Sinnliche Spiele auf Hawaii

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Model für einen Erotikkalender? Zögernd übernimmt Emma den Job. Doch als sie sich am malerischen Strand von Hawaii in Pose wirft, knistert es heftig zwischen ihr und dem sexy Starfotografen Rafe. Schließlich reizt der sie nicht nur vor der Kamera zu heißen Spielchen…


  • Erscheinungstag 15.07.2017
  • ISBN / Artikelnummer 9783733779078
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Nicht zum ersten Mal hatte Rafe Delacantro das Gefühl, in der Hölle zu sein, und wieder einmal war eine Frau daran schuld. Zweifellos sah der Tropenwald Kauais, in dem er stand, eher nach dem Paradies aus, aber weder das üppige Grün noch die bildschönen Blüten um ihn herum konnten seine Stimmung heben.

Er empfand nichts als aufgestaute Wut und Reue, und beide Gefühle musste er möglichst umgehend abstellen, wenn dieses Fotoshooting gelingen sollte. Es war sein letzter Auftrag, das heißt, sein letzter für Hollywood, weshalb er es kaum erwarten konnte, die Sache endlich hinter sich zu bringen.

Zehn Jahre fotografierte er nun schon die Reichen, Schönen und Berühmten für Magazine und Modezeitschriften und hatte sich einen Namen als einer der Besten in seinem Beruf gemacht. Ja, er war erfolgreich.

Trotzdem hatte er jetzt, mit zweiunddreißig, die Launen seiner Models satt. Er hatte keine Lust mehr, sich den unkontrollierbaren Stimmungsschwankungen von Leuten auszusetzen, die zu schnell zu reich und zu berühmt geworden waren und keine Ahnung hatten, wie das wirkliche Leben war.

Rafe hatte eine sehr klare Vorstellung vom wirklichen Leben, und er wollte endlich mehr davon. Natürlich würde er immer ein Fotograf sein, denn dieser Beruf bedeutete ihm alles. Er würde die Kamera nie aus der Hand legen, aber er wollte sie in Zukunft auf andere Motive richten. Statt Menschen wollte er Pflanzen, Landschaften und vielleicht sogar Tiere fotografieren – alles, was ihm nicht dazwischenredete oder ihm etwas vormachte.

Nach diesem Auftrag würde er aufhören. Das stand für ihn fest. Eigentlich hätte er schon längst im „Ruhestand“ sein wollen. Mit den Fotos für den Kalender tat er einem guten Freund einen Gefallen. Zwölf Fotos für zwölf Monate voller sinnlicher Fantasien, was für Rafe im Klartext bedeutete: zwölf schwierige Shootings an zwölf unterschiedlichen Orten.

Heute war das Motiv für den März dran. Die Crew stand bereit, und das Licht war ideal, was jedoch nicht lange so bleiben würde, denn das Donnergrollen rückte von Minute zu Minute näher. Sie mussten sofort anfangen, was sie auch könnten, wenn denn endlich die Hauptperson da wäre – das Fotomodell.

Rafes Geduldsfaden drohte zu reißen, als das Model schließlich auftauchte und anscheinend extra langsam den kleinen Pfad hinunterkam. Ambers Augen waren nicht zu erkennen, weil sie diese hinter einer gewaltigen Sonnenbrille versteckte, aber wenigstens trug sie das Haar offen, wie er angeordnet hatte.

In ihrem Wickelrock und dem T-Shirt sah sie beinahe wie eine ganz normale, wenn auch schöne Frau aus. Wenn sie aber erst einmal das Kostüm trug, das Rafe in der Hand hielt, würde jeder Betrachter dahinschmelzen. Amber hatte eine fantastische Figur, die aber leider schon in allzu vielen B-Movies und auf fragwürdigen Websites zu sehen gewesen war.

Dennoch war sie die Idealbesetzung für das Foto, das Rafe im Kopf hatte. Er blickte sich auf der kleinen, moosüberwucherten Lichtung um, die sie ausgewählt hatten. Zwischen zwei Bäumen hatten sie eine Hängematte befestigt, und dahinter bildete ein Halbkreis aus dichten Sträuchern den idealen Hintergrund. Ein Gartenhäuschen rundete das Ganze ab. Außerhalb des Bereiches, den die Kamera erfassen würde, waren die üblichen Utensilien wie Strahler, Kabel und Reflektoren. Leider würde ihnen die aufwendige Ausrüstung überhaupt nichts mehr nützen, wenn sie jetzt nicht bald anfingen, denn es wurde langsam neblig.

