermudas bezahlen. Petra ist vor einer Woche abgereist, und ich weiß nicht, wann sie wiederkommen wird.“

Claire sah ihn entsetzt an. „Sie ist auf den Bermudas? Das kann doch nicht sein. Sie wollte mich mit Mr. McLain bekannt machen, dessen Apartment ich den Sommer über mieten will.“

Franco seufzte und verdrehte die Augen. „So wie jeder hier in der City. Da oben hat sich bereits eine Menge Menschen versammelt und wartet auf die Versteigerung.“

„Was für eine Versteigerung?“

„Petra hätte Sie über die Details informieren sollen, aber sie hat sich wahrscheinlich auf Tavish verlassen. Er hat ihr hoch und heilig versprochen, so etwas nicht wieder zu tun.“ Franco beugte sich vor und sah sich verschwörerisch um. „Tavish McLain versteigert seine Wohnung jeden Sommer“, flüsterte er, obgleich kein Mensch zu sehen war. „Letztes Jahr hätten sich eine blonde Balletttänzerin und ein Madonna-Verschnitt beinahe um die Wohnung geschlagen. Tavish hat eine Vorliebe für Blondinen, müssen Sie wissen.“

Claire lehnte sich erschöpft an die gläserne Eingangstür. Wo sollte sie hin? Ein Hotelzimmer den Sommer über konnte sie sich nicht leisten. Vielleicht war es nicht gefährlicher, im Central Park zu zelten als in der afrikanischen Savanne, wie sie es häufiger mit ihrem Vater getan hatte.

Franco machte eine ungeduldige Handbewegung. „Sie stehen mir in der Sonne. Ich versuche, hier ein bisschen braun zu werden.“ Er hob den Kopf, als eine Frau die Tür aufstieß, und seufzte gequält auf. „Hier kommt schon wieder jemand. Wie soll ich mich erholen, wenn es hier zugeht wie im Taubenschlag?“

Claire warf der Frau einen schnellen Blick zu. Sie war hübsch. Und blond. Sicher genau McLains Typ. Also musste sie schneller sein. Sie drehte sich zu Franco um. „Ich muss sofort mit Tavish McLain sprechen.“

„Das Passwort, bitte.“

„Können Sie mir nicht einen Tipp geben?“

„Ich warte …“

„Tattoo“, versuchte es die Blonde mit einem Blick auf Francos Tätowierung.

„Nicht ganz. Sind Sie wegen des Apartments hier?“

„Ja“, sagten beide Frauen wie aus einem Mund.

„Das ist der schönste Tag des Jahres für Tavish McLain“, sagte Franco und lehnte sich wieder genüsslich zurück. „Auf diesen Tag freut er sich das ganze Jahr. Von Frauen umgeben zu sein ist für ihn das Größte.“

„Wir würden gern dazugehören“, sagte die Blonde.

„Na gut.“ Franco beugte sich wieder vor und zwinkerte den beiden Frauen zu. „Auf eine mehr oder weniger kommt es nun auch nicht mehr an. Aber ich erwarte, dass Sie sich irgendwie erkenntlich zeigen.“

Die Blonde stürzte vor zu dem Fahrstuhl, während Claire kurz neben Franco stehen blieb. „Können Sie mir nicht einen Tipp geben, wie ich Tavish auf meine Seite bringen kann?“

Franco blickte sie abschätzig von oben bis unten an. „Im Grunde steht er auf Blondinen. Aber vielleicht können Sie den Ausschnitt ja ein bisschen herunterziehen und mit den Hüften wackeln. Vielleicht klappt das.“

Claire sah an sich herunter. Mitch Malone war von ihrem Äußeren nicht sehr beeindruckt gewesen. Das sollte ihr natürlich ganz egal sein, für den waren Frauen wahrscheinlich sowieso nur Spielzeug. Er war ganz sicher nicht ihr Typ.

Pling! Der Fahrstuhl hielt. Claire griff schnell nach den Koffern und schleppte sie zum Aufzug. Die Blonde half ihr, den schwersten Koffer hineinzuhieven.

