Sexy Brüder - Die Acostas

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Willkommen in der Welt der Acostas - der skandalösesten Familie Argentiniens! Diese Brüder sind echte Herzensbrecher und in der Highsociety berühmt berüchtigt. Im internationalen Polo-Zirkus sind sie nur als "The Band of Brothers" bekannt und bringen die Frauen mit ihrem Charme reihenweise um den Verstand.

IN DEN ARMEN DES ARGENTINIERS
Dem argentinischen Polochampion Nero Caracas liegen die Frauen zu Füßen. Doch er begehrt nur eine: die hinreißende, aber kühle Engländerin Amanda Wheeler. In Windsor ist sie ihm begegnet - in seiner wildromantischen Heimat Argentinien will er sie verführen...

SAMBANÄCHTE MIT DEM PLAYBOY
Woher eine gute Story nehmen? fragt die junge Reporterin Holly sich ratlos. Der Zufall kommt ihr zu Hilfe: Sie teilt sich ein Apartment mit dem argentinischen Polospieler und Millionär Ruiz Acosta. Und schon ist ihre Kolumne "WG mit einem Playboy" geboren! Ein toller Erfolg: Ganz London will lesen, wie es ist, mit einem schwerreichen Verführer zu wohnen, der den Pferdesport gleich nach Sex für das Beste im Leben hält! Doch Holly fühlt sich immer hilfloser. Denn nach einer Nacht, in der Ruiz ihr mehr als sinnlichen Samba beibringt, ist es restlos um sie geschehen …

DER KUSS DES STOLZEN ARGENTINIERS
Maxie soll eine Traumhochzeit organisieren! Leider auf der Insel, auf die Diego Acosta sich nach einem Unfall zurückgezogen hat. Der attraktive argentinische Polospieler ist gar nicht begeistert, dass sie seine Ruhe stört. Bis er die heilende Kraft ihrer Hände kennenlernt...

DER KLANG DER VERSUCHUNG
Nacho Acostas wilde Locken, sein verwegenes Lächeln - das alles sieht Grace nur noch in ihren Träumen, denn die schöne Weinexpertin hat ihr Augenlicht für immer verloren. Dennoch zieht allein die Ausstrahlung des Argentiniers sie sofort wieder in seinen Bann, als sie auf seinem Weingut eintrifft. Von ihrem Urteil hängt der Fortbestand der Winzerdynastie ab - doch der stolze Erbe bezweifelt ihr Können. Bis Grace beweist, dass ihren Sinnen nichts entgeht. Kein Geruch, kein Geschmack - und erst recht nicht der erregte Klang seiner Stimme, als er sie eines Nachts in seine Arme zieht …

PARTYGIRL UNDERCOVER
Diese sexy Kurven würde Luke überall erkennen! Allerdings wirbelte Lucia Acosta damals temperamentvoll zu heißen Sambarhythmen über den Dancefloor - jetzt liegt sie auf den Knien und schrubbt ihn. Was ist mit dem Partygirl, das ihn mit einem Fingerschnipsen hätte haben können, passiert? Mit dieser umschwärmten Schönheit, die so gern gelacht und geliebt hat? Luke muss es herausfinden! Aber als er in ihre Augen blickt, erkennt er sofort, dass sich eins nicht geändert hat. Ob Lucia reich oder arm ist: Wer sie verführen darf, entscheidet die stolze Argentinierin ganz allein …

IN DEINEN ARMEN WERD ICH SCHWACH
Der Reporterin Romy stockt der Atem, als sie den feurigen Argentinier Kruz Acosta erblickt. Seine faszinierende Ausstrahlung lässt sich unmöglich ignorieren! Heimlich schießt Romy ein paar Schnappschüsse - und wird prompt erwischt. Während Kruz sie festhält, um ihr die Kamera abzunehmen, überwältigen Romy unerwartete Gefühle. Warum nur muss sie jetzt, und dann auch noch in den Armen eines prominenten Playboys, solch quälende Sehnsucht nach Nähe und Geborgenheit verspüren? Kurz wird Romy schwach und gibt sich Kruz für einen Moment des Glücks hin. Mit gefährlichen Folgen ...


  • Erscheinungstag 10.02.2016
  • ISBN / Artikelnummer 9783733773823
  • Seitenanzahl 864
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cover

Susan Stephens

Sexy Brüder - Die Acostas (6-teilige Serie)

IMPRESSUM

In den Armen des Argentiniers erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Cora-Logo Redaktion und Verlag:
Postfach 301161, 20304 Hamburg
Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0
Fax: +49(0) 711/72 52-399
E-Mail: kundenservice@cora.de

© 2011 by Susan Stephens
Originaltitel: „The Untamed Argentinian“
erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA EXTRA
Band 349 - 2012 by Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg
Übersetzung: Petra Pfänder

Umschlagsmotive: Harlequin Books S.A.

Veröffentlicht im ePub Format in 02/2016 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733766832

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

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1. KAPITEL

„Haben Sie etwas dagegen, wenn ich Ihnen Gesellschaft leiste?“

Ein Schauer lief Amanda über den Rücken, als der Mann die Stalltür öffnete und eintrat. Selbst im Schlaf hätte sie den rauen spanischen Akzent erkannt.

Außerdem gab es nur einen, der so einfach in den Guards Polo Club in Windsor hereinspazieren konnte: Nero Caracas, in Polokreisen auch als der Killer bekannt. In der Poloweltrangliste stand der Argentinier an erster Stelle, und er genoss weltweit Sonderrechte, von denen andere Spieler nur träumen konnten.

Noch dazu sah er einfach umwerfend aus. Die eng sitzende Reithose strahlte in makellosem Weiß, zugleich gaben seine zerzausten schwarzen Locken und ein dunkler Bartschatten seiner Erscheinung etwas Abenteuerliches.

Seitdem Amanda miterlebt hatte, wie Nero Caracas das Spielfeld beherrschte, begehrte sie diesen atemberaubenden Mann. Doch sie hätte nie damit gerechnet, ihm einmal so nah zu kommen.

„So, das ist also Misty“, sagte er jetzt. Seine starke Hand fuhr über die Schulter des Ponys. „Sie ist nicht besonders groß.“

„Äußerlichkeiten können täuschen“, verteidigte Amanda ihr Lieblingspony, während sie sich bemühte, mit ihren zitternden Händen weiter die schmalen Hufe zu fetten.

„Bald beginnt das Spiel.“

Wieso sagt er mir das? dachte Amanda und polierte weiter. Als Mitglied des britischen Trainerteams wusste sie ganz genau, wann das Spiel begann. Nero war Spielführer der gegnerischen Mannschaft. Nicht sie, sondern er sollte in diesem Moment ganz woanders sein.

Falls er gedacht hatte, er könnte einfach hier hereinplatzen und sie von der Arbeit abhalten, hatte er sich jedenfalls gründlich geirrt! Sie würde dem Killer die kalte Schulter zeigen.

„Ich möchte mit Ihnen über Misty sprechen.“ Nero betrachtete das Pony mit einem weiteren anerkennenden Blick.

„Jetzt ist ein schlechter Zeitpunkt“, erwiderte Amanda kühl.

„Wie Sie meinen.“ Nero zuckte mit den Schultern und nickte zum Abschied. Doch bevor er sich zur Tür wandte, fing Amanda seinen herausfordernden Blick auf.

Ärgerlich biss sie sich auf die Lippen. In ihrer finanziellen Situation war es ausgesprochen unvernünftig, es sich mit einem Mann wie Nero Caracas zu verscherzen. Durch die Rezession hatte sie einen Großteil ihrer Ersparnisse verloren, und in der Polowelt kannte jeder jeden. Ein einziger Fehler konnte ausreichen, um eine Karriere zu beenden. Aber sie würde keinen Fehler begehen!

Sie richtete sich zu ihrer vollen Größe auf. „Also gut, was wollen Sie?“

Mit einer Kopfbewegung deutete Nero auf Misty. „Ich denke, dass es besser für Ihr Pony wäre, wenn ein Mann sie reiten würde, der sie wirklich zu schätzen weiß.“

„Ich kann Ihnen versichern, dass der Kapitän des britischen Teams Misty sehr genau zu schätzen weiß.“

„Aber glauben Sie, dass auch Misty seine Art genießt, sie zu reiten?“

Musste dieser Mann jedes Wort wie eine Einladung ins Bett klingen lassen? Amanda schaute unruhig auf ihre Uhr.

„Mache ich Sie nervös?“

Sie lachte. „Sicher nicht! Ich bin nur besorgt, weil Ihre Zeit knapp wird.“

„Mein Timing ist perfekt wie immer“, versicherte Nero.

Amandas Mund wurde trocken, als er geschickt Mistys Hals liebkoste. Unwillkürlich straffte sie ihre Schultern und stellte sich zwischen ihn und den kleinen Apfelschimmel. Mit verschränkten Armen sah sie zu ihm auf.

Doch Nero ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. „Ich hätte Sie bei diesem Wettkampf lieber auf meiner Seite, Amanda.“

Sie warf ihm einen ironischen Blick zu. „Vielen Dank, aber ich fühle mich sehr wohl dort, wo ich bin.“

„Vielleicht kann ich Ihre Meinung ja noch ändern …“

„Viel Spaß bei dem Versuch!“

„Falls das eine Kampfansage sein sollte, muss ich Sie warnen, Amanda – ich gewinne immer.“

Wieso bleibt Misty nur so ruhig? dachte sie ärgerlich. Normalerweise war das Pony in der Gegenwart eines Fremden sehr nervös. Doch seit Nero den Stall betreten hatte, wirkte es ausgesprochen entspannt und zufrieden.

Sie hob trotzig ihr Kinn. „Sonst noch was?“

Als er sie mit seinen dunklen Augen anschaute, begann ihr Herz schneller zu schlagen. Nero Caracas war schon fast übertrieben attraktiv.

Plötzlich wurde Amanda von einer wilden Begierde überrascht. Hastig wandte sie den Blick ab. Ihre Beine zitterten, und ihr Herz raste. Es kostete sie all ihre Kraft, sich nichts von ihren aufgewühlten Gefühlen anmerken zu lassen.

„Keine Sorge, ich gehe schon.“ Nero hob in einer Geste spöttischer Kapitulation die Hände. „Aber ich komme zurück, Misty“, raunte er dem ungewöhnlich zutraulichen Pony ins Ohr.

Amanda funkelte ihn wütend an. Sie hatte Gerüchte aufgeschnappt, dass der berühmte Argentinier vorhatte, ihr Pony zu kaufen.

Aber wieso gerade Misty? dachte sie entrüstet, das einzige Polopony, das sie von ganzem Herzen liebte.

An der Tür wandte Nero sich noch einmal um. „Sie haben gute Arbeit mit Misty geleistet, Amanda. Sie ist in einem ausgezeichneten Zustand.“

„Weil sie bei mir glücklich ist.“

Nero nickte nur selbstgefällig.

Ich werde Misty verlieren! ahnte sie plötzlich. Zurzeit gab es kein besseres Polopferd, und es war nur logisch, dass Nero Caracas es für sich ausgewählt hatte.

Aber was konnte sie schon gegen einen so mächtigen Mann ausrichten? Nur ein absoluter Dummkopf würde sich dem Argentinier in den Weg stellen und erwarten, danach noch eine Zukunft als Trainer zu haben.

Zu ihrem Entsetzen ertappte sie sich plötzlich bei dem Wunsch, mit ihren Fingern durch Neros dichte Locken zu streichen. Was, in aller Welt, war nur mit ihr los? Wirkten seine geheimnisvollen Fähigkeiten etwa auch bei ihr?

Trotzig hob sie ihr Kinn. „Möge die bessere Mannschaft gewinnen.“

„Das werden wir“, informierte sie der unbestrittene König des Spiels selbstbewusst.

„Aber ob Gewinn oder Niederlage – Misty ist nicht zu verkaufen!“, erklärte sie ihm entschlossen.

„Aber wenn Ihr Pony heute beim Spiel hält, was es verspricht – und ich bin sicher, dass es das tun wird –, werde ich Ihnen ein Angebot unterbreiten, Amanda. Nennen Sie Ihren Preis.“

„Misty hat keinen Preis, Señor Caracas“, beharrte Amanda. „Und außerdem brauche ich Ihr Geld nicht.“

Nero neigte seinen Kopf und schwieg für einen Moment. Jeder in der Polowelt wusste, dass dies nicht stimmte.

„Vielleicht brauchen Sie mein Geld nicht, chica“, sagte er spöttisch. „Aber irgendetwas brauchen auch Sie.“

Panik stieg in Amanda auf. Ein Wort von ihm würde reichen, um ihre Karriere zu zerstören.

„Entspannen Sie sich“, murmelte er. Seine raue Stimme klang sanft. „Sie arbeiten zu hart und sorgen sich zu sehr, Amanda.“ Dann zuckte er wegwerfend mit seinen breiten Schultern. „Polo ist nur ein Spiel.“

Nur ein Spiel? wiederholte sie im Stillen. Sie glaubte ihm kein Wort!

„Ich freue mich darauf, Misty in Bewegung zu erleben.“ Nero lächelte sie an, und ihr Herz setzte für einen Schlag aus. Sie hatte das Gefühl, als würden seine dunklen Augen auf den Grund ihrer Seele blicken. Bevor sie etwas erwidern konnte, wandte er sich um und verließ den Stall.

Amanda stieß zitternd die Luft aus und ließ sich gegen die kalte Steinwand sinken. Konnte sie gegen Nero gewinnen? Auf jeden Fall würde sie sich von ihm nicht einschüchtern lassen!

„Geht es Ihnen nicht gut?“

Amanda zuckte zusammen. Sie hatte nicht bemerkt, dass eine der Pferdepflegerinnen hereingekommen war und sie besorgt musterte.

„Ich … doch, doch. Alles bestens.“ Sie zwang sich zu einem Lächeln.

Gleichzeitig dachte Amanda an ihren geliebten Reiterhof. Die Kinder aus dem Dorf konnten dort von klein auf den Umgang mit Tieren lernen. Doch durch einen Streit mit Nero konnte sie all das verlieren.

„Soll ich Misty zu den pony lines bringen? Die anderen Pferde sind bereits dort.“ Das Mädchen warf einen unsicheren Blick zur Stalltür.

Sie muss gesehen haben, wie Nero den Stall verlassen hat, vermutete Amanda.

„Ja, nimm sie mit“, sagte sie freundlich. „Aber lass sie keinen Moment aus den Augen!“

„Das werde ich nicht“, versicherte das junge Mädchen und nahm die Zügel. „Komm mit, Misty.“

„Das heißt … warte! Ich begleite euch.“ Amanda hatte zwar vorgehabt, sich zuerst um die anderen Ponys zu kümmern, aber das konnte sie auch bei den pony lines in der Nähe des Spielfeldes tun. Dort wurden die Pferde für ihren Einsatz bereitgehalten.

Neros unerwartetes Auftauchen im Stall hatte sie zu sehr beunruhigt, um einfach wieder zur Tagesordnung überzugehen. Ein Mann wie er tat nichts ohne Grund.

Ich werde sein Feuer mit Eis bekämpfen! nahm sie sich vor, während sie die Stalltür hinter sich verschloss. Sie hatte miterlebt, wie ihr Vater seine Karriere und seinen Besitz verspielt hatte. Dabei hatte Amanda gelernt, wie wichtig es war, niemals die Kontrolle über die eigenen Gefühle zu verlieren.

Doch es ging nicht nur um Nero und ihren eigenen Stolz. Misty war mehr als nur ein Polopony für Amanda. Das kleine Pferd war ein Symbol für ihr Bestreben, den Namen ihrer Familie wiederherzustellen. Außerdem hatte Amandas Vater ihr vor seinem Tod ans Herz gelegt, sich stets gut um Misty zu kümmern.

Es war daher vollkommen unmöglich, Neros Angebot anzunehmen. Der feurige Argentinier mit dem Körper eines griechischen Gottes mochte der Traum jeder Frau sein, aber sie musste ihre Pflicht erfüllen.

„Viel Glück, Amanda!“, wünschten ihr die Pferdepfleger und Stallknechte, als sie über den Hof gingen.

„Das argentinische Team macht einen guten Eindruck“, rief ihr einer der Pferdepfleger zu. „Vor allem Nero Caracas.“ Der junge Mann kam zu ihnen und lief ein paar Schritte neben ihnen her. „Bei den letzten Spielen hat der Killer seinem Spitznamen alle Ehre gemacht.“

Amanda lächelte schief. „Großartig! Danke, jetzt bin ich schon viel ruhiger.“

Sie musste nicht daran erinnert werden, dass Polo ein brutales Spiel war. Auf den ersten Blick verkörperte Nero einen ebenso perfekten Gentleman wie seine britischen Kollegen, doch er lebte in Argentinien und trainierte seine Pferde in den endlosen, ungezähmten Weiten der Steppen.

Je eher er dorthin zurückkehrt, desto eher kann ich mich wieder entspannen, versuchte sie sich zu beruhigen, aber sie schaffte es nicht, ihre bange Vorahnung abzuschütteln.

„Ich lasse dich niemals gehen“, flüsterte sie Misty zärtlich ins Ohr, als sie das kleine Pony neben den anderen Tieren anband. Dann legte sie Misty die Arme um den Hals. „Und ich werde dich bestimmt niemals einem dahergelaufenen Wilden mit einem schwarzen Herzen wie Nero Caracas verkaufen. Lieber würde ich …“

Als ein Schluchzen in ihrer Kehle aufstieg, brach sie ab und vergrub ihr Gesicht in der seidigen grauen Mähne. Was konnte sie nur tun?

Nero Caracas gab nichts auf Gerüchte. Er bevorzugte es, sich seine eigene Meinung zu bilden, über Menschen, Tiere, Dinge – und über Amanda Wheeler.

Die Eisjungfrau nannte man sie in Polokreisen, und mit eisigen Augen hatte sie ihn auch angeschaut. Zumindest am Anfang ihres Gesprächs.

Warum, in aller Welt, versteckte Amanda ihr üppiges kastanienbraunes Haar unter einem eng anliegenden Netz? Nero musste schmunzeln, als er an die einzelne vorwitzige Strähne dachte, die sich darunter hervorgestohlen hatte.

In Pferdekreisen genoss Amanda größten Respekt, doch über ihr Privatleben war kaum etwas bekannt. Auch für ihn war sie ein Rätsel, nach ihrem kurzen Gespräch mehr als zuvor. Im Gegensatz zu den meisten Menschen hatte sie ihm keinen Honig um den Bart geschmiert, sondern ihn ganz offen herausgefordert. Zu einem Kampf, dem er nicht widerstehen konnte.

Geschmeidig schwang Nero sich in den Sattel, ergriff die Zügel und versammelte für die letzten anfeuernden Worte vor dem Spiel sein Team um sich. Heute fühlte er sich ungewohnt angespannt. Auch seine Männer schienen dies zu bemerken. Sie musterten ihn wachsam, während sie ihre ruhelosen Ponys zügelten.

„Keine Gnade!“, warnte er sein Team. „Aber geht kein Risiko für die Pferde ein. Und achtet auf die kleine Graue, die der britische Kapitän reitet! Je nachdem, wie das Spiel läuft, habe ich vor, sie für mich zu kaufen.“

Amanda hat nicht die Absicht, mir ihr Pferd zu verkaufen, fiel ihm augenblicklich wieder ein. Sie hatte ganz deutlich gezeigt, dass sie nicht einmal mit ihm darüber reden wollte. Plötzlich erschien ein Bild in seinem Kopf, wie er ganz langsam die Knöpfe ihrer Reitbluse öffnete, während sie ihn mit großen Augen anflehte, nicht aufzuhören.

Was verbirgt Amanda Wheeler unter ihrer kühlen Oberfläche? überlegte Nero. Erstaunt stellte er fest, dass er es herausfinden wollte. Zum Glück hielten seine Männer das Feuer in seinen Augen für reine Kampfeslust, und mit donnernden Hufen ritten sie davon.

Amanda ist anders, dachte Nero, während er seinen Helm aufsetzte und unter dem tosenden Beifall der Menge aufs Spielfeld ritt. Sie würde es ihm nicht so leicht machen wie ihr hübsches Pony.

Vergeblich versuchte er zu verstehen, was hinter dem kühlen Blick ihrer schönen Augen gelegen hatte. Was es Angst? Offenbar fürchtete sie, ihr Pferd zu verlieren, aber das war nicht alles gewesen. Viel interessanter fand er jedoch die Frage, warum eine so erfolgreiche und attraktive Frau ganz allein lebte. Anscheinend wollte sie es so, sonst würde sie sich nicht so streng und schmucklos kleiden.

Sie ist wirklich außergewöhnlich, dachte Nero. Amanda war eine unabhängige und mutige Frau. Sie hatte ihrem Vater bis zu seinem bitteren Ende beigestanden und versucht zu retten, was vom Familienbesitz noch übrig geblieben war.

Obwohl sie ganz offensichtlich selbst das kleinste Anzeichen von Wärme oder Humor sorgfältig vermied, musste es unter der Oberfläche der Eisjungfrau noch eine andere Seite geben. Nero hatte gehört, dass die Kinder ihres Dorfes sie heiß und innig liebten und gern ihren Reiterhof besuchten.

Nero schüttelte den Kopf, um die Gedanken an Amanda zu vertreiben. Sie konnte ihm nützlich sein. Mehr brauchte ihn nicht zu interessieren! Mit einem Griff schob er seinen Gesichtsschutz herunter. Doch sein Blick glitt unruhig über die Reihen der Zuschauer und suchte nach Amanda.

2. KAPITEL

Sie hasste ihn! Fast im Alleingang hatte Nero Caracas die britische Mannschaft vernichtend geschlagen. Trotz seines großartigen Teams machte Amanda ihn ganz allein für die Niederlage der Ponys verantwortlich, die sie trainiert hatte.

Bei der Preisverleihung durch den Prinzen hatte Nero die kleine Misty „das beste Pony des Spiels“ genannt. Aber auch diesen bittersüßen Triumph hatte der Argentinier mit einem einzigen Blick zu Amanda ruiniert – ein Blick, der deutlicher als Worte sagte: „Sie gehört mir.“

„Nur über meine Leiche!“ Amanda hatte die Worte stumm mit dem Mund geformt, doch seine Antwort war nur ein unerhört selbstbewusstes Lächeln gewesen.

