Sündige Hochzeitsnacht mit dem Playboy

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Der Himmel auf Erden erwartet sie, glaubt Emma, als sie glückselig den attraktiven Christo Karides heiratet. Bis sie kurz nach der Hochzeit ein Gespräch belauscht und entsetzt erfährt: Der griechische Playboy hat sie nur aus Geschäftsgründen geheiratet! Bitter enttäuscht flieht Emma in ihre alte Heimat. Sie will die Scheidung einreichen. Doch Christo spürt sie in ihrem Versteck auf. Eine Scheidung? Kommt für den milliardenschweren Tycoon nicht infrage. Stattdessen besteht er arrogant und sehr verführerisch auf einer Hochzeitsnacht …


  • Erscheinungstag 13.08.2019
  • Bandnummer 2400
  • ISBN / Artikelnummer 9783733712372
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Glückwunsch, Christo.“ Damen klopfte seinem Freund anerkennend auf die Schulter. „Hätte nicht gedacht, dass ich den Tag jemals erleben werde.“

„Du dachtest nicht, dass ich dich zu meiner Hochzeit einladen würde?“ Christo grinste. Wen hätte er sonst bitten sollen, sein Trauzeuge zu sein, wenn nicht Damen, mit dem er seit Kindertagen befreundet war?

„Du weißt, was ich meine. Ich hätte nicht erwartet, dass du jetzt schon heiratest. Ich dachte, du würdest dich noch mindestens ein Jahrzehnt austoben, bevor du anfängst, Nachwuchs in die Welt zu setzen.“

Der Blick, den sie tauschten, offenbarte ihre Schicksalsverbundenheit: beide waren die einzigen Nachkommen einer Familiendynastie. Seit Generationen war Damens Familie im Reederei-Geschäft, Christos handelte mit Immobilien. Deshalb gab es Erwartungen und Verantwortlichkeiten – wenn auch gut versteckt hinter Reichtum und Privilegien.

Beim Gedanken an seine neue Verantwortung verspannte sich Christo unwillkürlich. Dabei konnte er nun eigentlich aufatmen. Mit dieser Hochzeit erfüllte sich sein Plan. Es hatte ein Problem gegeben, er hatte es gelöst. So einfach war das.

„Ich bin froh, dass du es so kurzfristig einrichten konntest.“ Obwohl ihm Sentimentalität fremd war, fühlte es sich gut an, seinen alten Freund dabeizuhaben.

Außerdem hätte es merkwürdig ausgesehen, wenn niemand von der Seite des Bräutigams anwesend gewesen wäre – selbst bei einer so kleinen Hochzeit. Aber Damen hatte es pünktlich zu der privaten Feier nach Melbourne geschafft. Jetzt, im Garten des Familienanwesens seiner Braut, hatten sie endlich Gelegenheit, sich zu unterhalten.

„Deine frisch Angetraute ist nicht, was ich erwartet habe.“

Fragend hob Christo eine Augenbraue.

„Sie ist ganz vernarrt in dich …“

„Natürlich ist sie das. Schließlich hat sie mich gerade geheiratet.“

Zweifel, was seinen Erfolg beim weiblichen Geschlecht anging, kannte Christo nicht. Außerdem hatte er die Enkelin des alten Katsoyiannis’ nach allen Regeln der Kunst umworben und sich auf eine Weise Zeit gelassen, die er normalerweise nicht nötig hatte, um eine Frau zu gewinnen. Dass sie seinen Antrag ablehnte, war keine Option gewesen.

Er hatte ausgezeichnete Arbeit geleistet. Hitze erwachte in ihm, als er an Emmas liebevollen Blick dachte und daran, wie eifrig sie am Ende der Zeremonie seinen flüchtigen Kuss erwidert hatte – fast wäre er der Versuchung erlegen, ihn zu etwas weitaus Leidenschaftlicherem zu verlängern. Unwillkürlich hatte er sie enger an sich gezogen und festgestellt, dass er sich auf die Nacht freute, wenn er das erste Mal das Bett mit ihr teilen würde.

