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Mit diesem Angebot könnte er seine Zeitung retten! Dafür müsste Sawyer Wallace allerdings seine beste Freundin verraten. Denn nur er weiß, dass Riley die mysteriöse Bloggerin ist. Und die Frau, die er schon so lange heimlich liebt … Wird er sie trotzdem verraten?


  • Erscheinungstag 14.06.2021
  • ISBN / Artikelnummer 9783751507196
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Es weihnachtet sehr … nun ja, zumindest irgendwie. Thanksgiving steht vor der Tür, und ehe wir uns versehen, ist auch schon Weihnachten. Es scheint so, als ob der begehrteste Verleger der Stadt das Fest schon früher beginnt, indem er die Feierlichkeiten mit der umschwärmten Holly Carron startet. Das Paar wurde gestern im Brewside gesehen und es machte einen ziemlich glücklichen Eindruck. Dabei war doch alle Welt davon überzeugt, dass der ewige Junggeselle von Bayside sich niemals festlegen würde. Bleibt dran … wir halten euch auf dem Laufenden …

Mit gespitzten Lippen schaute Riley auf den Bildschirm. Sawyer würde sauer sein. Die Bayside-Bloggerin hat wieder zugeschlagen. Er hasste es, wenn sie über ihn schrieb.

Aber wer hasste es nicht?

Riley fuhr sich durch das rote Haar, das sie mit einem grünen Band zusammengebunden hatte, das perfekt zu ihrem grün-blaukarierten Kleid mit dem schneeweißen Kragen passte. In das Kleid hatte sie sich schon beim ersten Anblick verliebt, denn es war so herrlich retro. Was würde die geschwätzige Bayside-Bloggerin wohl über ihr Outfit berichten? Riley grinste. Sie wusste ganz genau, was sie schreiben würde.

Riley Hudson versucht, mit ihrem Möchtegern-New-York-Stil in Virginia Eindruck zu schinden. Wohl kaum der letzte Schrei, wenn sie bloß Kim Kardashian kopiert. Riley, die ewige Zuspätkommerin.

„Ri, hast du den Artikel über die Weihnachtsfilme gepostet, die demnächst anlaufen werden?“

Riley schaute hoch. Claudia Thomas, die Ressortchefin der Mode- und Lifestyle-Redaktion, für die Riley schrieb, hatte gerade den Kopf über die Trennwand ihrer Arbeitsnische gestreckt. Mit ihrem langen, pechschwarzen Haar, dem fein geschnittenen Gesichtszügen und der stattlichen Größe von einem Meter achtzig war sie die erstaunlichste Frau, der Riley jemals begegnet war. Eigentlich passte sie ganz und gar nicht in diesen altmodischen Küstenort an der Chesapeake Bay.

„Ja, ich hab’ ihn dir gerade geschickt. Die meisten neuen Filme habe ich berücksichtigt, und dazu noch meine Lieblingsweihnachtsfilme aufgelistet. Außerdem habe ich ein paar schöne O-Töne von den Betreibern des Palace-Filmtheaters eingefügt.“

„Ausgezeichnet.“ Claudia strahlte. Sie deutete auf Rileys Bildschirm. „Du liest gerade die aktuelle Kolumne des Bayside-Bloggers? Sawyer wird so sauer sein.“

„Warum sollte er denn sauer sein? Dutzende Leute haben ihn gestern mit Holly im Brewside gesehen.“

Claudia lehnte sich an die Trennwand. „Du weißt doch, wie er es hasst, in dieser Kolumne erwähnt zu werden. Der Bayside-Blogger sollte lieber ein bisschen diskreter vorgehen, zumal Sawyer der Einzige ist, der seine wahre Identität kennt.“

Riley rutschte auf ihrem Stuhl hin und her. „Er würde ihn doch nicht outen … oder sie. Nicht nach so langer Zeit.“

„Schon möglich.“ Claudia senkte die Stimme und flüsterte vertraulich: „Glaubst du, dass es was Ernstes mit ihm und Holly ist?“

Plötzlich fühlte sich Riley ganz unbehaglich. Sie zuckte mit den Schultern. „Wer weiß das schon?“

Sawyer Wallace war mehr als nur der Herausgeber und Besitzer des Bayside Bugle. Er war mehr als ihr Vorgesetzter. Sie war zwei Jahre jünger als er und kannte ihn bereits ihr ganzes Leben, weil ihre Familien eine enge Freundschaft miteinander pflegten, oft gemeinsam in den Urlaub gefahren waren und unzählige Grillpartys zusammen gefeiert hatten.