„Jetzt wird es aber auch höchste Zeit“, sagte Rafe, als Amber endlich bei ihm war. Normalerweise quittierte sie solche Bemerkungen mit einem hochnäsigen Grinsen, das allen zeigen sollte, wie gleichgültig ihr die Zeitplanung anderer Leute war. Doch heute blieb es aus.

Amber interessierte sich für niemanden außer für sich selbst. Das hatte Rafe innerhalb von fünf Minuten begriffen, als er vor einigen Jahren zum ersten und letzten Mal mit ihr ausgegangen war. Sie liebte nichts so sehr wie ihr eigenes Spiegelbild, und deshalb hatte sie sehr entrüstet reagiert, als er sie kein zweites Mal ausführen wollte.

Aber Rafe wollte auf keinen Fall noch so ein Date, bei dem sie erst zu spät kam und dann den ganzen Abend nur fordernd, zickig und anstrengend war. Natürlich nahm sie es ihm übel, dass er von ihr nicht mindestens ebenso begeistert war wie sie selbst. Deshalb hatte sie bei ihren nächsten Fototerminen alles darangesetzt, ihn zu provozieren und gegen seine Anweisungen zu verstoßen. Sicher würde auch dieser Termin eine einzige Katastrophe werden.

Trotzdem war Rafe fest entschlossen, gute Miene zum bösen Spiel zu machen, denn er hatte es Stone, seinem Assistenten und ältesten Freund, versprochen. Ihre Namen sollten beide auf dem Kalender stehen, damit Stone, wie mit dem Studio abgemacht, in Zukunft viele solcher Kalenderaufträge bekam und er damit seine Karriere als Fotograf ankurbeln konnte.

Rafe würde sich also zusammenreißen und Amber nicht auf der Stelle erwürgen. Immerhin brauchte er sie noch für zehn Bilder, denn die Auftraggeber hatten darauf bestanden, ausschließlich Amber auf den Fotos zu haben. Die ersten beiden Shootings mit ihr waren schon eine echte Herausforderung gewesen. An allem und jedem hatte sie etwas auszusetzen gehabt. Dauernd meckerte sie herum, damit sich alle noch mehr um sie kümmerten und sie hofierten.

Stone behauptete, sie wollte Rafe so dafür bestrafen, dass er sie damals hatte abblitzen lassen. Nun, dann musste er wohl oder übel damit leben, denn er würde sie auf keinen Fall um ein zweites Date bitten. Er wollte diese Fotos machen, und mehr nicht. Wenigstens hatten sie die Zofen-Fantasie für Januar und die Amazonen-Fantasie für Februar schon unter Dach und Fach.

Blieben noch zehn Bilder …

„Wie schön, dass du nur eine Stunde zu spät kommst“, sagte er sarkastisch. „Wir haben so gut wie kein Tageslicht mehr, wenn du dich also bitte beeilen könntest.“ Er reichte ihr das dünne Negligé, das sie auf dem Bild tragen sollte.

Sie nahm das Kostüm und hielt es betont weit von sich. Es sollte „jungfräulich“ aussehen, und auf ihrer unglaublich glatten und vollkommenen Haut würde es umwerfend wirken.

„Was ist das?“, fragte sie.

„Dein Kostüm. Nun zieh dich schon um.“

Amber starrte das spärliche Nichts von einem Negligé immer noch an, während die ersten Regentropfen auf sie herunterfielen. Es waren große Tropfen, die sie alle in kürzester Zeit bis auf die Haut durchnässen würden, wenn sie sich nicht beeilten.

Ganz abgesehen davon konnte Rafe es nicht erwarten, endlich aus diesem so genannten Paradies wegzukommen und sich in sein eigenes Paradies zurückzuziehen, in sein neu gekauftes Haus in den Bergen oberhalb von Los Angeles. „Beeil dich, Amber.“

Sie blickte nach oben. „Aber das Wetter …“

„Ja, ich weiß. Wenn wir ein bisschen zulegen, können wir fertig sein, bevor uns ein Blitzschlag trifft.“ Er fasste sie bei den Schultern und drehte sie um. Dicht hinter ihr hatte das Team eine Behelfsumkleidekabine aus Bambusstöcken und Laken gebaut. Unsicher ging sie darauf zu, und Rafe blickte ihr verwundert nach.

Krieg jetzt bitte keinen Anfall, dachte er. Bitte nicht. Aber irgendetwas stimmte mit ihr nicht. Sie hatte niemanden von ihnen beschimpft, und nun verlangte sie nicht einmal jemanden, der ihr beim Umziehen assistierte.