Und jetzt musste sie auch noch den Abend in seiner Gesellschaft verbringen! Der Prinz hatte alle Spieler und Trainer zu einem Dinner im Schloss geladen. Eine solche Einladung durfte sie natürlich nicht einfach ablehnen.

Warum sollte sie auch? Sie hatte die Gelegenheit, mit dem Prinzen zu dinieren und das königliche Schloss von innen zu sehen! Wollte sie sich all das etwa entgehen lassen, nur um Nero Caracas aus dem Weg zu gehen?

Die Einladung ins Schloss war ein Zeichen, dass der Prinz ihre Pferdezucht schätzte und die Skandale ihre Vaters vergessen waren. Endlich konnte der Name Wheeler wieder mit Stolz ausgesprochen werden.

Außerdem werden so viele Gäste versammelt sein, dass ich sicher nicht neben dem Argentinier sitzen werde! versuchte Amanda sich zu beruhigen. Ganz bestimmt würde ihr Platz bei ihrem Team sein!

„Ich hoffe, es ist Ihnen recht, dass ich Sie neben mir platziert habe.“ Der Prinz lächelte Amanda voller Wärme an. „Aber vielleicht würden Sie ja lieber bei Ihrem Team sitzen?“

„Selbstverständlich nicht, Sir. Es ist mir eine große Ehre“, erwiderte Amanda, während sie versuchte, nicht auf Nero zu achten, der auf der anderen Seite des Prinzen saß. Die beiden Männer gingen so unbefangen miteinander um, als wären sie gute Freunde.

„Der Kapitän des Siegerteams und die Besitzerin und Trainerin des besten Ponys im Spiel – ich denke, das ist die perfekte Kombination“, plauderte der Prinz in seiner gewohnt lockeren Art.

„In der Tat, Sir“, stimmte Amanda zu und erwiderte möglichst kühl Neros amüsierten Blick.

„Seine königliche Hoheit ist – wie immer – äußerst scharfsinnig“, sagte Nero gedehnt. Er hob eine ebenholzschwarze Braue, als sein Blick Amandas traf.

Während der gesamten Fahrt zum Schloss hatte Nero darüber nachgedacht, wie Amanda Wheeler heute Abend wohl aussehen würde. Sicherlich atemberaubend!

Doch Neros Erwartungen wurden enttäuscht. Amanda trug ein schlichtes Kleid, das bestimmt auch ihrer Großmutter gefallen hätte, und ihr kastanienbraunes Haar war noch strenger zusammengebunden als sonst. Warum geizte sie nur so mit ihren Reizen?

„Also, Miss Wheeler.“ Die Stimme des Prinzen schreckte Nero aus seinen Grübeleien auf. „Ich habe nur Gutes über Sie gehört – und nicht nur, was das Training der Poloponys betrifft. Ich meine Ihre Arbeit mit Kindern und Jugendlichen.“

Amanda errötete und schwieg. Sie redete nicht gern über ihr persönliches Engagement.

„Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, Ihren Wirkungskreis zu vergrößern?“, hakte der Prinz nach.

Nero schien ebenso interessiert an ihrer Antwort zu sein.

„Das lässt meine Arbeit nicht zu, Sir.“

„Nun, Sie tun Ihr Möglichstes. Das ist mehr, als die meisten Menschen auch nur versuchen“, fuhr der Prinz fort.

Amanda lächelte bescheiden. Sie war froh, als das Essen serviert wurde und das Gespräch zu anderen Themen überging. Aber warum saßen ausgerechnet sie und Nero neben dem Prinzen? Amanda hoffte nur, dass der Argentinier die Botschaft in ihren Blicken erkannt hatte: Nero Caracas, du bist hier unerwünscht.

Dabei begehrte sie diesen Mann mit fast schmerzhafter Intensität. Nero war eine Naturgewalt. Er konnte jede Frau auf der Welt haben. Doch nie im Leben durfte er erfahren, was sie für ihn fühlte! Er würde sie für naiv und unprofessionell halten.

Amanda war nur froh, dass sie ein so schlichtes Abendkleid gefunden hatte. Sie zog nicht gern die Aufmerksamkeit auf sich. Darum verhielt sie sich meist so kühl distanziert.

Amanda spürte Neros Gegenwart mit jeder Faser ihres Seins. Sie drehte den Kopf, und ihre Blicke trafen sich. Erst als der Prinz den Argentinier ansprach, wandte Amanda sich ab. Ihr Herz raste. Um sich abzulenken, schaute sie sich im Saal um.

An der festlich geschmückten Tafel, die länger als eine Kegelbahn war, saßen mindestens fünfzig Menschen. Fast geräuschlos kamen und gingen der königliche Butler und sein Team und servierten den Gästen.

Plötzlich musste Amanda den Impuls unterdrücken, aufzuspringen und zu tanzen. Auch wenn sie stets kontrolliert wirkte, gab es eine wilde Seite in ihr, die sich danach sehnte, ausgelebt zu werden.

Wieder sah sie zu Nero, der noch immer mit dem Prinzen plauderte. Wie elegant und selbstsicher er dabei aussieht! fiel Amanda auf. Aber kein Wunder! Sie hatte gehört, dass Nero auf seiner Ranch in Argentinien selbst wie ein König lebte.

Immer wieder kehrte ihr Blick zu ihm zurück. Schon in seiner Spielerkleidung war Nero atemberaubend attraktiv, doch in dem maßgeschneiderten Abendanzug sah er einfach umwerfend aus! Das blütenweiße Hemd und die stahlgraue Krawatte betonten seine tief gebräunte Haut und die schwarzen Locken.

Verflixt! dachte Amanda, er beobachtet mich. Rasch wandte sie ihre Aufmerksamkeit ihrem Teller zu, während sie sich über sich selbst ärgerte. Kaum saß sie mit Nero Caracas an einem Tisch, war sie nicht mehr sie selbst, sondern steif und unsicher.

Zur Hölle! Sie war eine erwachsene Frau, die mit beiden Beinen mitten im Leben stand. Entschlossen drehte sie sich zum Prinzen um. Doch bevor sie etwas sagen konnte, wandte sich dieser an Nero: „Ich bin überrascht, dass Sie noch kein Angebot für das beste Pony des Spiels abgegeben haben, Señor Caracas.“

Amanda erstarrte.

„Aber das habe ich“, erwiderte Nero. „Ich würde Misty liebend gern mein Eigen nennen, aber Miss Wheeler scheint Ihre Zweifel zu haben.“

„Zweifel?“ Der Prinz hob seine Brauen und sah Amanda an. „Señor Caracas besitzt eine Ranch in Argentinien. Dort haben die Polopferde bessere Lebensbedingungen als an jedem anderen Ort auf der Welt.“

Neros schwarze Augen funkelten belustigt, als er versuchte, Amandas versteinerten Blick einzufangen.

„Denken Sie noch einmal darüber nach, Miss Wheeler!“, beharrte der Prinz.

„Königliche Hoheit“, Amanda neigte den Kopf, als würde sie zustimmen, aber innerlich schäumte sie vor Wut. Sie würde sich nicht zwingen lassen, ihr Lieblingspony zu verkaufen. Es musste einen Ausweg aus dieser Situation geben, und sie würde ihn finden! Aufgebracht warf sie dem Argentinier einen flammenden Blick zu.

Doch mit seinen nächsten Worten nahm ihr Nero den Wind aus den Segeln. Er erzählte von seinem geplanten Projekt mit Kindern und Jugendlichen, die unter normalen Umständen keine Chance hatten, jemals in ihrem Leben auf einem Pferd zu sitzen. Amanda wusste aus eigener Erfahrung, wie Kinder im Umgang mit Tieren aufblühten.

„Ich möchte, dass die Jugendlichen die Freiheit der Steppe erleben“, erklärte Nero dem Prinzen, „und dass sie sehen, wie das Leben auf meiner Ranch abläuft.“

Das würde ich auch gern, dachte Amanda verträumt.

„Das Projekt besitzt viel Ähnlichkeit mit Ihrer Arbeit, Miss Wheeler“, wandte sich der Prinz an Amanda. „Das passt doch ausgezeichnet. Ich hatte Ihnen ja bereits vor dem Essen vorgeschlagen, Ihren Wirkungskreis ein wenig zu vergrößern. Was halten Sie davon, Nero bei seiner Arbeit in Argentinien zu unterstützen?“

Die beiden haben sich vorher abgesprochen, dachte Amanda erbost, als sie den Triumph in Neros Augen sah.

Irgendwie muss ich mich aus dieser Sache herausreden, dachte Amanda. „Sir, ich kann England leider nicht verlassen – vor allem nicht so kurz vor Weihnachten!“

Doch der Prinz lächelte nur. „Aber Weihnachten in Argentinien ist wundervoll. Denken Sie nur an den Sonnenschein! Ich werde für ein Team sorgen, das Ihre Verpflichtungen in England übernimmt.“

War das Ganze etwa bereits ohne sie entschieden worden? Noch nie in ihrem Leben war es Amanda so schwer gefallen, sich zu beherrschen. Sie biss sich auf die Zunge, um ihre Worte zurückzuhalten. Es wäre unverzeihlich, dem Prinzen zu widersprechen. Vor Verzweiflung sah sie sogar Hilfe suchend zu Nero, doch dieser hob nur eine Braue.

„Sie würden natürlich reichlich für Ihren Einsatz entschädigt werden“, teilte ihr der Prinz mit, als würde dies für sie einen Unterschied bedeuten.

Amanda zuckte beschämt zusammen. „Es geht mir nicht ums Geld, Sir.“

„Stolz ist eine großartige Sache, Miss Wheeler, aber wir alle müssen auch realistisch sein“, erwiderte der Prinz sanft. „Señor Caracas’ Gauchos blicken auf eine jahrhundertealte Tradition zurück. Glauben Sie nicht, dass Sie von ihrem Wissen über die Arbeit mit Pferden profitieren könnten?“

Jeder weitere Widerspruch würde mich böswillig erscheinen lassen, dachte Amanda resigniert. „Das ist sicher richtig, Sir.“ Sie vermied Neros spöttischen Blick.

„Und Sie könnten Misty mitnehmen“, ergänzte der Prinz. Er erwärmte sich sichtlich für das Thema. „Ich bin sicher, Señor Caracas hätte keine Einwände.“

Amanda beobachtete, wie die beiden Männer einen wissenden Blick austauschten. Sie konnte nicht abstreiten, dass sie das Geld und die Gunst des Prinzen brauchen konnte. Und trotzdem … Es gefiel ihr ganz und gar nicht, dass Nero gewonnen hatte!

„Das bedeutet aber nicht, dass ich Ihnen Misty verkaufen werde“, teilte sie dem Argentinier mit.

„Darüber brauchen wir uns jetzt keine Sorgen zu machen“, antwortete Nero gelassen.

„Was halten Sie davon, Miss Wheeler?“, fragte der Prinz mit einem zufriedenen Lächeln.

„Darf ich darüber nachdenken, Sir?“

Der Prinz zögerte.

„Nehmen Sie sich nicht zu viel Zeit“, erwiderte Nero anstelle des Prinzen.

Nach dem Dinner waren die Gäste zu einem Konzert in den Blauen Salon gebeten worden. Amanda hatte die Gelegenheit genutzt, sich in die Waschräume zurückzuziehen, um sich zu beruhigen.

Sie kam sich wie ein Tennisball vor, den Nero und der Prinz meisterhaft zwischen sich hin und her geschmettert hatten. Was sollte sie tun? Ihr stets so sorgfältig geplantes Leben war dabei, völlig außer Kontrolle zu geraten.

Amanda seufzte, dann öffnete sie mit einem Ruck die Tür und trat hinaus – direkt in Neros Arme.

„Hoppla!“, rief der Argentinier amüsiert. Blitzschnell griff er nach ihrem Arm, um sie vor einem Sturz zu bewahren.

„Danke.“ Amanda versuchte, einen Schritt zurückzutreten, doch Neros Finger lösten sich nicht. „Würden Sie mich jetzt bitte vorbeilassen?“ Ihre Haut glühte unter seinen kraftvollen Händen.

Nero ließ sie zwar los, aber er trat nicht zur Seite. „Warum so eilig, Amanda?“

Unwillkürlich sah sie zu ihm auf. Durch die hohen Fenster schien der Mond und tauchte Nero in sein fahles Licht. Der Effekt auf seine tief gebräunte Haut und die schwarzen Locken war atemberaubend. Er sah aus wie ein dunkler Engel.

„Was sollte das ganze Gerede über meine Reise nach Argentinien?“, stellte Amanda eine Gegenfrage, um ihre Unsicherheit zu verbergen.

„Das war kein Gerede, Amanda.“

„Was dann? Ein Versuch, mich zum Verkauf von Misty zu bewegen?“

„Ich zahle jeden Preis.“

Amanda versuchte, ihren rasenden Herzschlag unter Kontrolle zu bekommen. „Ich sage es Ihnen zum letzten Mal: Misty steht nicht zum Verkauf!“

„Auch nicht, wenn der Prinz sie kaufen möchte?“

Erschrocken schnappte Amanda nach Luft.

„Sagen Sie nicht, dieser Gedanke wäre Ihnen noch nicht gekommen!“, murmelte Nero gedehnt. Er wartete einen Moment, bevor er weitersprach. „Aber vielleicht kann ich die Situation für Sie retten.“

Amandas Augen wurden schmal.

„Ach, kommen Sie schon, Amanda! Sie wissen genau, dass Misty bei mir glücklicher wäre als beim Prinzen.“

Schachmatt! dachte Amanda. Jetzt blieb ihr wirklich kein Ausweg mehr. Nero hatte recht. Misty liebte das Spiel, und es war allgemein bekannt, dass der Prinz nur noch selten selbst daran teilnahm.

Amanda konnte ihr geliebtes Pony nicht zum Ruhestand verurteilen, wenn auf der anderen Seite ein Leben in den endlosen Weiten der Steppe und der weltbeste Polospieler auf sie warteten.

„Haben Sie immer noch Zweifel?“ Nero ließ sie nicht aus den Augen.

„Nein!“, log Amanda. „Aber ich wünschte, Sie hätten wenigstens ein paar Skrupel!“

Der Argentinier lachte leise. „Ihre Unschuld ist wirklich anrührend, Amanda. Aber wenn es ums Spiel geht, kenne ich keine Skrupel.“

Aufgewühlt griff sie nach seinem Arm. „Versprechen Sie mir wenigstens, dass Sie den Prinzen heraushalten!“ Als sie die harten Muskeln unter ihren Fingern spürte, ließ sie ihn los, als hätte sie sich verbrannt.

Sie straffte ihre Schultern, um sich an ihm vorbeizudrängen. Doch anstatt zur Seite zu treten, versperrte ihr Nero provozierend den Weg.

„Lassen Sie mich sofort durch!“, schrie Amanda zitternd vor Wut.

„Ich hatte recht!“, murmelte Nero mit einem zufriedenen Lächeln und trat beiseite.

„Womit?“, fragte sie ärgerlich.

„Unter Ihrem Eis lodert Feuer.“

3. KAPITEL

Lautes Türenschließen unterbrach die plötzliche Stille im Flur.

„Offenbar haben wir den Beginn des Konzerts verpasst“, stellte Nero nüchtern fest.

„Was wird der Prinz nur dazu sagen?“, murmelte Amanda.

„Es sieht aus, als wären wir beide in Schwierigkeiten.“ Trotz seiner Worte wirkte Nero nicht im Geringsten besorgt. Entspannt lehnte er sich an die Wand. „Wir können nur unauffällig abwarten, bis das Konzert vorbei ist.“

Gemeinsam mit Dienern und Wachpersonal warteten sie auf dem Korridor, bis sich einige Zeit später die Türen wieder öffneten und die Gäste herausströmten. Zielstrebig steuerte der Prinz auf sie zu, doch anstatt sie für ihr Fernbleiben zu rügen, lächelte er Amanda und Nero an.

„Ich bin sehr froh, dass ich helfen konnte“, erklärte er herzlich. Sein Blick zu Nero ließ keinen Zweifel, wer damit gemeint war. Dann wandte er sich an Amanda. „Ich habe zwar bereits zugestimmt, Schirmherr von Neros Wohltätigkeitsprojekt zu sein, aber ich würde mich freuen, wenn Sie mich in Argentinien repräsentieren würden, Miss Wheeler.“

„Ich, Sir?“, fragte Amanda überrascht.

„Ich kenne niemanden, der besser dafür geeignet wäre“, fuhr der Prinz fort. „Außerdem weiß ich, wie sehr Sie die Arbeit mit Kindern lieben.“

Die Falle war zugeschnappt! Wie konnte sie jetzt noch Nein sagen? Amanda biss sich auf die Lippen, als sie den Triumph in Neros Augen sah. Vergeblich suchte sie nach einem Grund, die Reise doch noch abzulehnen, aber sie durfte den Prinzen nicht vor den Kopf stoßen.

„Es ist mir eine große Ehre, Sir.“ Ihre Stimme klang heiser.

„Wunderbar! Schön, dass wir das geregelt haben.“ Der Prinz lächelte strahlend. „Und jetzt … würden Sie beide mich bitte entschuldigen?“

„Selbstverständlich, Sir.“ Kaum war der Prinz fort, warf Amanda dem Argentinier einen finsteren Blick zu.

„Selbstverständlich werden Sie mein Gast sein“, teilte Nero ihr in geschäftsmäßigem Tonfall mit, während er Amanda leicht am Ellbogen berührte und zum Ausgang führte. „Leben und Arbeiten in der Pampa wird eine ganz neue Erfahrung für Sie sein. Aber mit der Zeit werden Sie lernen, die Steppe zu lieben, davon bin ich überzeugt.“

Mit der Zeit? Amanda schluckte. Mit einem Ruck zog sie ihren Ellbogen zurück. „Ich werde nicht sehr lange bleiben können …“

„Aber lange genug, um das Projekt aufzubauen. Die Kinder brauchen Sie, Amanda!“

„Genau wie ich hier gebraucht werde. Ich habe mein eigenes Projekt, Nero.“

„Sie haben dem Prinzen Ihr Wort gegeben! Wollen Sie es etwa brechen?“

„Ach, seien Sie doch ehrlich: Sie beide haben das Ganze von Anfang an gemeinsam geplant, nicht wahr?“ Wütend blickte Amanda ihn an.

Nero grinste. „Warum so misstrauisch, Amanda?“

„Aus gutem Grund!“

„Ich übernehme persönlich die Verantwortung für Ihre Vertretung hier in England. Sie brauchen sich also keine Sorgen zu machen, weder in finanzieller noch in anderer Hinsicht.“

Amanda schäumte vor Wut über seine gönnerhafte Art. Natürlich hatte sie selbst dafür gesorgt, dass ihr Betrieb reibungslos weiterlief, falls sie einmal durch Krankheit ausfallen sollte.

„Versprechen Sie mir nur, dass mein Hof nicht unter meiner Abwesenheit leiden wird?“, brachte sie mit Mühe heraus.

„Das tue ich.“

„Und sobald das Wohltätigkeitsprojekt angelaufen ist, kann ich wieder nach Hause fahren?“

„Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich Sie länger als nötig auf meiner Ranch behalten möchte.“

Amanda ballte ihre kleinen Fäuste. Nero schaffte es immer wieder, sie mit seinen Worten zu verletzen.

„Warum können Sie nicht sehen, dass bei dieser Zusammenarbeit jeder gewinnt, Amanda?“ Er betrachtete sie eindringlich.

Sie lachte humorlos auf. „Ach ja? Und was genau gewinne ich dabei?“

„Die Gunst des Prinzen. Und Sie behalten Ihr Pony.“

„Ich hatte nie vor, Misty zu verkaufen. Aber was gewinnen Sie bei der Sache? Auf jeden Fall nicht Misty.“

„Misty wird auf meiner Ranch leben, und falls Sie es erlauben, werde ich sie sogar reiten können.“

„Brauchen Sie wirklich meine Erlaubnis?“, entgegnete Amanda spöttisch.

Aber sie musste sich eingestehen, dass sie sich bereits darauf freute, Nero auf ihrem Pony zu sehen, seine lachenden Augen, sein selbstsicheres Lächeln … Rasch verdrängte sie die Vorstellung.

„Vor allem die Jugendlichen werden von Ihrer Entscheidung profitieren, Amanda. Sie brauchen Sie.“ Plötzlich wirkte Nero ernst, und Amanda fragte sich, ob das Projekt vielleicht doch nicht nur eine Falle für sie gewesen war, sondern ihm ernsthaft am Herzen lag.

„Nur wegen der Jugendlichen habe ich Ja gesagt“, erwiderte sie knapp.

„Selbstverständlich.“ Nero lächelte spöttisch. „Welchen Grund könnte es sonst geben, meine Ranch zu besuchen?“

„Ich kann mir jedenfalls keinen vorstellen“, gab Amanda frostig zurück.

Sie hatten den Ausgang erreicht, und einer der Butler öffnete ihnen die breite Flügeltür.

Am Fuß der Treppe blieb Nero stehen. „Was haben Sie jetzt vor?“

„Ich gehe zu meinen Stallungen, um ein letztes Mal nach den Pferden zu sehen.“

In diesem Moment fuhr ein Fahrer Neros schwarzen Geländewagen vor.

„Kann ich Sie mitnehmen? Ich fahre selbst dorthin.“ Nero nahm die Wagenschlüssel in Empfang.

„Danke, aber ich laufe lieber.“

„Im Abendkleid?“

„Der Abend ist schön, und ich brauche etwas frische Luft.“ Amanda hoffte, dass ein Spaziergang ihre Gedanken klären würde.

„Sind Sie sicher?“

„Absolut.“

„Dann gute Nacht.“ Neros schwarze Augen glitzerten. „Ich sehe Sie morgen, wenn wir die Einzelheiten Ihrer Reise besprechen.“

Nach einem letzten Blick zu Amanda stieg Nero in seinen Wagen und fuhr davon. Das Leben war mit einem Mal sehr viel interessanter geworden!