Damen lachte auf. „Da spricht der große Christo Karides mit seinem Riesenego.“ Stirnrunzelnd blickte er dann zurück zum Haus, als wolle er sichergehen, dass sie allein im Garten waren. Doch die Hochzeitsgesellschaft befand sich beim Frühstück auf der anderen Seite des Hauses. „Aber im Ernst. Ich war überrascht. Emma ist reizend. Sehr süß.“ Noch eine Pause. „Allerdings gar nicht dein Typ. Ihre Cousine hätte ich mir gut an deiner Seite vorstellen können. Die aufregende Rothaarige.“

Nickend rief Christo sich das Bild von Maia mit den perfekten Kurven und der körperbetonten Kleidung ins Gedächtnis.

„Du hast recht, unter anderen Umständen hätten wir viel Spaß zusammen gehabt.“ Er schüttelte den Kopf. „Aber wir reden über die Ehe, nicht übers Vergnügen.“

Ein gedämpftes Geräusch ließ Christo herumfahren. Misstrauisch musterte er die Rückseite des Hauses. Doch hinter den Fenstern gab es keinerlei Bewegung, niemand befand sich auf der Terrasse oder dem Rasen. Bis auf die leise Musik in der Ferne war alles still.

„Emma ist nicht so hübsch oder anspruchsvoll wie ihre Cousine, aber ihr Großvater hat ihr das Grundstück in Athen hinterlassen, das ich kaufen will. Die Ehe ist der Kaufpreis.“

Damens Lächeln verschwand. „Deswegen hast du sie geheiratet?“

Christo zuckte mit den Schultern. „Ich befinde mich in der bizarren Situation, die Verantwortung für ein Kind übernehmen zu müssen.“ Es laut auszusprechen, machte es weder angenehmer, noch minderte es den Schock. „Kannst du dir mich als Vater vorstellen?“

Er nickte über den erstaunten Blick seines Freundes. „Jetzt verstehst du, weshalb ich so schnell heiraten musste. Ich brauche keine sexy Sirene, sondern eine freundliche Hausfrau, die sich um meine Bedürfnisse kümmert. Emma wird eine perfekte und fürsorgliche Mutter sein.“

Emma umklammerte den Rand des Waschbeckens so fest, dass sie ihre Finger nicht mehr fühlte. Blinzelnd starrte sie in den Spiegel des Badezimmers im unteren Stockwerk, wohin sie sich mit ihrer Brautjungfer zurückgezogen hatte, um ihr Make-up aufzufrischen. Hier gab es, hinter Efeu verborgen, ein offenes Fenster, das in den rückwärtigen Garten hinausführte.

Aus dem Spiegel starrten benommen wirkende, haselnussbraune Augen zurück.

Ihr blasses Gesicht wurde umrahmt von einem Schleier aus alter Spitze, den einst ihre Großmutter getragen hatte.

Emma schloss die Augen. Plötzlich hasste sie das Gefühl der feinen Spitze an ihrer Haut und des langen Hochzeitskleides um ihre zitternden Beine. Das Kleid, das ihr zuvor so perfekt erschienen war, kam ihr auf einmal zu eng vor. Es schnürte ihre Brust zusammen, bis sie dachte, sie könne nicht mehr atmen.

„Wusstest du das?“

Sie schlug die Augen auf und begegnete Stephs Blick im Spiegel. Statt sich wie Emma in eine wächserne Puppe zu verwandeln, ließ der Schock Steph sehr lebendig aussehen. Ihre Augen funkelten, ihre Wangen waren gerötet.

„Dumme Frage. Natürlich wusstest du es nicht“, gab ihre Freundin sich selbst die Antwort. „Ich werde ihn mit meinen bloßen Händen umbringen. Nein, ein schneller Tod ist zu gut für ihn. Langsame Folter. Das ist es, was er verdient.“ Sie machte ein finsteres Gesicht. „Wie kann er dich so behandeln? Er muss doch wissen, was du für ihn empfindest.“

Der Schmerz in Emmas Brust verschärfte sich. Wie hatte sie so dumm sein können, ihr Herz Christo Karides zu schenken, der es ihr gerade aus dem Leib gerissen hatte.