Sawyer war wie ein älterer lästiger Bruder für sie … bis auf die Tatsache, dass er sich ganz und gar nicht brüderlich ihr gegenüber verhielt.

„Meine Freundin Vivica hat ihn vor ein paar Wochen eingeladen.“

Riley setzte sich aufrecht hin, als sie diese Neuigkeit erfuhr. „Echt? Das wusste ich gar nicht.“

„Vielleicht deshalb, weil Sawyer ihr einen Korb gegeben hat. Dabei ist Vivica die tollste Frau, die ich kenne. Ich persönlich glaube ja, dass ihn irgendwas belastet.“

Beide blickten gleichzeitig hinüber zu dem gläsernen Büro am anderen Ende der Nachrichtenredaktion, wo Sawyer gerade konzentriert auf seinen Bildschirm schaute.

„Was sollte das denn sein?“, fragte Riley.

„Sag du’s mir. Schließlich sind eure Familien eng befreundet.“

Erneut schaute Riley zu Sawyer hinüber. So eng offenbar doch nicht, denn er war in letzter Zeit ziemlich mürrisch gewesen. Das Klischeebild eines schlecht gelaunten Reporters. Aber das hatte sie nicht gestört. Sie wusste schließlich, wie sie ihn zu nehmen hatte und ihn zum Lachen bringen konnte.

„Wir sollten ihn bei der Weihnachtsfeier betrunken machen und ihn dazu überreden, die Identität des Bayside-Bloggers preiszugeben“, schlug Claudia vor.

Riley grinste. „Ich glaube nicht, dass dazu genug Alkohol fließen wird. Außerdem habe ich das schon längst versucht.“

So, wie viele andere auch. Der Bayside-Blogger – oder die Bloggerin – hatte eine tägliche Kolumne im Bayside Bugle. Darüber hinaus betrieb er oder sie einen Blog und nutzte alle möglichen sozialen Medien. Kein Einwohner von Bayside, und erst recht keine der Einwohnerinnen, blieben verschont. Der Blogger schien stets alles über alle zu wissen.

„Warum sagt er uns nicht einfach, wer es ist? Ich meine, wir arbeiten schließlich auch hier, und dieser verdammte Blog wird in meinem Ressort veröffentlicht.“

„Wir sollten streiken.“ Riley klang dabei so dramatisch, dass Claudia unwillkürlich lachen musste.

„Keine schlechte Idee. Bis dahin werde ich aber noch deinen Artikel lesen. Übrigens, mein Mann und ich machen im Dezember einen Wochenendtrip nach New York. Schaufensterbummeln und den Tannenbaum am Rockefeller Center bewundern.“

Riley verspannte sich instinktiv. „Toll.“

„Du hast doch eine Weile dort gelebt. Kannst du uns vielleicht ein paar Restaurants empfehlen?“

Riley verschränkte die Finger ineinander. „Du weißt doch, wie es in New York ist. Alles ändert sich ständig. Ich bin schon seit einigen Jahren nicht mehr dort gewesen, deshalb kenne ich mich da kaum noch aus.“

Das stimmte zwar nicht so ganz, aber sie wollte sich einfach nicht mehr an diese Zeit erinnern. Als Landpomeranze war sie mit großen Erwartungen in die tollste Stadt der Welt gezogen, hatte sich in dem Start-up, wo sie einen Job gehabt hatte, in einen Kollegen verliebt und die Welt schien ihr zu Füßen zu liegen. Doch dann hatte Connor McKenzie ihr den Laufpass gegeben, und sie war total enttäuscht nach Hause zurückgekehrt. Mit neunundzwanzig Jahren hatte sie ihre Lektion mehr als nur gelernt.