Heute Abend hatte er sehr deutlich gespürt, dass unter der eisigen Oberfläche ein Feuer in Amanda loderte. Doch noch immer fand er ihren Spitznamen sehr treffend.

„Die Eisjungfrau“, murmelte er.

Nero traf nicht oft Frauen, die ihr eigenes Leben führten, ihre eigene Karriere verfolgten und nicht das Geringste von ihm haben wollten. Ironischerweise bemerkte Amanda selbst nicht, wie begehrenswert sie das machte.

Er wollte sie. Daran gab es keinen Zweifel. Heute Abend hatte er gespürt, dass auch Amanda nicht immun gegen seinen Charme war. Und doch wehrte sie ihn so hartnäckig ab.

Doch wo lag das Problem? Er wollte sie, sie wollte ihn, eigentlich könnte die Situation ganz einfach sein. Aber das war sie nicht, und er würde nicht eher ruhen, bis er wusste, was in Amanda vorging.

Nachdem Amanda sich vergewissert hatte, dass in ihren Stallungen alles in Ordnung war, dachte sie an die Pferdepflegerinnen. Einige der jungen Mädchen waren noch immer nicht in ihr Quartier zurückgekehrt, und Amanda beschloss, sich auf die Suche nach ihnen zu machen.

Sie wusste genau, wo sie die Mädchen finden würde. Nach dem Spiel war in einem Festzelt auf dem Gelände ein großer, luxuriöser Nachtklub eingerichtet worden. In den Nachrichten hatte Amanda die Bilder gesehen, und sie konnte die Aufregung ihrer Mädchen verstehen.

Mit Seide in leuchtenden Farben und dramatischen Wasserspielen war das riesige weiße Zelt wie ein arabischer Palast dekoriert worden. In der Mitte des Zeltes hatte man eine Tanzfläche für die Gäste aufgebaut. Selbst Amanda kannte den Namen des Discjockeys, der bis zum Morgengrauen für die Musik sorgen würde.

Schon von Weitem spürte sie den Bass in ihrem Körper. Unbehaglich schüttelte sie den Kopf. Es war nicht ihre Art, Arbeit und Vergnügen zu mischen, und sie hatte heute alle Einladungen zu der Party abgelehnt.

Sie musste über sich selbst schmunzeln, als sie nun doch auf das Zelt zuging. Sie fühlte sich ein bisschen wie eine Glucke, die ihre Küken sicher nach Hause bringen wollte.

Einer der Sicherheitskräfte am Eingang erkannte sie sofort und führte sie direkt in den VIP-Bereich. Die Lautstärke war ohrenbetäubend. Langsam schob Amanda sich durch die Menge. Immer wieder hielten Bekannte sie an, wollten mit ihr plaudern, trinken oder tanzen. Doch Amanda teilte allen kühl mit, dass sie nur aus beruflichen Gründen gekommen war, und suchte weiter nach den Mädchen.

Nach der kühlen Nachtluft war die Hitze im Zelt erstickend. Schon fühlte Amanda sich inmitten der gnadenlos wummernden Musik, dem Stimmengewirr und dem lauten Gelächter ganz verloren. Im Takt der Musik aufblitzende grelle Lichter brannten ihr in den Augen, aber sie suchte entschlossen weiter.

Endlich hatte sie die Mädchen entdeckt! „Amanda!“, riefen sie ihr fröhlich winkend zu.

Bevor sie etwas sagen konnte, fand sie sich auf der überfüllten Tanzfläche wieder. Sie lächelte und hüpfte halbherzig im Takt der Musik. An richtiges Tanzen war nicht einmal zu denken.

Plötzlich wurde ihr bewusst, dass sie noch immer ihr hochgeschlossenes Abendkleid trug, und sie erröte. Zwischen all den modisch gekleideten jungen Leuten kam sie sich wie ein Fremdkörper vor.

Amanda zog eins der Mädchen zu Seite. „Ist bei euch alles in Ordnung?“, versuchte sie die Musik zu übertönen. „Wisst ihr schon, wie ihr nach Hause kommt, oder soll ich euch ein Taxi rufen?“

„Mein Bruder ist auch hier“, erklärte die junge Frau und deutete mit ihrem Kinn zu einem jungen Mann in der Nähe des Ausgangs. „Keine Sorge, Amanda! Amüsiere dich!“ Sie griff nach Amandas Handgelenk und zog sie zurück auf die Tanzfläche.

Warum eigentlich nicht? dachte Amanda fast trotzig, während sie sich umschaute. Jeder hier im Raum war gekommen, um zu feiern. Ein Tanz würde sie bestimmt nicht umbringen, und sie wollte den Mädchen auch nicht die Party verderben.

Zu ihrer eigenen Überraschung spürte Amanda, wie die ausgelassene Stimmung ganz langsam auch sie erfasste. Aber warum verschwand dieses hartnäckige Kribbeln in ihrem Körper nicht? All ihre Instinkte rieten ihr, das Zelt zu verlassen.

Als die Mädchen bemerkten, dass Amanda aufbrechen wollte, scharten sie sich um sie. „Komm schon, Amanda! Du bist doch gerade erst gekommen, du kannst unmöglich gleich wieder gehen!“, drängten sie.

Nervös schaute Amanda immer wieder über ihre Schulter, auch wenn sie nicht einmal wusste, wonach sie Ausschau hielt. Inzwischen hatten die Mädchen sie in ihre Mitte genommen, sodass sie nicht entkommen konnte.

Gegen ihren Willen musste sie lachen. Schließlich gab sie nach und begleitete die jungen Frauen wieder auf die Tanzfläche.

Zu einem besonders mitreißenden Lied warfen die Tänzer ausgelassen ihre Arme in die Luft. Nach kurzem Zögern tat Amanda es ihnen gleich. Sie staunte, wie viel Spaß es machte. Es kümmerte sie nicht, dass ihr strenger Knoten sich löste und ihre Haare über die Schultern fielen.

Lachend warf sie die Locken zurück und versuchte nicht einmal, ihre Frisur wieder in Ordnung zu bringen. Sie war einfach glücklich. Zum ersten Mal seit langer Zeit genoss sie den Augenblick und gab sich ohne Hemmungen der Musik hin.

Doch dann brach alles zusammen.

Hier also amüsierte sich Miss Unnahbar, wenn sie nicht gerade dabei war, all ihre weiblichen Reize zu verstecken. Oder verhielt sie sich etwa nur ihm gegenüber so kühl und distanziert?

Aus schmalen Augen beobachtete Nero, wie Amanda ausgelassen auf der Tanzfläche feierte. Ihr kastanienbraunes Haar fiel weich um ihre Schultern und war genauso beeindruckend, wie er immer vermutet hatte. Selbst das strenge Kleid konnte ihren atemberaubenden Körper nicht länger verbergen.

Die Männer in ihrer Nähe waren ganz offensichtlich ebenso fasziniert von Amanda wie er selbst, doch sie bemerkte gar nicht, welches Aufsehen sie erregte.

Ohne nachzudenken, betrat Nero die Tanzfläche. Die Schar der Tanzenden teilte sich vor ihm wie das Rote Meer. Amanda sah ihn nicht kommen. Mit geschlossenen Augen sang sie lauthals den Text mit, während sie ihre Hüften schwingen ließ und glückselig die Arme ausstreckte, als wollte sie die Zeltdecke berühren.

Eisjungfrau, dachte Nero ironisch. Von wegen!

„Was, zur Hölle, tun Sie hier?“, brüllte er ihr lauthals zu. Mit Vergnügen sah er den Schock in ihren Augen.

„Nero!“

„Ja, ich bin es“, bestätigte er. „Und jetzt weiß ich auch, warum Sie nicht mit mir fahren wollten.“

Amanda tat, als würde sie ihn nicht verstehen, während sie errötend ihr Haar glattstrich. Aber Nero zeigte keine Gnade, sondern zog sie in seine Arme.

„Hey, was soll das?“ Sie versuchte, ihre übliche Gelassenheit wiederzufinden, doch als er ihren Körper an seinen presste, spürte sie mit aller Macht, wie sehr sie diesen Mann begehrte. Sie schrie leise auf und versuchte sich zu befreien, aber er hielt sie nur umso fester.

Amanda rückte, so gut es ging, von ihm ab, sodass sich wenigstens ihre Unterkörper nicht mehr berührten. „Sie verstehen nicht …“

„Oh, ich denke doch.“ Als die schnelle Musik in einen langsamen Tanz überging, zog Nero sie wieder näher. „Auf Situationen wie diese verstehe ich mich sogar besonders gut.“

„Ich meine, Sie verstehen mich nicht“, entgegnete Amanda. Plötzlich war sie wieder steif wie ein Brett. „Das ist nicht, wonach es aussieht …“

„Es ist genau das, wonach es aussieht“, gab Nero zurück.

„Ich bin nur hier, um …“

„Um nach den Pferden zu sehen?“, schlug Nero täuschend sanft vor.

„Ich habe mir Sorgen um meine Mädchen gemacht“, rief Amanda ärgerlich. „Nicht, dass es Sie etwas anginge, was ich in meiner Freizeit tue.“

„Wenigstens jetzt noch nicht.“

Neros starke Hände lagen auf ihrem Arm und ihrer Hüfte, und es fiel ihr schwer, einen klaren Gedanken zu fassen. Wie anders er heute Abend aussieht! dachte sie benommen.

Er hatte keine Ähnlichkeit mehr mit dem perfekten Aristokraten im Maßanzug. Mittlerweile hatte er sich umgezogen und trug ein enges T-Shirt zu verwaschenen Jeans, unter denen sich seine harten Oberschenkelmuskeln abzeichneten.

Kein Wunder, dass die Menge sich vor ihm geteilt hatte! Er sah wie ein Krieger aus, bereit zum Kampf. Das T-Shirt betonte seine breiten Schultern und die beeindruckenden Oberarme. Sein dichtes schwarzes Haar fiel ihm in die Stirn, und der dunkle Bartschatten gab ihm etwas Verwegenes.

Mühsam riss Amanda ihren Blick von ihm los. Wieso war sie nicht direkt nach Hause gegangen? Ein einziger Tanz hatte das ganze Bild zerstört, das sie so mühsam von sich aufgebaut hatte.

„Und warum sind Sie hier?“, fragte sie schließlich herausfordernd. Sie musste versuchen, ihn von sich abzulenken. „Wollen Sie sich ein bisschen amüsieren, Nero?“

„Ich habe Sie gesucht“, gab er zurück. „Ich hatte gedacht, Sie wären bei den Ställen und treffen Vorbereitungen für die morgige Reise. Können Sie sich vorstellen, wie überrascht ich war, als einer der Stallburschen mir gesagt hat, wo Sie sind?“ Er hob die Brauen und presste sie enger an sich. „Um keinen Preis der Welt hätte ich dies verpassen wollen“, flüsterte er in ihr Ohr, als sie nach Luft schnappte. „Feuer statt Eis!“

„Ich habe mit meinen Freunden getanzt“, protestierte Amanda wütend.

Nero schaute in die Runde und sah, wie die Männer ringsum sie mit offenen Mündern anstarrten. Er war sicher, dass sie zum ersten Mal erlebt hatten, dass Amanda aus sich herausgegangen war. „Ich hätte nie gedacht, Sie ausgerechnet hier anzutreffen“, murmelte er. „Ich hatte Sie eher auf einem unschuldigen Spaziergang in der klaren Nachtluft vermutet.“

Er liebte es, wie Amanda sich in seinen Armen wand. Sie ballte sogar ihre kleinen Fäuste, als wollte sie ihn schlagen, doch dann überlegte sie es sich offenbar anders und ließ ihre Hände wieder sinken. Ganz langsam wurde sie weicher in seinen Armen.

„Das ist besser“, sagte er leise, als sie begann, sich im Takt der Musik zu bewegen.

„Denken Sie bloß nicht, ich würde mit Ihnen tanzen, weil es mir Spaß macht!“

„Natürlich nicht“, gab Nero bereitwillig nach und wiegte sie in seinen Armen.

Noch nie in ihrem Leben hatte Amanda sich so bloßgestellt gefühlt! Wie oft in ihrem Leben ließ sie sich schon gehen? Aber ausgerechnet Nero musste sie dabei entdecken, wie sie ausgelassen dieses dumme, schlüpfrige Lied laut mitgesungen hatte!

Und wo blieb überhaupt dieses unangenehme Gefühl, wenn ein fremder Mann sie berührte? Im Moment konnte sie nicht das Geringste davon spüren. Im Gegenteil: Nero fühlte sich unglaublich gut an.

Irgendwann verstummte die Musik. Amanda wartete darauf, dass Nero sie endlich losließ. Aber anstelle dessen sah er sie an, er als wollte er sie küssen. Erwartungsvoll senkte sie die Lider und holte tief Luft.

„Bis Morgen, Amanda.“

Verwirrt öffnete sie die Augen. Von Nero war nichts mehr zu sehen, doch die Leute um sie herum starrten sie unverhohlen an.

So unauffällig wie möglich verließ sie die Tanzfläche. Nero spielte mit ihr! Aber sie konnte niemandem außer sich selbst die Schuld daran geben.

Sie hätte jederzeit gehen können. Warum, in aller Welt, war sie geblieben?

4. KAPITEL

Am nächsten Morgen rief Nero im Morgengrauen an. Auf dem Reiterhof ging der Tag früh los, und Amanda hatte bereits die Pferde versorgt.

„Ja!“, meldete sie sich kühl. Es war leichter, mit ihm zu telefonieren, als ihm direkt gegenüberzustehen.

„Die Reisepläne“, gab Nero ebenso kurz angebunden zurück.

„Ich höre.“ Nach gestern Nacht hätte es Amanda nicht überrascht, wenn er ohne ein einziges Wort abgereist wäre. Doch wieso war sie nun erleichtert?

„Sie reisen mit mir gemeinsam nach Argentinien“, informierte er sie. „Die Pferde kommen später nach, wenn ich dafür gesorgt habe, dass alles für sie vorbereitet ist.“

Spiele ich auch eine Rolle in seinen Plänen? fragte sich Amanda. Aber bevor sie ihn fragen konnte, sagte er abschließend: „Wir werden einen Zwischenstopp in Buenos Aires einlegen. Dort können Sie sich von dem Flug erholen, bevor wir zu meiner Ranch weiterreisen. Also, bis morgen dann.“

Ärgerlich steckte Nero sein Telefon zurück in die Jackentasche. Er konnte nicht leugnen, dass gestern Nacht die Funken zwischen ihnen geflogen waren, aber er würde ihr nicht verzeihen!

Wie eiskalt Amanda ihn im Schloss und in den Stallungen behandelt hatte! Nur um sich kurz darauf auf die Tanzfläche zu stürzen und hemmungslos, von Männern umringt, die Seele aus dem Leib zu tanzen.

Er würde sein Wort halten und ihren Geschäftsvereinbarungen nachkommen, aber das war alles.

Zwischenstopp? wiederholte Amanda im Stillen. Wie würde dieser Aufenthalt aussehen? Unwillkürlich fragte sie sich, ob Nero in Buenos Aires bei ihr sein würde.

Um auf andere Gedanken zu kommen, beschloss sie, ein letztes Mal mit den Mädchen zu frühstücken. Langsam ging sie zurück zu der kleinen Pension, in der sie und die Pferdepflegerinnen während der Polosaison wohnten. Die übernächtigten jungen Frauen saßen bereits im Frühstückszimmer am Tisch und sahen Amanda aus geröteten Augen entgegen.

Ich bin nur für ein paar Wochen weg, versicherte sie sich immer wieder, doch das half auch nicht gegen ihre wehmütige Abschiedsstimmung.

Wenn ich nur wüsste, was Nero von mir denkt, überlegte Amanda, während sie ihren Koffer packte und auscheckte. Gestern Nacht hatte er ihr deutlich gezeigt, wie sehr er ihr Verhalten missbilligte. Dennoch hatte sie deutlich gespürt, dass ein Funke übergesprungen war.

Als Amanda die Treppe zu Neros Privatjet hinaufstieg, hatte sie das Gefühl, als würde sie ihr vertrautes Leben zurücklassen. Nicht nur ein Flugzeug wartete auf sie, sondern eine ganz neue, unbekannte Welt.

Eine Stewardess führte sie durchs Flugzeug, während Nero zum Piloten ins Cockpit ging. Die Einrichtung war luxuriös und bequem. Dicke cremefarbene Teppiche, helle Ledersessel – alles wirkte wie in einem teuren Hotel.

„Señor Caracas besitzt eine eigene Kabine, aber es gibt vier weitere für Gäste“, erklärte die Stewardess mit einem freundlichen Lächeln. „Sie können sich aussuchen, welche Ihnen am besten gefällt.“

Amanda hatte sich noch nicht von dieser Information erholt, als ihr die Stewardess mitteilte, dass Señor Caracas sie erst am nächsten Morgen zum Frühstück erwartete. „Wenn Sie in der Zwischenzeit irgendetwas brauchen, können Sie ihn jederzeit anrufen.“

Ging Nero ihr aus dem Weg? Bei dem Gedanken und der Erinnerung an gestern Nacht stieg ihr vor Scham das Blut in die Wangen. Hätte sie sich nur niemals so gehen lassen! Dabei war so ein Verhalten gar nicht ihre Art!

Aber ich habe nichts falsch gemacht, versicherte Amanda sich selbst. Und sie sollte sich von Neros Launen nicht den Spaß verderben lassen. Ihre Kabine war zwar klein, aber mit poliertem Holz und blütenweißer Leinenbettwäsche wunderschön ausgestattet.

Amanda dankte der Stewardess. Sobald sie allein war, nahm sie sich vor, nicht länger an die vergangene Nacht zu denken. Die Reise nach Argentinien war nur eine kurze, faszinierende Episode. Schon bald würde sie zu ihrem alten Leben zurückkehren und so weitermachen, als wäre sie Nero niemals begegnet.

Doch dieser gute Vorsatz bewahrte sie nicht vor einer schlaflosen Nacht. Nachdem sie sich stundenlang in ihrem Bett hin und her gewälzt hatte, gab sie auf. Sie stand auf, duschte und zog Jeans und eine langärmelige Bluse an. Dann machte sie sich auf die Suche nach dem Frühstück.

Nero saß bereits am großen Tisch im Salon. Auch er trug Jeans. Sein dichtes Haar war noch feucht vom Duschen. Als Amanda eintrat, faltete er seine Zeitung und legte sie auf den Tisch.

„Guten Morgen“, grüßte er höflich. Mehr nicht.

Amanda warf ihm verstohlen einen Blick zu, als sie bei der Stewardess ihr Frühstück bestellte. Nero beherrschte perfekt die Kunst des vielsagenden Schweigens. Schon wieder spürte sie, wie sich ihre Wangen röteten.

Er musste auf der Tanzfläche doch gespürt haben, dass sie auf seinen Kuss gewartet hatte. Offenbar fühlte er seine Überlegenheit jetzt umso stärker. Aber was hatte sie schon getan, außer sich in ihrer Freizeit zu amüsieren? Er hatte kein Recht, sie dafür zu verurteilen.

Amanda bemerkte nicht, wie Nero sie gedankenvoll musterte.

Heute Morgen war sie wieder ausgesprochen züchtig gekleidet. Ihr Haar trug sie in einem strengen Knoten, und sie hatte kein Make-up aufgelegt. Dachte sie etwa, nur so wäre sie vor ihm sicher? Was hatte sie erwartet? Dass er sofort über sie herfallen würde?

Nun, da brauchte sie sich keine Sorgen zu machen! Er hatte ihre Botschaft verstanden. Klar und deutlich. Sie musste ihn also nicht extra daran erinnern. Wozu auch? Er war nicht einmal an ihr interessiert!

Falsch! Ich bin interessiert, musste Nero sich eingestehen. Genau das war das Problem. Und je mehr Spielchen Amanda mit ihm trieb, desto größer wurde sein Interesse.

Amanda stieg aus dem Flugzeug und sah sich neugierig um. Nachdem sie alle aktuellen Reiseführer über Argentinien gelesen hatte, wusste sie immer noch nicht das Geringste über Neros Ranch. Sie konnte kaum erwarten, endlich mit eigenen Augen zu sehen, wo er lebte.

Zum ersten Mal in ihrem Leben genoss sie die Vorzüge eines privaten Flugs. Ihre Ausweise waren bereits im Flugzeug kontrolliert worden, und auf dem Rollfeld wartete eine elegante schwarze Limousine auf sie.

Für einen Moment blieb Amanda stehen und spürte die Sonne auf ihrer Haut. Nach der Londoner Kälte genoss sie die wunderbar warme Luft. Am leuchtend blauen Himmel zeigte sich keine Wolke, und als sie langsam die Treppe hinunterstieg, sog sie tief den würzigen Duft Argentiniens ein.

Zu ihrer Überraschung winkte Nero den Chauffeur fort, der vor der Limousine wartete, dann öffnete er selbst die Beifahrertür für Amanda. Sobald sie es sich in dem weichen Ledersitz bequem gemacht hatte, schloss er die Tür und setzte sich selbst hinter das Steuer.

Staunend sah sie zu, wie er ungehindert die Absperrungen passierte, als würden sie gar nicht existieren. Sobald die Männer hinter den Schranken Nero erkannten, beeilten sie sich, zu öffnen. Die Wachen salutierten, als würden königliche Hoheiten in der Limousine sitzen.

Das ist vielleicht gar nicht so weit von der Wahrheit entfernt, überlegte Amanda. Sie warf Nero einen raschen Seitenblick zu. Der König des Polospiels sah heute Morgen noch beeindruckender als üblich aus. Dunkel und gefährlich wie ein Prinz der Finsternis. Trotz ihrer besten Vorsätze konnte sie nicht verhindern, dass ihr Herz bei seinem Anblick rascher schlug. Welche Frau hatte nicht ab und zu Lust auf ein wenig Gefahr?

„Schnallen Sie sich heute auch noch mal an?“

Amanda fuhr zusammen, als Neros raue Stimme ihre schlüpfrigen Gedanken unterbrach. Ohne ein Wort befestigte sie den Sicherheitsgurt.