Ohne Vorwarnung.

Ohne Betäubung.

Ohne Entschuldigung.

„Weil es ihm egal ist.“ Irgendwie brachte sie die Worte über ihre tauben Lippen. „Er hat sich nie wirklich für mich interessiert.“

Kaum hatte sie den Satz ausgesprochen, wusste sie, dass er stimmte. Freundlich und verständnisvoll, zärtlich und unterstützend hatte Christo sich verhalten, während sie versuchte, den Tod ihres Großvaters zu verarbeiten. Seine ausgesprochene Höflichkeit und seine Bereitschaft zu warten, hatte sie als Beweis für seinen Respekt ihr gegenüber missverstanden. Jetzt wusste sie, dass seine Zurückhaltung nur dem Umstand geschuldet waren, dass er sie überhaupt nicht begehrenswert fand.

Übelkeit stieg in ihr auf. Warum hatte sie das nicht früher erkannt? Warum hatte sie nicht auf Steph gehört, die ihr geraten hatte, die Dinge langsam anzugehen? Oder wichtige Entscheidungen nicht ausgerechnet dann zu treffen, wenn sie emotional so verwundbar war.

Der vergangene Monat war ihr wie im Märchen erschienen – einem Märchen, in dem der Prinz nicht gekommen war, um sie zu retten, sondern ihr das Gefühl gab, nicht alleine zu sein.

Jeder, den sie geliebt hatte, war gestorben. Ihre Eltern waren bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen, als sie elf Jahre alt war. Dann vor vier Jahren ihre Großmutter, da war sie achtzehn. Und jetzt ihr rechthaberischer, hoffnungslos altmodischer und doch ganz wunderbarer Papou. Das Gefühl des Verlustes war kaum zu ertragen gewesen – außer in Christos Nähe.

Sie atmete so tief ein, dass ihre Lungen zu schmerzen begannen und lachte dann bitter auf. „Er weiß nicht einmal, wer ich bin. Er hat absolut keine Ahnung.“

Sie soll sich um meine Bedürfnisse kümmern!

Eine Hausfrau!

Offensichtlich hatte Christo dieselbe Meinung wie Papou, der immer darauf beharrt hatte, dass sie nur studierte, um die Zeit zu überbrücken, bis sie den richtigen Mann zum Heiraten gefunden hatte.

Vielleicht glaubte Christo, sie wohne im Haus ihrer Großeltern, weil sie sanftmütig und gehorsam war. In Wahrheit lebte sie dort, weil Papou sich nach dem Tod seiner Frau in seiner Trauer verloren hatte. Emma hatte ihn einfach nicht alleine lassen wollen.

Die eigentliche Tragödie bestand darin, dass sie gedacht hatte, Christo verstehe sie und wolle Zeit mit ihr verbringen, weil er sie mochte.

Aber nicht so sehr wie ihre temperamentvolle und attraktive Cousine Maia.

Schlimm genug, dass Christo sie im Vergleich zu ihrer sexy Cousine als unscheinbares Mädchen ansah. Dass er jedoch überhaupt nicht bemerkt hatte, wie warmherzig, intelligent und lustig Maia eigentlich war, machte es irgendwie noch schlimmer.

Er stand im Ruf eines Playboys, der sich stets mit glamourösen und wunderschönen Frauen umgab. Aber in ihrer Naivität hatte Emma sich geweigert, der Klatschpresse Glauben zu schenken. Stattdessen hatte sie ihm geglaubt, als er behauptet hatte, die Artikel seien reichlich übertrieben. Und dann hatte er ihre Wange gestreichelt, war mit den Fingern am Ausschnitt ihres Kleides entlanggestreift … und Emma hatte alle Zweifel vergessen.

Wie leicht sie sich hatte manipulieren lassen! Wie blind sie seinem routinierten Charme erlegen war.

