Schwarze Spitze - Heiße Nächte

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Die erotischen Fantasien einer Unbekannten erregen Emelio von Tag zu Tag mehr. Wer ist diese sinnliche Frau, die ihm anonym lustvolle Briefe schreibt? Ungeduldig wartet er darauf, dass sie sich endlich zu erkennen gibt! Seine Chance ist gekommen, als er mit seiner hübschen Mitarbeiterin Stephanie einen brisanten Fall übernimmt...


  • Erscheinungstag 05.07.2017
  • ISBN / Artikelnummer 9783733778910
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Er las einen ihrer Briefe, wie sie an dem perlmuttgrauen Briefpapier erkannte. Stephanie Madison stand in der Tür zum Büro von Emelio Sanchez und starrte ihn an, statt ihm das Paket zu geben, das sie in der linken Hand hielt.

Während die Sonne Südfloridas durch die großen Fenster schien und Emelios kaffeebraunes Haar zum Leuchten brachte, war dieser ganz von dem gebannt, was Stephanie ihm geschrieben hatte.

Stephanie, oder Stevie, wie sie sich nannte, nutzte die Gelegenheit, um ihn in aller Ruhe zu bewundern, wie sie es seit ihrem ersten Tag bei January Investigations getan hatte. Emelios Züge spiegelten eine faszinierende Mischung aus kühler Reserviertheit und maskuliner Sinnlichkeit wider, die einfach atemberaubend war.

Beim Lesen des Briefes bekam sein ansonsten so strenges und grüblerisches Gesicht sogar etwas Weiches. Gefiel ihm, was dort stand? Stevie hoffte es inständig. Nächtelang lag sie wach und dachte daran, was sie gern mit ihm täte, doch da er nun einmal ihr Boss war, musste sie sich auf ihre Fantasie beschränken.

Außerdem riefen laufend Frauen für ihn in der Agentur an, was ihre Chancen nicht eben verbesserte. Zurzeit hatte er offenbar drei Freundinnen gleichzeitig. Trotzdem konnte sie nicht umhin, ihre Fantasien wenigstens aufzuschreiben.

Die Worte auf dem Papier hatten Stevie so viel Mut gemacht, dass sie Emelio bei der Arbeit schon mal aufreizend anlächelte. Und als seine Blicke daraufhin mehr als rein berufliches Interesse signalisierten, hatte sie ihm kurz entschlossen einen Brief geschickt. Insgesamt waren es neun Briefe in den letzten vier Monaten.

Dennoch war sie nach wie vor unsicher, wann und wie sie sich ihm als die Verfasserin dieser Fantasien offenbaren sollte. Am besten abwarten. Sie wollte Emelio zuerst mit Worten verführen, bevor sie es mit ihrem Körper tat.

Obwohl sie sich verändert hatte, seit sie vor fünf Jahren aus New Orleans geflohen war, fürchtete sie immer noch, abgelehnt zu werden und nicht gut genug zu sein.

Stevie betrachtete Emelio und fragte sich zum tausendsten Mal, wie ein Mann in einem schlichten Polohemd so umwerfend gut aussehen konnte. Das Pastellgrün brachte seine sonnengebräunte Haut besonders gut zur Geltung, und der Schnitt betonte seine breiten Schultern. Am meisten jedoch faszinierten sie seine Hände.

Er hatte lange schmale Finger, ebenso elegant wie alles an ihm, seine Bewegungen, seine Art zu sprechen. Diese Hände brachten Stevie seit Monaten um den Schlaf, und sie sehnte sich danach, von ihnen berührt zu werden.

Oh! Sie musste ein Geräusch gemacht haben, denn Emelio blickte ruckartig auf. Für einen kurzen Moment glaubte Stevie, einen sinnlichen Glanz in seinen braunen Augen zu sehen. Dann legte er den Brief mit der beschriebenen Seite nach unten auf den Schreibtisch.

„Ich hoffe, ich störe nicht“, sagte sie.