War sie etwa high? Wenn ja, würde Rafe sie umbringen. Alle kannten das ungeschriebene Gesetz, dass Drogen beim Shooting tabu waren. „Was ist mit dir los?“

Sie erstarrte, drehte sich aber nicht um. „Nichts.“

Rafe sah zu Stone, doch der zuckte nur mit den Schultern. Er kannte Amber fast so gut wie Rafe und staunte ebenfalls.

Erst jetzt drehte sie sich zu ihm um. Sie hielt das Kostüm nach wie vor auf Armeslänge von sich, als käme es direkt aus einer Altkleidersammlung. Das war sehr ungewöhnlich. Amber liebte es, ihren tollen Körper zur Schau zu stellen, also müsste ihr doch auch dieser Hauch von Seide und Spitze gefallen.

Ein Donnergrollen ließ sie zusammenzucken. „Vielleicht sollten wir den Termin verschieben“, sagte sie.

Wie? Sie wollte nicht allen im Umkreis von fünf Meilen zeigen, wie fantastisch sie gebaut war?

Warum nicht?

Wahrscheinlich war sie wütend auf ihn. Was hatte er diesmal gemacht? Ach ja, er hatte sich geweigert, sie zu der Party in Hollywood zu begleiten, die kurz nach ihrem letzten Fototermin stattgefunden hatte.

Partys interessierten ihn genauso wenig wie ein Abend mit Amber. Er mochte es nicht, seine Freizeit mit den Frauen zu verbringen, mit denen er beruflich zu tun hatte. Im Grunde interessierte ihn keine Frau, die auch nur im Entferntesten mit seinem Beruf zu tun hatte.

Je länger er im Geschäft war, desto mehr sehnte er sich nach einer echten Frau mit inneren Werten. Er wollte eine Frau, deren Hoffnungen und Träume nicht bloß um Oscars oder Emmys kreisten. Eine Frau, die mit ihm durch dick und dünn gehen würde.

Er würde alles für eine Frau geben, die nicht danach fragte, was er für sie tun könnte, sondern was sie gemeinsam füreinander tun könnten. Stone lachte ihn deshalb aus und behauptete, solche Frauen gäbe es nicht. Im Gegensatz zu Rafe genoss er es noch, dass die jungen Frauen sich ihm zu Füßen warfen.

Rafe fand es einfach nur noch ermüdend. Und aus diesem Grunde wollte er diese Kalendergeschichte schnell hinter sich bringen und dem Geschäft ein für alle Mal den Rücken kehren.

„Können wir die Fotos bitte heute noch machen?“, fragte er Amber gereizt.

„Aber es regnet doch schon“, sagte sie und blickte wieder nach oben. Ein Regentropfen landete direkt auf ihrer Nasenspitze.

Prompt fielen die Tropfen schneller, und die Crew deckte hektisch die Ausrüstung ab. Rafe ging einen Schritt auf Amber zu und wollte ihr einen Regenschirm über den Kopf halten, um die Frisur und das Make-up zu schützen. Doch dann blieb er stehen.

Ihr regennasses Haar glänzte sanft im Scheinwerferlicht, und ihr Teint wirkte noch cremiger und perfekter, als er sowieso schon war. Wassertropfen verfingen sich in ihren Wimpern. „Das Wetter arbeitet für uns. Lass uns anfangen.“

Amber biss sich auf die Unterlippe. „Aber ich denke …“

„Alles ist perfekt. Hör auf zu denken.“

„Ja, aber …“

Ungeduldig ging er noch näher und nahm ihr die Sonnenbrille ab. Sollten ihre Augen blutunterlaufen und glasig sein, dann würde er … Aber ihre bernsteinbraunen Augen leuchteten klarer denn je.

Wurde sie etwa rot?

Hm. Amber errötete nie. Als Fotograf hatte Rafe einen geschulten Blick für Details, und so viel erkannte er: Diese ruhige, scheue Frau war nicht die draufgängerische und selbstverliebte Amber, die er kannte.

Was hatte das zu bedeuten? Entweder hatte Amber seit dem letzten Shooting vor einer Woche eine Persönlichkeitsveränderung durchgemacht, oder …

Oder die Frau vor ihm war ihre Zwillingsschwester Emma.

Wie nannte Amber sie noch? Ja, genau, Queen Emma. Er erinnerte sich nicht mehr, warum sie diesen Spitznamen hatte, aber das war im Augenblick auch unwichtig.