Emma stürzte nach vorne ans Waschbecken, weil Übelkeit sie übermannte. Als es vorbei war und sie Mund und Gesicht gewaschen hatte, sah sie zu Steph hinüber. „Ich habe ihm vertraut. Ich dachte, dass er kein Interesse an Maia zeigt, sei ein Beweis dafür, dass er sich wirklich zu mir hingezogen fühlt.“

Wie hatte sie nur so leichtgläubig sein können? Die zaghaften Fragen ihrer Freundin, ob Christos Werben nicht ein bisschen zu schnell ging, hatte sie einfach abgetan. Eine rasche Hochzeit war ihr sinnvoll erschienen, damit Papou dabei sein konnte. Und als er dann gestorben war … Das Letzte, was er zu ihr gesagt hatte, war, dass es ihn glücklich machte, Christo an ihrer Seite zu wissen und dass sie auf keinen Fall die Hochzeit verschieben durften.

„Ich war ein Idiot, oder?“

„Natürlich nicht, Süße.“ Steph legte den Arm um ihre Schultern. „Du bist warmherzig und großzügig und ehrlich und glaubst immer an das Gute in den Menschen.“

Die Loyalität ihrer Freundin zauberte ein Lächeln auf ihre Lippen. „Damit ist es jetzt vorbei.“ Ein eiskalter Schauer überlief sie. „Stell dir vor, wir hätten es nicht gehört …“

„Aber das haben wir. Die Frage lautet: Was willst du jetzt tun?“

Noch einmal betrachtete Emma ihr aschfahles Gesicht im Spiegel. Plötzlich flammte heiße Wut in ihr auf, die die Kälte aus ihren Adern vertrieb.

„Natürlich verschwinden. Christo kann sich eine andere Hausfrau suchen, die sich um sein Kind und seine Bedürfnisse kümmert.“

Bei all seinen gemeinen Unterstellungen und fiesen Spielchen, schmerzte sie am meisten, dass er um ihr sinnliches Verlangen nach ihm wusste.

Bei dem Gedanken daran, wie sehr sie sich auf die erste Nacht gefreut hatte, überlief es sie abermals eiskalt. Jetzt fühlte sie sich bei der Vorstellung, ihn zu berühren, ganz krank.

Zumal er sich mit erotischen Avancen offensichtlich nicht aus Respekt vor ihr oder ihrem im Sterben liegenden Großvater zurückgehalten hatte, sondern nur, weil ihn Sex mit einem grauen Mäuschen nicht interessiert hatte. Hätte er sich mit der attraktiven Maia verlobt, hätte es für ihn kein Halten gegeben. Dann hätte es schon lange vor der Hochzeitsnacht zwischen den Laken geknistert.

„Ich bin so erleichtert.“ Stephs Worte holten sie in die Gegenwart zurück. „Ich hatte schon Angst, du überlegst, bei ihm zu bleiben, weil du hoffst, er würde sich irgendwann in dich verlieben.“

„Ich mag die Ruhige in meiner Familie sein, aber das macht mich nicht zum Fußabstreifer – genau das wird Christo Karides bald herausfinden.“ Im Spiegel begegneten sich erneut die Blicke der Freundinnen. „Hilfst du mir?“

„Das fragst du noch?“ Steph verdrehte die Augen. „Wie lautet dein Plan?“

„Kannst du meinen Pass aus meinem Zimmer holen? Und meinen Koffer?“ Den Koffer, den sie bereits für die Flitterwochen gepackt hatte. Der Gedanke versetzte ihr einen Stich.

„Und ich darf Christos Gesicht sehen, wenn er erfährt, dass seine Braut verschwunden ist? Gefällt mir.“ Steph grinste.

Zum ersten Mal, seit sie Christos Gespräch mit seinem Freund heimlich belauscht hatte, lächelte Emma. Das einzige, was jetzt zählte, war, dass sie einen Ausweg gefunden hatte und die beste Freundin der Welt besaß.

Auf einmal fühlte sie sich nicht mehr so entsetzlich allein und verletzlich.

„Danke, Steph. Ich kann dir gar nicht sagen, was mir das bedeutet.“ Emma blinzelte die Tränen zurück.