Er räusperte sich. „Nein, komm nur rein.“

Sie trat ins Zimmer, und wieder fiel ihr Blick auf die José-Castillo-Bilder an den Wänden. Die ausladenden Pinselstriche und die üppigen Farben gefielen ihr, auch wenn sie einen seltsamen Kontrast zu der ansonsten so strengen Einrichtung des Büros bildeten.

„Das machst du jedes Mal.“

Stevie sah ihn fragend an, bevor sie begriff, was er meinte. „Ja, ich muss einfach hinsehen. Der Maler scheint ein sehr leidenschaftlicher Mensch zu sein.“

Wenn sie wüsste … Emelio lehnte sich zurück und blickte auf den neuesten Brief seiner heimlichen Verführerin. Wie schon bei den sieben Briefen zuvor, brannten sich ihre erotischen Bilder in sein Gedächtnis.

Deine Fingerspitzen streichen über den Stoff meines schwarzen Slips und kitzeln die Innenseite meiner Schenkel. Dann gleiten sie unter die Seide und fühlen meine feuchte Hitze. Ich stöhne vor Lust, wenn Deine Finger in mich eindringen …

Es war eine Weile her, seit er das letzte Mal echte Sinnlichkeit erfahren hatte, doch sein Körper erinnerte sich noch sehr gut daran. Ihm war heiß, und seine Hose fühlte sich unangenehm eng an. Diese anonymen Briefe faszinierten ihn, vor allem, weil er nach wie vor keine Ahnung hatte, von wem sie kamen.

„Würdest du einen neuen Klienten annehmen?“

Emelio setzte sich gerade hin. „Natürlich. Wen?“

„Mich.“

Stevie nahm auf dem Stuhl vorm Schreibtisch Platz, schlug die Beine übereinander und schob dann die Ärmel ihres Baumwollpullis bis über die Ellbogen zurück.

Emelio sah sie erwartungsvoll an. Sie wirkte heute ungewöhnlich blass, aber ebenso attraktiv wie immer. Ihre Haut war makellos, und Emelio stellte sich vor, dass sie sich weich und glatt anfühlen würde. Sie hatte ein ausgesprochen schönes Gesicht, auch wenn ihre Nase früher einmal gebrochen gewesen sein musste. Ihre Unterlippe war einen Tick voller als die Oberlippe. Stevie hatte einen zauberhaften Schmollmund – wie zum Küssen geschaffen. Hastig verdrängte Emelio den Gedanken. Immerhin arbeitete sie für ihn, und damit war sie absolut tabu.

Er hatte auf sehr schmerzvolle Weise gelernt, dass man Berufliches und Privates strikt trennen sollte.

Wieder sah er Stevie an, deren zarte Erscheinung so gar nicht zu ihrer direkten Art passen wollte. „Tiffnee hat das hier gestern Abend noch angenommen, bevor sie nach Hause ging.“

Ihre Uhr, eine Herrenuhr, die viel zu groß war für ihr schmales Handgelenk, schlug gegen den Schreibtisch, als sie einen schlichten braunen Umschlag ohne Adressaufkleber und Marke auf den Schreibtisch legte. Es stand lediglich „Madison“ in Großbuchstaben darauf, wobei die Buchstaben so ebenmäßig wirkten, als hätte der Schreiber eine Schablone benutzt.

Beunruhigt griff Emelio in den Umschlag und holte Fotos heraus. Es waren Überwachungsfotos von Stevie.

„Hast du irgendeinen Verdacht, wer die geschickt hat? Und warum?“

„Darüber habe ich mir die ganze Nacht den Kopf zerbrochen. Ich dachte, es könnte vielleicht mit einem alten Fall zu tun haben. Aber bisher durfte ich ja noch gar nicht richtig ermitteln.“

Emelio ignorierte die Spitze. „Ich habe dich engagiert, weil ich einen Sicherheitsexperten brauchte.“

„Ja, und deshalb habe ich die letzten zehn Monate damit verbracht, Alarmsysteme und Einsätze für Bodyguards zu planen. Inzwischen dürfte ich schon längst reif für eine Undercover-Tätigkeit sein.“