Wichtig war die Frage, warum Amber ihre Zwillingsschwester zu einem Fototermin schickte, wenn sie sich von diesem Kalender doch einen Karriereschub versprach. Sie hatte um diesen Job mindestens so verbissen gekämpft wie Stone.

„Amber?“, sagte er vorsichtig prüfend.

Sie sah ihn verlegen an. „J… ja?“

Er hatte also recht. Mehr als diesen Blick brauchte er nicht, um jeden Zweifel auszuschließen. „Zieh dich um“, befahl er ihr in einem Ton, mit dem er Amber ganz sicher auf die Palme gebracht hätte. „Jetzt.“

Schweigend schüttelte er den Kopf, als sie sich wortlos umdrehte und zur Bambusgarderobe ging. Sie wollte ihm also nicht die Wahrheit sagen. Das war gar nicht gut. Wieder blickte Rafe zu Stone, der ein weiteres Mal ratlos mit den Schultern zuckte.

Na schön. Amber und Emma waren eineiige Zwillinge, die niemand auseinander halten konnte. Und solange er seine Fotos bekam, konnte es ihm ziemlich gleichgültig sein, dass die beiden Schwestern die Rollen tauschten.

Außerdem sollte er sich auf die positive Seite konzentrieren: So viel Theater wie Amber würde Emma garantiert nicht machen.

Stone kam zu Rafe, einen Belichtungsmesser in der einen und ein Clipboard in der anderen Hand. Stone war blond und kräftig. Seine Statur erinnerte Rafe, der selbst dunkelhaarig und schlank war, an die eines Boxers.

„Wo ist das Problem?“, fragte Stone.

„Ich hoffe, es gibt keins“, antwortete Rafe und erntete damit prompt ein abfälliges Grinsen von Stone. Mit Amber gab es immer irgendwelche Probleme. Aber mit Emma?

Die beiden Männer sahen, wie sich die Laken zwischen den Bambusstöcken bewegten.

„Sie braucht wahrscheinlich Hilfe“, sagte Rafe seufzend und blickte resigniert zur Uhr.

Stone klopfte ihm auf die Schulter. „Ich gehe schon zu ihr. Du bringst sie sonst noch um, bevor das erste Foto geschossen ist.“

„Du etwa nicht?“

Stone grinste ihn an. „Sie ist nackt, und beim Anblick einer nackten schönen Frau denke ich an alles Mögliche, aber nicht an Mord.“

Rafe hörte leicht aufgeregtes Gemurmel hinter den Laken. Amber murmelte nie. Wenn sie irgendwelche Schwierigkeiten hatte – und sie hatte mindestens eine Million Schwierigkeiten pro Tag –, dann schrie sie andere Menschen an, bis die sich darum kümmerten.

Heute nicht, denn die Frau hinter den Laken war nicht Amber, sondern Emma, die sich mit dem dünnen Negligé abmühte. Amber hatte einen zum Sterben schönen Körper und lebte dafür, ihn aller Welt zu zeigen. Sie würde sich kein bisschen daran stören, dass das Kostüm praktisch durchsichtig war.

Stone zwinkerte Rafe zu und ging näher an die Behelfsgarderobe heran. „Brauchst du Hilfe?“, rief er.

„Nein, danke. Es geht schon. Ich bin gleich fertig.“

Nun drehte sich Stone verwundert zu Rafe um. Amber war normalerweise nicht glücklich, solange nicht mindestens zehn Menschen um sie herumtanzten. Aber sie hatten es hier ja auch nicht mit Amber zu tun, was bisher allerdings wohl nur Rafe aufgefallen war.

Wie dem auch sei, er wollte keine Zeit mehr verlieren. Er konnte ebenso gut Emma statt Amber fotografieren – vorausgesetzt, sie kam irgendwann hinter diesen Laken hervor.

Emma stand splitternackt hinter den dünnen Laken, die über Bambusstöcke drapiert waren, inmitten des Tropenwaldes von Kauai, und das hatte sie ihrer Schwester Amber zu verdanken.

Wie hatte sie sich bloß von Amber in diese peinliche Situation bringen lassen können? Emma war ein arbeitswütiger und eher schüchterner Mensch, was tat sie also hier? Sie musste mal wieder Amber aus der Patsche helfen!

Diese so genannten Notfälle, bei denen sie ihrer Zwillingsschwester zu Hilfe kommen musste, konnte Emma gar nicht mehr zählen, aber dieser hier schoss den Vogel ab.

Emma starrte hilflos auf das dünne dreieckige Etwas in ihrer Hand und fragte sich, was sie damit bedecken wollte. Es war das Unterteil ihres Kostüms, und es würde praktisch nichts von ihr verhüllen.