Nach Papous Tod hatte sie geweint. Über einen Intriganten, der mit der Liebe des alten Mannes und seiner Sorge um die Zukunft seiner Enkelin gespielt hatte, würde sie keine Tränen vergießen.

„Aber du musst aufpassen, dass du mich nicht verrätst. Ein Blick in dein Gesicht, und Christo wird wissen, dass du etwas vor ihm verbirgst. Vielleicht ist er ein Mistkerl, aber dumm ist er nicht.“

Insgeheim wunderte sie sich, wie gut es sich anfühlte, so über ihn zu sprechen. Verglichen mit dem Unrecht, das er ihr angetan hatte, war es nur eine Kleinigkeit, aber immerhin ein Anfang.

Steph schüttelte den Kopf und setzte dieselbe Unschuldsmiene auf, mit der sie ihre Lehrer jahrelang getäuscht hatte. „Mach dir keine Sorgen. Er wird nichts merken. Ich werde ihm sagen, dass du dich kurz ausruhen musstest. Das wird er akzeptieren. Er weiß, dass die Ereignisse der letzten Tage dich mitgenommen haben. Außerdem vermisst du deinen Großvater.“

Stephs Worte weckten erneut die schmerzliche Sehnsucht nach Papou in ihr. Ihr Großvater, der immer rechthaberisch und schwierig gewesen war, aber hinter seinem schroffen Äußeren ein gutmütiges Herz verborgen hatte.

„Gut. Du holst meine Sachen, während ich den Schleier loswerde.“ Ihr blieb keine Zeit, um auch das Kleid auszuziehen, aber mit der langen Schleppe konnte sie unmöglich fliehen. „Ich verstecke ihn in einem der Schränke hier. Könntest du ihn später einsammeln?“

„Natürlich. Ich weiß doch, wie wertvoll er für dich ist.“ Mitfühlend drückte Steph Emmas Arm. „Nur eine Sache noch … wohin willst du gehen?“

„An den einzigen Ort, der noch ein Zuhause ist.“ Ihre Tante und ihr Onkel, die Eltern von Maia, hatten dieses Haus und das australische Vermögen von Papou geerbt. Sie hingegen hatte das Grundstück in Athen bekommen, deren Verwaltung sie Christo überlassen hatte. Das, wurde ihr in diesem Moment klar, würde sie bald rückgängig machen müssen. Darüber hinaus gehörte ihr die alte Villa ihrer Großeltern in Griechenland, wo sie bis zum Tod ihrer Eltern jedes Jahr die Ferien verbracht hatte. „Ich gehe nach Korfu.“

Die Villa war der perfekte Zufluchtsort. Christo gegenüber hatte sie nie davon gesprochen. Außerdem würde er sie nie ausgerechnet in seiner Heimat Griechenland vermuten.

Dort konnte sie sich die Zeit nehmen, die sie brauchte und entscheiden, was sie als Nächstes tun wollte. Und wie sie diese Farce einer Ehe beenden konnte.

2. KAPITEL

Emma trat durch das schmiedeeiserne Tor und atmete tief durch. Seit Jahren hatte sie Korfu nicht mehr besucht – nicht seit sie fünfzehn war und ihre Großmutter sich für Langstreckenflüge zu alt gefühlt hatte.

Sieben Jahre war das nun her, doch es fühlte sich eher wie sieben Tage an, als sie ihren Blick durch die schattige Allee vor sich schweifen ließ und weiter in Richtung der Villa, die sich knapp außer Sichtweite befand. Alte Olivenbäume mit knorrigen Stämmen und frischen grünen Blättern erstreckten sich wie ein silbergrüner Teppich den Hang zum Meer hinunter. Ganz in ihrer Nähe wuchsen duftende Zitrusbäume mit zarten weißen Blüten.

Emma nahm den herrlichen Duft von Limone, Kumquat und Orange wahr und presste unwillkürlich die Lippen zu einer schmalen Linie zusammen. Traditionell wurden die Bräute in Griechenland mit Orangenblüten geschmückt.

Ein kalter Schauer überlief sie.