Er dachte prompt an einige seiner Aufträge während der Zeit beim FBI. Undercover-Tätigkeiten waren nicht halb so aufregend, wie sie in den Hollywood-Filmen dargestellt wurden. Vielmehr handelte es sich um eine anstrengende, einsame und oft frustrierende Arbeit. Er sah Stevie an und schüttelte den Kopf. „Bist du nicht.“

Dann wanderte sein Blick wieder zu dem ersten Foto. Darauf trug sie ein enges Trägertop und ebenso enge Sportshorts. Solche Shorts sollte sie nur noch anziehen, denn darin kam ihr Po besonders gut zur Geltung – der tollste Po, den Emelio je gesehen hatte. Er zwang sich, stattdessen genauer auf die Umgebung und die Leute zu achten, die noch auf dem Foto waren.

„Sag mir, ob du hier jemanden erkennst“, forderte er sie auf und tippte auf das Bild.

„Da bin ich auf dem Weg ins Fitnessstudio. Ich kenne die Frau hinter mir, die ist in meinem Kickbox-Kurs, aber ich könnte noch nicht einmal sagen, an welchem Tag das aufgenommen wurde, denn ich gehe jeden Dienstag zum Kickboxen.“

Er blickte auf. „Kickboxen?“

Sie zuckte mit der Schulter. „Ja, unter anderem. Außerdem mache ich Tai-Bo und Gewichtheben. Ich will schließlich fit sein, wenn du mir eines Tages richtige Aufträge gibst.“

Er ignorierte die Bemerkung und betrachtete das nächste Foto.

„Das ist vor meinem Supermarkt“, erklärte Stevie. „Und meiner Kleidung nach würde ich sagen, es ist letzten Montag aufgenommen worden. Und hier“, sie tippte mit dem Finger auf das nächste Bild, „da komme ich gerade aus der Bank, und zwar gestern.“

Emelio sah genauer hin und hielt die Luft an. Da, in der einen Ecke, erkannte er jemanden. Verdammt! Das war Rogelio Braga.

Bevor Emelio und Alex Worth die Agentur January Investigations gegründet hatten, waren sie bei der Special Operations Division gewesen. Aus der Zeit kannte er Braga bereits. Braga spielte gern die Rolle des untadeligen Geschäftsmannes, war aber in Wahrheit ein Kredithai und zweithöchster Boss eines großen Drogenkartells.

Emelios erster Undercover-Auftrag damals war gewesen, Beweise dafür zu finden, dass Drogen und Geld über ein Reisebüro in Miami ausgetauscht wurden. Die Ermittlungen fanden ein jähes Ende, als Emelios Quelle kalte Füße bekam und ihn verriet. Seine Tarnung platzte, Alex wurde verletzt und ihre Informationsquelle umgebracht. Emelio hatte die alleinige Verantwortung übernommen, doch bis heute wurmte es ihn, dass Braga einfach ungeschoren davonkam.

„Erkennst du jemanden?“, fragte er Stevie.

„Vielleicht“, sagte sie und zeigte dann auf Braga. „Ich vergesse nie ein Gesicht, und das hier habe ich schon mal gesehen, auch wenn ich mich im Moment nicht mehr erinnere, wo.“

„Denk nach, Stevie.“ Er hielt das Bild hoch, damit sie es besser sehen konnte.

Sie winkte ab. „Meinst du, das habe ich noch nicht getan? Auch wenn kein Drohbrief dabei lag, fühle ich mich trotzdem allein durch die Tatsache bedroht, dass irgendwer hinter mir herschleicht und Fotos von mir macht.“

Sie atmete tief durch und verschränkte die Arme vor der Brust. „Wie soll ich jetzt reagieren?“

„Am besten verschwindest du für eine Weile.“

Sie hob die Augenbrauen. „Wie bitte?“

Emelio steckte die Fotos wieder in den Umschlag. Seine Gedanken überschlugen sich. Es handelte sich eindeutig um eine Botschaft von Braga, aber was hatte Stevie damit zu tun? Auf jeden Fall musste er sie zunächst aus der Gefahrenzone bringen, bevor er weitere Nachforschungen anstellte.