„Ach so.“ Claudia sah so enttäuscht aus, dass Riley sofort ein schlechtes Gewissen bekam. „Ich könnte dir natürlich trotzdem eine Liste zusammenstellen. Erinnere mich einfach noch mal dran.“

Das schien Claudia zufriedenzustellen. „Prima, und vergiss nicht, heute Nachmittag ist Redaktionskonferenz.“

„Ich denk dran.“

Riley schaute ihrer Vorgesetzten hinterher, bis diese in ihrem Büro verschwunden war, ehe sie sich wieder ihrem Bildschirm zuwandte und noch einmal die Stelle mit Sawyer in der Kolumne nachlas. Vielleicht irrte sich Claudia ja, vielleicht würde er gar nicht sauer sein.

„Hudson!“ Sawyers Stimme dröhnte aus seinem Büro. „Komm mal rüber.“

Als sie aufstand und ihr Kleid glattstrich, waren zahlreiche Augenpaare mitleidig auf sie geheftet. Es war kein gutes Zeichen, wenn Sawyer so schrie … oder sie bei ihrem Familiennamen nannte.

„Was hat er denn?“, fragte Dennis in der Kabine neben ihr leise.

„Keine Ahnung. Vielleicht ist er sauer über meine Restaurantkritik. Das waren immerhin Anzeigenkunden.“

„Bleib stark.“ Er strich sich über den Bauch. „Ich habe da mal gegessen, es war wirklich nicht gut.“

Riley nahm ihr Notizbuch und ihren Kugelschreiber zur Hand. „Mach ich.“ Doch das Gefühl der Beklommenheit wuchs mit jedem Schritt auf dem Weg zu Sawyers Büro.

An der Tür blieb sie kurz stehen. Kokett schob sie einen Fuß vor den anderen, um den Blick auf die eleganten kniehohen Wildlederstiefel zu lenken, die sie am vergangenen Wochenende in Washington gekauft hatte, wohin sie mit ihrer besten Freundin Elle gefahren war.

„Was gibt’s denn, Boss?“

Er legte die Hände auf der Schreibtischplatte übereinander und schaute sie mit einem verträumten Blick aus seinen haselnussbraunen Augen an.

Mist. Verträumt? Sie meinte wohl eher gereizt, vielleicht sogar verärgert.

Für diese Jahreszeit war es bereits ungewöhnlich kalt. Deshalb trug er Cordhosen und einen hässlichen Pullover mit Karomuster, den ihm seine Mutter letztes Jahr zu Weihnachten geschenkt hatte. Er sah nicht gerade schick aus, aber dafür war er hochgewachsen, hatte breite Schultern und sandblondes Haar, das einen Besuch beim Friseur vertragen würde, doch es ließ ihn irgendwie süß aussehen. Außerdem hatte er seine Brille aufgesetzt und zeigte dieses schiefe Lächeln. Warum nur hüpfte ihr Magen bei seinem Anblick so sehr?

„Riley …“, begann er.

„Sawyer …“, konterte sie, biss sich aber sofort auf die Lippe.

Er griff in die oberste Schreibtischschublade und holte einen bunten Seidenschal heraus. „Ehe ich’s vergesse – Tony hat den im Brewside gefunden. Er sagte, du hättest ihn vor ein paar Wochen dort liegen gelassen, und er hat bis jetzt vergessen, ihn dir zurückzugeben.“

„Danke“, murmelte sie und nahm den Schal – eines ihrer Lieblingsstücke. „Tony hat ihn dir wohl gegeben, als du dort mit deinem Date warst.“ Sie sprach das Wort absichtlich so aus, dass er die Anführungszeichen hören konnte.

Sawyer stieß entnervt die Luft aus.

„Was denn?“, tat sie ganz unschuldig.

„Baysides ewiger Junggeselle“, zitierte er aus der Kolumne. „Echt jetzt?“

Sie zuckte mit den Schultern.