Wie knapp sie der Katastrophe entkommen war! Sie durfte sich gar nicht vorstellen, was passiert wäre, wenn sie nicht zufällig von Christos wahren Absichten erfahren hätte!

Sie schluckte den schmerzenden Kloß in ihrer Kehle hinunter, griff nach ihrem Koffer, rückte die Umhängetasche zurecht und machte sich auf den Weg zur Villa.

Langsam marschierte Emma die Einfahrt entlang, das Knirschen der Steinchen unter ihren Füßen und den Rollen ihres Koffers hallte laut durch die Stille. Während sie ging, wurden ihre Schritte leichter und immer mehr Erinnerungen drängten in ihr Bewusstsein.

Inmitten des Olivenhains erhaschte sie einige leuchtende Farbkleckse, und ihr fiel wieder ein, wie sie hier Wildblumen gepflückt hatte, die dann in den unbezahlbaren Kristallvasen ihrer Großmutter so aufgestellt wurden, als seien es die professionellen Arrangements von Floristen. Sie dachte daran, wie sie mit ihren Eltern in dem herrlichen klaren Wasser ihrer privaten kleinen Bucht geschwommen war. Wie sie im Schatten des Säulengangs gesessen hatten, der den Innenhof an drei Seiten umgab. Und wie Papou ihr beigebracht hatte, tavli zu spielen.

Sie alle lebten nicht mehr.

Emma atmete tief durch und zwang sich weiterzugehen. Ja, sie waren gestorben, aber sie hatten sie mit ihrer Liebe gelehrt, wie wertvoll das Leben war. Selbst jetzt noch spürte sie diese Liebe, als wolle die alte Villa, die sich seit Generationen im Besitz ihrer Familie befand, sie willkommen heißen.

Sie durchschritt die letzte Kurve und sah endlich das Haus vor sich liegen. Sein Alter war ihm anzumerken, doch wie eine anmutige alte Dame strahlte es auch eine gewisse Eleganz aus. Im warmen Licht der Nachmittagssonne leuchtete die Fassade in einem sanften Ton zwischen Blassrosa und Hellorange. Die hohen hölzernen Fensterläden erstrahlten in frischem Waldgrün, die alten Dachziegel jedoch waren zu einem modrigen Grau verwittert, das so alt aussah wie die Steinmauern, die den Olivenhain umgaben. Dennoch wirkte alles gut gepflegt.

Und jetzt gehörten die Villa und das Land ihr. Emma blieb stehen und fühlte Stolz und eine Zugehörigkeit in sich aufsteigen, die sie für das Haus ihrer Großeltern in Melbourne nie empfunden hatte. Das hier ist die Heimat meines Herzens, erkannte Emma. Hier lebten die wertvollen Erinnerungen an ihre Eltern fort.

Die Andeutung einer Idee begann sich in ihrem Kopf zu formen. Vielleicht, nur vielleicht, konnte dieser Ort mehr sein als eine vorübergehende Zuflucht, bevor sie nach Australien zurückkehrte. Vielleicht …

Ihre Gedanken schweiften ab, als sich plötzlich die Haustür öffnete und eine Frau heraustrat.

„Miss Emma?“ Der vertraute Klang von Dora Panayiotis’ Akzent ließ die Vergangenheit lebendig werden. Auf einmal fühlte Emma sich wieder wie ein kleines Mädchen. Sie ließ Koffer und Tasche fallen und rannte in Doras einladend ausgebreitete Arme.

„Dora!“ Sie erwiderte die Umarmung der Haushälterin. „Es ist so schön, Sie zu sehen.“

„Und Sie auch, Miss Emma. Willkommen zu Hause!“

Emma strich die nassen Strähnen aus dem Gesicht, griff nach dem Handtuch und rubbelte sich trocken, bis ihre Haut kribbelte. Der verregnete Vormittag war einem strahlend hellen Nachmittag gewichen, weshalb sie den Reizen der sandigen Bucht unterhalb des Gartens nicht hatte widerstehen können.