„Wer immer hinter dir her ist, könnte zwar auch ein schüchterner Verehrer sein, aber die Wahrscheinlichkeit ist größer, dass er es gar nicht gut mit dir meint.“ Emelio sah auf seine Uhr. „Du hast zwanzig Minuten, um alle Akten auf deinem Schreibtisch zusammenzupacken. Kennst du jemanden, bei dem du für eine Weile unterkommen kannst?“

Sie sprang auf. „Moment mal! Ich bin Detektivin in einem Detektivbüro, und selbst wenn ich offen zugebe, dass ich diese Fotos als Bedrohung empfinde, ist das noch lange kein Grund …“

„Neunzehn Minuten und vierzig Sekunden“, unterbrach er sie. „Ruf mich, wenn du so weit bist, dann bringe ich dich, wohin du willst.“

Wieder verschränkte sie trotzig die Arme vor der Brust, doch da sie diesmal vor ihm stand, fiel Emelios Blick unweigerlich über ihre vollkommenen Brüste, und er musste schlucken.

„Ich laufe nicht wieder weg.“

„Wieso wieder?“ Er sah sie an.

Jetzt blickte sie an ihm vorbei, doch ihr Ton verriet ihm deutlich, dass sie Angst hatte. „Ich habe heute Morgen eine filmreife Vorstellung hingelegt, um unentdeckt herzukommen. In den Filmen sieht es immer viel spaßiger aus, als es in Wirklichkeit ist.“

„In solchen Fällen sprechen wir nicht von Weglaufen, sondern von einem strategischen Rückzug.“ Das Telefon läutete, bevor Stevie etwas erwidern konnte. „Ja? Okay, stell sie durch, Tiffnee. Danke.“ Emelio legte die Hand über die Muschel. „Siebzehn Minuten und fünfzig Sekunden. Beeil dich.“

Das war doch unglaublich! Er erlaubte ihr immer noch nicht, richtige Ermittlungsarbeit zu leisten, obwohl es sich um ihren eigenen Fall handelte! Stevie wurde zunehmend gereizter. Sie hasste Männer, die alles besser wussten und über andere Menschen bestimmen wollten – selbst wenn sie noch so attraktiv waren.

Hola, Connie. Wie gehts?“, sagte er ins Telefon und warf dazu einen Blick zur Tür, der Stevie signalisierte, dass er ungestört sein wollte.

Stevie schäumte vor Wut. Hatte Emelio sie doch tatsächlich aus seinem Büro geworfen, damit er ungestört mit einer seiner zahlreichen Freundinnen telefonieren konnte, aber die Rechnung hatte er ohne sie gemacht. Sie setzte sich entschlossen wieder auf den Besucherstuhl.

Emelio seufzte und sprach Spanisch mit der Anruferin. Auch wenn Stevie so gut wie nichts verstand, entging ihr sein liebevoller Tonfall nicht, und es versetzte ihr einen Stich. Sie war eifersüchtig und verlegen, weil sie hier saß und seinem Privatgespräch lauschte, aber jetzt konnte sie unmöglich zurück.

Schließlich sagte er: „Okay, Cariña. Ich rufe dich später wieder an, versprochen.“

Noch bevor er den Hörer aufgelegt hatte, platzte Stevie heraus: „Du verschweigst mir etwas, Emelio, und da es sich zufällig um mich dreht, will ich sofort wissen, was hier los ist.“

Er sah sie an und überlegte. Und was er dann zu ihr sagte, war eine glatte Lüge, da war sie sich sicher.

„Ich weiß überhaupt nichts, Stevie. Bis jetzt habe ich lediglich einen Verdacht, und deshalb rate ich dir, eine Weile unterzutauchen, bis ich Näheres weiß.“

„Ich bin mit Sicherheit kein hilfloses Mädchen, das einen großen starken Beschützer braucht. Und da eventuell mein Leben in Gefahr sein könnte …“

„Glaub mir, dein Leben ist in Gefahr.“

Sie neigte den Kopf zur Seite. „Aber du hast doch gerade gesagt, du wüsstest nichts Genaues. Also lass mich endlich tun, wofür ich ausgebildet wurde. Ich bin kein Opfer, Emelio.“ Nicht mehr, dachte Stevie. Nie mehr.

