Stärker als jede Vernunft?

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Er ist ein Prinz! Und nicht nur das: Prinz Leopold ist der attraktivste Mann, dem Hochzeitsplanerin Bianca Bartolini jemals begegnet ist. Als er sie engagiert, die Hochzeit seiner Schwester auszurichten, könnte das für Bianca den Durchbruch bedeuten. Doch in Leos Nähe fällt es ihr schwer, an Geschäfte zu denken. Bald schon steht ihr Herz in Flammen. Gegen jede Vernunft lässt sie sich auf eine Affäre mit dem sexy Thronfolger ein - auch wenn sie weiß, dass es keine Zukunft für sie gibt. Denn Leo braucht eine standesgemäße Ehefrau …


  • Erscheinungstag 14.07.2020
  • Bandnummer 142020
  • ISBN / Artikelnummer 9783733714277
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

Februar, Toskana, Italien

Dieser Tag war ein einziger Albtraum. Bianca öffnete die knarrende Tür zum Schlafzimmer ihrer Eltern. Sie sah durch den Türspalt hinein, genau, wie sie es als kleines Mädchen immer getan hatte. Als würde sie warten, dass man sie hereinbat, hielt sie einen Moment inne. Aber das würde nie mehr passieren.

Zögernd ging sie ins Zimmer, ihr Blick glitt über die vertraute Umgebung. Das Bett war gemacht, so wie ihre Mutter es jeden Morgen hinterließ. Auf dem Kissen ihres Vaters sah sie eine leichte Vertiefung, als hätte gerade noch sein Kopf darauf gelegen – als würde er an diesem Abend zurückkommen.

Aber das würde er nicht.

Ihre Eltern waren gestorben. Bei dem Gedanken zog sich ihr Herz schmerzhaft zusammen. In der einen Minute waren sie noch fröhlich und lebendig gewesen. Im nächsten Augenblick waren sie bei einem entsetzlichen Autounfall gestorben.

Es war kein besonderer Tag gewesen, kein besonderer Anlass, nur eine ganz gewöhnliche Fahrt in die Stadt, um einzukaufen, an einem ganz gewöhnlichen Tag. Und doch hatte er so ein furchtbares Ende genommen.

Biancas Augen brannten vor ungeweinter Tränen. Sie blinzelte und schniefte. Sie musste sich zusammenreißen. Wenn sie zusammenbrach, würde das keinem helfen.

Die Beerdigung war gerade zu Ende gegangen, und gleich würde der Anwalt das Testament verlesen. Alles geschah so schnell wie möglich, denn der Betrieb musste weitergehen. Der Frühling stand vor der Tür. Jemand musste die Führung übernehmen, oder das Bartolini Weingut würde darunter leiden – das Erbe ihres Vaters. Seine kostbaren, mit Preisen überhäuften Trauben würden an den Rebstöcken verderben.

Für den Anwalt der Familie war das Grund genug, hier auf dem Anwesen ausgerechnet heute Bianca und ihren beiden Geschwistern das Testament zu verlesen – während sie immer noch die schwarze Kleidung von der Beerdigung trugen und die Trauergäste noch nicht abgereist waren.

Bianca wollte an diesem Tag nur eins, sie wollte sich an ihre Eltern erinnern – wollte noch einmal ihre Liebe spüren. Und hier, in den Privaträumen ihrer Eltern, fühlte sie sich ihnen am nächsten.

Hier hatte ihre Mutter ihr zum ersten Mal gezeigt, wie man Make-up auftrug. Hier hatte ihr Vater ihr mitgeteilt, dass sie eine Schule in Großbritannien besuchen würde.

Bianca ging langsam durch das große Zimmer, sie ließ die Finger über den reich mit Schnitzereien verzierten Frisiertisch gleiten, dann nahm sie die silberne Haarbürste ihrer Mutter auf. Tränen trübten ihren Blick, als ihr endgültig bewusst wurde, dass sie ihre Eltern nie wiedersehen würde. Der Gedanke war vollkommen unvorstellbar.