Geschieht mir recht! schalt sie sich in Gedanken. Ein Mann wie Nero war etwas für erfahrene Vollblutfrauen. Sie selbst sollte lieber bei ihren Ponys im Stall bleiben, damit kannte sie sich wenigstens aus.

Mit hohem Tempo fuhr Nero über die Schnellstraße in Richtung Stadt, doch Amanda war nicht nur wegen der Geschwindigkeit angespannt. Sie hätte nur die Hand ausstrecken müssen, um ihn zu berühren. All ihre Sinne waren erwacht, und vergeblich versuchte sie die Erinnerung an den gemeinsamen Tanz zu verdrängen. Wie gut und sicher sie sich in Neros starken Armen gefühlt hatte!

Er dagegen schien sich nicht im Geringsten für sie zu interessieren. Er brach das Schweigen nur, um ihr mitzuteilen, dass er für sie ein Zimmer in einem Hotel in Buenos Aires gebucht hatte. Dort konnte sie sich von dem langen Flug erholen.

„Danke“, murmelte Amanda.

Offensichtlich wollte Nero sich nicht mit ihr unterhalten, und sie war es nicht gewohnt, mit Männern zu plaudern. Zwar interessierten sie sich beide für Pferde, aber ohne den Prinzen, der ihr die Stichworte gab, fiel ihr nichts ein, was sie hätte sagen können.

Nero fuhr den Wagen, wie er Polo spielte: schnell und mit großem Selbstvertrauen. Immer wieder musste Amanda ihn anschauen. Er sah aus wie die Verkörperung des feurigen Liebhabers. Sein Bart hatte den Kampf gegen den Rasierer gewonnen. Auch heute trug er enge Jeans, und aufgerollte Hemdsärmel gaben den Blick auf seine muskulösen Oberarme frei.

Wie wird es sein, mit ihm zu arbeiten? fragte sich Amanda. Alles in seinem Leben ging nach seinen Wünschen und Vorstellungen. Sie war gespannt, was passieren würde, wenn er mit einer Frau zusammenarbeitete, die eine ebenso klare Vorstellung von ihrer Arbeit hatte.

Als sie die Randbezirke der Stadt erreichten, säumten verfallene Hütten die Straße. Beim Anblick der riesigen Elendsviertel vergaß Amanda ihre Sorgen. Plötzlich verstand sie noch besser, wie wichtig es Nero war, junge Leute in Not zu unterstützen. Ich werde Seite an Seite mit ihm kämpfen! nahm sie sich vor. Das Projekt war es wert, ihre eigenen Gefühle zurückzustellen.

„Das ist Villa 31“, erklärte Nero, als er Amandas Interesse an ihrer Umgebung bemerkte. „Diese Siedlung besteht seit über fünfzig Jahren und wächst mit jedem Tag. Aber zerbrechen Sie sich deshalb nicht den Kopf. Auf uns wartet mehr als genug Arbeit.“

Er blickte starr geradeaus, während er weiterfuhr. Amanda spürte seine Nachdenklichkeit.

Am späten Nachmittag erreichten sie die Innenstadt von Buenos Aires. Prunkvolle Altbauten wechselten sich mit atemberaubenden Hochhäusern ab, als wollten sie sich gegenseitig mit ihrem Glanz überstrahlen. Dies ist eine ganz andere, romantische Seite der Stadt, dachte Amanda, als sie staunend aus dem Fenster schaute. Kein Wunder, dass Buenos Aires als Paris von Südamerika bekannt war.

Langsam versank die Sonne hinter den Dächern und tauchte die Stadt in ein rotes Licht. Mit jeder Minute, die Nero in seiner Heimat verbrachte, schien er noch mehr Energie und Kraft zu gewinnen. Amanda wusste nicht, ob seine Stimmung ansteckend war oder ob es an dem aufregenden neuen Land lag, aber noch nie in ihrem Leben war sie so voller Vorfreude gewesen.

„Die Stadt besitzt unendlich viel Schönheit“, sagte Nero leise, als er an einer roten Ampel halten musste. „Sie werden es noch selbst erleben, Amanda.“ Für einen langen Moment schaute er sie an. „Sehen Sie den Obelisken dort drüben.“ Er deutete auf ein hell erleuchtetes Monument, das schlank wie ein Pfeil bis in den Himmel zu reichen schien. „Er wurde zum vierhundertjährigen Stadtjubiläum errichtet. Argentinien ist ein Land voller Kontraste und großer Leidenschaften.“

Die Leidenschaft kannte Amanda bereits, aber als sie den Stolz in seiner Stimme hörte, wurde sie fast neidisch. Wie schön musste es sein, sich so sehr als Teil eines Landes zu fühlen.

Sie war froh, dass Nero endlich wieder mit ihr sprach. Vielleicht konnten sie hier in Argentinien ihre Schwierigkeiten überwinden und noch einmal ganz von vorn anfangen.

„Alles hier ist so gewaltig“, murmelte sie und riss ihren Blick von dem phallischen Obelisken los.

Lag es an Nero, dass ihre Gedanken alle nur in eine Richtung gingen? Erleichtert betrachtete sie ein romantisches und vollkommen unverfängliches Schloss, das sie an Paris erinnerte.

„Das ist die französische Botschaft“, erklärte Nero. „Ein fantastisches Beispiel für die Architektur der Belle Epoque, nicht wahr?“

Amanda nickte. Sie war froh, dass sie endlich ein harmloses Gesprächsthema gefunden hatten.

Bald hatten sie die Innenstadt hinter sich gelassen. Staunend sah Amanda aus dem Fenster und bewunderte die malerischen Gebäude in den verwinkelten Straßenzügen.

Nero warf ihr einen Blick zu. „Ich dachte, dass Ihnen die Gassen mit dem alten Kopfsteinpflaster und die unkonventionelle Atmosphäre gefallen würden.“

Erlaubt er sich einen Scherz mit mir, oder meint er das ernst? fragte sich Amanda, als sie die unzähligen Bars und kleinen Geschäfte in den Straßen betrachtete. Bei ihm wusste sie nie, woran sie war.

„Was sagen Sie, Amanda? Gefällt es Ihnen hier?“

„Auf jeden Fall ist es faszinierend.“ Sie sehnte sich danach, auszusteigen und durch die Straßen zu streifen.

„Hier sind wir!“ Nero steuerte den Wagen geschickt in eine Parkbucht vor einem kleinen Boutique-Hotel. „Ich habe dieses Hotel gewählt, weil es weit genug vom Lärm der Stadt entfernt ist, damit Sie in Ruhe schlafen können. Und doch finden Sie hier bestimmt genug Gelegenheiten, sich zu amüsieren, falls Ihnen wieder einmal danach zumute sein sollte“, fügte er mit einem Augenzwinkern hinzu.

„Ich bin viel zu aufgeregt, um zu schlafen“, gab Amanda zurück und wich Neros anzüglichem Blick aus.

Ungeduldig wartete sie darauf, dass sie aus dem Wagen steigen konnte. Nero war ihr entschieden zu nah! In jeder Sekunde war sie sich überdeutlich seiner Gegenwart bewusst. Immer wieder musste sie auf seine kraftvollen Hände auf dem Lenkrad schauen, auf sein markantes Kinn und seinen schön geschwungen Mund.

Endlich stellte er den Motor ab.

„Vielen Dank fürs Herbringen“, erklärte Amanda und bemühte sich dabei, möglichst selbstbewusst zu klingen.

Für einen viel zu langen Moment sah er ihr daraufhin in die Augen.

Dieser Blick! seufzte sie still, während Nero ausstieg, um ihr die Autotür zu öffnen. Wann würde sie endlich lernen, damit umzugehen?

Sie hatte sein leises ironisches Lächeln genau gesehen. Nach ihrem Auftritt im Nachtklub dachte er offensichtlich, sie wäre leichte Beute und würde ihm die kühle Art nur vorspielen.

Was das Vorspielen betraf, hatte er vollkommen recht – sie spielte ihm etwas vor. In einem fremden Land, zusammen mit einem Mann, den sie kaum kannte, fühlte sie sich verletzlich. Erst auf Neros Ranch, wenn sie mit ihren Pferden in einer vertrauten Umgebung arbeiten konnte, würde sie sich wieder vollkommen sicher fühlen.

Für einen Moment blieb Amanda auf dem Kopfsteinpflaster stehen und genoss die warme, nach Blüten duftende Abendluft. Aus der Ferne hörte sie leise Musik. Dies war noch schöner als das Buenos Aires ihrer Träume. Und tanzte dort wirklich ein Paar auf der Straße?

„Tango, das Herzblut Argentiniens“, erklärte Nero mit seiner tiefen, leicht heiseren Stimme. Amandas Herz raste so schnell und hart, dass sie fürchtete, Nero könnte es hören. Schnell trat sie einen Schritt zurück. Sie musste einen kühlen Kopf bewahren!

Dies war erst der Anfang ihres argentinischen Abenteuers, und der Verlauf dieser Reise versprach so aufregend und überraschend zu werden wie Neros Heimatland.

5. KAPITEL

„Gute Nacht.“ Amanda nickte Nero kühl zu und stieg die Treppe zum Hoteleingang hinauf. Auf keinen Fall durfte er merken, wie sehr sie ihn begehrte.

Hartnäckig hielt sie ihren Blick auf die breite Holztür gerichtet. Nero hatte das Hotel perfekt ausgewählt. Zusammen mit dem Tangotanz in den Straßen verliehen die alten Kolonialbauten diesem Viertel einen unwiderstehlichen Charme.

Sie schnappte nach Luft, als Nero sie zurückhielt.

„Wollen Sie nicht noch bleiben und den Tänzern zuschauen?“

Unwillkürlich sah Amanda zu dem Paar, das selbstvergessen im Licht der Straßenlaternen tanzte. Versunken in der erotischen Welt des Tangos, schauten sie einander verliebt in die Augen. Dies ist wohl die schönste Art, miteinander zu tanzen, dachte Amanda.

„Etwas weiter die Straße hinunter ist eine Milonga, ein Tanzlokal, sogar ein sehr bekanntes“, erklärte Nero. „Bestimmt üben die beiden für Ihren Auftritt heute Abend.“

„Ich würde sie gern tanzen sehen“, murmelte Amanda, fasziniert vom Können des Paares.

Die zierliche Tänzerin hatte sich so weit in den Arm ihres Partners zurückgelehnt, dass ihr langes Haar fast das Pflaster berührte. Ihr tief ausgeschnittenes, dramatisches Kleid schien eigens für eine lange Tanznacht gemacht.

Wie sie die Frau um ihr Selbstvertrauen und ihren perfekten Stil beneidete! Die Tänzerin trug die höchsten Absätze, die man sich vorstellen konnte. Ihr Kleid war nur ein Hauch von schwarzer Seide und umschmeichelte ihren schönen dunklen Körper.

Der Mann war größer, aber genauso schlank und kraftvoll. Er führte seine Partnerin, als würde er allein ihren Tanz bestimmen, bis sie dann plötzlich ihre Beine um ihn schlang. Amanda verstand die Botschaft sofort: Eine Frau mit dem nötigen Selbstvertrauen konnte jeden Mann zähmen.

Richtig, dachte sie. Aber nicht ich. Nicht diesen Mann. Sie warf Nero einen verstohlenen Seitenblick zu und seufzte leise. Dann wandte sie sich um und folgte dem Kofferträger ins Hotel.

„Wollen Sie später mit mir zum Tanz gehen?“

Amanda stoppte abrupt. Sie musste sich verhört haben! Mit zitternden Knien drehte sie sich um. „Entschuldigung, was haben Sie gerade gesagt?“

„Aber vielleicht sind Sie ja zu müde, um heute Abend noch auszugehen“, sagte Nero mit einem ironischen Lächeln und sah sie herausfordernd an.

Bei Amanda leuchteten alle Warnsignale auf. Aber war es nicht genau das, was sie gewollt hatte?

Sie sehnte sich danach, mehr von Buenos Aires zu sehen. Und Nero hatte selbst gesagt, der Tango wäre das Herzblut der Stadt.

„Solange ich nicht selbst tanzen muss“, erwiderte sie.

„Keine Sorge. Ich habe Sie schon tanzen sehen“, gab er trocken zurück. „Dann hole ich Sie um zehn Uhr ab.“

Was habe ich nur getan? fragte sich Amanda, während sie zusah, wie Nero in seinen Wagen stieg und losfuhr. Nur eins war sicher: Dieses Spiel war viel anspruchsvoller als alles, was sie bisher erlebt hatte.

Als Amanda in ihrem Zimmer die Koffer auspackte, wurden ihre Probleme nur noch größer.

Sie hatte ausreichend Reitkleidung eingepackt, einen alten, wenig schmeichelhaften Badeanzug, der mehr bedeckte als enthüllte, dazu Jeans, Turnschuhe, Stiefel, einen Stapel T-Shirts, vernünftige Unterwäsche und einige Pullover. Und für den Fall, dass sie einen offiziellen Termin wahrnehmen musste, hatte sie in der letzten Minute noch einen adretten engen Rock, Schuhe mit breiten Absätzen und eine maßgeschneiderte Bluse in den Koffer gesteckt, dazu eine passende Jacke.

Für ein Meeting wäre sie damit perfekt gekleidet. Doch ein Tango-Kleid war das bestimmt nicht!

Aber wozu brauche ich ein Tango-Kleid? rief Amanda sich rasch zur Ordnung. Als würde sie heute Abend tanzen!

Für einen Augenblick erinnerte sie sich wieder daran, wie sie in Neros Armen gelegen hatte. Schnell verdrängte sie den Gedanken, aber sie konnte nicht verhindern, dass ihr Herz rascher schlug.

Das schwarze Kostüm war perfekt! Schließlich war Nero ihr Boss. Während Amanda ihr Haar ordentlich im Nacken zusammenband, versuchte sie, ihre Vorfreude zu unterdrücken. Ihre Verabredung war nicht mehr als ein Geschäftstreffen.

Nach einem letzten Blick in den Spiegel atmete sie noch einmal tief durch, dann ging sie in die Halle hinunter.

Als sie Nero entdeckte, blieb sie verblüfft stehen. Um ihn herum drängten sich Menschen, während er gelassen an der Wand lehnte und wie ein Filmstar Autogramme unterzeichnete.

Amanda wurde noch deutlicher bewusst, dass sie dieser Situation nicht gewachsen war. Jetzt war sie dankbar für ihre formelle Kleidung. In diesem Aufzug würde sie wenigstens keiner für Neros Freundin halten. Bestimmt würde sie es sogar schaffen, sich unbemerkt aus dem Hotel zu schleichen.

„Amanda?“

Falsch gedacht! Im nächsten Moment stand Nero dicht hinter ihr. Wieder wurde ihr bewusst, wie groß er war. Sein muskulöser Körper schirmte sie gegen seine Fans ab. Jeder schien etwas von ihm zu wollen. Doch Nero sagte einige Worte auf Spanisch, und mit einem gemeinschaftlichen Seufzer zogen sich seine Bewunderer zurück.

„Was haben Sie zu ihnen gesagt?“, fragte Amanda beeindruckt.

„Ich habe ihnen erklärt, dass Sie hier sind, um tanzen zu lernen.“ Nero zuckte mit den Schultern. „Und dass in Ihrem Heimatland Tango fast unbekannt ist. Sie haben sofort verstanden, dass ich Mitleid mit Ihnen habe und Ihnen helfen möchte.“

Darauf wette ich! dachte Amanda. Sie hob das Kinn, als Nero die Tür für sie aufhielt. Während sie möglichst gelassen an ihm vorbeiging, bemühte sie sich um einen geschäftsmäßigen Gesichtsausdruck,

Heute Abend würde sie ganz bestimmt nicht die Tanzfläche betreten!

Die Milonga lag im obersten Stock eines Altbaus. Sobald sie das Haus betreten hatten, lockte sie der berauschende Rhythmus der Musik immer weiter nach oben. Das Treppenhaus verströmte maroden Charme, doch die bunten Kacheln leuchteten noch wie vor hundert Jahren.

Das gesamte Dachgeschoss war zu einem Tanzlokal ausgebaut worden. Unzählige Kerzen erhellten den Raum und tauchten ihn in ein goldenes Licht. Der Duft von Wachs mischte sich mit schweren Parfums, aber noch etwas anderes lag berauschend und verführerisch in der Luft. Leidenschaft! Schnell schob Amanda den Gedanken beiseite.

An den Wänden waren kleine Tische mit Stühlen verteilt, an denen die Gäste essen und trinken konnten. Aber im Moment dachte keiner im Saal ans Essen. Auf der Tanzfläche machte sich gerade das erste Paar bereit und zog die gesamte Aufmerksamkeit auf sich.

Der Raum war bereits bis auf den letzten Platz gefüllt, aber als Nero einem der Kellner etwas ins Ohr flüsterte, wurden sie rasch zu einem freien Tisch geführt. Amanda konnte ihren Blick nicht von dem Geschehen auf der Tanzfläche lösen. Sie stolperte und wäre gefallen, wenn Nero sie nicht mit festem Griff gehalten hätte.

„Setzen Sie sich, Amanda!“, ordnete er an.

Sie ließ sich auf den harten Holzstuhl sinken. Ihre Haut prickelte noch von seiner Berührung. Unwillkürlich rieb sie ihren Arm, während sie fasziniert zu den Tänzern starrte.

Dies war keine prunkvolle, glitzernde Veranstaltung, wie sie im Fernsehen geboten wurde. Die Sinnlichkeit, die das Paar auf der Tanzfläche ausstrahlte, war echt und so schamlos erotisch, dass Amanda ein Schauer über den Rücken lief. Beim ersten Klang des Akkordeons war sie von der besonderen Atmosphäre gefangen.

Die beiden Tänzer sahen einander unverwandt an, während sie sich geschmeidig zum Takt der Musik bewegten. Von einer Sekunde auf die andere wechselten ihre langsamen, katzenhaften Bewegungen und waren plötzlich wild und aggressiv. Die Schritte beschleunigten sich mit dem Rhythmus der Musik.

Als würden sie alle Facetten einer Liebesbeziehung in ihren Tanz legen, zeigten die beiden brodelnde Leidenschaft, dann Kühle, dann wieder sanfte Zärtlichkeit. Mit einem einzigen glühenden Blick stieß die Frau den Mann von sich, nur damit er sie in der nächsten Bewegung wieder hart an sich zog. Für genau diese Vorstellung waren die begeisterten Zuschauer hergekommen.

So leidenschaftlich könnte auch mein Leben sein, ging es Amanda durch den Kopf.

„Was möchten Sie trinken?“, riss Neros Stimme sie unsanft aus ihren Träumereien.

„Wasser, bitte.“ Sie musste heute Abend einen klaren Kopf behalten.

Die Darbietung auf der Tanzfläche trieb ihr die Röte in die Wangen. Unbehaglich rutschte sie auf ihrem Stuhl hin und her. Für die erste Verabredung mit ihrem Boss hätte Amanda sich eine weniger erotisch aufgeladene Umgebung gewünscht.

Mein Boss … wiederholte sie im Stillen. Es könnte schlimmer sein, dachte sie mit einem Anflug von Galgenhumor, während sie ihn unauffällig betrachtete.

Heute Abend trug Nero enge schwarze Hosen zu einem blütenweißen Hemd, dazu schwarze, auf Hochglanz polierte Schuhe. Seine schmalen Hüften wurden durch einen Ledergürtel betont. Er ist wie ein Tänzer gekleidet! wurde Amanda mit einem Anflug von Panik klar.

„Tanzen Sie auch?“, fragte sie, als nach dem Finale des Tanzpaares brausender Applaus einsetze. Ihre Stimme zitterte leicht.

„Ich liebe es!“, sagte Nero mit einem bedeutsamen Lächeln und stellte sein Weinglas auf den Tisch. „Wie jede Betätigung mit Körpereinsatz.“

Daran zweifelte Amanda nicht. Sie schluckte, als ein atemberaubend schönes junges Mädchen auf ihren Tisch zusteuerte. Hatte Nero sie darum hierhergebracht? Damit sie begriff, dass sie mit all diesen wunderschönen Frauen nicht mithalten konnte? Wollte er sie aus Rache demütigen, weil sie ihm Misty nicht verkauft hatte?

Amanda krampfte die Hände um ihr Glas. Als das Mädchen noch näher kam, sprang sie auf. Huch, was tue ich da? dachte ein Teil von ihr erschrocken. Der andere rief Nero laut zu: „Ich will tanzen!“ In einem Moment der Stille hallte ihre Stimme durch den Raum.

Alle Leute starrten sie an. Wie deplatziert sie in ihrem strengen Kostüm aussehen musste.

„Amanda?“

Groß und eindrucksvoll stand Nero vor ihr und reichte ihr die Hand. Während Amanda dem mitreißenden Rhythmus der Musik lauschte, machte sie eine kurze Bestandaufnahme: Ihr Rock war an der Rückseite geschlitzt, und alles, was bedeckt sein sollte, war bedeckt. Es konnte losgehen! Sie hob ihr Kinn und setzte den hochmütigen Blick einer Tangotänzerin auf.

„Sind Sie sich wirklich sicher?“, murmelte Nero, während er ihr auf die Tanzfläche folgte.

Sein warmer Atem kitzelte ihr Ohr. „Absolut sicher!“, flüsterte sie zurück.

Ich muss wahnsinnig sein! dachte sie. Sie war sich über gar nichts sicher. Aber immerhin hatte sie damals in der Schule alle Mädchen beim Schottischen Tanz übertroffen.

„Na dann …“ Nero zog Amanda mit einem Ruck an sich. Im Dämmerlicht des Klubs sah er finsterer und bedrohlicher aus als je zuvor.

Als Anerkennung für den etwas spärlichen Applaus hob Amanda ihr Kinn ein wenig höher. „Es ist besser, wenn Sie führen“, teilte sie Nero mit.

„Keine Sorge, das werde ich tun“, versicherte er.

„Und fangen Sie bitte langsam an …“

„Das habe ich vor.“ Ein Lächeln zuckte um seine Mundwinkel.