Madison hatte zu viel gesehen und musste dringend zum Schweigen gebracht werden. Andernfalls könnte sie alles zunichte machen, wofür er Jahre gearbeitet hatte.

Rogelio Braga betrachtete das Foto vor sich auf dem Tisch und strich über die glatte Oberfläche. Sie war ziemlich hübsch, trotz der kurzen Haare und des maskulinen Spitznamens.

Er sah auf den Mann neben ihr, jenen Mann, den Braga unbedingt vernichten wollte. Was für ein Riesenfehler von Emelio Sanchez, dass er ausgerechnet in dem Augenblick, in dem das Foto gemacht wurde, seine Gefühle gezeigt hatte. Er war verliebt, keine Frage, und diese Liebe sollte sein Ruin sein, dafür würde Braga sorgen.

Braga steckte sich eine Zigarette an und dachte an ein anderes Gesicht aus einer anderen Zeit. Ja, Sanchez würde bezahlen, erst mit dem Leben dieser Madison, dann mit seinem eigenen.

Die letzten zehn Minuten hatten sie sich ein hitziges Wortgefecht geliefert, und Stevie war wütend.

„Ich begreife nicht, wieso du mich nicht einfach ermitteln lässt.“

„Nun, ich bin ein altmodischer Mann, der schöne Frauen beschützen möchte, aber bei dir sehe ich eine ernste Gefahr.“

„Wir leben im einundzwanzigsten Jahrhundert, Emelio. Frauen können heute praktisch dieselben Dinge tun wie Männer. Wir müssen uns nicht mehr hinter breiten Schultern verstecken.“

Er ging um den Schreibtisch herum und baute sich vor ihr auf, als wollte er sie mit seiner Größe verunsichern. „Du weißt, dass es zu meinem Vorschlag keine Alternativen gibt. Und wenn du wie ein Profi behandelt werden willst, wird es Zeit, dass du dich wie einer benimmst.“

Stevie sprang auf. Dank ihrer hohen Absätze war sie beinahe auf Augenhöhe mit Emelio. Leider nahm sie dabei die leichte Zitrusnote seines After Shave stärker war, wodurch sie von dem abgelenkt war, was sie ihm an den Kopf werfen wollte.

Der Mann war eine wandelnde Pheromonbombe, gleichzeitig aber auch ein herrschsüchtiger Diktator, der ihre Karrierechancen behinderte, wo er nur konnte. Ihr Therapeut wäre bestimmt stolz auf sie, wenn er erfuhr, dass sie nicht nur ihre Gefühle, sondern auch die Ursache richtig erkannt hatte. Sie wollte gerade den Mund aufmachen, als die Empfangssekretärin hereinkam.

„Mein Gott, Emelio, du kriegst heute einen Riesenberg Post“, ächzte Tiffnee und schleppte zwei Armladungen voll ins Büro. Anscheinend nahm sie die Spannung nicht wahr, die in der Luft lag.

Emelio sah auf den Poststapel, den Tiffnee auf dem Schreibtisch ablegte, und nickte. „Danke, Tiffnee.“

„Gern geschehen, Boss“, sagte sie breit lächelnd. „Morgen, Stevie, toller Pullover. Von der Beautique, stimmts? Ich habe ihn da im Fenster gesehen, als ich neulich in der Aventura Mall war.“

Stevie war es gar nicht recht, dass Tiffnee sie mitten in ihrer Auseinandersetzung mit Emelio unterbrochen hatte, aber sie würde nie unfreundlich zu Tiffnee zu sein – das wäre in etwa so verwerflich, wie nach einem Welpen zu treten.

Also lauschte sie dem Geplapper der jungen Frau über die neueste Mode, während sie im Augenwinkel bemerkte, wie Emelio einen grauen Umschlag aus dem Poststapel nahm und unauffällig in seiner Hosentasche verschwinden ließ, bevor er die restliche Post durchsah.