Sie ging weiter durch den Raum, ihre Finger strichen über all die Dinge, die ihre Eltern noch vor wenigen Tagen berührt hatten. Wie war es möglich, dass sie in dem einen Moment hier waren und im nächsten für immer gegangen?

Als eine Welle unerträglicher Trauer drohte, sie zu überfluten, presste Bianca eine zitternde Hand vor den Mund.

Klopf. Klopf.

„Bianca, bist du da drin?“ Es war die Stimme ihres Bruders.

„Ja.“ Man hatte sie zu früh gefunden.

Die Tür öffnete sich, und sie sah Enzos ernstes Gesicht vor sich. Zum Glück fragte er sie nicht, was sie hier im Schlafzimmer ihrer Eltern tat. Sie wollte ihm nicht erklären, wie sie verzweifelt nach irgendetwas suchte, das sie sich ihnen noch einmal nah fühlen ließ.

„Alle warten unten in Vaters Arbeitszimmer auf uns.“

Es war so weit. Sie würden die letzten Wünsche ihrer Eltern erfahren. Und dann würde das Weingut zwischen ihr, ihrem älteren Bruder und ihrer jüngeren Schwester aufgeteilt werden.

Damit würde der Tod ihrer Eltern endgültig Wirklichkeit sein.

„Ich … ich komme.“ Sie wandte ihm den Rücken zu, damit er nicht die Tränen in ihren Augen sah. Sie musste so stark sein wie er. Sie konnte diesen qualvollen Tag überstehen, ohne zusammenzubrechen.

Als sie den Kopf hob, fiel ihr Blick auf die alten Fotos an der Wand. Alle sahen so glücklich aus …

„Bianca, sie haben dich geliebt.“ Mit diesen Worten verließ er den Raum und schloss leise die Tür hinter sich.

Ihr Bruder hatte genau ihren wunden Punkt getroffen. Hatten ihre Eltern sie wirklich so geliebt wie ihre Geschwister? Sie bezweifelte es.

Bianca blieb neben dem Nachttisch ihrer Mutter stehen. Dort bemerkte sie das Tagebuch. Sie erinnerte sich, wie sie es als Kind zum ersten Mal gesehen hatte. Ihre Mutter hatte es ihr lachend aus der Hand genommen.

Sie sehnte sich verzweifelt danach, noch einmal die sanfte Stimme ihrer Mutter zu hören, aber ihr war, als wäre die Erinnerung plötzlich aus ihrem Kopf gelöscht worden. Wie war das möglich? Wenn sie jetzt schon die Stimme ihrer Mutter vergaß, wie lange würde es dauern, bis sie auch ihre gemeinsamen Momente und ihr Aussehen vergessen hatte?

Bianca nahm das Tagebuch auf und strich über das weiche Leder. Ein Teil von ihr wollte das Buch öffnen und noch einmal ihre Mutter zu sich sprechen lassen. Ein anderer Teil sagte ihr, was immer in dem Buch stand, ging sie nichts an.

Schließlich beschloss sie, nur ein kleines bisschen zu lesen. Gerade genug, um die Stimme ihrer Mutter zu hören. Eine Seite. Das war alles. Dann würde sie es weglegen.

Sie öffnete das Buch. Die Seiten teilten sich von alleine. Vor sich sah sie die charaktervolle Schrift ihrer Mutter. Bianca hätte sie überall erkannt.

Hungrig verschlang sie jedes Wort. In ihrem Kopf hörte sie den weichen Tonfall ihrer Mutter. Ihr war, als wäre sie bei ihr im Raum. Ihre Mutter sprach über ihren bevorstehenden Hochzeitstag. Sie erzählte von einer wachsenden Entfremdung zwischen ihr und ihrem Mann und dass sie etwas tun wollte, das sie einander wieder näher brachte.