Dann lag ihre Handfläche an Neros starker, warmer Hand, und eine Welt ganz unbekannter Gefühle öffnete sich Amanda. Es wird schon gut gehen! versicherte sie sich zuversichtlich. Sie würde nur mit ihm tanzen. Was konnte schon passieren? Im schlimmsten Fall würde sie eine Idiotin aus sich machen. Doch irgendetwas sagte ihr, dass Nero das niemals zulassen würde.

Zum ersten Mal in ihrem Leben wollte Amanda ihre Hemmungen überwinden und etwas tun, wofür sie andere immer bewundert hatte. „Ich muss bloß aufpassen, dass ich Ihnen nicht auf die Füße trete“, flüsterte Amanda, während sie auf den Einsatz der Musik warteten.

„Entspannen Sie sich“, murmelte Nero. „Stellen Sie sich einfach vor, Sie wären ein Pony und ich würde Sie zureiten.“

Niemals! „Ich stelle mir lieber vor, dass ich eine Frau bin und Sie ein Mann, der mir freundlicherweise einen neuen Tanz beibringt!“

„Oh, ich bin sicher, dieser Tanz wird Ihnen vertraut vorkommen“, sagte Nero leise.

Amanda schluckte. Wahrscheinlich war sie die einzige Person im ganzen Saal, die den Tanz der Liebe noch nicht kannte. Doch sie spürte, dass ihr Körper bereits auf Neros Hand in ihrem Rücken und den hartnäckigen Druck seines Oberschenkels reagierte. Ohne dass sie darüber nachgedacht hatte, bewegte sie sich bereits zur Musik.

Nero lenkte sie so zart, einfühlsam und gleichzeitig so unmissverständlich, dass sie plötzlich begriff, warum niemand ein Pony so reiten konnte wie er. Er schien ganz genau zu wissen, was ihr gefiel.

„Sie tanzen gut“, erklärte er, als die Zuschauer sie mit halbherzigem Applaus für ihren ersten Versuch belohnten.

Nur deinetwegen, dachte sie.

„Und jetzt versuchen wir es mit ein bisschen mehr Leidenschaft. Sehen Sie mich an, Amanda! Sehen Sie mich an, als würden Sie mich hassen.“

Das war einfach!

„So ist es gut. Jetzt weicher! Locken Sie mich …“

Das konnte sie auch. Aber nicht zu sehr! Neros Körper streifte ihren. Amanda fühlte sich, als hätte ein Blitz sie getroffen. Sie hob die Brauen und warf Nero einen langen Blick zu. Dann straffte sie sich zu einer noch dramatischeren Pose. Das Publikum belohnte sie mit spontanem Applaus.

„Langsam“, flüsterte Nero ihr zu. „Das ist Ihre erste Lektion.“

„Ich werde noch viele brauchen.“

Ihr Selbstvertrauen wuchs, als immer mehr Paare auf die Tanzfläche strömten und nicht mehr alle Augen auf Nero und ihr ruhten.

„Sie werden sie bekommen“, stimmte Nero zu. „Ich werde selbst nach einem guten Lehrer für Sie suchen.“

Amanda versteifte sich und wich zurück, doch Nero zog sie Zentimeter für Zentimeter wieder zu sich. Erst als die Musik endete, lockerte er seinen Griff und führte sie zurück zum Tisch.

Aus schmalen Augen sah er sie an. „Sie stecken voller Überraschungen, Amanda Wheeler.“ Er hob die Hand und winkte den Kellner heran.

„Nur noch etwas Wasser, bitte.“ Sie musste einen kühlen Kopf behalten.

Denn sie hatte mehr Geheimnisse, als Nero ahnte, und das sollte auch so bleiben.

6. KAPITEL

Ihre eiserne Selbstdisziplin hatte Amanda einen kurzen Abend beschert. Offensichtlich verärgert, hatte Nero sie in ihrem Hotel abgesetzt und sich mit einem kurzen Nicken verabschiedet.

Ich werde ihn mir aus dem Kopf schlagen! nahm Amanda sich am nächsten Morgen energisch vor. Heute würde sie ganz allein in Buenos Aires auf Entdeckungstour gehen!

Ein Blick aus dem Fenster zeigte ihr, dass auch an einem Sonntagmorgen in den Straßen lebhafter Verkehr herrschte, doch das machte ihr nichts aus. Lärm und Trubel gehörten zu einer berauschenden Stadt wie Buenos Aires dazu.

Ganz bestimmt würde sie nicht in ihrem Hotelzimmer sitzen und darüber nachdenken, was Nero gerade tun mochte. Er hatte versprochen, um elf Uhr anzurufen und sie dann zu seiner Ranch zu bringen. Wo er vorher war oder was er tat, ging sie nicht das Geringste an. Außerdem interessierte es sie kein bisschen.

Lügnerin, dachte sie, als sie das Hotel verließ. Aber trotz ihrer Gefühle für Nero würde sie das Beste aus der kurzen Zeit in einer der schönsten Städte der Welt machen.

Die freundliche junge Frau an der Rezeption hatte ihr auf der Karte einige Sehenswürdigkeiten gezeigt und versichert, dass sich überall die Menschen in den Straßen versammelten, Musik machten und Tango tanzten.

Amanda musste nicht weit gehen. Ganz in der Nähe des Hotels entdeckte sie einen kleinen Platz, der mit einigen Holzbrettern in eine improvisierte Tanzfläche verwandelt worden war.

Die Sonne schien warm, der Himmel war wolkenlos. In der Mitte des winzigen Platzes plätscherte ein Springbrunnen, und eine kleine weiße Kirche bildete den perfekten Hintergrund. Sie war wirklich in Südamerika!

Amanda sah sich staunend um, dann mischte sie sich unter die versammelten Zuschauer. Mit der Hand schirmte sie ihre Augen gegen die Sonne ab und schaute den Tänzern zu. Schon bald hatte sie außer der Musik und den Tangotänzern alles um sich herum vergessen. Sie bemerkte kaum, dass jemand hinter sie trat.

„Wie einfach es wäre, Sie davon zu befreien“, flüsterte ihr eine heisere männliche Stimme missbilligend ins Ohr.

„Nero!“ Ihr Herz setzte einen Schlag aus und schlug dann umso schneller weiter.

„Ihre Handtasche war auf“, erklärte er. „Sie haben Glück, dass man mir im Hotel gesagt hat, wo ich Sie finden kann. Ich hoffe, Sie haben schon gepackt.“

„Selbstverständlich.“ Amanda spürte, wie sie sich im Nu von einer fröhlichen, sorgenfreien Touristin in eine unbeholfene Angestellte verwandelte.

Sie straffte ihre Schultern, während sie sich in Erinnerung rief, dass sie hier war, um den Prinzen zu repräsentieren. Kühl streckte sie die Hand nach ihrem Portemonnaie aus. Mit ernstem Gesicht gab Nero es ihr zurück.

„Ist Taschendiebstahl eine Ihrer Angewohnheiten?“ Amanda steckte die Geldbörse zurück in ihre Handtasche.

„Ist es eine Ihrer Angewohnheiten, auf Reisen den gesunden Menschenverstand zu Hause zu lassen?“, gab Nero zurück.

Finster sahen sie einander an. Der Tanz hat begonnen, dachte Amanda trocken. „Sollen wir gehen?“

„Auf jeden Fall!“ Nero wandte sich um und ging zurück in Richtung Hotel.

Dieser raue argentinische Akzent ist der erotischste auf der ganzen Welt, dachte Amanda, während sie ihm folgte. Sie lief schneller, um mit Nero Schritt zu halten.

Um sie herum wirbelten Tänzer über das Pflaster. Es lag einfach zu viel Leidenschaft in der Luft, um einen kühlen Kopf zu behalten.

„Tango geht ins Blut“, erklärte Nero, als sie das Hotel erreicht hatten.

Ich muss verhindern, dass er auch in mein Blut geht, dachte Amanda. „Ich hole nur rasch meinen Koffer. Ich habe ihn nach dem Auschecken in der Halle gelassen.“

„Ihr Koffer ist bereits am Flughafen.“

„Am Flughafen?“ Ihr Mund wurde trocken. Schickte Nero sie etwa zurück nach England? Brauchte er sie hier nicht länger?

„Ich hoffe, es macht Ihnen nichts aus, dass Sie mein einziger Passagier sind.“

Amanda sah Nero verständnislos an.

„In meinem Flugzeug“, ergänzte er.

Sie schüttelte verwirrt den Kopf. „Fliegen Sie das Flugzeug etwa selbst zu Ihrer Ranch?“

„Ja. Ist daran etwas nicht in Ordnung?“

„Nein, nein, selbstverständlich nicht.“ Was konnte dieser Mann eigentlich nicht?

Wieder einmal saß Amanda dicht neben Nero. Selbstverständlich hätte sie auch in den bequemen Ledersesseln hinten in der Flugzeugkabine sitzen können. Aber wann hat man schon einmal die Gelegenheit, dachte Amanda, vorne im Cockpit zu sitzen? Doch vor allem hatte sie neben Nero sitzen wollen. Es war sinnlos, sich länger etwas vorzumachen.

Jetzt beugte Nero sich vor und kontrollierte, ob ihr Sicherheitsgurt verschlossen war, dann half er ihr, den Kopfhörer richtig aufzusetzen.

„Alles in Ordnung?“ Er lächelte und sah ihr tief in die Augen.

Er musste gemerkt haben, was sie fühlte. Hastig wandte Amanda den Blick zum Fenster. Dennoch spürte sie mit jeder Faser ihres Körpers seine Anwesenheit.

„Sie brauchen nicht nervös zu sein“, versicherte er ihr.

Seine Sicherheit erfüllte sie mit Vertrauen – nicht nur in seine Fähigkeiten, ein Flugzeug zu steuern.

„Ich bin nicht nervös“, protestierte sie. Zumindest nicht wegen des bevorstehenden Flugs.

Sie musste verrückt sein, mit ihm auf seine Ranch zu reisen, von der sie nur mit einem Flugzeug – oder einer sehr langen Autofahrt – entkommen konnte.

„Schauen Sie nicht so besorgt, Amanda. Ich passe auf Sie auf.“

Aber genau davor hatte sie ja Angst! „Ich bin nur keine gute Kopilotin. Normalerweise bin ich diejenige, die alles im Griff hat.“

„Mir gefallen Sie als Kopilotin sehr gut“, versicherte Nero ihr.

Die Durchsage der Starterlaubnis vom Tower unterbrach ihr Gespräch. Nero löste die Bremse, gab Gas, und kurz darauf schoss der kleine Jet dem blauen Himmel entgegen.

Jetzt gibt es kein Zurück mehr, dachte Amanda, als das Flugzeug durch die Wolken stieß.

Einige Stunden später teilte sich die Wolkendecke und gab den Blick auf eine ganz andere Welt als die Hochhäuser von Buenos Aires frei. Neros private Landebahn war kaum mehr als ein schmaler Streifen sonnenverbrannter Erde mitten in scheinbar endlosen Wiesen und Weideflächen. Bis zu den zerklüfteten Bergketten am Horizont erstreckten sie sich in sattem Grün und Gold.

Die Pampa. Bei dem Gedanken, über diese weiten Steppen zu galoppieren – oder gar hier zu leben –, verspürte Amanda eine Mischung aus Freude und Furcht.

„Hier!“ Nero legte den Jet steil in die Kurve.

Amanda schnappte nach Luft, als ihr Magen einen Hüpfer machte.

„Sind Sie jetzt nervös?“ Nero grinste boshaft. „Sehen Sie aus dem Fenster! Dort unten ist mein Land“, erklärte er.

„Ich bin kein bisschen nervös“, log Amanda, als das Flugzeug wieder gerade in der Luft lag.

„Das ist gut. Denn hier bei uns brauchen Sie starke Nerven, Amanda. Das Leben in der Steppe ist hart.“

„Ich bin nicht hier, um Urlaub zu machen“, teilte sie ihm knapp mit.

Atemlos betrachtete sie die riesige Ponyherde, die unter ihnen über die Pampa galoppierte. Es mussten Hunderte von Pferden sein.

„In diesem Jahr hatten wir viele Fohlen.“

„Unglaublich“, murmelte sie.

Jeder wusste, dass Nero ein reicher Mann war, aber was sie hier sah, hätte sie sich nicht in ihren wildesten Träumen vorgestellt.

„Bevor wir landen, fliege ich über mein Haus.“ Er zog den Jet tiefer. „Sehen Sie, dort!“

Amanda konnte nur wortlos staunen. Das elegante Gebäude aus der Kolonialzeit mit seinen langen, schattigen Veranden war so groß wie ein kleines Dorf. Im Hof vor dem Haupthaus warf ein Springbrunnen Wasserfontänen hoch in die Luft, die im hellen Sonnenlicht wie Diamanten funkelten.

Der Garten konnte mit jedem englischen Park konkurrieren. An einem Ende gab es sogar ein Polofeld mit einem eigenen Klubhaus. Hinter dem Haus schimmerte ein See mit einem strahlend weißen Sandstrand in der Sonne. Und ein … nein, zwei Swimmingpools.

„Ein Pool ist für die Pferde“, erklärte Nero. „Wir benutzen ihn zum Muskelaufbautraining, aber am liebsten reiten wir einfach hinein.“

Amanda konnte einen begeisterten Aufschrei nicht unterdrücken, doch dann setzte ihr gesunder Menschenverstand wieder ein. Was, in aller Welt, hatte sie sich dabei gedacht, als sie dieser Reise zugestimmt hatte?

Neros Ranch war schon fast ein eigenständiges kleines Land. Sie war hier vollkommen isoliert, so als wäre sie mit ihm auf einer einsamen Insel mitten im weiten Ozean gestrandet. Wenn sie es nicht endlich schaffte, Neros erotische Anziehungskraft zu ignorieren, würde ihr Aufenthalt eine sehr schwierige Zeit werden.

Nero landete den Jet so geschickt, dass Amanda kaum das Aufsetzen spürte. Als das Flugzeug schließlich zu einem Halt kam und Nero die Motoren ausschaltete, war ihre Besorgnis reiner Vorfreude gewichen.

„Ich kann es gar nicht erwarten, endlich auszusteigen!“, rief sie aus. Sie konnte ihre Augen kaum von dem Steppengras lösen, das meilenweit im Wind wogte.

„Und die Sonne zu spüren und die Pferde zu reiten“, ergänzte Nero voller Begeisterung. „Es ist wunderschön hier, nicht wahr?“

Sobald Nero die Flugzeugtür öffnete, wurde Amanda von einem Schwall warmer, duftender Luft empfangen. Sie war so aufgeregt, dass sie nicht einmal Neros Hand abschüttelte, als er ihr die Treppen hinunterhalf.

„Das ist Ignacio“, stellte er einen älteren Mann vor, der bei einem Geländewagen stand und darauf wartete, sie zur Ranch zu fahren. „Er ist der Ranch-Manager und meine rechte Hand.“

Jetzt bin ich wirklich in der Pampa angekommen! dachte Amanda. Ignacio sah genauso aus, wie sie sich einen Gaucho vorgestellt hatte. Fasziniert betrachtete sie den Schlapphut, das rote Halstuch und die weiten Hosen mit ledernen Beinschützern.

„Willkommen auf der Estancia Caracas“, begrüßte er sie mit starkem Akzent und beugte sich kurz über ihre Hand.

Buenas tardes – guten Tag“, antwortete Amanda ebenso herzlich.

„Wir haben hier schon viel über Ihre Arbeit mit den englischen Pferden gehört“, fuhr Ignacio freundlich fort.

„Und gegen das Ergebnis hart auf dem Polofeld gekämpft“, ergänzte Nero.

Ignacio stimmte gutmütig in das Lachen ein. Seine Haut war von der Sonne gegerbt und faltig wie der Hals einer Schildkröte, aber in seinen schwarzen Augen lagen Güte und Freundlichkeit.

„Ich freue mich, Sie kennenzulernen, Ignacio. Mucho gusto.“

Ignacio schmunzelte wohlwollend über Amandas Versuch, seine Sprache zu sprechen, und sagte etwas in sehr schnellem Spanisch zu Nero. Dieser antwortete mit einem vagen Brummen.

Amanda konnte nicht einschätzen, ob Nero ihre ungeschickten Bemühungen gefallen hatten oder nicht. Aber wenigstens Ignacio schaute sie voller Wärme an, und sie war sicher, dass sie soeben einen Freund gefunden hatte.

Alles hier war aufregend, sogar die holprige Fahrt durch die Steppe. Ignacio machte Amanda auf eine Gruppe Enten am Himmel aufmerksam, dann entdeckte Nero einen der riesigen Hasen, die es nur in der Pampa gab.

„Sehen Sie, Amanda!“, rief er aufgeregt aus und griff nach ihrem Arm.

Seine Berührung ist aufregender als alles andere, dachte sie. Allein Neros Anwesenheit raubte ihr den Atem.

„Schön, nicht wahr?“

„Fantastisch“, murmelte sie und sah in seine Augen.

Bald darauf fuhr Ignacio durch einen Torbogen auf die Ranch. Unwillkürlich musste Amanda dabei an alte Cowboyfilme denken, in denen riesige Tore mitten in einer kahlen Landschaft standen.

Ein langer, tadellos gepflegter Weg führte zu dem Ranchgebäude. Schließlich parkte Ignacio auf einem großen gepflasterten Platz. Der Hof war üppig mit Blumen bepflanzt, Ranken fielen über gekalkte Wände und Balkone. Alles war still, nur in der Ferne war leises Wiehern zu hören.

„Es muss schwer sein, so ein wunderbares Zuhause jemals zu verlassen“, sagte Amanda leise.

„Umso schöner ist es zurückzukommen“, stimmte Nero zu. „Sollen wir hineingehen?“

„Ja, gerne.“ Staunend blickte sich Amanda um.

Nero lächelte stolz. Ihre offene Begeisterung schien ihm zu gefallen. „Hatten Sie sich die Ranch anders vorgestellt?“, fragte er, als sie ihre Fingerspitzen über eine Blüte gleiten ließ.

„Eigentlich weiß ich selbst nicht, was ich mir vorgestellt habe“, gab Amanda zu.

Vor dem Eingang warteten zwei ältere Frauen. Vor Freude konnten sie kaum stillstehen. Nero stellte sie als María und ihre Schwester Conception vor. María war Haushälterin und Köchin und lebte zusammen mit ihrer Schwester auf der Ranch. Während die beiden ihnen voraus ins Haus gingen, drehten sie sich immer um, als wollten sie sich davon überzeugen, dass Nero immer noch da war.

Die Böden in dem langen Flur waren mit Terrakotta gefliest. Weiche zimtfarbene Teppiche dämpften ihre Schritte. An den Wänden hingen antike Spiegel und Gemälde. Bestimmt Familienerbstücke, vermutete Amanda.

Ein Bild stach aus der Menge heraus. Es war modern und zeigte ein Pferd, das sich wild aufbäumte. Die Bewegung war so perfekt eingefangen, als würde es jeden Augenblick aus dem Rahmen springen. Fasziniert blieb Amanda vor dem Gemälde stehen.

„Gefällt es Ihnen?“, fragte Nero.

„Es ist wunderschön!“

„Was genau gefällt Ihnen daran?“

„Der brutale Realismus.“ Amanda hielt seinem Blick stand.

„Haben Sie eine Vorliebe für Gefahr und Risiko?“

„Anscheinend“, erklärte sie kühl. Sie hatte nicht vor, sich von seinem Geld und seiner Macht einschüchtern zu lassen.

„Wir sollten María und Conception nicht warten lassen. Kommen Sie!“ Er verbeugte sich übertrieben vor ihr.

Amanda unterdrückte ein Schmunzeln. Lernte sie etwa langsam, mit diesem Mann umzugehen? Doch ihre Zuversicht war von kurzer Dauer. Als Nero ihren Arm berührte, wurden ihre Knie weich, und ihr Atem ging schneller. Gemeinsam betraten sie einen schattigen Innenhof.

Als Amanda sich umschaute, erholte sie sich schnell von ihrer Verwirrung. Nur das Plätschern eines Springbrunnens und Vogelgezwitscher waren hier zu hören.

„Ihr Heim ist traumhaft, Nero.“ Doch sie gehörte nicht hierher, das durfte sie keinen Augenblick lang vergessen. Schon bald würde sie wieder zurück nach England reisen und all die Schönheit und den Frieden zurücklassen.

„Ich habe noch nie etwas derart Wundervolles gesehen“, sagte Amanda leise. Sie räusperte sich und straffte ihre Schultern. „Aber natürlich bin ich hier, um zu arbeiten“, ergänzte sie dann in geschäftsmäßigem Tonfall.

„Selbstverständlich.“ Nero hielt ihr die Tür auf.

Als sie an ihm vorüberging, fühlte sie sich plötzlich ganz klein und verwundbar. Warum musste sie mit jeder Faser ihres Körpers so heftig auf ihn reagieren? Sie sollte sich auf den Job konzentrieren!

„Bitte fühlen Sie sich hier ganz zu Hause“, sagte Nero und hielt ihr zuvorkommend eine Tür auf.

Amanda lächelte ungläubig. Ihre Zeit in Argentinien würde nicht ausreichen, um sich hier zu Hause zu fühlen.

„Sie sind bestimmt hungrig.“ Nero führte Amanda in die Küche. „Ich habe jedenfalls einen Mordshunger.“

Bei diesem Lächeln würde ich überall mit ihm hingehen, dachte Amanda und folgte ihm. Sie sah auf den ersten Blick, dass die Küche das Herz des Hauses war. Modernste Geräte bildeten einen heimeligen Kontrast zu antiken Möbelstücken und Reitzeug. Neben einem gemütlichen Polsterstuhl lagen auf einem kleinen Tischchen Handschuhe und Polohelm, daneben standen große Reitstiefel.

Dies muss Neros Lieblingsplatz sein, dachte Amanda.

„Wie gefällt Ihnen unsere Küche?“, fragte Nero.

Viel zu gut, als dass sie es ihm verraten würde.

„Irgendetwas hier riecht gut“, lenkte sie ab und atmete tief ein. Der Duft von warmem Brot und frisch gemahlenem Kaffee ließ ihr das Wasser im Mund zusammenlaufen.