„Danke“, sagte Claire, als die Türen sich schlossen. „Ich bin Claire Dellafield.“

„Und ich A.J. Potter.“ Die Blonde musterte Claire prüfend. „Wir sind wohl Konkurrentinnen, was?“

Claire seufzte. „Ich kann nicht mitbieten, ich habe viel zu wenig Geld.“

„Wollen wir uns nicht zusammentun? Dann haben wir doch größere Chancen.“

Mit einer Fremden zusammenwohnen? „Ich weiß nicht recht.“

„Kluges Kind. Man hat Sie wohl vor der großen bösen Stadt gewarnt?“ A.J. griff in ihre Handtasche. „Ich habe gerade gehört, dass die Versteigerung ganz schön brutal ablaufen kann, und ich will die Wohnung haben. Denken Sie über mein Angebot nach.“

Die Fahrstuhltüren öffneten sich, sie waren im sechsten Stock angekommen. Claire zerrte ihre Koffer in den überfüllten Flur. Zwei weitere Apartments lagen in diesem Stockwerk, aber es war eindeutig, welches Apartment McLain gehörte. Vor der geöffneten Tür drängten sich die Menschen.

„Ich fürchte, mit Hüftenwackeln wird es nicht getan sein“, murmelte Claire vor sich hin. Ein Hund knurrte, und sie drehte sich um. Vor einer der Wohnungstüren stand eine Frau mit rosafarbenem Haar in einem rosafarbenen Kaftan und trug einen rosafarbenen Pudel auf dem Arm.

„Ruhig, Cleo“, flüsterte die Frau dem Pudel zu. „Dieser böse Mr. McLain fährt bald weg. Dann hast du jemand anderen, der mit dir Gassi gehen kann.“

Claire und A.J. quetschten sich durch die Tür, gerade als das erste Gebot abgegeben wurde. Die meisten der Frauen waren blond, und Claire setzte verzagt die Koffer ab. Da hatte sie überhaupt keine Chancen.

Als Claire hochblickte, sah sie eine große Brünette auf sich zukommen. Immerhin war sie offensichtlich nicht die Einzige hier, die nicht blond war.

Die Brünette musterte A.J. kurz, dann sah sie Claire wieder an. „Das ist ja hier der helle Wahnsinn.“

Claire nickte. „Ganz anders, als ich es erwartete.“ Sie wies auf ihre Koffer. „Ich wollte hier heute einziehen. Wo soll ich jetzt bloß hin?“

Die braunhaarige Frau trug ein Päckchen unter dem Arm. „Machen Sie sich keine Sorgen. Ich arbeite in einem Hotel. Sie müssen nicht auf der Straße schlafen. Und ein heißes Bad können Sie bei mir auch nehmen.“

Claire sog unauffällig die Luft ein. Roch sie etwa noch nach der Mülltonne? Aber von der Barmherzigkeit einer Fremden wollte sie auch nicht abhängig sein. „Aber ich kann nicht …“

„Ich bringe Sie in einem der Zimmer unter, die nicht vermietet werden können“, sagte die schlanke Brünette und senkte die Stimme. „Das kostet nichts.“

Offensichtlich wollte diese Frau etwas gegen den schlechten Ruf der New Yorker tun. „Warum wollen Sie das für mich tun? Sie kennen mich doch gar nicht.“

„Weil ich in der Lage bin, Ihnen zu helfen. Wir Frauen müssen zusammenhalten, das hat mir meine Mutter eingebläut. Und ich fühle mich dabei gut.“

A.J., die die Unterhaltung verfolgt hatte, lachte los. „Letzteres trifft auch auf mich zu, obgleich ich keine Hotelzimmer zu vergeben habe.“

Die Brünette lächelte sie an. „Ich bin Samantha Baldwin.“

„A.J. Potter.“ Die beiden Frauen schüttelten sich die Hand. „Sie hörten sich ein bisschen wie eine Puffmutter an, die die arme junge Frau in Ihr Etablissement locken will. Ich fürchte, ich habe die Kleine auch schon verschreckt.“

„Das ist nicht wahr“, protestierte Claire. „Ich habe nur nicht so viel Freundlichkeit hier in New York erwartet.“