„Tiffnee.“

Die Empfangssekretärin zuckte zusammen, als ihr Boss sie streng unterbrach, und beide Frauen sahen ihn fragend an. Emelio hielt einen großen braunen Umschlag in der Hand.

„Ach ja, das habe ich ganz vergessen zu sagen“, erklärte Tiffnee. „Der Bote war gerade da und meinte, das da wäre wohl irgendwie dringend.“

Emelio ließ den Umschlag fallen und sprintete zur Tür.

„Dringend heißt so viel wie sofort, gleich und auf der Stelle, Tiffnee“, sagte Stevie und bückte sich, um den Brief vom Boden aufzuheben.

„Sanchez“ war mit schwarzem Filzstift in sorgfältigen Großbuchstaben darauf geschrieben, ebenso wie ihr Name auf dem anderen Umschlag. Sie riss ihn hastig auf und holte einen säuberlich ausgeschnitten Artikel aus dem Miami Herald sowie einen Stapel weiterer Fotos heraus.

Prozess gegen Drogenbaron geht weiter

Nach mehreren Aufschüben wird das Verfahren gegen Francisco Guillermo Ramos fortgesetzt, der im vergangenen Jahr in einem Hotel in den Florida Keys festgenommen wurde. Ihm wird Drogenhandel und Geldwäsche im großen Stil vorgeworfen

Tiffnee beugte sich über Stevies Schulter, damit sie den Text mitlesen konnte. „Ach, das ist doch der Prozess, in dem Emelio und Alex vor ein paar Wochen aussagen mussten.“

Stevie nickte bloß und legte den Zeitungsausschnitt beiseite, um die Fotos anzusehen. Wer zum Teufel hatte die gemacht? Sie zeigten Stevie in einer Sicherheitsdienstuniform, als sie mit ausgebreiteten Armen vor einer Zuschauermenge stand.

„Daran erinnere ich mich. Miramax hatte uns für einen Zusatzsicherheitsdienst bei den Dreharbeiten zu Angelfire am Bayside Marketplace engagiert.“

„Ich liebe Will Smith! Der ist so scharf“, schwärmte Tiffnee.

Auf dem nächsten Foto war Emelio vor einem großen weißen Wohnwagen zu sehen, und dann folgte eines von ihnen beiden zusammen. Stevie blätterte die Fotos weiter durch. Beim letzten Bild stockte ihr Atem, und sie sah sich die Nahaufnahme genauer an.

Auf dem Foto wandte sie sich nach links und lächelte jemanden an, der nicht im Bild war. Emelio stand neben ihr und schien für einen Moment seine berühmte Selbstbeherrschung vergessen zu haben, denn er sah sie mit einem Blick an, der Bände sprach.

„Wow, Stevie, der ist aber richtig heiß auf dich.“

Stevie wollte lachen, doch heraus kam nur ein merkwürdiges Kichern. Wenn sie es nicht mit eigenen Augen gesehen hätte, wie Mr. Cool sie betrachtete, hätte sie es nicht geglaubt. Ihr wurde ganz kribbelig. Er war richtig heiß auf sie.

In diesem Augenblick kam Emelio ins Büro zurück, und Tiffnee ließ das letzte Foto eilig unter ihrem T-Shirt verschwinden. „Ich stecke es in deine Handtasche“, flüsterte sie Stevie zu.

Die nickte dankbar lächelnd, bevor sie sich an Emelio wandte. Er musste sich gerade das Haar zurückgestrichen haben, denn es sah auf eine verführerische Weise ramponiert aus. Außerdem kam so der winzige Stecker in seinem linken Ohrläppchen besser zur Geltung.

„Hast du ihn erwischt?“, fragte Stevie.

Er ging mit wenigen großen Schritten hinter seinen Schreibtisch. „Ich habe die Treppe genommen, weil die Fahrstühle so entsetzlich langsam sind, aber von einem Boten war weit und breit keine Spur mehr.“

Stevie hörte zu, wie Tiffnee den „süßen Blonden“ grob beschrieb, der den Umschlag abgegeben hatte.