Bianca las die letzten Zeilen auf der Seite.

Ist die Vergangenheit zurückgekommen, um uns zu quälen? Hat er mir wirklich verziehen? Oder wirft er es mir und meinem Kind immer noch vor, …

Vorwerfen? Und einem ihrer Kinder? Was vorwerfen?

Ohne auch nur darüber nachzudenken, ob es falsch oder richtig war, blätterte Bianca um.

… dass ich die Affäre hatte.

Biancas Atem stockte. Ihre Mutter hatte eine Affäre gehabt? Wie war das möglich? Ihre Eltern hatten immer so verliebt gewirkt. Wie hatte das passieren können?

Bianca ließ sich auf den Bettrand sinken, ihre Knie gaben nach.

Klopf. Klopf.

Die Tür öffnete sich, und ihre jüngere Schwester kam herein. „Hey, Enzo hat gesagt, dass du hier bist. Alle warten auf dich. Der Anwalt wirkt schon etwas ungeduldig … okay, sehr ungeduldig.“

Bianca interessierte sich nicht für den Anwalt. Die kurzen Zeilen im Tagebuch änderten alles, was sie über ihre Eltern zu wissen geglaubt hatte.

„Bianca, was ist los?“ Ihre Schwester kam durch den Raum und blieb vor ihr stehen. „Ich weiß, es ist schwer für dich. Es ist für uns alle schwer.“

„Darum geht es nicht.“ Sie wusste nicht, ob sie ihrer Schwester etwas von der Affäre sagen sollte. Vielleicht war es das Beste, es einfach zu vergessen. War das überhaupt möglich? Die Neuigkeit würde wie eine Bombe einschlagen, wenn ihre Geschwister davon erfuhren.

„Hey.“ Gia nahm ihr das Tagebuch aus der Hand. „Das ist Mammas Tagebuch. Was machst du damit?“

Schuldbewusst errötete Bianca. „Ich … ich musste einfach ihre Stimme hören … als wäre sie noch hier.“

„Und da dachtest du, du liest einfach mal ihre persönlichen Gedanken?“

„Nur eine Seite und dann …“ Bianca brach ab. Sollte sie es ihrer Schwester sagen? Wie könnte sie nicht? Das änderte alles.

„Und dann was?“

Bianca schüttelte den Kopf. Sie wollte es für ihre Schwester nicht noch schwerer machen. „Nichts.“

Gia betrachtete sie einen Moment. „Doch, irgendetwas stimmt nicht.“ Ihre Schwester hob das noch immer geöffnete Tagebuch und las die Seite. Als sie bei der letzten Zeile angekommen war, starrte sie mit großen Augen und geöffnetem Mund auf das Blatt. „Was?“

Bianca zuckte mit den Schultern. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Wenigstens war sie nicht mehr die Einzige, die von der Affäre wusste.

Klopf. Klopf.

Enzo öffnete die Tür. „Was ist los mit euch beiden? Alle warten unten.“

Gia winkte ihm, dass er hereinkommen sollte. „Mach die Tür zu.“

Er tat, was sie gesagt hatte, und kam zu ihnen. „Warum lest ihr Mammas Tagebuch? Legt es zurück. Das geht euch nichts an.“

Er griff nach dem Buch, aber Gia war zu schnell für ihn und zog es fort.

„Es sollte nur eine Seite sein. Gerade genug, um das Gefühl zu haben, dass Mamma nicht ganz gegangen ist. Und dann …“, begann Bianca.

„Dann haben wir etwas entdeckt. Etwas Unglaubliches“, fuhr Gia fort.

Enzo schüttelte den Kopf. „Egal, was es ist, es geht euch nichts an.“

„Wusstest du, dass Mamma eine Affäre hatte?“, platzte Gia heraus?

„Was? Nein. Das kann nicht sein. So etwas würde sie nicht tun.“ Er schüttelte den Kopf, als wollte er den Gedanken vertreiben.