„Ich dachte, ich hätte dir befohlen, mich aus der Kolumne der Bayside-Bloggerin herauszuhalten.“

Sie zog die Nase kraus, was er ebenso irritierend wie attraktiv fand. „Ich habe doch schon früher über dich geschrieben. Außerdem wäre es nicht fair, dich nur deshalb herauszuhalten, weil du beim Bugle arbeitest.“

Er zog eine Augenbraue hoch. „Weil mir der Bugle gehört, meinst du wohl eher.“

„Nun, keiner bleibt verschont, das war der Deal, als ich mit der Kolumne angefangen habe.“

„Ja, das weiß ich.“ Allerdings hatte er nicht geahnt, worauf er sich mit der Kolumne einlassen würde. Er hatte eigentlich nur zugestimmt, weil sie so begeistert von ihrer Idee gewesen war.

Nach ihrer Rückkehr aus New York hatte sie sich total verändert. Sie war ruhig, zurückhaltend und überhaupt nicht mehr so sprudelnd vor Lebensfreude gewesen wie zuvor. Nicht zum ersten Mal fragte er sich, was in New York passiert war. Sie verlor niemals ein Wort darüber und wechselte jedes Mal hastig das Thema, wenn ihr Aufenthalt in der Stadt irgendwo zur Sprache kam.

Das Signal seines Handys kündigte jetzt eine Nachricht seiner Mutter an. Er deutete auf das Telefon. „Siehst du das? Du hast sogar meine Mom dazu gebracht, deine Kolumne zu lesen.“

„Ich liebe deine Mom, sag ihr das.“

Sawyer biss die Zähne zusammen. „Ich habe ihr gesagt, dass es nicht wahr ist, was drinsteht. Sie hat mich daraufhin gefragt, ob ich Holly einen Antrag machen will, und als ich Nein sagte, wollte sie wissen, ob ich schwul sei.“

„Eine berechtigte Frage“, entgegnete sie mit einem schiefen Lächeln.

Er musterte sie durchdringend, doch Riley blieb vollkommen ungerührt. Sie kannten einander lange genug, um sich nicht vom anderen einschüchtern zu lassen.

„Du weißt genau, dass ich nicht schwul bin.“

Sie schaute ihn von oben bis unten an. „Klar doch … bei dem Modegeschmack.“

„Scharfes Auge.“

„Danke.“ Sie ließ sich auf einen Stuhl fallen. „Ehrlich gesagt, weiß ich nicht, warum du dich so aufregst, ich habe doch nichts Negatives geschrieben.“

Er beugte sich über den Schreibtisch zu ihr. „Du hast behauptet, ich hätte ein Date gehabt.“

„Das haben mir auch mehrere vertrauensvolle Quellen per E-Mail und Twitter mitgeteilt.“

Sawyer wusste, dass Riley rund um die Uhr mit Tipps und Nachrichten versorgt wurde. Die Einwohner von Bayside liebten den Klatsch nun mal und schickten der Bayside-Bloggerin deshalb nur zu gern heiße Infos zu.

Er hielt das Ganze nach wie vor für eine verrückte Idee, aber Zahlen logen nun mal nicht. In der Online-Edition wurde die Kolumne am häufigsten von allem angeklickt. Was hätten die Gründer der Zeitung wohl dazu gesagt?

Dennoch wollte er sie nicht so schnell wieder vom Haken lassen. „Du wusstest aber, dass ich kein Date mit Holly hatte.“

Selbstbewusst streckte sie das Kinn vor. „Davon wusste ich überhaupt nichts.“

„Sie ist eine unserer besten freiberuflichen Fotografen. Das Treffen war rein geschäftlich.“ Warum klang er dann gerade so, als würde er sich verteidigen, und warum hatte er das Gefühl, sich vor Riley rechtfertigen zu müssen?

„Dann hättest du dich ja auch in der Redaktion mit ihr treffen können.“

„Ich brauchte aber einen Kaffee.“ Außerdem hatte er mal ein bisschen raus gewollt.

Ein Chefredakteur hatte derzeit keinen leichten Job. Nicht, dass der Job jemals einfach gewesen wäre, redaktionelle Interessen mit denen der Anzeigenkunden unter einen Hut zu bringen war schon immer ein täglicher Balanceakt gewesen. Von den sinkenden Auflagenzahlen mal ganz zu schweigen.

„Hat der Bugle Probleme?“

Verflucht. Sie hatte wirklich einen Riecher für solche Dinge. Kein Wunder, dass sie als Bayside-Bloggerin so erfolgreich war.