„Ich will eine schriftliche Beschreibung mit allem, woran du dich erinnern kannst, einschließlich jedes einzelnen Lauts, den er von sich gegeben hat.“

„Geht klar, Boss.“ Sie verschwand.

Stevie reichte ihm den Inhalt des Umschlags. „Ich schätze, damit ist deine Theorie mit dem heimlichen Verehrer entkräftet.“

„Du darfst gern meine Post für mich öffnen.“

„Danke, das habe ich schon.“

Emelio setzte sich und begann, den Zeitungsausschnitt zu lesen. Für jemanden, der gerade zehn Stockwerke hinuntergerannt war, wirkte er erstaunlich ruhig – er war ja nicht einmal außer Atem. Welche Frau würde angesichts so viel geballter maskuliner Kraft nicht vor Bewunderung weiche Knie bekommen?

Stevie stand auf, ging um den Schreibtisch herum und setzte sich halb auf die Tischkante, so dass ihr blau-weißer Rock hochrutschte. „Dieser Artikel bezieht sich auf eure Nachforschungen in dem Cayo Sueño Ressort, richtig?“

Emelio betrachtete ihre sonnengebräunten langen Beine bis zu den Füßen, die in hochhackigen Sandalen steckten. Darüber vergaß er beinahe, was Stevie ihn gefragt hatte.

„Ja, wir hatten gegen das dominikanische Drogenkartell ermittelt. Alex arbeitete in den Keys und gab sich als Investment-Broker aus. Er versuchte über einen gewissen Rogelio Braga an Frankie Ramos heranzukommen, den früheren Chef des Kartells. Ich war hinter den Kulissen tätig und sammelte Beweise für Geldwäsche. Braga verschwand zwei Tage vor den Festnahmen, aber wir kriegten Ramos und hundert Millionen Dollar, die seiner Organisation gehörten.“

„Ich hatte nichts mit dem Fall zu tun, deshalb verstehe ich nicht, was die von mir wollen“, sagte Stevie.

„Das begreife ich auch nicht. Noch nicht.“

Emelio legte die neuesten Fotos auf den Schreibtisch. Von jetzt ab war er für Stevies Sicherheit verantwortlich. Da durfte er sich durch nichts, schon gar nicht durch sie, ablenken lassen. Also konzentrierte er sich besser auf ihr Gesicht statt auf ihre Beine.

Er wollte ihr nicht mehr erzählen als unbedingt nötig, doch es war offensichtlich, dass Braga versuchte, über sie an ihn heranzukommen. Braga war bekannt dafür, sehr nachtragend zu sein, und Emelio hatte immerhin seine Organisation unterwandert, zu allem noch direkt vor seiner Nase. Gott sei Dank war Alex mit seiner Frau Meghan und dem neugeborenen Sohn nach Baltimore gereist, um Meghans Familie zu besuchen. Damit musste sich Emelio um drei Leute weniger Sorgen machen.

„In spätestens einer Stunde müssen wir von hier verschwinden“, erklärte er.

Stevie sah ihn fragend an. „Wo willst du hin?“

„Wo immer du hinfährst, Lady. Ich werde dir nicht von der Seite weichen.“

So verlockend die Aussicht auch war, Stevie mochte diese bevormundende Art nicht. „Ich brauche keinen Bodyguard, Emelio. Ich bin selbst einer, schon vergessen?“

„Dann weißt du ja, wie es funktioniert. Wir bleiben rund um die Uhr zusammen, bis alles vorbei ist.“

2. KAPITEL

Stevie verdrängte alle Gedanken an eine drohende Gefahr und konzentrierte sich ganz darauf, Emelio für sich allein zu haben. Rund um die Uhr bedeutete immerhin auch nachts, und das wiederum war doch ein Silberstreif inmitten der dunklen Wolke, die derzeit ihr Leben überschattete.

Die letzten vier Monate hatte sie damit verbracht, sich auszumalen, wie sie ihren Chef verführte, und mit ein bisschen Planung und einer Menge Glück könnte sie ihr berufliches Verhältnis zu einem sehr viel engeren und persönlicheren ausbauen.