Sie dachte an Mitch und sein unhöfliches Benehmen heute Nachmittag, und sofort stieg ihr die Röte wieder in die Wangen. Er schien sie überhaupt nicht wahrgenommen zu haben. Als Schönheit hatte man sie noch nie bezeichnet, aber kein Mann war bisher vor ihr schreiend davongelaufen. Sie war schlank und durchschnittlich groß – größer als A.J., aber kleiner als Samantha. Eigentlich hatte sie ihr langes braunes Haar mit Strähnchen aufhellen wollen, aber dann hatte sie dazu keine Zeit gehabt, weil sie gleich die Vorlesungen ihres Vaters übernommen hatte. Ihre Augen, deren Farbe an braune Topase erinnerte, waren wohl das Auffallendste an ihr, und sie hatte sich oft gefragt, ob sie sie wohl von ihrer Mutter geerbt hatte. Sie blickte auf den Smaragdring, den sie auf dem rechten Ringfinger trug. Ihr Vater hatte grüne Augen gehabt, und er hatte ihr den Ring an ihrem sechzehnten Geburtstag geschenkt. Sie waren auf einer Studienreise in Südamerika gewesen, und sie hatte sich in einen seiner Studenten verliebt, der sie aber überhaupt nicht beachtet hatte.

Das mit der mangelnden Beachtung schien allmählich zur Regel zu werden.

Ob irgendetwas mit ihr nicht in Ordnung war? Diese Frage hatte sie sich bisher noch nie gestellt. In Penleigh war sie nicht viel ausgegangen, aber sie hatte das immer auf die Krankheit des Vaters geschoben. Jeder wusste, dass sie ihn nicht allein lassen konnte.

Vielleicht gab es vollkommen andere Gründe. Claire zog unwillkürlich die Augenbrauen zusammen. Dies war nun wirklich nicht der geeignete Zeitpunkt, um sich über ihr Liebesleben Gedanken zu machen. Sie sollte sich auf ihr Forschungsprojekt konzentrieren und versuchen, eine neue Herangehensweise an das Thema zu finden. „Fremde in der Nacht“ war die erste Untersuchung über menschliches Paarungsverhalten nach der sexuellen Revolution der siebziger Jahre gewesen. Danach waren viele ähnliche Studien gemacht worden, und Claire konnte sich nicht vorstellen, dass das Feld nicht schon längst abgegrast war. Das hatte sie auch dem Professor der Anthropologischen Fakultät gesagt, aber er hatte nur abgewinkt.

Wie sollte sie vorgehen? Erst einmal musste sie eine Unterkunft finden.

Vielleicht sollte sie Samanthas Angebot annehmen und in ein Hotelzimmer ziehen. Wenn Petra dann von den Bermudas zurückkam, könnte sie bei ihr wohnen. Nur leider wusste sie nicht, wann das sein würde. So wie sie Petra kannte, konnte das in der nächsten Woche oder im nächsten Jahr sein.

„Wie heißen Sie?“

Claire hob überrascht den Kopf. Beide Frauen sahen sie an. Sie hatte vollkommen vergessen, worüber sie sich gerade unterhalten hatten. „Claire Dellafield. Warum?“

Samantha wies mit dem Zeigefinger auf sie. „Wir gründen einen Mieterklub. Wollen Sie mitmachen?“

Claire erhob sich von ihrem Koffer, auf dem sie sich erschöpft niedergelassen hatte. „Sie meinen, wir wohnen zusammen?“

„Geistig scheint sie ja in Ordnung zu sein“, sagte Samantha. „Rauchen Sie?“

Claire schüttelte den Kopf. „Nein, aber ich kann es bestimmt lernen.“

Samantha lachte. „Also Unterhaltungswert hat sie.“

Claire sah die beiden Frauen an. Ihr wurde klar, dass sie das erste Mal in ihrem Leben mit Frauen zusammenleben würde, die etwa so alt waren wie sie selbst. Sosehr sie ihren Vater auch geliebt hatte, sie hatte immer wieder mal das Gefühl gehabt, dass ihr Leben bereits vorgezeichnet war, ohne dass sie selbst viel Einfluss gehabt hätte. Jetzt betrat sie sozusagen Neuland. Das war aufregend und beängstigend zugleich.

„Wie viel Miete können Sie aufbringen?“, fragte A.J.

Claire dachte an ihren letzten Bankauszug. „800.“

„Das sind 4.600.“ A.J. atmete erleichtert aus. „So hoch ist die Miete sicher nicht.“

Die Tür öffnete sich, und alle blickten zum Eingang. Zwei Männer traten in den Raum.