Seit vier Tagen erlaubte sie Dora nun schon, sie mit ihrem köstlichen Essen zu verwöhnen und hatte außer schwimmen, schlafen und essen nichts weiter getan.

Heute Morgen jedoch war sie mit einer Idee für die Zukunft in ihrem Kopf aufgewacht. Einer Zukunft, in der sie zur Abwechslung das tat, was sie wollte – und nicht, was andere von ihr erwarteten.

Zum ersten Mal seit der Beerdigung und ihrer verheerenden Hochzeit flackerte ihr natürlicher Optimismus wieder auf.

Immerhin hatte sie Eventmanagement studiert. Ihre Zeugnisse waren gut, und erst kürzlich hatte sie einen begehrten Job in einem gehobenen Ressort abgelehnt, weil nach der Hochzeit mit Christo ein Umzug nach Athen geplant war.

Emma unterdrückte einen Schauder und richtete ihre Gedanken wieder auf ihre Zukunftspläne.

Sie würde sich selbstständig machen. Die alte Villa mit ihrem weitläufigen Grundstück war der perfekte Ort für exklusive Ferien und Feiern.

Korfu galt bei vielen Urlaubern als Traumziel. Mit harter Arbeit und einem guten Marketing könnte sie sich hier etwas aufbauen.

Ja, sie würde sehr hart arbeiten müssen, aber – und das wurde ihr in diesem Moment klar – genau das war es, was sie brauchte.

Hatte sie dasselbe nicht schon immer getan? Sich einer Herausforderung gestellt, die sie beschäftigte, wenn sie einen weiteren Verlust zu bewältigen hatte? Es war ihre Art, mit der Trauer umzugehen, um nicht darunter zusammenzubrechen.

Es fiel ihr leichter, sich auf die Ideen zu konzentrieren, die in ihrem Kopf sprudelten, als sich dem Schmerz in ihrer Seele zu stellen – einfacher, so zu tun, als habe Christo ihr nicht das Herz gebrochen und ihr Selbstvertrauen mit Füßen getreten.

Emma presste die Lippen zu einer schmalen Linie zusammen. Sie war immer noch wütend und verletzt, aber jetzt gab es einen Plan, etwas Greifbares, auf das sie hinarbeiten konnte. Heute war der erste Tag, an dem sie nicht mehr das Gefühl hatte, bei der kleinsten Berührung zu zerbrechen.

Noch heute würde sie einen Anwalt anrufen und mit ihm über die Scheidung sprechen und darüber, wie sie ihr Eigentum zurückbekommen konnte.

„Miss Emma!“

Sie wandte sich um und sah Dora, die mit gerötetem Gesicht den Strand entlang auf sie zueilte.

Plötzlich spürte sie ein flaues Gefühl im Magen. Zu oft hatte sie schlechte Nachrichten erhalten. Sie wusste genau, wie die Überbringer aussahen. Eine böse Vorahnung stieg in ihr auf. Mit ausgestreckten Händen machte sie einige unsichere Schritte auf Dora zu. Ihr Onkel? Ihre Tante? Bestimmt nicht Maia, oder?

„Ich wollte Sie warnen“, keuchte Dora. „Ihr …“

„Dafür besteht kein Grund, Mrs. Panayiotis“, verkündete eine tiefe Stimme mit eisigem Unterton. „Ich bin durchaus in der Lage, für mich selbst zu sprechen.“

Und dann sah sie ihn. Groß, breite Schultern, Augen hart wie Stahl. Christo Karides.

Ihr Ehemann.

Augenblicklich lag eine gewisse Anspannung in der Luft, als hätten Sturmwolken die Sonne verdunkelt. War das die Wirkung seines feindseligen Blicks? Eine Sekunde lang konnte sie nicht atmen, weil ein unsichtbares Band ihr die Kehle zuzuschnüren schien. Sie schaute in sein Gesicht, das ihr so vertraut und gleichzeitig so fremd war.

Noch immer war er der attraktivste Mann, den sie je gesehen hatte: schwarzes Haar, olivgoldene Haut und klare schieferblaue Augen.