Das Foto, auf dem Emelio für einen kurzen Moment zeigte, was er wirklich für sie empfand, war sicher in ihrer Handtasche versteckt. Sie spürte ein wohliges Kribbeln, als er die Hand auf ihren Unterarm legte.

Emelio stand vor ihr und sah sich um, während er ihr die Tür des Lastenaufzugs aufhielt. Seine Hand fühlte sich warm an. Wie oft hatte sie davon geträumt, von dieser Hand gestreichelt zu werden?

Seine dunklen Locken berührten den Kragen seines Polohemds, das über seinen breiten Schultern etwas spannte. Stevies Blick wanderte zu seiner Taille, wo das Hemd in einer engen schwarzen Jeans steckte, die seinen knackigen Po und die kräftigen Schenkel sehr gut zur Geltung brachte.

Der Mann sah umwerfend gut aus, und Stevie musste lächeln, als sie daran dachte, was sie in den nächsten Tagen alles mit ihm anstellen könnte. Sobald er sich zu ihr umdrehte, wurde sie wieder sehr ernst und ließ sich nichts anmerken.

„Alles klar.“

Er ergriff ihre Hand und zog Stevie zum Lieferanteneingang. Sie hatte Mühe, in den hohen Schuhen mit seinem Tempo mitzuhalten.

„Geht es nicht etwas langsamer?“

Er entschuldigte sich und verlangsamte seine Schritte. Zu Stevies Überraschung führte er sie an den Stellplätzen der Agentur vorbei.

„Ist das nicht dein Lexus?“, fragte sie.

„Ja, aber wir nehmen einen anderen Wagen.“

Er blickte sich noch einmal um und ließ Stevies Hand los, um die Tür zum Treppenhaus zu öffnen.

„Du kannst laufen, ich nehme den Fahrstuhl. Diese Schuhe sind nämlich eher zu Dekorationszwecken gedacht, nicht zum Wandern und Klettern.“

„Erstens wollen wir nicht in einem Fahrstuhl gefangen sein, wenn uns jemand erwartet, und zweitens gehen wir bloß zwei Stockwerke. Das dürftest du überleben.“

Ihre Sandalen klackerten auf dem Betonboden. „Mein Leben ist zu einem Spionagethriller geworden.“

„Meinst du? Welches Bond-Girl bist du denn?“, fragte er und blickte sie amüsiert an.

„Ich mochte den Namen Holly Goodhead immer gern“, sagte Stevie, „aber ich wäre lieber Wai Lin, die Heldin aus Der Morgen stirbt nie.“

„Du siehst allerdings nicht besonders chinesisch aus.“

„Darum geht es mir auch nicht. Ich fand sie toll, weil sie Bond am ehesten ebenbürtig war, stark, unabhängig und zugleich enorm attraktiv. Du solltest dir den Film ansehen, bevor du das nächste Mal einen spannenden Fall vergibst.“

„Ich persönlich mochte die Bond-Girls bei Sean Connery lieber. Mit einer Frau, die Pussy Galore heißt, kann man nichts falsch machen.“

Stevie zog eine Grimasse. „Darauf fällt mir nicht einmal eine passende Antwort ein.“

„Wie wäre es mit ‚Oh, James‘?“

Unweigerlich musste sie lachen, als er die zwei Worte zitierte, die jede Frau in jedem James-Bond-Film irgendwann sagte. Der Mann war toll gebaut, hatte einen gefährlichen Charme und Sinn für Humor, kurz: Er war die Antwort auf all ihre Wünsche.

Als Emelio die Tür zur dritten Parkebene aufstieß, blickte Stevie sich kurz um, bevor sie ihm in eine Ecke des Parkdecks folgte. Dort beobachtete sie gespannt, wie er zu einem silbernen Sportwagen ging und sich zu den Reifen beugte. Er griff in den einen Radkasten vorn und zog eine kleine Blechdose hervor, der er ein Schlüsselbund entnahm.

Autor

Mia Zachary
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