„Möchten Sie sich vielleicht vor dem Essen frisch machen?“, schlug Nero vor. „María kann Ihnen Ihr Zimmer zeigen. Wenn Sie fertig sind, essen wir, und danach führe ich Sie durch die Stallungen.“

Bewundernd sah Amanda sich in ihrem schön eingerichteten Zimmer um.

Rasch duschte sie, zog sich um und ging zurück in die Küche. Nero saß bereits an dem langen Holztisch. Amanda nahm ihm gegenüber Platz. Bevor María das köstliche Mahl servierte, hatte sie gar nicht gemerkt, wie hungrig sie war.

Als sie schließlich mit einem zufriedenen Seufzer ihren Teller zurückschob, sah sie, dass Nero sie beobachtete.

„Miss Wheeler?“, sagte er förmlich und stand auf, um ihren Stuhl zurückzuschieben. „Darf ich Ihnen nun die Ställe zeigen?“

Ein Lächeln zuckte um ihre Mundwinkel. „Liebend gern, Señor Caracas.“

Der Prinz hatte nicht übertrieben. Neros Stallungen waren unvergleichlich. Für einen Moment fühlte sich Amanda davon verunsichert. Aber auch ich züchte großartige Pferde! erinnerte sie sich selbst.

Als Nero ihr mitteilte, dass sie nur noch wenige Stunden Zeit hatten, um die Vorbereitungen für die Jugendlichen abzuschließen, wischte sie ihre Zweifel fort und suchte gemeinsam mit Ignacio geeignete Ponys aus.

Und bevor sie es selbst bemerkte, fühlte sie sich wieder in ihrem Element. Von Pferden verstand sie etwas, und bald plauderte sie unbefangen mit Nero. Wenigstens ein Thema, über das wir reden können, dachte sie mit leisem Bedauern.

Die Ställe waren einladender als viele Hotelzimmer, in denen Amanda schon gewohnt hatte. Süß duftende Heuballen waren an den Wänden aufgestapelt, und unwillkürlich stellte sie sich vor, wie weich man darauf liegen könnte. Hoffentlich kann er mir die Gedanken nicht vom Gesicht ablesen, dachte sie besorgt.

„Ich würde gern auch noch die Tierklinik besichtigen“, teilte sie Nero abrupt mit.

Nero zuckte mit den Schultern. „Ganz wie Sie wünschen.“

Auf dem Hof ging er mit langen Schritten voraus, und Amanda eilte ihm hinterher. Dabei konnte sie seine makellose Figur in der engen Reithose mit den hohen Stiefeln bewundern. Ein helles Polohemd betonte seine tief gebräunte Haut.

Sie mochte vielleicht die Eisjungfrau sein, aber deshalb konnte sie trotzdem einen schönen männlichen Körper bewundern.

„In der nächsten Woche habe ich ein Polospiel. Ein Freundschaftsspiel gegen eine benachbarte Ranch.“

„Nächste Woche?“ So bald? dachte sie erschrocken. Wann würden die Jugendlichen eintreffen? Aber sie würde es schon schaffen! Darum war sie schließlich hier.

„Die Kinder sollen von Anfang an mitmachen“, erklärte Nero. „Das Spiel in der nächsten Woche ist für sie ein perfekter Einstieg in die Polowelt, darum muss alles gut vorbereitet sein, wenn sie ankommen.“

„Das wird es.“

„Dies ist die Klinik mit dem Reha-Bereich“, erklärte Nero, als sie sich einem modernen weißen Gebäude näherten.

Er hielt die Tür für sie auf, und sie ging unter seinem Arm hindurch in den klimatisierten Innenraum. Amanda war nicht überrascht, dass hier alles auf dem neuesten Stand der Technik war.

„Wenn nötig, können wir hier auch chirurgische Eingriffe durchführen. In diesem Teil der Ranch wohnen die Tierärzte. Außerdem gibt es einen Humanmediziner und eine Krankenschwester, die für die Mitglieder unseres Teams sorgen. Bei den weiten Entfernungen können wir uns nicht drauf verlassen, dass rechtzeitig Hilfe kommt.“

„Sehr gut. Könnte ich jetzt die Unterkünfte der Jugendlichen sehen?“

„Ich kann Ihnen versichern, dass man sehr gut für sie sorgen wird.“

Amanda hielt seinem stolzen Blick stand. „Ich würde meinen Job nur sehr schlecht erledigen, wenn ich einen der wichtigsten Teile auslassen würde.“

„Wie Sie wünschen.“

Offensichtlich gefiel es ihm ganz und gar nicht, dass ein anderer über seine Entscheidungen urteilte. Erst recht nicht Amanda.

Doch auch für sie war Stolz wichtig, erst recht, wenn es dabei um ihren Beruf ging.

„Findet dies Ihre Zustimmung?“, fragte Nero, während er die Tür zu einer Holzhütte öffnete.

Wie langweilig und pedantisch er mich finden muss, dachte Amanda, als sie sich umschaute. Als Kind wäre sie hier im siebten Himmel gewesen. Selbst die Ponyweide konnte man von den Fenstern aus sehen.

„Es ist wunderschön!“ Sie drehte sich zu Nero um.

Er stand noch immer im Eingang und nickte nur. Seine Arme stützte er rechts und links im Türrahmen ab.

„Ich mache einige Fotos für den Prinzen.“ Sie zog ihr Mobiltelefon aus der Tasche.

Nero musterte sie aus schmalen Augen. „Wird Ihr Bericht positiv ausfallen?“

„Was sonst? Sie haben wirklich an alles gedacht, sogar an Feuerlöscher.“

„Sie würden keinen brauchen“, murmelte er.

Amanda biss sich auf die Lippen. Ohne den Blick abzuwenden, ließ Nero die Arme sinken und trat zur Seite, sodass sie ungehindert hinausgehen konnte.

„Soll ich Ihnen jetzt die Ponys zeigen, die wir für die Jugendlichen ausgesucht haben?“, fragte Nero betont höflich.

„Das wäre schön.“

„Heißt das, Sie vertrauen unserem Urteil doch?“

„Ignacios Ruf eilt ihm voraus.“

„So wie meiner mir“, ergänzte Nero trocken.

Amanda entschied, dass es klüger war, nichts zu erwidern.

7. KAPITEL

„Ausgezeichnet!“ Amanda nickte anerkennend. Nero und Ignacio hatten die Ponys perfekt ausgesucht. „Die Kinder werden begeistert sein und beim Reiten dieser Pferde bestimmt viel Selbstvertrauen entwickeln.“

Nero nickte, aber er wirkte, als würde er über etwas ganz anderes nachdenken. „Wir sollten gehen“, erklärte er. „Die erste Gruppe kommt bald an, und Sie wollen ihnen bestimmt persönlich helfen, sich einzuleben.“

„Die Jugendlichen kommen Ihretwegen“, wandte Amanda ein. Ob er es wahrhaben wollte oder nicht – Nero war ein Volksheld in Argentinien. „Nicht einmal die Hälfte von ihnen wäre freiwillig aus der Stadt in die gottverlassene Pampa gereist, wenn nicht der berühmte Nero Caracas sie hier erwarten würde.“

„Versuchen Sie, mir zu schmeicheln?“ Nero lachte auf. „Ich sollte Sie warnen, dagegen bin ich immun.“

„Ich stelle nur eine Tatsache fest.“

„Keine Sorge, Amanda“, murmelte Nero, während sie gemeinsam zur Hazienda zurückgingen. „Ich werde Sie keine Minute allein lassen.“

Na, wunderbar! dachte sie ironisch, als sie in seine dunklen Augen sah. „Die Kinder werden sich bestimmt darüber freuen.“

„Nur die Kinder? Ich hoffe doch, Sie freuen sich auch“, sagte Nero mit leisem Spott.

„Das versteht sich von selbst.“

Er schlug mit der Reitpeitsche gegen seine Stiefel. „Sie wissen doch: Ihr Wunsch ist mir Befehl.“

Zum Glück wusste Amanda es besser. Nero duldete ihre Einmischungen nur, weil sie dem Projekt nutzten und es der Wunsch des Prinzen war. Das war der einzige Grund. Wenn sie hier Erfolg haben wollte, musste sie härter arbeiten als je zuvor. Aber dann war sie wenigstens müde genug, um schlafen zu können. Nur hoffentlich verfolgte er sie nicht auch noch in ihren Träumen!

Als Nero etwas später frisch geduscht in die Küche kam, saß Amanda bereits am Frühstückstisch.

„Guten Morgen“, nuschelte Amanda kauend, als sie ihn entdeckte. Rasch schluckte sie den Rest der Empanada hinunter, stand auf und folgte ihm hinaus.

„Auch Ihnen einen guten Morgen!“, erwiderte er und stibitzte ein Gebäckstück aus ihrer Hand.

Amanda lächelte zaghaft.

„Mmm, köstlich! María ist eine großartige Köchin.“ Er klopfte seine Hände gegeneinander, um sie von den Krümeln zu befreien. „Aber was haben Sie denn da an?“

Sie sah an ihrer derben Latzhose hinunter. „Ich dachte, etwas Praktisches wäre am besten. Allein die ganzen Koffer ins Haus zu tragen …“

Nero zuckte mit den Schultern. „Sie sind nicht zum Koffertragen hier. Hatten Sie nicht selbst gesagt, dass wir die Jugendlichen inspirieren sollen? Darum habe ich auch mein Trikot angezogen.“ Er fuhr mit der Hand über sein schwarzes Polohemd mit dem schwarz-weißen Teamabzeichen – einem aufgestickten Totenschädel mit gekreuzten Knochen, direkt über seinem Herzen.

Amandas Blick glitt über seine engen Reithosen zu seinen hohen, glänzenden Lederstiefeln. Er trug sogar Knieschützer, als wäre er für ein Spiel gekleidet.

„Alles ist eine Frage des ersten Eindrucks. Zumindest haben Sie das gesagt. Und dass wir den Jugendlichen etwas geben sollten, an das sie sich erinnern können.“

„Ich verstehe …“ Amanda sah ihn unschuldig an. „Wahrscheinlich würden die Kinder Sie gar nicht erkennen, wenn Sie einfach nur Jeans tragen würden.“

Nero lächelte schwach.

„Was schlagen Sie dann als passende Kleidung für mich vor?“, fragte Amanda. „Denn leider besitze ich kein Polohemd vom Piratenklub.“

Nero unterdrückte ein Grinsen. „Was würden Sie denn davon halten, wenn man Sie in einfachen Arbeitshosen begrüßen würde?“

Amanda zuckte trotzig mit den Schultern. Dabei wusste sie ganz genau, worauf er hinauswollte.

„Nun?“, hakte er nach.

„Vielleicht dass die Besitzer und die Trainer Besseres zu tun hätten?“

„Und wie würden Sie sich dann fühlen?“

„Okay“, stimmte sie zu. „Sie haben Ihren Standpunkt klargemacht.“

„Und Sie Ihren“, gab Nero zurück.

„Ich gehe und ziehe mich um.“

Er sah demonstrativ auf seine Uhr. Wenn Amanda sich beeilte, konnte sie es gerade noch schaffen. Er war gespannt, was sie sich einfallen lassen würde.

„Viel besser!“, sagte er anerkennend, als sie zurückkam. Und das war noch weit untertrieben.

„Soll ich mich vielleicht für Sie herumdrehen?“, fragte Amanda sarkastisch.

„Ich habe Sie tanzen sehen, erinnern Sie sich? Ich weiß also, dass Drehungen nicht gerade Ihre Stärke sind.“

Sie starrten einander an, als wäre es ein Duell. Keiner wollte aufgeben und zuerst wegschauen. Erst als der Bus mit den Jugendlichen auf den Hof fuhr, wandten beide den Blick ab.

Doch selbst während Nero die Kinder begrüßte, war er sich in jeder Sekunde bewusst, wie unglaublich gut Amanda in ihren schlichten schwarzen Reithosen und dem maßgeschneiderten blütenweißen Hemd aussah.

Die nächsten Stunden vergingen wie im Flug. Die Gauchos erklärten den Jugendlichen die Sicherheitsvorschriften auf der Ranch, dann stellten sie ihnen die Ponys vor. Auch Nero und Amanda blieb keine Zeit zum Ausruhen. Sie mussten sich Gedanken über das nahende Polospiel machen.

„Kommen Sie, lassen Sie uns anfangen!“, erklärte Nero.

Sie strich eine rebellische Haarsträhne zurück und folgte ihm zu den Ställen. „Hoffentlich bereuen Sie nicht, dass Sie mich einbeziehen.“

Für einen Moment verlor er sich in ihren Augen. Er wollte mehr von Amanda kennenlernen.

Nero war ein praktischer Mann. Normalerweise entschied er mit seinem Verstand, wie weit er bei einer Frau gehen wollte. Reizte sie ihn? Ja oder nein. Ganz einfach. Er vermied Komplikationen und beendete eine Beziehung, bevor ernsthafte Gefühle mit ins Spiel kamen.

Doch dafür war Amanda zu verletzlich. Sie versuchte, kühl und abgeklärt zu erscheinen, aber wie bei jeder Schauspielerin blieb es letztendlich nur eine Rolle.

Amanda hielt seinem Blick stand. „Ich habe Erfahrung darin, mit schwierigen Situationen zurechtzukommen“, sagte sie in gleichmütigem Tonfall.

Nero erinnerte sich, dass sie drei jüngere Geschwister hatte – Brüder. Keiner von ihnen hatte die Pferdezucht des Vaters übernehmen wollen. Amanda hatte dafür gesorgt, dass alle drei ein Studium abschließen konnten. Die Mutter war früh gestorben, und der Vater hatte alle Verantwortung seiner ältesten Tochter überlassen.

Hinter der schönen Eisjungfrau steckt viel mehr, als die meisten Leute auch nur ahnen, dachte Nero. Für einen Moment sah er wieder das Bild von ihr auf der Tanzfläche vor sich und musste ein Schmunzeln unterdrücken. „Ich hoffe, Sie finden bei all der Arbeit noch Zeit für Ihre Tango-Stunden.“

Amanda zögerte einen Moment. „Ignacio hat versprochen, mit mir an meiner Technik zu arbeiten“, erwiderte sie dann. „Das nächste Mal, wenn wir zusammen auf der Tanzfläche stehen, bin ich bereit für Sie!“

„Oh. Darauf bin ich schon jetzt gespannt!“

Nero presste die Lippen zusammen. Ignacio gab ihr also Tangounterricht! Was war hier los?

„Unterschätzen Sie Ignacio nicht“, warnte er sie. „Auch auf einem alten Fahrrad lernt man fahren. Er mag vielleicht nicht mehr der Jüngste sein, aber er ist noch lange nicht im Ruhestand.“

Zum ersten Mal seit langer Zeit lachte Amanda fröhlich. „Sind Sie etwa eifersüchtig, Nero?“

Nero schnaufte ärgerlich, drehte sich um und ging weg.

Sie lief hinter ihm her. „Ich würde gern etwas trinken, bevor wir anfangen, uns Gedanken über das Spiel zu machen“, sagte sie, als sie ihn eingeholt hatte.

„Reicht Ihnen Wasser?“

„Genau das Richtige.“

Nero führte sie in die Scheune. Hinter ihnen fiel die breite Tür zu, und plötzlich standen sie im warmen Halbdunkel. Alles war still. Nero ging zu einem Spülstein in der Ecke und füllte einen Kanister mit kristallklarem Wasser, das direkt über unterirdische Wasserläufe von einem Gletscher zu seiner Ranch geleitet wurde.

Er reichte Amanda den Kanister. Mit tiefen Schlucken löschte sie ihren Durst, dann gab sie ihm den Behälter zurück. Er trank, ohne den Rand abzuwischen. Amanda konnte ihren Blick nicht von seinem Mund abwenden. Es war fast, als hätten sich ihre Lippen berührt. Näher waren sie sich bis jetzt noch nie gewesen.

Nero setzte den Behälter ab und sah ihr in die Augen. An seinem leisen Lächeln erkannte Amanda, dass er ihr die Gedanken vom Gesicht ablesen konnte. Er hätte nur seine Hand ausstrecken müssen, um sie zu berühren.

„Kann ich noch einen Schluck haben?“ Sie griff nach dem Kanister.

Als Nero ihr den Behälter reichte, berührten sich ihre Finger, und sie fühlte sich, als würde ein Stromstoß durch ihren Arm fahren.

Nero räusperte sich. „Bevor wir gehen, sollten wir den Kanister noch einmal auffüllen.“

Ohne den Blick von ihren Augen zu lösen, nahm er ihr den Behälter aus der Hand und stellte ihn zur Seite. Dann legte er seine Hand ganz leicht auf ihren Arm. Amanda atmete scharf ein.

„Wovor haben Sie Angst, Amanda?“

Obwohl sie sich so sehr danach sehnte, nur ein einziges Mal ihre eiserne Selbstbeherrschung aufzugeben, schaffte Sie es nicht, ihn anzusehen. „Ich habe keine Angst!“

„Beweisen Sie es!“, sagte Nero leise.

Sein Tonfall klang spöttisch, doch sie spürte, dass er noch ein anderes Gefühl dahinter verbarg. „Sollten wir nicht langsam wieder gehen?“, fragte sie und warf einen besorgten Blick zur Tür.

Für einen Moment dachte sie daran, sich einfach umzudrehen und der Situation zu entfliehen. Doch sie würde nicht weit kommen. Nero stand wie ein sprungbereiter Tiger vor ihr. Er atmete ruhig und gleichmäßig, aber er ließ sie nicht aus den Augen.

„Amanda, Amanda“, murmelte er heiser.

Unwillkürlich bewegte sie sich ein wenig auf ihn zu.

Dabei fühlte sie sich, als würde sie auf einem Drahtseil balancieren, gelockt von dem Versprechen auf die wundervollste Belohnung, wenn sie es auf die andere Seite schaffen würde. Doch in den tiefen Wassern unter ihr lauerten Haie.

Aber was waren das nur für Gedanken? Nero hatte sie die ganze Zeit über nicht berührt. Ganz im Gegenteil – er hatte sich sogar zurückgezogen und betrachtete sie mit spöttisch erhobenen Brauen. „Was ist los, Amanda?“

Ihre Beziehung mit Nero war rein beruflich, mehr nicht! Alles andere war reine Einbildung. Nichts als Wunschdenken! dachte sie bitter.

Doch dann zog er sie an sich. „Sie spielen mit dem Feuer, Amanda“, stieß er heiser aus. „Tun Sie lieber nichts Unüberlegtes. Denn Sie wissen nicht das Geringste über mich!“

„Keine Sorge!“ Amanda schoss das Blut in die Wangen. Hastig löste sie sich aus Neros Griff und trat zurück. „Ich werde ganz sicher niemals irgendein Spiel mit Ihnen spielen! Darauf können Sie sich verlassen!“

Als Nero nur lachte, ergänzte sie wütend: „Sie sind längst nicht so unwiderstehlich, wie Sie glauben!“ Damit wollte sie sich endgültig umdrehen und ihn stehen lassen, aber Nero packte sie und zog sie zurück.

„Lassen Sie mich los!“, warnte sie ihn.

„Sie wollen das nicht?“ Er erstickte ihren Protestschrei mit einem Kuss.

Amanda ballte ihre kleinen Fäuste und schlug ihm vor die Brust, aber sie merkte schnell, wie wenig sie damit ausrichtete. Sie wollte ihn hassen, aber wie war das möglich, wenn sie ihn gleichzeitig so sehr begehrte?

Neros Lippen und seine Hände auf ihrem Körper waren das Einzige, das noch zählte. Und plötzlich wusste sie, dass sie genau hierher gehörte, in die Arme dieses Mannes.

„Mein Gott, Amanda!“, stieß Nero plötzlich aus und schob sie von sich.

Amanda zitterte am ganzen Körper. Sie versuchte, ihre Atmung unter Kontrolle zu bringen, während Nero mit einem unergründlichen Gesichtsausdruck auf sie herabschaute.

„Was glauben Sie, was passieren würde, wenn ich ein anderer Mann wäre, Amanda? Sie spielen mit dem Feuer!“

„Aber … Sie spielen das Spiel doch auch“, gab sie zurück.

Sie wischte mit dem Handrücken über ihren Mund, als könnte sie so jede Spur ihrer Erregung verbergen. Sie wandte sich um und klammerte sich am Rand des Spülbeckens fest, als würde ihr Leben daran hängen. Mit geschlossenen Augen atmete sie tief ein und aus.

Als sie sich schließlich wieder zu ihm umdrehte, wirkte sie äußerlich wieder ganz ruhig. „Wir sollten Ignacio nicht warten lassen“, sagte sie kühl.

Schweigend hielt Nero ihr das Stalltor auf, und sie gingen hinaus.

Zurück zur Tagesordnung! ermahnte sich Amanda. Sie musste den Kuss vergessen, als wäre er nie passiert.

Die Arbeit war ihre Rettung. Als sie auf ihrem Weg zum Polohof am Reha-Bereich vorbeikamen, hörte sie lautes Wiehern und das Plätschern von Wasser. Eins der Ponys wurde gerade ins Wasserbecken geführt.

„Kann ich mir die Behandlung näher anschauen?“, fragte Amanda neugierig.

„Selbstverständlich.“

Nero blieb zurück, während sie näher zum Becken ging. Gummimatten auf dem Boden und den Wänden verhinderten Verletzungen. Das Pony schien sich sicher im kühlen Wasser zu fühlen.

„Das ist fantastisch!“, rief Amanda begeistert aus.

„Die niedrige Wassertemperatur erhöht die Durchblutung und beschleunigt den Heilungsprozess“, erklärte Nero. Er kam näher und trat neben Amanda.

Sie seufzte erleichtert. Zum Glück teilten sie ein gemeinsames Interesse, bei dem weder ihr Herz noch ihr Ruf als Trainerin in Gefahr waren.

„So etwas habe ich noch nie gesehen.“ Sie errötete, als sie Nero anschaute.

„Ich hatte Ihnen ja gesagt, dass Sie hier alles finden würden, was Sie brauchen.“

„Daran habe ich nie gezweifelt.“

8. KAPITEL

Amanda biss sich auf die Lippen, als sie Nero anschaute. Er sah immer umwerfend attraktiv aus, aber auf einem Pferderücken war er einfach atemberaubend.