Ein Stringtanga! Na klar, die Schauspielerin Amber Willis würde dieses Ding mit Begeisterung anziehen und damit vor der Kamera posieren, aber Emma Willis, die kleine Drehbuchschreiberin für Seifenopern, hasste Stringtangas.

Dass sie diesen Job hier für ihre Schwester tat, sollte Amber ihr hoch anrechnen. Oh ja, ihre Schwester war ihr schon einige Gefallen schuldig. Emma musste unwillkürlich lachen. Amber hatte eine Menge wieder gutzumachen, aber das würde sie natürlich nie tun. Warum ließ Emma sich eigentlich immer wieder darauf ein, ihre Schwester zu retten?

Sie schlüpfte in den String und griff nach dem Oberteil, das bei näherer Betrachtung noch knapper auszufallen schien. Auf den ersten Blick sah es nach viel Stoff aus, aber der war so durchsichtig, dass sie ebenso gut nackt bleiben könnte. Na ja, das war wohl auch die Idee bei „Verführerische Unschuld“ gewesen. So nämlich lautete das Thema für das Kalenderblatt.

Und auf diesem Kalenderblatt würde nun nicht Amber abgebildet sein, sondern Emma. Amber hatte vor zwei Tagen aus der Karibik angerufen, wo sie sich gerade mit ihrem derzeitigen Liebhaber aufhielt. „Der Mann kann mich aus dem Nebenraum zum Orgasmus bringen“, hatte sie ihrer Schwester vorgeschwärmt. „Ich glaube, er ist der einzig Richtige.“

Na klar. Der einzig Richtige. Als wenn es diesen Mann tatsächlich gäbe! Seit Jahren war Emma Zeugin, wie Amber sich unsterblich in einen Mann nach dem anderen verliebte. Wann würde ihre Schwester endlich erkennen, dass sie ihren Gefühlen besser nicht trauen sollte?

Was wusste Amber schon über die Liebe? Sie ging nur nach Äußerlichkeiten, und wenn der anfängliche Reiz erst einmal verblasst war, hatte sich die „Liebe“ meist auch erledigt. Wie dem auch sei, Amber hatte Emma regelrecht angefleht, für sie einzuspringen, denn sie hatte den Vertrag für die Fotos schon unterschrieben, und sie versprach sich davon einen Riesenkarriereschub.

Emma wiederum maßte sich kein Urteil an, was an diesem vermeintlichen Karriereschub dran war. Außerdem wollte sie Ambers Hoffnungen nicht trüben, denn schließlich war sie immer noch ihre Schwester. Amber lebte in ihrer Wildheit alles aus, was Emma nie wagen würde.

Dennoch konnte Emma sich schwerlich vorstellen, wie ein Foto in durchsichtiger weißer Spitze Ambers Schauspielkarriere vorantreiben sollte, wenn es nicht einmal eine Reihe echter kleiner Rollen geschafft hatten.

Aber wer weiß? Das Leben steckte manchmal voller Überraschungen. Also sprang sie brav für Amber ein, hilfsbereit und zuverlässig, wie es nun einmal ihrem Wesen entsprach. Vielleicht war dieser Kalender ja wirklich der entscheidende Auftrag. Und vielleicht war dieser Mann in der Karibik tatsächlich der Richtige.

Wenigstens sah Emma auf diese Weise einmal Kauai aus der Nähe, eine Insel, die sie bisher nur von Bildern kannte – und sie erlebte den täglichen Tropenregen. Wie oft hatte sie in Los Angeles von Regen geträumt, wenn sie in ihrem winzigen Arbeitszimmer saß und über den Folgen für die Seifenoper schwitzte, für die sie das Skript verfasste.

Sie sollte den kleinen Ausflug genießen. Es war höchste Zeit, dass sie sich mal ein bisschen Abwechslung gönnte. Vielleicht würde ihr dieser Job sogar Spaß machen. Sie war zwar etwas besorgt, weil sie wertvolle Schreibzeit einbüßte, aber es war Wochenende, und rein theoretisch sollte sie sowieso frei haben.

„Theoretisch“ deshalb, weil sich das Studio im Laufe der Jahre daran gewöhnt hatte, dass Emma praktisch immer arbeitete und gar keine Freizeit kannte. Natürlich war sie selbst daran schuld, denn sie hatte es ja so weit kommen lassen. Andererseits hatte sie sich mit Fleiß in eine Position hochgearbeitet, von der andere Sechsundzwanzigjährige nicht einmal zu träumen wagten: Sie war immerhin die rechte Hand der Autorin. Leider war die Frau eine wahre Tyrannin, die ihre Leute erbarmungslos ausbeutete. Trotzdem ließ Emma es sich gefallen, Woche für Woche.