Er bemerkte die Sorge in ihrer Miene. Sie spiegelte vermutlich seine eigenen Bedenken wider. Dennoch wollte er weder sie noch sonst jemanden vom Team unnötig beunruhigen. Bis jetzt hatte er nämlich noch kein Wort über die finanziellen Schwierigkeiten verloren. „Nicht mehr als jede andere Zeitung auch.“

„Vielleicht könntest du ja den Preis erhöhen? Ich bin mir sicher, dass die Leute auch mehr dafür bezahlen würden …“

Er schüttelte den Kopf. „Du weißt, dass es mit einer Preiserhöhung oder einer höheren Auflage nicht getan ist. Wir brauchen Anzeigenkunden.“

Sie runzelte die Stirn. „Hast du nicht vor Kurzem gesagt, dass sie dir die Tür einrennen, um einen Anzeigenplatz zu bekommen?“

„Nur in deinem Ressort.“ Das stimmte tatsächlich. Jeder wollte in der Nähe ihrer Kolumne inserieren, weil sie alle ganz genau wussten, dass die ganze Stadt ihre Artikel las. Bayside hatte zwar einige Restaurants und Geschäfte, aber in einer kleinen Stadt waren die Ressourcen nun mal irgendwann erschöpft, und ohne mehr Anzeigen würden sie den Laden wahrscheinlich nach dem nächsten Sommer dichtmachen müssen.

Riley hatte mit ihrer Frage also genau ins Schwarze getroffen. Der Bugle steckte tatsächlich in großen Schwierigkeiten. Sawyer hatte mit einem topmodernen Internetauftritt gegenzusteuern versucht und sogar die Anzahl der gedruckten Exemplare zurückgefahren, um jeden erdenklichen Cent zu sparen, doch nun würden ihm einige harte Entscheidungen wohl dennoch nicht erspart bleiben. Die schwerwiegendsten waren die Kündigungen. In der Anzeigenabteilung arbeitete er bereits mit einem drastisch reduzierten Team. Nun auch noch die Redaktion ausdünnen zu müssen war ihm ein Gräuel. Entlassungen in der Weihnachtszeit. Gab es etwas noch Schlimmeres?

„Alles okay, Sawyer? Was ist denn los?“

Rileys Frage riss ihn aus seinen deprimierenden Grübeleien. Er war fest entschlossen, zuerst alle Möglichkeiten abzuwägen und betriebsbedingte Kündigungen so gut es ging zu vermeiden. Weder an Weihnachten noch sonst irgendwann, und er würde seine Leute bestimmt nicht mit diesen schlechten Nachrichten in Unruhe versetzen. Sogar, wenn es bedeutete, dass er sich selbst kein Gehalt mehr auszahlen konnte.

„Ja, alles in Ordnung. Mach dir keine Sorgen. Jetzt mal weiter im Text. Wie steht’s mit der Eröffnung des Weihnachtsmarkts?“

Riley musterte ihn mit einem skeptischen Blick, ehe sie ihr Notizbuch öffnete. „Die findet am Tag nach Thanksgiving statt, so wie immer.“

„Nicht ganz“, widersprach ihr Sawyer. „Bisher war der Markt eine rein städtische Angelegenheit, doch auf der letzten Gemeinderatsitzung habe ich erfahren, dass sie dieses Jahr auch Besucher aus anderen Städten und Gegenden von Virginia anlocken wollen.“

„Beeindruckend.“

„Sie möchten, dass es so etwas wird wie die alljährliche Einweihung des Weihnachtsbaums am New Yorker Rockefeller Center – in einem kleineren Maßstab natürlich.“

Ihm entging nicht, dass sie bei der Erwähnung von New York unmerklich zusammenzuckte.

„Ich möchte, dass du darüber berichtest. Das ist doch genau dein Ding. Außerdem hast du in New York gelebt, du weißt also, wie das Ganze abläuft.“

„Ich bin nie bei der Baumeinweihung gewesen“, murmelte sie.