Sie bemühte sich um einen gelassenen Gesichtsausdruck. Auf keinen Fall durfte sie sich ihre Gefühle anmerken lassen. Neben ihr standen die Jugendlichen, um Nero zuzuschauen, wie er Amanda die Eigenheiten der einzelnen Ponys vorführte. Doch im Moment hatten sowieso alle nur Augen für Nero.

Atemlos vor Bewunderung sahen sie ihm zu, wie er über das Feld galoppierte, auf der Stelle wendete und das Pony aus vollem Lauf nur wenige Zentimeter vor dem Zaun zum Stehen brachte. Und bei all diesen Kunststücken wirkte Nero so entspannt wie bei einem Sonntagsausritt im Park.

Er war mehr als nur ein meisterhafter Reiter. Seine Art mit Pferden umzugehen war unvergleichlich. Er unterwarf das Tier nicht einfach, sondern verschmolz mit ihm zu einer Einheit. Amanda konnte sehen, wie viel Freude selbst das wildeste Pony an der Arbeit mit Nero hatte.

Ob er im Bett genauso einfühlsam und kraftvoll ist? Sofort verbot sie sich jeden weiteren Gedanken daran.

Endlich war ihre süße Qual zu Ende, und Nero ritt unter dem Applaus der Zuschauer vom Feld. Dabei konnte Amanda den Blick nicht von seinen kräftigen Händen lösen. Wie würden sich diese Hände wohl auf ihrer nackten Haut anfühlen?

„Konnten Sie neue Erkenntnisse gewinnen?“, fragte Nero und zügelte sein Pony vor ihr.

„Oh, jede Menge!“ Ihre Kehle war plötzlich wie ausgetrocknet.

„Gut.“ Er löste die Stiefel aus den Steigbügeln und lockerte seine Schenkel. „Ich freue mich schon darauf, alles ganz genau von Ihnen zu hören. Ich helfe nur zuerst den Jungs, die Ponys zurück in den Stall zu bringen.“

Amanda schaute ihm nach, doch es fiel ihr schwer, ihre Blicke auf das Pferd zu konzentrieren. Mach dir nichts vor, Amanda! rief sie sich zur Ordnung. Dieser Mann war unerreichbar.

Nero und Ignacio nickten anerkennend, als Amanda ihre Einschätzung der Ponys mitteilte. Wenigstens habe ich meinen Job gut erledigt, tröstete sie sich. Aber in Zukunft musste sie ihre Gefühle besser unter Kontrolle halten!

Sie lebte mit Nero in einem Haus und würde in den nächsten Wochen Tag für Tag mit ihm zusammenarbeiten. Nie wieder durfte so etwas wie in der Scheune passieren!

Amanda schob ihre Unterlagen zusammen. „Wir sehen uns dann später“, verabschiedete sie sich und ging.

Eigentlich hatte sie nur Neros forschenden Blicken entkommen wollen, doch als sie langsam an den Reitplätzen vorbeischlenderte, löste sich plötzlich zum ersten Mal seit Tagen ihre Anspannung. Von einem Leben wie diesem habe ich schon immer geträumt, dachte sie glücklich.

María und Conception empfingen sie in der Küche mit einem warmherzigen Lächeln. Als wäre sie hier zu Hause, streife Amanda ihre Stiefel ab, stellte sie auf die Matte und legte Helm und Handschuhe neben Neros Reitzeug. Für einen winzigen Moment fühlte sie sich ihm ganz nah.

Doch die beiden Schwestern lenkten ihre Gedanken schnell in eine andere Richtung. Freudestrahlend präsentierten sie ein Stück frisch gebackenen Schokoladenkuchen.

Amanda nahm einen großen Bissen. „Mmm, köstlich! Ach, ich werde Sie beide so vermissen, wenn ich wieder in England bin“, sagte sie in ihrem holprigen Spanisch, während sie versuchte, ein weiteres Stück Kuchen abzuwehren, mit dem die Frauen sie füttern wollten.

Sie würde so gern besser Spanisch sprechen und die Menschen auf der Hazienda näher kennenlernen. Schon die kurze Zeit in Argentinien hatte einen tiefen Eindruck bei Amanda hinterlassen.

Aber María ließ ihr keine Zeit zum Grübeln. Die Köchin gab ihre Bemühungen nicht auf, Amanda zu einem weiteren Stück Kuchen zu überreden. Lachend nahm Amanda schließlich den Kuchenteller entgegen, küsste María auf die Wange und lief die Treppen hinauf in ihr Zimmer.

Wie jedes Mal, wenn sie hereinkam, fiel ihr Blick auf das Porträt über dem Kamin. Ihre eigene Mutter war sanft und freundlich gewesen, aber die Frau auf dem Bild besaß Neros feurigen Blick und trug die Kleidung eines Gauchos. Ein Hauch von Chiffon an ihrem Kragen war das einzige Zugeständnis an ihre Weiblichkeit.

Ohne den Blick von dem Porträt zu lösen, ließ sich Amanda aufs Bett fallen. Das Bild ließ sie nicht los. Was für eine beeindruckende Frau! Amanda betrachtete das energische Kinn, den entschlossenen Blick und die vollen roten Lippen, neben denen bereits eine scharfe Linie zu sehen war. Die Frau wirkte, als könnte sie jeden Mann mit einem Zungenschnalzen von seinem hohen Ross herunterholen.

Es gefiel Amanda, dass sie die Landschaft im Hintergrund erkannte, obwohl die Ranch damals offenbar viel kleiner gewesen war.

Aber so viel hat sich gar nicht verändert, überlegte sie auf dem Weg zur Dusche. Die Estanzia Caracas war inzwischen zwar riesig und Nero ein sehr reicher Mann, doch er war ein Kämpfer, genau wie die Frau auf dem Porträt. Er sprach niemals über seine Eltern oder seine Kindheit. Würde sie jemals erfahren, wie er aufgewachsen war?

Sie stellte das Wasser an und genoss das erfrischende Nass. Es war höchst unwahrscheinlich, dass Nero sich ihr jemals anvertrauen würde, und sie konnte schlecht sein Personal aushorchen.

Ein idyllischer Tag nach dem anderen verging, und Amanda fühlte sich auf der Ranch schon ganz zu Hause. Die Arbeit mit den Jugendlichen verlief besser, als sie gehofft hatte.

Ignacio war ihr ein echter Freund geworden. Er brachte sie zum Lachen und verriet ihr jeden Tag immer ein bisschen mehr über Nero. Manchmal kam es ihr fast so vor, als wollte der alte Cowboy, dass sie lernte, seinen Boss zu verstehen. Er war es auch, der ihr verriet, dass die Frau auf dem Porträt Neros Großmutter war. Nicht weiter überraschend, dachte Amanda trocken.

Nur eine Sache gefiel ihr ganz und gar nicht: Sie bekam Nero kaum noch zu Gesicht. Er kam nie zum Reitplatz, wenn sie die Kinder unterrichtete, und sie nahmen ihre Mahlzeiten zu unterschiedlichen Zeiten ein.

In der Nacht, bevor die Ponys aus England eintreffen sollten, lag Amanda noch lange wach in ihrem Bett. Auch wenn sie versuchte, die Gedanken an Nero zu verdrängen, hielt sie die Sehnsucht wach.

Als sie endlich einschlief, erwachte in ihren Träumen die Frau auf dem Porträt zum Leben. Die Fäuste in die Hüften gestemmt, musterte sie Amanda mit abschätzendem Blick. Schweißgebadet wachte Amanda auf. Mit rasendem Herzen schaltete sie das Licht an und schaute sich um.

Natürlich war sie allein im Zimmer. Sie schüttelte den Kopf über ihre Ängste. Aber der Traum hatte sich so wirklich angefühlt.

Draußen war es bereits hell, und nach einem Blick auf die Nachttischuhr beschloss Amanda, dass sie genauso gut auch schon aufstehen konnte. Sie würde sowieso keinen Schlaf mehr finden.

Sie sprang aus dem Bett und zog die schweren Vorhänge zurück. Über der Straße, die zur Hazienda führte, lag eine Staubwolke. Die Wagen mit den Pferdeboxen aus England kamen gerade an. Nero lief bereits über den Hof, und Amanda musste schmunzeln. Wenn es eines gab, das ihn zu jeder Tages- und Nachtzeit herausbringen konnte, dann waren es Pferde.

Ohne einen Gedanken an ihr Aussehen zu verschwenden, zog sie ihre alte Latzhose über den Schlafanzug und darüber noch einen dicken Pullover gegen die Morgenkälte. Sie nahm sich nicht einmal die Zeit, ihre Haare zusammenzubinden. Nach einem kurzen Zähneputzen lief sie hinunter.

Als sie die Küchentür aufriss, zuckten María und Conception erschrocken zusammen, doch Amanda rannte mit einem Gruß weiter auf den Hof. Sie kam gerade noch rechtzeitig, um den ersten Wagen zu empfangen, der durch das Tor einfuhr. Amanda lief neben dem Wagen her, bis er vor den Ställen hielt.

„Überlassen Sie das Fahrern!“, wies Nero sie scharf zurecht, als sie nach dem Schloss der ersten Box griff.

Obwohl Amanda sich freute, ihn zu sehen, war sie zu ungeduldig, um noch länger zu warten. Außerdem ließ sie sich von ihm nichts vorschreiben!

„Ich sagte, lassen Sie das!“ Nero stellte sich zwischen sie und den Wagen. „Das ist Männerarbeit.“

„Männerarbeit?“, fragte Amanda gedehnt. „Ob Ihre Großmutter das auch so gesehen hätte?“

Nero erstarrte, und sie nutzte den Moment, an ihm vorbeizuhuschen. Misty war in diesem Transporter, und Amanda würde nicht zulassen, dass sich ihr jemand in den Weg stellte.

„Warum gehen Sie nicht einfach zurück ins Haus und überlassen uns diese Arbeit?“, versuchte Nero es ein wenig sanfter. Er legte seine Hand auf ihre. „Ich sage Ihnen sofort Bescheid, wenn Misty in ihrer Box ist.“

„Danke, aber ich möchte mich lieber selbst darum kümmern. Misty ist mein eigenes Pferd. Ich will sie begrüßen und mich überzeugen, ob alles mit ihr in Ordnung ist“, beharrte Amanda. Zur Bekräftigung ihrer Worte stemmte sie ihre Fäuste in die schmalen Hüften und sah ihn fest an.

Nach einem Moment des Schweigens zuckte Nero mit den Schultern. „Lassen Sie uns mit der Arbeit weitermachen.“

„Zusammen!“

„Zusammen“, stimmte er zu.

Gut, dachte Amanda. Dies war Neros Ranch, aber für die Ponys trug sie genauso viel Verantwortung wie er. Nach dem anstrengenden Flug und der langen Fahrt zur Hazienda waren sie bestimmt am Ende ihrer Kräfte.

Nero kümmerte sich um ein Pferd mit dem Namen Colonel. Amanda erinnerte sich, dass der hochgewachsene Hengst bereits in England einer seiner Favoriten gewesen war. Sie nahm Mistys Zügel auf, und gemeinsam brachten sie die Ponys zu den Ställen bei der Klinik, wo sie der Tierarzt untersuchen würde.

„Wir werden sie hier zur Sicherheit noch ein paar Tage beobachten, bevor wir sie mit den anderen Pferden zusammenbringen“, erklärte Nero, während Misty leise wieherte und die Nase zärtlich an Amandas Hals rieb. „Geben Sie ihr ein bisschen Zeit, sich zu akklimatisieren, dann dürfen Sie Misty reiten, sooft Sie mögen.“

Amanda öffnete ihren Mund, doch ihr fehlten die Worte. Zum ersten Mal hatte jemand gewagt, ihr zu sagen, wie sie mit ihren Pferden umzugehen hatte. „Ich werde selbst entscheiden, wann ich Misty reite“, erwiderte sie knapp.

„Mit der Zustimmung des Tierarztes“, ergänzte Nero.

„Natürlich.“ Amanda merkte erst jetzt, dass sie ihre Hände zu Fäusten geballt hatte und in derselben Pose am Zaun stand wie die Frau auf dem Porträt.

Bei Amandas Anblick spürte Nero plötzlich ein höchst unwillkommenes Verlangen nach ihr. Trotz der alten Arbeitshosen hätte er sie am liebsten an sich gezogen und leidenschaftlich geküsst.

Warum konnte sie nicht einfach nachgeben, wenn er etwas sagte, anstatt ihm ständig zu widersprechen!

Aber war es nicht gerade das, was ihm so besonders an ihr gefiel? Sie war nicht wie diese unzähligen jungen Frauen, die ihn so furchtbar langweilten. Frauen, mit denen er so wenig gemeinsam hatte, als würden sie auf einem anderen Planten leben.

Ihr Kuss in der Scheune hatte ihm gezeigt, wie leidenschaftlich Amanda unter ihrer kühlen Oberfläche war. Für sie gab es nur alles oder nichts. Sex ohne Bindung würde ihr niemals reichen. Und über Sex mit Bindung hatte er noch nie nachgedacht.

Das hinderte ihn allerdings nicht daran, ausgiebig darüber nachzudenken, wie Amanda unter ihrer formlosen Kleidung aussehen mochte, während sie gemeinsam die Ponys zum Tierarzt führten.

Amanda beachtete ihn nicht und flüsterte zärtliche Worte in Mistys Ohr.

Was sollte er nur mit ihr anfangen? Mittlerweile beherrschte Amanda viel zu viel von seinen Gedanken, doch er schaffte es einfach nicht, sie aus dem Kopf zu bekommen.

Aber er hatte Amanda selbst hergebracht, und er konnte niemandem außer sich selbst die Schuld an der Situation geben.

Als der große Tag des Polospiels gekommen war, hatten endlich alle Pferde die Tests beim Tierarzt bestanden.

Nero stand mit den anderen Männern am Zaun der Koppel und sah zu, wie Amanda einige Tiere auf ihre Fähigkeiten überprüfte.

Unwillkürlich zuckte ein Lächeln um Neros Mundwinkel. Selbst auf diese Entfernung war Amanda ihr Selbstvertrauen deutlich anzusehen.

Zu Recht, dachte Nero. Was ihren Job betraf, konnte es niemand mit ihr aufnehmen – außer ihm selbst und Ignacio natürlich. Was Gefühl und Verständnis für Pferde betraf, war Amanda ihm absolut ebenbürtig.

Sie würde heute zusammen mit Ignacio die Wechsel der Ponys während des Spiels leiten. Er hoffte, dass sie die Ehre zu schätzen wusste. Normalerweise arbeitete Ignacio allein.

Aber Amanda war anders, das hatte sein älterer Freund ihm gesagt: „Sie hat das Herz eines Gauchos.“ Er hatte Nero einen raschen Seitenblick zugeworfen. „Sie erinnert mich an deine Großmutter.“

Nero unterdrückte ein Lächeln. Das war wohl die längste Rede gewesen, die er je von Ignacio gehört hatte, bei der es nicht um Pferde ging. Nero dachte an seine Großmutter, bei der er aufgewachsen war. Annalisa Caracas war nicht nur für ihre Schönheit berühmt gewesen. Sie konnte reiten wie der beste Cowboy, kein Pferd war ihr zu wild gewesen.

Nachdem Neros Vater sein Erbe verprasst und die Estanzia heruntergewirtschaftet hatte, war Annalisa Caracas zurückgekommen, um die Ranch zu leiten. Noch heute dachte Nero voller Liebe und Respekt an seine Großmutter.

Er zuckte zusammen, als Ignacio ihm den Ellbogen in die Seite stieß, um ihn auf Amanda aufmerksam zu machen. Mit einer geschmeidigen Bewegung stieg sie auf Mistys Rücken und lenkte ihr Pony in Richtung der weiten Steppe.

Als sie mit einem mühelosen Sprung über den Zaun setzte, anstatt durch das Tor zu reiten, stießen die Gauchos anerkennende Pfiffe aus, doch Nero schüttelte nur den Kopf und unterdrückte ein Lachen.

Erst einige Minuten später fiel ihm auf, dass er zum ersten Mal seit sehr langer Zeit einer Frau beim Reiten zuschaute.

Kurz vor dem Polospiel lag eine fieberhafte Spannung in der Luft.

Mehr noch. Amanda hatte den Eindruck, als würde sich jeder auf der Estanzia auf die Schlacht des Jahrhunderts vorbereiten. Dabei ging es doch nur um ein Freundschaftsspiel.

In der Steppe bedeutete Polo nicht nur Fiesta, sondern es war auch eine Gelegenheit, weit verstreute Freunde und Familie wieder zu treffen. Besucher kamen von nah und fern, manche mit eigenen Hubschraubern, Privatflugzeugen oder teuren Limousinen. Doch im Laufe des Tages füllte sich der Hof vor allem mit angeschlagenen Lieferwagen, zerbeulten Jeeps und Pferdeboxen. Ganze Familien ritten auf ihren Ponys ein, Lastesel mit Vorräten im Schlepptau.

All diese Menschen brauchten nicht nur Wasser und Schatten, sondern auch ausreichend Essen und sanitäre Anlagen. Zusammen mit den Angestellten der Ranch sorgte Amanda unermüdlich dafür, dass die Veranstaltung ein voller Erfolg wurde.

Stolz betrachtete sie die fröhlich feiernden Menschen. Alle waren gekommen, um ihren Nationalhelden Nero Caracas spielen zu sehen. Nero stand für alles, was stolz und aufrecht an diesem Land war. In diesem Augenblick erkannte Amanda, dass sie hierhergehörte. Sie hatte das Gefühl, als wäre Argentinien in den wenigen Tagen bereits ihre Heimat geworden.

Genug geträumt! rief sie sich energisch zur Ordnung. Argentinien konnte niemals ihre Heimat werden. Bald würde sie nach England zurückkehren, und diese glücklichen Tage würden nur noch eine wunderbare Erinnerung sein.

Es wurde Zeit, sich um die Pferde zu kümmern. Die allgemeine Aufregung hatte sich auch auf die Ponys übertragen. Ausgerechnet Colonel war besonders nervös, stellte Amanda besorgt fest. Nero wollte den Hengst erst am Ende des Spiels reiten.

Wenn es nach ihr gegangen wäre, hätte er das Match auf Colonel begonnen. Nach der langen Wartezeit würde das Pferd erst recht außer Rand und Band sein.

Nero hatte ihre Meinung mit einer Handbewegung beiseitegewischt. „Er braucht nur ein bisschen Zeit, um sich zu beruhigen.“

Ich muss lernen, mich zu entspannen, wenn es um Nero geht, nahm Amanda sich vor. Doch als sie ihn in seinem Trikot sah, war der gute Vorsatz vergessen. Langsam sollte sie sich an seinen Anblick gewöhnt haben, aber er sah einfach zu gut aus!

Ihr Herz klopfte schneller, und sie konnte ihre Augen nicht abwenden. Zur Hölle! fluchte sie im Stillen. Nero war einfach der aufregendste Mann der Welt!

Zum Glück schien er nicht zu bemerken, was in ihr vorging. „Fertig?“, fragte er nur kurz.

„Fertig“, bestätigte sie ebenso knapp. Sie hatten beide die Pferde mehrfach auf Herz und Nieren geprüft, aber das änderte nichts an ihrer Sorge um ihn.

Amanda zuckte zusammen, als jetzt auch die Polo-Groupies eintrafen. Die jungen Argentinierinnen sahen aus, als wären sie direkt einer Modezeitschrift entsprungen. In hochhackigen Schuhen und superkurzen Miniröckchen stöckelten sie über den staubigen Hof und scharten sich schließlich um Nero.

Doch er beachtete sie gar nicht. Fast hätte Amanda Mitleid mit ihnen verspürt. Sie selbst wusste genau, dass ein Spieler vor dem Match konzentriert war, und sie erwartete gar nicht, dass Nero sich um sie kümmerte. Aber die Mädchen verstanden ihn nicht. Sie glaubten, sie müssten nur hübsch aussehen und sich lange genug in seiner Nähe aufhalten, damit er sie mit einem Lächeln belohnte.

Langsam ging sie zum Spielfeld. Sie hatte geahnt, dass dieses Match kein entspanntes Freundschaftsspiel werden würde, aber erst, als sie die Kommentare der Zuschauer hörte, begriff sie wirklich: Diese beiden Teams waren seit vielen Jahren erbitterte Konkurrenten.

Überrascht stellte Amanda fest, dass sie dem Ende des Spiels entgegenfieberte. Erst dann würde Nero in Sicherheit sein. Mit feuchten Händen sah sie zu, wie der Schiedsrichter mit den Teams sprach, dann wurden die Hymnen gespielt, der Ball positioniert, und schließlich begann Nero mit dem ersten Schlag.

Auf donnernden Hufen rasten die Spieler über das Feld. Wie üblich sorgte Nero für einen frühen Vorsprung seines Teams. Ohne Zweifel war er der beste Reiter auf dem Feld. Aber selbst Nero ist nicht unverwundbar! dachte Amanda voller Sorge. Er konnte nicht allen schmutzigen Tricks seiner Gegner ausweichen.

Sie schrie warnend auf, als zwei Spieler des anderen Teams wie Geschosse auf ihn zurasten. Nero würde nie sein Pony in Gefahr bringen! Eher sich selbst.

Er entkam mit einer rasanten Drehung, und die Zuschauer atmeten erleichtert auf. Aber Amanda hatte gesehen, wie knapp es gewesen war. Ihre Angst um ihn wuchs. Offensichtlich hatte die gegnerische Mannschaft nur ein Ziel: Nero Caracas spielunfähig zu machen, und zwar endgültig.

Und doch hatte Nero nie stärker gewirkt. Er beherrschte das Spiel und sprang bei den Pferdewechseln mühelos von einem Ponyrücken zum nächsten. In diesen kurzen Sekunden hing alles von der reibungslosen Zusammenarbeit zwischen Reiter und Trainer ab, und Amanda hätte für nichts in der Welt ihre Verantwortung an jemand anderen abgegeben.