Und nun hatte sie sich eben mal eine kleine Pause genehmigt, die darin bestehen sollte, sich dieses lächerliche Kostüm überzuziehen und vor der Kamera zu posieren. Zugegeben, bei dem Gedanken wurde ihr reichlich mulmig, aber sie würde es tun – für Amber und für sich.

„Können wir?“, hörte sie die ungeduldige Stimme hinter den Laken.

Emma blieb beinahe das Herz stehen. Sie musste Rafe bloß hören, und sofort fiel ihr ein, dass er Ambers Beschreibung viel zu sehr entsprach. Er war groß, sah umwerfend gut aus und entsprach hundertprozentig dem Bild von ihrem Traummann.

Nun, er hatte nicht direkt glücklich gewirkt, als sie vorhin den Pfad heruntergekommen war. Aber wer wollte ihm das verdenken? Er hielt sie für Amber, und Emma wusste, wie anstrengend und unberechenbar ihre Schwester sein konnte. Wahrscheinlich war er davon ausgegangen, dass dieser Fototermin sich zu einem Albtraum entwickeln würde.

Und er würde sicher gar nicht begeistert sein, wenn er hinter ihre kleine Scharade kam. Nein, er durfte auf keinen Fall merken, dass sie nicht Amber war. Sollte er etwas mitbekommen, würde er die Fotoserie sofort abblasen, und das konnte Amber sich nicht leisten.

Emma hatte ihr versprochen, sich nichts anmerken zu lassen. Nervös zupfte sie an dem Kostüm herum, aber da war nicht viel zu zupfen. Wie würde sie in dem Ding wohl aussehen? Unwillkürlich musste sie lächeln. Nun, wahrscheinlich sehr sexy – nicht mehr und nicht weniger.

Sie hielt das Top hoch. Los geht’s, redete sie sich Mut zu. Sie war auf einer Insel, weit weg von zu Hause und allen Menschen, mit denen sie normalerweise zu tun hatte. Was sollte da schon passieren?

„Beeil dich“, drängte Rafe, und im nächsten Moment wurden die Laken auseinander gezogen. Vor Emma stand der durchnässte Fotograf, und sie konnte nichts anderes tun, als ihn anzustarren. Sein dunkles Haar sah nass noch dunkler aus, das blaue T-Shirt klebte an seinem muskulösen Oberkörper, und die ausgeblichenen Levi’s schienen noch enger zu sitzen als vorher.

Nein, ihr stieg wohl das Kostüm zu Kopf, dass sie überhaupt an etwas anderes als an die Fotos dachte. Hektisch verschränkte sie die Arme vor der kaum verhüllten Brust. „Ich bin noch nicht fertig“, sagte sie unsicher.

„Aber ich.“

Keine Frage, Amber musste ihn bei den vorherigen Terminen zur Raserei getrieben haben. Und Emma durfte es nun ausbaden.

„Dir ist es wahrscheinlich egal, aber ich brauche das Licht, das mit jeder Sekunde schwächer wird“, erklärte er gereizt und wirkte dabei, als würde ihr Körper ihn nicht die Spur interessieren. So viel zu dem Ego, von dem sie bislang immer geglaubt hätte, es gar nicht zu besitzen.

Rafe packte ihre Hand und zog Emma aus der Behelfskabine hinter sich her den schmalen Pfad entlang. Er ging so schnell, dass sie laufen musste, um mit ihm Schritt zu halten.

In kürzester Zeit war sie außer Atem. Ich muss unbedingt mehr Sport treiben, dachte sie kläglich, aber daraus würde ohnehin nichts. Wenn sie nicht gerade schrieb, grübelte sie über neue Handlungsstränge nach, und in den wenigen Stunden, die ihr dann noch blieben, schlief sie.

Die Arbeit bestimmte ihr Leben. Nein – die Arbeit war ihr Leben.

Aber hier und jetzt, mitten im Paradies, musste sie Amber retten, indem sie das Fotomodell spielte – eine Rolle, von der sie keinen blassen Schimmer hatte.

Der Regen fiel inzwischen in großen Tropfen, allerdings noch nicht allzu dicht, sodass es sich angenehm erfrischend anfühlte, besser gesagt: anfühlen könnte, wenn sie nicht so entsetzlich nervös gewesen wäre.