Gia hob das Buch und begann, die Worte ihrer Mutter laut vorzulesen. Bianca beobachtete ihren Bruder und sah, wie ihn die unterschiedlichsten Gefühle überfluteten. Es war offensichtlich, dass auch er nichts von der Affäre gewusst hatte. Und das Tagebuch sagte nicht, wann diese stattgefunden hatte.

Gia blätterte um.

Er sagte, er würde mich immer noch lieben und mir verzeihen, was passiert ist, aber wenn wir uns streiten, wenn wieder diese Distanz zwischen uns aufsteigt, frage ich mich jedes Mal, ob er sich an jene schlechten Zeiten unserer Ehe erinnert, als wir getrennt waren.

Ich war damals so sicher, dass er nie zu mir zurückkommen würde. Dass die Scheidung unausweichlich war. Tage wurden zu Wochen und dann zu Monaten. Ich war schwach und habe mich von einem gut aussehenden Mann verführen lassen. Nichts in meinem ganzen Leben habe ich je so sehr bereut. Und dann passierte das Schlimmste …

„Hör auf!“, rief Enzo. „Das ist nicht richtig.“

„Ich kann nicht aufhören“, sagte Gia. „Das betrifft uns alle.“

Enzo schüttelte den Kopf. „Ich will das nicht wissen.“ Seine Stimme zitterte, und seine Augen wurden schmal. „Reicht es nicht, dass wir sie beide verloren haben? Muss das heute sein?“

Er wollte es vielleicht nicht hören, aber Bianca konnte nicht leben, ohne es zu wissen. Was konnte schlimmer sein, als dass ihre Mutter ihren Vater betrogen hatte?

Während ihre Schwester und ihr Bruder stritten, was sie jetzt tun sollten, schnappte sich Bianca das Tagebuch aus Gias Hand. Die Stimmen ihrer Geschwister wurden ausgeblendet, als sie die nächsten Worte ihrer Mutter las.

Und dann passierte das Schlimmste. Ich wurde schwanger. Aldo sagte, er hätte mir vergeben und würde das Kind als sein eigenes annehmen …

Moment. Was? Eins der drei Geschwister war kein echter Bartolini? Bianca verschlang die nächsten Worte. Sie musste wissen, dass die Familie, die sie ihr ganzes Leben gekannt hatte, auch wirklich ihre war – dass sie keine Außenseiterin war.

… aber jetzt frage ich mich, ob er das wirklich ernst gemeint hat oder ob er das Baby einfach nur akzeptiert hat, weil unsere beiden Familien uns gedrängt haben, uns nicht scheiden zu lassen und wieder zusammenzukommen.

Denke ich zu viel über seine Worte nach? Heute Abend, wenn er aus dem Weinberg zurückkommt, werden wir miteinander reden. Das ist die einzige Möglichkeit, alles in Ordnung zu bringen.

Wer? Wer ist kein Bartolini? Frustration, Ärger und Traurigkeit mischten sich in ihrem Inneren, und ihr wurde übel. Bevor sie umblättern konnte, wurde ihr das Tagebuch aus der Hand gerissen.

Enzo hielt das Buch in der Hand, wütend blitzte er sie an. „Halt! Das reicht. Die Vergangenheit ist vorbei, und so muss es bleiben.“

„Was hast du mit dem Tagebuch vor?“, fragte Gia.

„Ich nehme es mit nach unten und verbrenne es im Kamin.“

„Nein.“ Bianca sprang vom Bett auf. „Das kannst du nicht machen.“

„Warum nicht?“

„Weil einer von uns kein Bartolini ist. Und das Buch ist der einzige Schlüssel zur Vergangenheit.“

1. KAPITEL

Sechs Wochen später, Villa Bartolini

Er hatte diese Reise gebraucht. Er wünschte nur, sie könnte länger dauern – viel länger.