Verzweifelt versuchte Emma, so unbeeindruckt wie möglich zu wirken, als sie nun seine markanten Züge musterten, die wie aus Stein gemeißelt erschienen. Die leicht gebogene Nase, das ausgeprägte Kinn mit dem angedeuteten Grübchen in der Mitte. Eine feine silbrige Narbe neben dem Mund, kaum sichtbar, trübte die männliche Vollkommenheit. Seltsamerweise betonte sie sein gutes Aussehen zusätzlich.

Es sieht der gut aus, der Gutes tut – hörte sie die Stimme ihrer Großmutter in Gedanken.

Dieser Mann hatte bewiesen, dass er alles andere als gut war. Oder vertrauenswürdig. Oder auf irgendeine Weise wert, dass sie ihm ihre Aufmerksamkeit schenkte.

Emma atmete tief durch und lächelte Dora beruhigend zu. „Ist schon in Ordnung. Vielleicht könnten Sie uns Tee im großen Salon servieren? Wir werden gleich nachkommen.“

Ja, so war das mit den Feindseligkeiten: Tee zu bestellen, obwohl sie genau wusste, dass er Kaffee lieber trank, war zwar nur eine Kleinigkeit, aber immerhin ein Anfang. Emma zog die Vermittlung einer Konfrontation vor, andererseits hegte sie nicht die Absicht, Christo hier willkommen zu heißen.

Sie versicherte sich, dass sie über das Schlimmste hinweg war. Der Schock, die Ernüchterung, das gebrochene Herz. Aber all das war viel einfacher zu glauben, wenn der Mann, den sie so unschuldig und voller Hoffnungen geliebt hatte, nicht unmittelbar vor ihr stand.

Aber Emma war auch nicht mehr so naiv wie noch vor einer Woche. Dafür hatte Christo Karides gesorgt. Brutal und effektiv hatte er sie sämtlicher Illusionen beraubt. Heute war sie eine andere Frau.

Sie straffte die Schultern, hob das Kinn und schaute ihm unverwandt in die funkelnden Augen. „Ich kann nicht sagen, dass es schön ist, dich zu sehen, aber es ist Zeit, dass wir Einiges klären.“

Christo starrte die Frau an, die vor ihm stand. Zum ersten Mal in seinem erwachsenen Leben fehlten ihm die Worte.

Er sagte sich, es läge an dem Schock, sie gesund und munter wiederzusehen, nachdem er sich eine Woche lang Sorgen gemacht hatte. Es war so untypisch für die sanfte und rücksichtsvolle Emma, einfach zu verschwinden. Er hatte Angst gehabt, sie sei verletzt oder sogar entführt worden.

Schließlich hatte sie sich bei ihrer Tante gemeldet und eine kryptische Nachricht hinterlassen: Es gehe ihr gut, aber sie brauche Zeit allein.

Zeit allein!

Was, bitte, war das denn für ein Verhalten von einer Braut? Vor allem für die Braut von Christo Karides, einem der begehrtesten Junggesellen Europas!

Es war eine neue Erfahrung für ihn. Noch nie war er außer sich vor Angst gewesen. Christo erinnerte sich an den metallischen Geschmack der Furcht auf seiner Zunge und wie das Gefühl der Sorge seinen ganzen Körper zu lähmen schien. Das wollte er nie wieder erleben.

Auch hatte es ihm überhaupt nicht gefallen, zum Gespött gemacht zu werden.

Oder die fragenden Blicke zu ertragen, mit denen ihre Verwandten ihn bedachten, als sei er für ihr Verschwinden verantwortlich! Als ob er nicht wochenlang sorgfältig Katsoyiannis’ zarte Enkelin umworben hätte. Als habe er sie nicht stets mit dem Respekt behandelt, der seiner zukünftigen Frau gebührte.

Christo biss die Zähne so fest zusammen, dass die Anspannung über seine Schultern bis zu seinen zu Fäusten geballten Händen ausstrahlte.

Es lag nicht nur daran, Emma gesund und munter vorzufinden. Es lag an ihrer offensichtlichen Veränderung.

Autor

Annie West
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