Der andere Mann, Rafes Assistent, ging hinter seine Kamera. Was hatte Amber noch mal gesagt, wie er hieß? Stone. Stone mochte Amber nicht, aber das war ihr angeblich vollkommen gleichgültig, also sollte Emma sich auch nichts daraus machen. Sie wunderte sich trotzdem, denn er war groß, schlank, blond und ebenfalls sehr gut aussehend. Eigentlich entsprach er vollkommen Ambers Typ. Nun, Emma würde vielleicht noch herausfinden, weshalb ihre Schwester und er sich nicht grün waren.

Stone musterte sie und zeigte auf die Hängematte. „Dahin bitte, und lass uns schnell ein paar gute Fotos in den Kasten kriegen, damit wir bald ins Trockene kommen.“

Gute Fotos, klar. Kein Problem. Ihr Haar war nass und sah sicher gruselig aus. Eine Frau kam auf sie zugerannt. Das musste Jen sein, die für ihre Frisur und ihr Make-up zuständig war.

„Ich glaube, wir sollten …“, begann Jen und zupfte an Emmas Haar, als Rafe sie unterbrach.

„Sie ist perfekt“, rief er. „Die Haut hat einen tollen Glanz, und das Haar ist gut so.“

Emma spürte ein seltsames Kribbeln im Bauch. Rafe fand sie perfekt. Ein Mannequin zu sein, war ihr nie in den Kopf gekommen. Du bist zu klug, um dein Leben auf diese Weise zu verschwenden, hatte ihre Mutter ihr immer eingetrichtert.

Emma war die ehrgeizigere der beiden Schwestern gewesen. Sie hatte studiert und sich eine geistige Tätigkeit gesucht. Trotzdem tat es ihr gut, dass ein Wildfremder sie als Model für perfekt hielt. Was würde ihre Mutter wohl dazu sagen?

Emma stieg in die Hängematte – was ganz und gar nicht einfach war. Sie zog den Stoff möglichst dicht um sich und verschränkte die Arme wieder vor der Brust, sobald sie einigermaßen Halt gefunden hatte.

Stone streckte die Hand nach ihr aus. Emma zwang sich, nicht unwillkürlich zurückzuweichen. Er musste sie schließlich anfassen, und sie durfte sich nicht anmerken lassen, wie unangenehm es ihr war. Amber nämlich liebte es, angefasst zu werden.

Emma schloss die Augen und konzentrierte sich.

„Stone, wo ist der weiße Schirm?“, rief Rafe hinter der Kamera.

„Der weiße …“ Stone sah auf den blauen Regenschirm, den er in einer Hand hielt und fluchte. „Mist, ich habe ihn wohl in meinem Zimmer vergessen. Ich hole ihn.“

Emma blickte ihm nach, als er den Pfad hinaufrannte. Da stand plötzlich Rafe vor ihr.

„Halt still“, sagte er.

Das war überflüssig, denn sie konnte sich sowieso nicht rühren, wenn er sie ansah.

„Entspann dich.“

Sie schluckte. Nein, er schien sie gar nicht als Frau wahrzunehmen, sondern nur als Model. Emma konnte nicht einmal sagen, ob sie deshalb erleichtert oder verärgert sein sollte.

Erleichtert, beschloss sie. Aber wie sollte sie sich entspannen, solange sie sich praktisch nackt fühlte? Sie war es nicht gewöhnt, ihren Körper zur Schau zu stellen. Okay, sie hatte einige kurze Beziehungen gehabt, aber nur sehr sporadisch. Und seit sie bei der Seifenoper nach ganz oben aufgerückt war, hatte sie selbst dafür keine Zeit mehr gehabt.

Ihr letzter Kuss lag eine halbe Ewigkeit zurück, und schon damals war sie abgelenkt gewesen, weil sie einen Abgabetermin im Nacken gehabt hatte. Nein, ihr Liebesleben war wirklich nicht der Rede wert. Und keine ihrer Beziehungen hatte länger gedauert – jedenfalls nie so lange, dass sie sich daran gewöhnt hätte, vor einem Mann nackt zu sein.

Im Augenblick fühlte sie sich wie in einem dieser Träume, in denen man im Schulbus sitzt und auf einmal merkt, dass man splitterfasernackt ist – entsetzlich, beschämt und starr vor Schreck.

„Perfekt“, sagte Rafe, der wieder hinter der Kamera stand.

Wieder spürte Emma das Kribbeln im Bauch. Ja, sie fühlte sich entsetzlich und wollte vor Scham sterben, aber gleichzeitig war diese Situation ausgesprochen erregend.