Kronprinz Leopold sah sich in dem blühenden Garten der italienischen Villa um. Eine Gruppe festlich gekleideter Menschen umringte ihn. Jeder wollte mit ihm reden. Warum hatte er geglaubt, hier in der Toskana wäre alles anders als zu Hause?

In diesem Augenblick wandte sich die Aufmerksamkeit von ihm ab und einer Frau mit auffälligem Make-up und einem schrill pinkfarbenen Kleid zu, die sich ihrer Gruppe näherte. Im Gegensatz zu ihm genoss sie offensichtlich die allgemeine Aufmerksamkeit. Woran lag es, dass Leute immer genau das wollten, was sie nicht besaßen?

Genau wie seine Schwester, die Prinzessin von Patazonien, keine königliche Hochzeit wollte, sondern eine Feier, die ihre Persönlichkeit widerspiegelte.

Aber die Königin hatte entschieden, dass Tradition mehr zählte als die Wünsche ihrer Tochter. Genau wie sein Vater vor seinem Tod zu Leo gesagt hatte: „Traditionen sind der Grundstein des Königreichs.“

Leo schüttelte die Erinnerung ab. Jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt, um über die Vergangenheit nachzugrübeln – darüber, was hätte sein können.

Jetzt hatte er alle Hände voll zu tun mit seiner Mutter und seiner Schwester und ihren Auseinandersetzungen wegen der Hochzeit. Die beiden willensstarken Frauen stritten jeden Tag darüber.

Darum war er besonders froh gewesen, als er die Einladung zur Hochzeit eines Schulfreunds bekommen hatte. Wenn er im Palast schon keine Hilfe war, konnte er wenigstens einem Freund alles Gute wünschen.

Leo entfernte sich von der auffälligen Frau, deren schrille Stimme an seinen Nerven zerrte. Und um ehrlich zu sein, hatte eine andere Frau seine Aufmerksamkeit erregt. Ihr Haar war dunkel, und ihre Haut schimmerte in einem warmen Goldton. Er bemerkte, dass sie freundlich antwortete, wenn sie angesprochen wurde, aber ansonsten eher still blieb. Und wenn sie sprach, klang ihre Stimme weich.

Mehr als einmal ertappte er sich dabei, wie er sie anstarrte. Vielleicht lag es daran, dass sie nicht zu ihm gekommen war und sich vorgestellt hatte wie die meisten anderen Leute. Sie verhielt sich so, als wüsste sie nicht einmal, dass er zur königlichen Familie gehörte. War das möglich?

Aber ganz gleich, aus welchem Grund diese Frau sein Interesse erregte – es lag schon eine Weile zurück, seit er zum letzten Mal die Gesellschaft einer Frau genossen hatte.

Jeder wartete nur darauf, dass er sich endlich verlobte – eine Voraussetzung, um König zu werden. In dieser Situation kam es nicht infrage, etwas mit einer Frau anzufangen.

Aber noch war er ein freier Mann. Er sah, wie die anderen Männer der Frau bewundernd hinterherblickten. Er konnte ihnen keinen Vorwurf machen. Sie war umwerfend. Er musste mehr über sie wissen.

Leo bemerkte, dass sie nichts zu trinken hatte. Rasch nahm er zwei Gläser Champagner von einem der Tabletts, die die Kellner den Gästen anboten. Dann bahnte er sich seinen Weg durch die Menge zu der geheimnisvollen Schönen.

Es war gar nicht leicht, sie einzuholen, denn sie blieb nie länger als eine oder zwei Sekunden stehen, um mit jemandem ein paar Worte zu wechseln.