Sawyer wusste genau, dass sie log, denn er hatte ihre Facebook-Beiträge gesehen – unter anderem mit Bildern vor dem besagten Weihnachtsbaum. Aber wie schon zuvor, wollte sie offenbar nicht über ihre New Yorker Erfahrungen reden, und Sawyer ließ es dabei bewenden. Dieses Mal jedenfalls.

„Trotzdem sollst du den Weihnachtsmarkt für den Bugle covern. Inklusive ein paar Vorberichten für die Print- und Online-Ausgaben.“

Eifrig schrieb sie in ihr Notizbuch. Dabei sah sie verdammt sexy aus.

Reiß dich zusammen, Wallace.

Der Gedanke, dass er auch ihren Etat würde kürzen müssen, brachte ihn abrupt auf den Boden der Tatsachen zurück. Er räusperte sich. „Was machst du eigentlich am Wochenende?“, fragte er.

Falls sie der Themenwechsel überraschte, ließ sie es sich nicht anmerken. „Das Gleiche wie du“, antwortete sie mit einem Lächeln. „Morgen feiern Elle und Cam ihre Verlobung auf dem Landsitz der Dumonts. Das hast du doch wohl nicht vergessen, oder?“

Er verdrehte die Augen. „Vermutlich nur verdrängt.“

„Sawyer, so schlimm ist es doch nicht. Die meisten Menschen sind restlos begeistert von den Partys der Dumonts.“

„Die sie praktisch jede Woche schmeißen.“

Die Dumonts waren eine alteingesessene Familie. Ihnen gehörte Dumont Incorporated. Das Unternehmen wurde inzwischen von Jasper Dumont geführt, Cams Bruder. Sawyer war mit beiden eng befreundet. Er freute sich zwar auf die Feier, hasste es aber, sich dafür in einen schwarzen Anzug werfen zu müssen.

Riley hingegen wirkte ganz begeistert. Solche Events waren viel mehr ihr Ding als seins. Sie liebte solche Gesellschaften und hatte großes Talent zum Verbindungenknüpfen. Außerdem sah sie in einem Abendkleid verdammt attraktiv aus.

„Na komm schon“, gurrte sie. „Auf irgendetwas wirst du dich doch bestimmt freuen.“

Vor seinem inneren Auge erschien nun ein Bild von ihr. Bei der letzten Soiree hatte sie ein enges schwarzes, schulterfreies Kleid getragen, die roten Locken zu einem Turm frisiert, und ihre Stilettos waren absolut sexy gewesen.

„Erde an Sawyer“, riss sie ihn erneut aus seinen Gedanken.

„Der kostenlose Alkohol“, erwiderte er kurzerhand.

„Na siehst du. Jetzt musst du nur noch dein nächstes Date mit Holly geregelt kriegen.“

Er verzog das Gesicht. „Es gibt kein Date mit Holly.“

„Mir wäre das egal.“ Sie kniff die Augen zusammen. „Bringst du denn jemand anderen mit?“

Er schüttelte den Kopf. „Nein. Du?“ Er hielt unwillkürlich den Atem an.

„Nein, es ist schließlich nicht leicht, sich als Bayside-Bloggerin auf einer Party zu amüsieren. Das weißt du doch.“

Das stimmte. Sie hatte ihr Leben ganz und gar dem Bugle gewidmet … und ihrer Kolumne, die dafür sorgte, dass die Zeitung halbwegs schwarze Zahlen schrieb. Er wollte ihr gerade dafür danken, als ein Sonnenstrahl durch die Jalousien fiel und ihr kupferfarbenes Haar zum Leuchten brachte, die Sommersprossen auf ihrer Nase betonte … und auch ihren fantastischen Körper …

War sie immer schon so schön gewesen? Warum fiel es ihm erst jetzt auf, wo ihm quasi die Hände gebunden waren?

Sie machte Anstalten zu gehen, blieb dann aber doch neben dem Stuhl stehen. „Sawyer, bist du sicher, dass alles in Ordnung ist?“

„Ähm … ja, natürlich.“

An der Tür drehte sie sich noch einmal um. „Mit dem Bugle ist auch wirklich alles in Ordnung? Keine Probleme?“

Sie hatte eine Hand in die Hüfte gestützt, was ihre Kurven nur noch mehr betonte. Er schluckte hart. „Mach dir keine Sorgen, Riley. Alles ist bestens.“

Er log seine älteste Freundin nur ungern an, aber er konnte nicht anders, denn in Wirklichkeit steckte der Bugle in gewaltigen Schwierigkeiten – genau wie er.