„Zieh die Knie an und leg einen Arm um sie“, befahl Rafe und kam mit der Kamera näher.

Himmel! Wenn der kühle Regen nicht gewesen wäre, würde ihr wahrscheinlich kalter Schweiß auf der Stirn stehen.

Jetzt umfasste er auch noch ihren Knöchel und hob ihr Bein, bis sie endlich die Knie anzog. Dann nahm er ihren Arm und legte ihn um ihre Beine.

„So, und nun beug den Kopf noch vor, nur ein bisschen …“ Er klang ungeduldig, und sie erschrak, als seine Stimme eine Sekunde später fast sanft wurde. „Ja, so ist es gut.“

Unsicher sah sie ihn an, aber Rafe schien ganz mit seiner Arbeit beschäftigt zu sein. Sie hätte gern gelacht, weil ihr das Ganze so absurd vorkam.

„Stütz das Kinn auf die Knie“, kommandierte er. „Und sieh direkt in die Kamera, als wärst du unsicher.“

Unsicher, oh ja! Nichts leichter als das. Wenn er wüsste, wie unsicher sie war! Ihre Beine zitterten so sehr, dass sie diese umklammern musste.

„Nein, lockerer.“

Sie bemühte sich, aber offenbar ohne Erfolg. Rafe ließ die Kamera sinken und blickte Emma an. Dann legte er eine Hand auf ihren Oberschenkel. Emma zuckte zusammen und hielt die Luft an.

„Locker.“

Der hatte gut reden! Emma spürte, wie sie rot wurde. Nicht genug damit, dass sie fast nackt war, sie fand es auch noch erregend. Wie krank musste sie sein, wenn es sie erregte, ihren Körper vor einem Wildfremden zur Schau zu stellen? Noch dazu, wo dieser Wildfremde sie berührte und ihr Befehle erteilte. Wie konnte sie sich dabei unwiderstehlich sexy fühlen?

Glücklicherweise schien Rafe nichts von dem mitzubekommen, was in ihr vorging. Er fasste den Stoff ihres Oberteils und schüttelte ihn, sodass Emma für einen Augenblick das Gefühl hatte, nichts außer dem Tanga zu tragen. Das war ja schlimmer als in dem Nackt-im-Schulbus-Traum! Sie zog die Knie an und umfasste sie, als hinge ihr Leben davon ab.

Rafe dagegen benahm sich vollkommen professionell und wirkte kein bisschen beeindruckt von ihrer Nacktheit, während Emma sich wie auf dem Hochseil vorkam – ohne Netz.

„Ich weiß, dass ich mehr Sport treiben sollte“, begann sie nervös, als er auf ihren Bauch blickte. Wenn sie unsicher war, neigte sie dazu, einfach loszuplappern. „Ein bisschen Gymnastik, und der Bauch wäre wieder richtig. Ein paar Übungen für die Oberschenkel könnten auch nicht schaden, aber ich …“

„Du bist verrückt“, unterbrach er sie und schüttelte den Kopf. Dann trat er einen Schritt zurück, zog ihren Arm etwas beiseite und betrachtete sie prüfend. „Du weißt ganz genau, dass du mit diesem Körper jeden Mann schwach machst.“

Amber wusste das vielleicht, aber Emma ganz gewiss nicht. Bisher hatte sie wenig über ihren Körper nachgedacht. Gerade deshalb löste Rafes Lob seltsame Reaktionen in ihr aus. Emma schluckte und sah Rafe an. Warum hatte Amber ihr nicht gesagt, wie unglaublich gut er aussah? Warum hatte sie sie nicht vor der Gänsehaut gewarnt, die sie bekommen würde, wenn er sie anfasste?

Nein, Amber hatte mit keinem Wort erwähnt, wie atemberaubend Rafe war.

„Diese Position halten“, sagte er.

Halten. Ihre angewinkelten Beine bedeckten einiges von ihrer Vorderansicht, doch dann ging Rafe mit der Kamera um sie herum, und sie wagte nicht, sich auszumalen, was er nun sah.

Autor

Jill Shalvis

New York Times-Bestsellerautorin Jill Shalvis lebt in einer Kleinstadt in Sierras, voller verschrobener Mitmenschen. Jegliche Ähnlichkeit mit den Quirky Charakters in ihren Büchern ist, naja, meistens zufällig. Besuchen Sie sie auf ihrer Website www.jillshalvis.com, um mehr über Jills Bücher und ihre Abenteuer als Berge erklimmendes Stadtkinde zu lesen.

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