Endlich hatte er es geschafft und stand hinter ihr. „Entschuldigen Sie, ich glaube, das gehört Ihnen.“

Die Frau drehte sich zu ihm um. Er reichte ihr das Glas. Verwirrt sah sie ihn an. „Aber ich hatte keinen Champagner.“

„Das habe ich bemerkt. Darum habe ich Ihnen ein Glas geholt.“

Sie nahm das Glas, aber sie trank nicht davon. „Gefällt Ihnen die Feier?“

„Sehr. Die Dekoration ist sehr gut gelungen. Und die Idee, Eiscreme zu servieren, ist wirklich originell.“

„Das war der Wunsch der Braut.“

„Sie kennen sie – die Braut, meine ich?“

„Jetzt ja.“

„Also sind Sie eine Freundin des Bräutigams?“

„Jetzt ja.“ Sie lächelte.

„Jetzt bin ich verwirrt“, sagte er. „Sind Sie Gast der Braut oder des Bräutigams?“

„Weder noch. Ich bin die Hochzeitsplanerin, Bianca Bartolini.“

Das hatte er nicht erwartet. Normalerweise war er gut sehr darin, die Leute zu durchschauen. Wahrscheinlich hatte das etwas mit dem ganzen Ärger im Palast zu tun. Wenn er abends endlich das Licht ausmachte, hielten ihn seine Sorgen meist bis tief in die Nacht wach.

Er musste etwas unternehmen, damit wieder Frieden im Palast einkehrte. Wenn er das nicht einmal bei seiner eigenen Familie schaffte, wie sollte er dann jemals Frieden in einem ganzen Land halten?

Er wandte seine Aufmerksamkeit wieder seiner neuen Bekanntschaft zu. „Ich freue mich, Sie kennenzulernen. Ich bin Kr… äh … Leo.“

„Es ist mir eine Freude, Sie kennenzulernen.“

„Sie haben sehr gute Arbeit geleistet. Auch der Bräutigam wirkt sehr zufrieden.“

„Zum Glück.“

Er zögerte. „Sie sagen das, als hätten Sie nicht damit gerechnet.“

„Ich hatte nur sechs Wochen Zeit für die Planung. Sechs Wochen. Wissen Sie, wie wenig Zeit das für eine Hochzeit ist?“

Bevor er antworten konnte, wurde Bianca von einem der Kellner weggerufen. Mit einer kurzen Entschuldigung und einem angedeuteten Knicks ließ sie ihn allein, und er fühlte sich seltsam enttäuscht, als er ihr nachschaute.

Ein Prinz. Ein echter Prinz. Sündhaft sexy. Und er hatte sich mit ihr unterhalten. Biancas Herz flatterte. Sie konzentrierte sich darauf, nicht den Champagner zu verschütten, den er ihr gebracht hatte. Aber sie wagte es nicht, davon zu trinken. Sie musste einen klaren Kopf behalten. Ihre Zukunft hing davon ab, dass alles perfekt lief.

Keiner hatte ihr erzählt, dass der Kronprinz von Patazonien anwesend sein würde. Sein Gesicht zierte jedes Klatschmagazin, und sein Erscheinen hier würde auch dieser Feier Schlagzeilen bringen. Irgendjemand hätte es ihr sagen müssen. Sie hätte sich die größte Mühe gegeben sicherzustellen, dass es ihm an nichts fehlte.

Stattdessen konnte sie jetzt nur versuchen, das Zittern ihrer Knie unter Kontrolle zu bekommen. Und sie hatte absolut keine Idee, was sie zu ihm sagen sollte. Sie war so nervös gewesen, wahrscheinlich hatte sie sich gründlich blamiert. Und dieser Knicks. Knickste man heutzutage noch vor königlichen Hoheiten?

Aber jetzt konnte sie nicht länger über den atemberaubenden Prinzen nachdenken. Sie hatte einen Job zu erledigen.

Etwas später war es so weit. Die Trauung konnte beginnen. Bianca bemerkte den Prinzen zwischen den Gästen. Er versuchte nicht einmal zu verbergen, dass er sie beobachtete. Sein Blick folgte ihr offen und direkt.