2. KAPITEL

Wer freut sich schon auf die Party heute Abend bei den Dumonts? Für mich gibt es keine bessere Art, die Weihnachtszeit einzuläuten – mit Champagner und Tanz und einem sagenhaften Ausblick auf die Bucht. Außerdem weiß man nie, wen man dort treffen wird. Wir halten unsere Augen auf jeden Fall offen, Baysider!

Riley schritt über die Terrasse und ließ ihren Blick über das Anwesen der Dumonts schweifen, wo die Party bereits in vollem Gange war. Eine kühle Brise ließ sie frösteln. Kein Wunder, es war ja schon fast Thanksgiving. Außerdem trug sie nur ein Kleid und einen dünnen Schal.

Mit der stufenförmigen Terrasse und dem weitläufigen Grundstück wirkte das großzügige Anwesen wie der Schauplatz eines alten Hollywood-Films. Das Grundstück mit den Tennisplätzen, den Swimmingpools und einem Atrium grenzte direkt an die Bucht. Hohe Zäune und dichte Hecken sorgten für die nötige Privatsphäre.

Riley betrat das beheizte Zelt, das auf dem untersten Plateau errichtet war. Es gab dort mehrere Bars, und zahlreiche Kellner eilten durch die elegant gekleidete Gesellschaft, die einer auf einem erhöhten Podium sitzenden Bigband lauschte. Kristallleuchter hingen von der Decke, und Lichterketten waren von einer zur anderen Wand gespannt. Dazu flackerten noch unzählige Kerzen. Mrs. Dumont hatte sich mal wieder selbst übertroffen.

Ein Kellner kam nun mit einem Tablett an ihr vorbei. Sie nahm ein Glas Champagner, ohne die Partygäste aus den Augen zu lassen. Ein paar von ihnen tanzten bereits, doch die meisten unterhielten sich angeregt, während sie sich über die Hors d’œuvres hermachten. Sie musste schmunzeln, als sie auf der anderen Seite des Zeltes Simone Graves entdeckte, die gerade heftig mit Sam Roberts flirtete. Er hatte erst vor Kurzem eine Stelle an der örtlichen Highschool angetreten. Interessant. Rasch zog sie ihr Handy heraus und machte sich eine Notiz.

„Was gibt’s denn da zu schmunzeln?“

Riley schaute hoch. Carissa Blackwell, ihre beste Freundin, stand grinsend vor ihr. „Wow, siehst du toll aus!“, sagte Riley, anstatt ihre Frage zu beantworten.

„Gefällt’s dir?“

Carissa trug ein langes blaues Kleid. Das blonde Haar hatte sie zu einem Turm toupiert. Ihr Make-up war wie immer makellos. Sie war schlank und groß und hatte wunderschöne graue Augen. Wären sie nicht befreundet gewesen, hätte Riley sie schon aus Prinzip gehasst.

„Fantastisch“, entgegnete Riley. „Ich kann Jasper schon von hier aus sabbern sehen.“ Sie winkte Jasper zu, der sich auf der anderen Seite des Zelts aufhielt. Er hatte seine Freundin schon die ganze Zeit angestrahlt. Carissa winkte ebenfalls.

Nun war es offiziell. Beide Dumont-Brüder waren weg vom Markt. Schade für die Frauen in Bayside, aber gut für Rileys beste Freundinnen. Sie hatten endlich ihre Märchenprinzen gefunden.

Sie seufzte leise. Natürlich freute sie sich für Carissa und Elle. Es wäre nur schön, wenn sie selbst auch jemanden finden würde …

„Riley!“

Sie konzentrierte sich wieder auf Carissa, die sie abrupt aus ihren Gedanken gerissen hatte. „Entschuldige, was hast du gesagt?“

„Dass du ebenfalls fantastisch aussiehst.“

Autor

Kerri Carpenter
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