Diese Sekunden gehörten ihr, und ausnahmsweise hatte Nero keine Zeit, mit ihr zu streiten.

Meine Angst ist völlig unbegründet, versuchte Amanda sich zu beruhigen, als die nächste Spielphase begann. Sie sollte sich einfach zurücklehnen und das Match genießen.

Ganz langsam begann sich Amanda zu entspannen. Gemeinsam mit den andern Zuschauern feuerte sie die Spieler an, bis sie heiser war. Jetzt schlug Nero einen Ball frei über das Feld und jagte ihm dann hinterher. Die anderen Reiter waren nicht schnell genug, um ihn zu stoppen, bevor er den Ball in ihr Tor schmetterte.

Unter stürmischem Applaus ritten die Teams nach der Spielphase vom Feld. Nero nutzte den Moment, um sein Trikot gegen ein frisches zu wechseln. Amandas Herz machte einen Hüpfer, als er das Hemd über den Kopf zog und seine atemberaubenden Muskeln entblößte, aber sie ließ sich nichts anmerken.

„Ich habe Colonel durch ein anderes Pony ersetzt“, teilte sie Nero mit.

„Nein! Das ist Colonels letztes Spiel. Ich werde ihm dieses Match nicht vorenthalten!“

„Aber sehen Sie ihn doch an!“

Der Hengst hatte Schaum vor dem Mund, und es waren zwei Männer nötig, um ihn zu halten.

„Es ist Ihr Job, ihn zu beruhigen.“

Während Amanda noch über diesen haarsträubenden Unsinn nachdachte, stieg Nero bereits in den Sattel. „Colonel hat lange auf diesen Augenblick gewartet“, rief er Amanda zu. „Nicht wahr, mein Junge?“

Amanda knirschte mit den Zähnen, als das Pony zugleich wachsam und ruhiger wurde.

„Er lässt sich nicht zähmen, Amanda!“, hörte sie hinter sich die Stimme des alten Gauchos.

Sie drehte sich zu Ignacio um. Hatte er Colonel oder Nero damit gemeint?

„Ein fantastisches Spiel“, erwiderte sie, aber sie hörte selbst, wie wenig überzeugt ihre Worte klangen. Selbst mit dem erfahrenen Cowboy an der Seite konnte sie ihre wachsende Angst um Nero nicht in den Griff bekommen.

„Schauen Sie nicht so besorgt.“ Ignacio folgte ihrem Blick. „Nero und Colonel haben eine ganz besondere Verbindung.“

Das konnte Amanda nur hoffen. „Ich wünschte nur, dieses Spiel wäre nicht ganz so brutal“, sprach sie ihre Angst aus.

Ignacio zuckte mit den Schultern. „Auf dem Feld sind einige der weltbesten Spieler versammelt. Was erwarten Sie?“

Dies ist aber kein Spiel, sondern Krieg, dachte Amanda. Sie war froh, dass Ignacio bei ihr blieb. Auch er hatte nur Augen für Nero, und sie erkannte, dass der Gaucho ihn so liebte, als sei er sein eigener Sohn.

Es kam ihr vor, als würde das Spiel von Minute zu Minute brutaler. In Neros Miene konnte sie lesen, wie aufgebracht er mittlerweile war, weil seine Gegner immer wieder unnötige Risiken für ihre Pferde eingingen. Gerade als sie dachte, sie könnte es keine Sekunde länger aushalten, warf er ihr einen Blick zu und tätschelte Colonels Hals. Es schien, als wollte er ihr versichern, dass alles in Ordnung war.

Sie rang sich ein Lächeln ab, doch Nero musste ihre Sorge erkannt haben. Mit einem kurzen Nicken galoppierte er davon und jagte dem Ball hinterher. Ein Spieler schlug ihn in der Luft, und der Ball änderte die Richtung.

Und plötzlich passierte es! Eine Gruppe des gegnerischen Teams donnerte direkt auf Amanda und Ignacio zu, die nebeneinander am vorderen Spielfeldrand standen. Ignacio packte Amanda am Arm und wollte sie wegziehen. Doch der alte Mann strauchelte und stürzte. Instinktiv warf sich Amanda über ihn und sicherte ihn mit ihrem eigenen Körper.

Für einen entsetzlichen Moment versank die Welt um sie herum in einem Chaos aus stampfenden Pferdehufen, Stiefeln, Beinen, Zügeln und Poloschlägern. Und dann, wie aus dem Nichts, tauchte Nero neben ihnen auf. Mit einem einzigen Griff zog er sie und seinen Freund in Sicherheit.

„Das war knapp“, flüsterte Amanda an seiner Brust.

Auf dem Spielfeld kehrte langsam wieder Ruhe ein. Zügel wurden aufgenommen, Stiefel in Steigbügel gesteckt, und die Reiter ritten in einigem Abstand zueinander langsam über das Feld, um ihre Ponys zu beruhigen.

Erst jetzt sah Amanda, dass Colonel auf dem Boden lag. Nero hatte das Pferd vor die nahenden Reiter gelenkt, um Amanda und Ignacio zu schützen. Schock und Trauer schlugen über ihr zusammen.

Nero ließ Amanda unsanft auf ihre Füße fallen und ging zurück zu seinem Pferd. „Geh weg von ihm“, fuhr er sie an, als sie ihm folgen wollte.

Amanda hörte nicht auf ihn. Rasch prüfte sie, ob Colonel etwas Ernsthaftes fehlte. „Er ist am Ende seiner Kräfte.“

„Weißt du das mit Sicherheit?“ Neros Stimme klang eisig.

Aus irgendeinem Grund gab Nero ihr die Schuld, begriff Amanda. „Ja“, erwiderte sie nur ruhig.

Nero stieß einen spanischen Fluch aus.

„Wir müssen Colonel so schnell wie möglich helfen.“ Sie kniete sich neben Colonels Kopf und sah sich Hilfe suchend um. „Wo bleibt der Tierarzt?“

„Er ist auf dem Weg“, versicherte Ignacio.

Erleichtert sah Amanda auf, als der Arzt endlich kam. Bevor sie etwas sagen konnte, legte Ignacio seine Hand auf ihren Arm. „Danke, Amanda. Was du getan hast …“ Er brach ab und räusperte sich.

„Ich danke dir“, erwiderte sie. „Wir haben uns gegenseitig geholfen. Es hätte alles viel schlimmer ausgehen können.“ Aber sie bezweifelte, dass Nero das genauso sah.

Das Spiel war wegen des Zwischenfalls unterbrochen worden, und die Zuschauer murrten ungeduldig, während der Tierarzt das Pony untersuchte.

Amanda berührte Neros Arm. „Danke!“, sagte sie leise.

„Wofür?“

„Du hast mich gerettet.“ Und nicht nur das, er hatte dafür sein Pferd geopfert.

Seine Augen wurden schmal. Bereute er, was er getan hatte? Ohne ein weiteres Wort drehte er ihr den Rücken zu und setzte seine Unterhaltung mit dem Tierarzt auf Spanisch fort. Ignacio übersetzte seine Worte für Amanda. Zu ihrer unendlichen Erleichterung bestätigte der Arzt, dass Colonel sich wieder erholen würde.

Während das Pony in den Krankentransporter geladen wurde, hielt Nero sich abseits. Er ist so weit entfernt, als wäre er auf einem anderen Kontinent, dachte Amanda.

Die Zuschauer jubelten, als der Schiedsrichter mitteilte, dass Colonel nicht ernsthaft verletzt war und das Spiel fortgesetzt würde. Unter tosendem Applaus wurde der Hengst vom Spielfeld gefahren.

Nur Nero sah dem Wagen nach, als wäre für ihn die Welt untergegangen. „Das war sein letztes Spiel“, sagte er wie zu sich selbst.

Und er gibt mir die Schuld daran, begriff Amanda.

9. KAPITEL

„Das Spiel geht weiter, Nero“, sagte Amanda sanft.

Erst als der Transporter mit Colonel nicht mehr zu sehen war, drehte er sich zu ihr um. „Wo ist mein nächstes Pferd?“, fragte er barsch.

Bei seinem Tonfall zuckte Amanda zusammen. Dabei saß ihr selbst noch der Schreck über den Unfall in den Knochen. Nur um ein Haar war es so glimpflich ausgegangen.

Wie muss den Kindern zumute sein? fiel ihr plötzlich ein. „Es … es tut mir leid, ich muss weg“, stammelte sie und winkte einen der Pferdepfleger heran.

„Wo, zur Hölle, willst du hin? Hast du überhaupt begriffen, was hier gerade passiert ist?“

Keinem von beiden fiel auf, dass sie nicht wieder zum Sie zurückgekehrt waren.

„Ja, und es tut mir entsetzlich leid. Aber ich muss mich um die Jugendlichen kümmern. Sie haben alles gesehen und sind bestimmt genauso geschockt wie wir.“

Ohne auf Neros Antwort zu warten, ließ sie ihn stehen und lief los. Je eher sie die Jugendlichen beruhigt hatte, desto schneller konnte sie zurück an die Arbeit gehen.

Zu ihrer Überraschung stellte sie fest, dass der Unfall die Begeisterung der Jungen für Polo nur noch angeheizt hatte. Selbst die wenigen, die das Spiel vorher noch als Mädchenkram abgetan hatten, waren jetzt eingeschworene Fans.

„Viel spannender als Autorennen!“, rief einer der Jungen mit leuchtenden Augen. „Und noch viel gefährlicher!“

Um die Jugendlichen brauchte sie sich also keine Sorgen zu machen. Doch dafür musste sie irgendwie mit Nero ins Reine kommen. Ihr Lächeln verschwand, als sie sich dem Spielfeld näherte.

„Wie nett, dass du dich doch noch blicken lässt!“, brummte Nero.

„Hat sich die Pferdepflegerin nicht um dich gekümmert?“

„Das ist dein Job, Amanda“, entgegnete er scharf und sprang in den Sattel. „Deine Arbeitshaltung ist extrem unprofessionell.“

„Was sollte ich denn tun?“ Amanda erhob ihre Stimme jetzt ebenfalls.

Alle Umstehenden hielten mit ihren Arbeiten inne und starrten die beiden an.

„Ich verstehe nicht, wie du dich so in Gefahr bringen konntest, Amanda. Das ist hier kein Spaziergang im Park! Was denkst du, was du den Jugendlichen damit für ein Beispiel gegeben hast? Das war einfach unverantwortlich von dir.“

Ihr wurde klar, dass Nero nicht gesehen hatte, was wirklich passiert war. Er wusste nicht, dass Ignacio gestürzt und fast zu Tode getrampelt worden wäre. Darum ging er einfach davon aus, dass sie mit ihrem leichtsinnigen Verhalten an dem Unglück schuld war.

Amanda biss die Zähne aufeinander. Sie würde ihm bestimmt nicht sagen, dass sie mit vollem Körpereinsatz versucht hatte, seinen alten Freund zu retten.

„Ich will keine Entschuldigungen hören!“, fuhr Nero sie an, obwohl sie gar nichts gesagt hatte. „Und zu deiner Information: Wenn du siehst, dass Pferde auf dich zugaloppieren, rennst du weg! Du tust nicht alles, um unter die Hufe zu geraten.“

Amanda wusste, dass dies kein guter Zeitpunkt war, um mit Nero zu streiten. Seine Stimmung war vom Kampf aufgeheizt. Sie war bereit, Zugeständnisse zu machen. Aber sie würde sich nicht von ihm demütigen lassen.

„Ich kann mich nur für mein Verhalten entschuldigen“, sagte sie ruhig, um die Situation etwas zu entspannen. „Ich werde jetzt das nächste Pferd vorbereiten.“

Irgendetwas in ihrer Stimme ließ Nero schweigen. Er wusste selbst nicht, was mit ihm los war. In jedem Spiel lagen seine Nerven bloß, doch noch nie so wie heute. Aber er hatte auch noch nie ein Pferd bewusst gefährdet. Und ausgerechnet seinen treuen alten Colonel!

Wütend sah er Amanda nach, wie sie zu den pony lines hinüberging. Sie arbeitete genauso ruhig und sicher weiter, als wäre nichts passiert. Was ihn nur noch wütender machte. Er hatte noch nie eine Frau wie sie getroffen!

Heute hatte er alles für sie riskiert. Aber warum?

Mit grimmiger Miene galoppierte er aufs Feld. Sie würden ihre Gegner schlagen! Auch wenn er Amanda für ihr leichtsinniges Verhalten verurteilte, trug die andere Mannschaft eine Mitschuld an dem Unfall. Hätten sie ihre Ponys nicht so rücksichtslos geritten, wäre das alles nie passiert.

Aber die größte Schuld gab Nero sich selbst.

Er hob seinen Helm als Gruß zu den Zuschauern, während er sein Team unter tosendem Applaus aufs Spielfeld führte. Gleichzeitig sehnte er das Ende des Spiels herbei. Nur aus Loyalität zu seinen Fans und seinen Teammitgliedern spielte er weiter, obwohl er nur in der Klinik bei Colonel sein wollte.

Als er nach dem Spiel zu den pony lines ritt, wartete Amanda schon auf ihn. Sie wirkte kühl und gelassen wie immer und reichte ihm eine Wasserflasche. Ohne sie zu beachten, ging Nero an ihr vorbei.

„Du solltest etwas trinken!“, beharrte Amanda. Sie versuchte, ihm die Flasche in die Hand zu drücken.

„Lass mich in Ruhe“, gab er zurück. Trotzdem nahm er die Flasche und trank mit großen Zügen, während er zur Klinik eilte.

„Nero, warte!“

Lief Amanda etwa hinter ihm her? Die Frau hatte Nerven! Er ging weiter, aber sie überholte ihn und stellte sich ihm in den Weg.

„Was, zum Teufel …“ Er raufte seine Haare.

„Du tust Colonel keinen Gefallen, wenn du in diesem Zustand in seine Box rauschst.“ Amanda hatte die Fäuste in die Hüften gestemmt. „Das lasse ich nicht zu!“

„Ach nein?“ Er streckte die Hand aus, um sie zur Seite zu schieben.

Amanda schlug ihm auf die Finger. „Wage es ja nicht, mich anzufassen! Solange ich hier bin, trage ich genauso viel Verantwortung für die Ponys wie du, und ich lasse dich so nicht in die Klinik.“

Nero ging um sie herum und lief weiter.

„Ich weiß, was mit dir los ist!“ Amanda hielt mit ihm Schritt.

„Ach ja?“

„Du denkst, dass Colonel deinetwegen kein Spiel mehr reiten wird.“

Nero schnaufte verächtlich.

„Aber das ist nicht wahr! Du hast nur versucht, das Schlimmste zu verhindern.“

„Ich hatte keine Wahl. Jeder hätte so gehandelt. Und jetzt entschuldige mich. Ich muss mich um ein verletztes Pferd kümmern.“

„Dann komme ich mit dir.“

„Du hast für einen Tag genug Schaden angerichtet. Ich schlage vor, dass du zurück zu den pony lines gehst und dich um die Tiere kümmerst. Das ist schließlich deine Aufgabe. Aber pass auf, dass du nicht wieder unter die Hufe kommst.“

Amanda blieb zurück. Sie zitterte am ganzen Körper. Nero war mit Abstand der abscheulichste, dickköpfigste und arroganteste Mann, dem sie jemals begegnet war! Einzig und allein seine Pferde lagen ihm am Herzen.

Wieso konnte sie ihn nicht einfach abscheulich und unattraktiv finden?

Nachdem Nero sich überzeugt hatte, dass mit Colonel alles in Ordnung war und gut für ihn gesorgt wurde, ging er zur Ranch zurück.

Von Amanda war nichts zu sehen. Und María und Conception begrüßten ihn ungewöhnlich bedrückt.

Bestimmt haben sie schon von dem Unglück gehört, überlegte Nero. Wenn er nur begreifen könnte, warum er zum ersten Mal ein Pferd in Gefahr gebracht hatte!

Das Leben eines Menschen war jedes Risiko wert, entschied er schließlich. Er hätte dasselbe für jeden getan, und es war purer Zufall, dass es um Amanda gegangen war.

Nero stand gerade unter der Dusche, als Ignacio hereinplatzte. „Colonel hat eine Kolik!“, rief der Gaucho.

Nero wusste, dass dies tödlich verlaufen konnte. Er nahm sich kaum Zeit zum Abtrocknen und lief bereits los, während er noch seine Jeans anzog.

Seit er die Klinik verlassen hatte, hatte Amanda bei dem Pony gewacht. Sie hatte beim ersten Anzeichen einer Kolik den Tierarzt gerufen und Nero verständigen lassen. Um eine neue Konfrontation zu vermeiden, verließ sie den Stall, sobald sie Nero von Weitem sah.

Niedergeschlagen ging sie über den großen Hof zu Mistys Box. Für einen Moment lehnte sie sich an die kalte Stallwand und schloss die Augen. Wie konnte sie es so weit kommen lassen? Sie hatte viel zu viel Gefühl in einen Mann investiert, der – abgesehen von ihrem Wissen über Pferde – nicht das geringste Interesse an ihr hatte.

Tränen liefen über ihre Wangen. Sie wischte sie ungeduldig fort und hob trotzig ihr Kinn. Zum Trauern war keine Zeit.

Ignacio hatte sie gebeten, den Jugendlichen nichts von Colonels kritischem Zustand zu sagen.

„Wir sind belastbar, Amanda, aber die Kinder sollten sich keine unnötigen Sorgen machen.“

Unwillkürlich lächelte sie, als sie an den alten Gaucho dachte. Trotz der kurzen Zeit waren sie gute Freunde geworden. Seine Freundschaft gab ihr Halt und Kraft.

Normalerweise hielt sie nichts davon, anderen die Wahrheit zu verschweigen, aber in diesem Fall hatte Ignacio recht. Die Jugendlichen hatten in ihrem kurzen Leben schon mit genug Schwierigkeiten gekämpft. Hier auf der Ranch sollten sie eine schöne und sorgenfreie Zeit erleben.

Heute Abend war eine große Party für die Kinder geplant, und Amanda wollte nicht alles mit schlechten Neuigkeiten ruinieren.

Am liebsten wäre sie zur Klinik gelaufen, um Colonel und Nero beizustehen. Aber Nero hatte ihr unmissverständlich klargemacht, dass er sie nicht dort haben wollte.

Natürlich würde sie ihm seine Ruhe lassen, wenn er es wünschte. Aber es ist nicht meine Art, einfach aufzugeben, dachte sie, als sie zur Estanzia ging.

In düsterer Stimmung stieß sie die Küchentür auf. Sie würde früh ins Bett gehen. Morgen sah alles vielleicht schon ganz anders aus. Auch wenn sie gern bei Colonel gewesen wäre, gab es nichts, was sie für das kranke Pferd tun konnte.

Amanda nahm ein langes, heißes Bad, dann ging sie ins Bett und vergrub ihr Gesicht in den Kissen. Sie versuchte, an gar nichts zu denken und einfach einzuschlafen. Aber sie war viel zu aufgewühlt, um Ruhe zu finden.

Irgendwann musste sie doch eingeschlafen sein, denn sie erwachte schlagartig. Mit rasendem Herzen setzte sie sich auf und sah auf die Nachttischuhr. Drei Uhr morgens. Inzwischen würde es Klarheit über Colonels Zustand geben.

Sie hielt es nicht länger im Bett aus. Sie musste wissen, wie es dem kranken Pferd ging. Nero war bestimmt schon seit Stunden im Bett.

Amanda nahm sich nicht einmal die Zeit, ihr Haar zurückzubinden, sondern zog nur Jeans und einen warmen Pullover über. An der Tür schlüpfte sie in ihre Stiefel.

Zum Glück war die Klinik nicht verschlossen. Leise öffnete sie die Tür und ging durch den langen, schmalen Korridor. Es roch schwach nach Desinfektionsmittel und Heu. Colonels Box war die einzige, in der noch Licht brannte. Die Tür stand leicht auf.

„Hallo, Colonel!“ Amanda steckte den Kopf in die Box.

Klare Augen und gespitzte Ohren sagten ihr alles, was sie wissen musste. Der Hengst hatte sich wieder erholt.

Sie wollte gerade zurück ins Bett gehen, als sie ein Geräusch aus der Box hörte. Vorsichtig ging sie hinein. Neben Colonel lag Nero im Stroh und schlief tief und fest. Zwei Hunde und die Stallkatze hatten sich an ihn gekuschelt.

Amandas Herz setzte einen Schlag aus. Um ihn nicht aufzuwecken, ging sie so leise wie möglich hinaus. Geräuschlos zog sie die Tür hinter sich zu, dann lehnte sie sich mit dem Rücken dagegen und schloss die Augen. Konnte ein Mann, der so viel Liebe zu geben hatte, wirklich durch und durch schlecht sein?

Am nächsten Morgen ging Amanda als Erstes zu den Ställen, holte Misty aus ihrer Box und führte sie einige Runden über den Hof. Dabei kamen sie wie zufällig auch an der Klinik vorbei. Sie nutzte die Gelegenheit, sich nach Colonel zu erkundigen.

Die Krankenschwester teilte ihr mit, dass man ihn bereits auf die kleine Koppel der Klinik geführt hatte. Sein Bein war zwar noch immer bandagiert, aber nach Ansicht des Tierarztes war Bewegung das Beste für den Hengst.

Amanda dankte der jungen Frau, dann führte sie Misty weiter bis zum Grenzzaun, der die Ranch von der Steppe trennte. Bedrückt starrte sie in die scheinbar endlose Pampa hinaus. Während der vergangenen Wochen hatte sie gelernt, diese wilde Natur zu lieben. Aber ohne Romantik blieb nichts als kilometerweite flache, leere Landschaft, umgeben von zerklüfteten Bergketten.

Autor

Susan Stephens
Das erste Buch der britischen Schriftstellerin Susan Stephens erschien im Jahr 2002. Insgesamt wurden bisher 30 Bücher veröffentlicht, viele gehören zu einer Serie wie beispielsweise “Latin Lovers” oder “Foreign Affairs”.

Als Kind las Susan Stephens gern die Märchen der Gebrüder Grimm. Ihr Studium beendete die Autorin mit einem MA in...

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