Sie schluckte, aber sie konnte jetzt keine Pause machen und mit ihm reden – sosehr sie das auch wünschte. Sie gab dem Orchester ein Zeichen, und die Musik setzte ein. Der Vater der Braut wartete bereits, um seine Tochter zum Altar zu führen.

Als die Braut durch die weit geöffneten Flügeltüren trat, zog Bianca sich zurück. Ihre Arbeit war getan. Jetzt konnte sie entspannt der Trauung zusehen. Ganz gleich, an wie vielen Hochzeiten sie schon teilgenommen hatte, sie genoss jedes Mal diese einzigartige Stimmung, wenn der große Moment endlich gekommen war.

Ihr Blick glitt zum Prinzen. Seine goldbraune Haut, das dunkle Haar und die unergründlichen Augen ließen ihr Herz schneller klopfen. Sie seufzte leise. Könnte sie ihn nur kennenlernen! Aber das würde nie passieren.

Hochzeiten gehörten nicht zu seinen Lieblingsanlässen. Aber er musste zugeben, dass er gerade bei dieser Hochzeit gespannt gewesen war, ob die Braut wirklich Ja sagte. Und nach der besorgten Miene des Bräutigams zu urteilen, hatte er dasselbe befürchtet.

Aber die Hochzeitsplanerin hatte allein durch ihre Anwesenheit die Atmosphäre entspannt. Falls sie ebenfalls besorgt gewesen war, ob alles ein gutes Ende finden würde, ließ sie es sich nicht anmerken.

Wenn er heiratete, wünschte er sich jemanden wie sie, um die Hochzeit zu organisieren. Seine Schwester wünschte sich wahrscheinlich auch eine Hochzeitsplanerin wie Miss Bartolini.

Zurzeit organisierte auf Anweisung der Königin die Frau ihre Hochzeit, die auch schon die Hochzeit seiner Eltern geplant hatte. Der wichtigste Tag im Leben seiner Schwester würde also nach den Wünschen seiner Mutter ablaufen.

Leo hatte versucht zu helfen, aber er wusste nicht das Geringste über Hochzeiten.

Sein Leben lang war ihm klar gewesen, dass er eines Tages eine arrangierte Ehe eingehen würde – eine vernünftige und vorteilhafte Verbindung. Bei dem Gedanken, dass seine Eltern ihn schon als Teenager verloben wollten, drehte sich ihm immer noch der Magen um. Der Streit darüber war die letzte Begegnung mit seinem Vater vor dessen plötzlichem Tod gewesen.

Leo hatte Jahre gebraucht, um zu akzeptieren, dass er eine Frau heiraten würde, die er nicht liebte. Inzwischen sagte er sich, dass die Ehe für ihn nichts Besonderes war. Er würde seine Pflicht erfüllen – nur eine weitere Verpflichtung als künftiger König.

Liebe war für andere Leute bestimmt, wie seine Schwester. Giselle hatte die Liebe ihres Lebens gefunden, und Leo freute sich von ganzem Herzen für sie. Und darum war ihm ihre Hochzeit auch so wichtig. Wenigstens einer von ihnen verdiente es, glücklich zu sein.

„Du siehst aus, als würdest du die Last der Welt auf deinen Schultern tragen.“

Leo drehte sich um und sah den Bräutigam neben sich. Er lächelte. „Nicht der ganzen Welt, nur die Last Patazoniens.“

Benito hob eine Braue. „Probleme zu Hause?“

„Probleme ist untertrieben. Meine Mutter und meine Schwester haben den Streit des Jahrhunderts wegen der bevorstehenden Hochzeit.“

Benito lachte. „Das kann ich mir genau vorstellen. Die beiden sind wirklich sehr willensstarke Frauen. Du hast mein Mitgefühl. Ich habe Glück. Auch wenn unsere Hochzeit sehr spontan war, haben wir die perfekte Hochzeitsplanerin gefunden. Sie hat sich um alles gekümmert, einschließlich Camillas Eltern. Und wir konnten in Ruhe unsere kurze Verlobungszeit genießen. Vielleicht solltest du sie engagieren.“

Während Leo über den Scherz lachte, kam ihm der Gedanke, dass das gar keine schlechte Idee war.