„Tavish!“, riefen einige laut.

„Jetzt kommt es drauf an, Mädels“, stieß A.J. leise hervor.

Claire sah, wie einige der Blondinen ihre Blusen straffer zogen, während Tavish in die Mitte des Raumes trat. Er erinnerte sie an einen Medizinmann, den sie mal in Südamerika gesehen hatte. Der hatte ein grünes Gewand angehabt, etwa in der Farbe von Tavishs Lederweste. Beide hatten den gleichen gestelzten Gang, so als hielten sie sich für den Mittelpunkt des Universums.

„Stellen Sie sich mal eben vor mich“, sagte Samantha plötzlich.

Claire und A.J. traten vor, und Claire hörte, wie ein Reißverschluss aufgezogen wurde. Sie wandte sich hastig um. „Was machen Sie da?“

Flüsternd erzählte Samantha den beiden von dem Wunderrock, während sie ihn schnell anzog.

„Das ist doch Unsinn!“ A.J. sah Samantha skeptisch an. Claire empfand genau das Gleiche. Vielleicht sollte sie lieber nicht mit Samantha zusammenziehen.

Samantha strich den Rock über den Hüften glatt. „Ich glaube doch auch nicht daran, aber ein Versuch kann nicht schaden.“

Claire musste zugeben, dass der Rock perfekt saß. Der Stoff glänzte leicht, aber etwas Magisches konnte sie nun wirklich nicht daran entdecken.

„Folgen Sie mir, meine Damen.“ Samantha ging mit langen wiegenden Schritten auf Tavish zu.

A.J. sah Claire an und zuckte dann mit den Schultern. „Es kann ja nichts schaden.“

„Genau.“ Claire folgte Samantha. „Und wenn es nicht klappt, können wir immer noch zu Plan B übergehen.“

„Was für ein Plan B?“, fragte A.J.

„Wir lassen Tavish an den Füßen aus dem Fenster hängen, bis er uns das Apartment untervermietet.“

A.J. lächelte. „Dabei kann ja nichts schief gehen. Wenn wir ihn fallen lassen, wird das Apartment frei.“

Aber erstaunlicherweise tat der Rock seine Wirkung. Claire konnte kaum glauben, was sie sah. Tavish blieb der Mund offen stehen, als er Samantha erblickte. Dann wedelte A.J. mit einem Scheck über 2.000 Dollar herum.

Tavish lächelte beinahe verklärt. „Dann wollen Sie also doch die ganze Miete im Voraus zahlen?“ Er steckte den Scheck ein. „Eine bessere Mieterin kann man sich nicht vorstellen, was, Roger?“

Irgendetwas stimmte hier nicht. „Aber wieso?“, warf Claire schnell ein. „Ich dachte, das war nur für … Autsch!“ Jemand hatte sie in den Arm gekniffen.

„Mieterinnen, würde ich sagen.“ Samantha wies auf A.J. und Claire. „Das sind meine Mitbewohnerinnen.“

Claire lächelte angestrengt und rieb sich den Arm. Tavish gab ihnen wirklich das Apartment, und sie brauchten nur 2.000 Dollar für den ganzen Sommer zu bezahlen. Sie starrte bewundernd auf den Rock.

Während A.J. und Samantha sich um den Vertrag kümmerten, half Claire, die enttäuschten Anwärterinnen aus dem Apartment zu lotsen, bevor Tavish es sich noch anders überlegen konnte. Als sie wieder auf ihre neuen Freundinnen zutrat, hörte sie gerade noch, wie einer der Makler sagte: „Cleo ist ein Pudel, der in Apartment 6B wohnt. Der muss Gassi geführt werden.“

„Kein Problem“, sagte A.J. schnell, unterschrieb und gab den Kugelschreiber an Claire weiter.

„Wie hast du das nur geschafft?“, rief A.J. kurze Zeit später und umarmte Samantha.

„Der Rock hat es geschafft“, murmelte Claire leise vor sich hin. Sie war mit ihrem Vater viel in der Welt herumgekommen und wusste, dass manche Kulturen bestimmte Objekte oder Pflanzen wegen ihrer magischen Fähigkeiten verehrten. Aber bisher hatte sie noch nie den Beweis gesehen.

Autor

Kristin Gabriel
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