„Bianca ist fantastisch“, fuhr Benito fort. „Sie hat bei einem der bekanntesten Hochzeitsplaner in Venedig gelernt. Und jetzt ist sie wieder nach Italien zurückgekehrt, um ihr eigenes Geschäft zu eröffnen.“

Leo wusste, sein Freund würde sie nicht so begeistert loben, wenn er es nicht ernst meinte. Darum bedeuteten Benitos Worte viel. Und wenn Leo Miss Bartolini engagierte, war damit er für die Hochzeitsplanung verantwortlich, nicht seine Mutter. Auf diese Weise konnte die Hochzeit vielleicht doch noch eine Feier nach dem Geschmack seiner Schwester werden.

Je mehr er darüber nachdachte, desto besser gefiel ihm die Idee.

„Hast du sie schon kennengelernt?“, fragte Benito.

Ohne eine Antwort abzuwarten, ließ sein Freund ihn allein und machte sich auf die Suche nach der Frau, die möglicherweise die Antwort auf Leos Probleme war.

2. KAPITEL

Ein Wettstreit. Nicht irgendein Wettstreit, sondern einer, bei dem die Geschwister gegeneinander antraten. Bianca konnte immer noch nicht glauben, dass ihre Eltern in ihrem Testament festgelegt hatten, dass der Gewinner des Wettkampfs das riesige Bartolini-Anwesen erben würde. Dazu gehörten sowohl die Villa, das Weingut, die Pferdezucht mit ihren preisgekrönten Zuchthengsten und – stuten als auch Hunderte Hektar fruchtbaren Farmlands.

Die beiden Geschwister, die verloren, würden ihre Heimat verlieren und dafür eine gleichwertige Auszahlung in Anlagevermögen und Bargeld erhalten. Das Geld interessierte Bianca nicht.

Aber alle drei Bartolini-Geschwister hatten von Kind auf gelernt, die Schönheit dieses Anwesens zu lieben. Sämtliche Kindheitserinnerungen waren mit diesem Ort verbunden. Darum musste Bianca den Wettstreit gewinnen.

Denn hier, in diesem luxuriösen Ambiente inmitten der fruchtbaren sanften Hügel der Toskana, plante Bianca, ihren Hochzeitsservice zu eröffnen und luxuriöse Hochzeiten anzubieten. Der Anfang war vielversprechend.

Bianca sah sich um. Zwischen den Gästen entdeckte sie ihren Bruder, sehr schick in seinem besten Anzug. Auch wenn er nicht aussah, als hätte er vor, den Rest seiner Tage in den Weinbergen zu verbringen, wusste Bianca, dass er zwischen den Rebstöcken am glücklichsten war.

Eigentlich war das Verhältnis der Geschwister immer gut gewesen, aber seit der Testamentseröffnung wuchs die Spannung zwischen ihnen. Sie hatten sich darauf geeinigt, dass jeder von ihnen das tun würde, was er am besten konnte.

Gia würde ein Boutique Hotel auf dem Anwesen eröffnen. Enzo kümmerte sich um das Weingut und die Produktion der weltbekannten Chianti-Weine. Und Bianca wollte Hochzeiten vor dem romantischen Hintergrund der Villa anbieten.

Eine unabhängige Firma war eingesetzt, um ihre Einkünfte zu berechnen. Alles war bereits beschlossen, das Ergebnis würde endgültig sein. Der Erfolgreichste bekam alles.

Sie sah, wie Enzo die schöne Frau an seiner Seite anlächelte. In diesem Moment merkte Bianca, dass sie ihren Bruder zum ersten Mal seit dem Todestag ihrer Eltern lächeln sah.

Autor

Jennifer Faye
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