Sündige Nächte

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Sonne, Strand und Meer – Sonja DeWitt will ihren Urlaub auf der Tropeninsel Cozumel in vollen Zügen genießen. Als sie den attraktiven Unternehmer Dave Carson kennenlernt, beschließt sie, ihr Verwöhnprogramm zu erweitern: Eine Woche lang hat sie den leidenschaftlichsten Sex ihres Lebens. Doch dann heißt es Abschied nehmen. Für immer oder nur für kurze Zeit?


  • Erscheinungstag 03.05.2015
  • ISBN / Artikelnummer 9783733787356
  • Seitenanzahl 128
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Der Dichter T.S. Eliot hat sich geirrt. Nicht der April ist der ärgste Monat, dachte Sonja DeWitt, als der eiskalte Wind ihr Schneeregen ins Gesicht blies, sodass ihre Haut prickelte wie bei tausend Nadelstichen. Der Februar war der ärgste Monat. Er war der Monat ihrer schwersten Prüfungen.

Auf der anderen Seite war der Februar der Monat gewesen, in dem sie vor drei Jahren ihre Freiheit erlangt und die Kraft gefunden hatte, ihr eigenes Unternehmen zu gründen. Ungewöhnlich erfolgreich sogar, dachte sie fröstelnd im kalten Wind, der von Baltimores Hafen hereinblies und ihr die kinnlangen blonden Haare ins Gesicht wehte. Die malerisch an der Chesapeake Bay gelegene Stadt verlor im Winter einiges von ihrem Charme. Weiter im Landesinneren bedeckte vermutlich feiner Schnee die sanfte Hügellandschaft Marylands, doch hier in Baltimore waren die Winter nur eisig, feuchtkalt und windig und weckte in den Menschen die Sehnsucht nach Wärme.

Kein Wunder also, dass die hiesige Reisebranche im Februar boomte, besonders ein Reisebüro wie Sonjas, das sich auf tropische Reiseziele spezialisiert hatte. Bis jetzt jedenfalls, dachte sie grimmig und schaute finster zu dem Baugerüst hinauf, das um das Hochhaus errichtet worden war, in dem sich ihr Büro befand. Durch die Innenstadtlage war sie näher an ihren Firmenkunden und sprach zugleich Laufkundschaft aus der Einkaufszone und vom Konferenzzentrum an. Die Lage war Gold wert gewesen, aber inzwischen war ihr Unternehmen durch die seit Monaten andauernden Bauarbeiten in ernste finanzielle Schwierigkeiten geraten. Außerdem lauerte Alan Champlin von „Champlin Travel“ mit einem reizvollen Übernahmeangebot.

Ein weiterer kalter Windstoß fuhr ihr unter den Mantel, als sie bei Grün die Straße überquerte. Sie fluchte laut. Zum Glück würde sie bald in den Süden aufbrechen. Da durch die Bauarbeiten ihre Büros ohnehin geschlossen blieben, war das nur vernünftig. Ihre Mitarbeiter konnten weiter von zu Hause arbeiten. Sonja hatte andere Pläne: zwei Wochen Hotels und Ferienanlagen in der Karibik besichtigen, und zum Abschluss ein paar kostbare Urlaubstage in Mexiko.

Sie ging die Umleitung für Fußgänger, die zu ihrem Reisebüro führte. Erst im letzten Jahr hatte es angefangen, tüchtig Profit abzuwerfen. Von diesem Polster zehrte sie jetzt, und vom Rest des bescheidenen Treuhandvermögens, das sie als Startkapital für ihr Unternehmen benutzt hatte. Aber kein Unternehmen konnte solche Einnahmeeinbußen Monat für Monat verkraften. Noch vier Wochen, sagte sie sich. Dann würde es vorbei sein. Das hatte der Hauseigentümer zumindest versprochen.

Trotz ihrer finanziellen Probleme musste Sonja beim Anblick der goldenen Palmen auf der Schaufensterscheibe und des geschwungenen Schriftzuges „DeWitt Travel“ lächeln. Das Unternehmen gehörte ihr, und sie würde es zum Erfolg führen, trotz der jüngsten Herausforderungen. Auf keinen Fall würde sie es an irgendeine Reisebürokette verkaufen. Die Glocke klingelte, als sie die Tür öffnete.

„Hallo, Allie“, begrüßte sie die Rezeptionistin. „Sind irgendwelche Nachrichten für mich …“

„Das ist Blödsinn“, sagte eine wütende männliche Stimme. „Ich habe die Versicherung abgeschlossen. Ich habe alles getan, was man tun soll. Erzählen Sie mir also nicht, es nütze nichts.“

Sonja schaute über die mit Efeu geschmückte Trennwand hinter der Rezeptionistin. Wer immer der Mann war, er war groß genug, dass sie sein zerzaustes hellbraunes Haar sehen konnte, ganz zu schweigen von seinen beeindruckend breiten Schultern, die in einem dunkelblauen Parka steckten.

„Sie müssen das in Ordnung bringen. Sofort.“ Die Worte klangen zornig und bestimmt. Sonja betrat eilig den Büroraum.

Er stand vor Glynnis’ Schreibtisch. Glynnis war ihre neue Mitarbeiterin, die halb alarmiert, halb fasziniert aussah.

„Gibt es hier ein Problem?“, erkundigte Sonja sich in dem ruhigen, vernünftigen Ton, mit dem sie selbst aufgebrachteste Kunden besänftigte.

Er wirbelte herum, und da verstand Sonja Glynnis’ Gesichtsausdruck. Er war groß. Er wirkte einschüchternd. Er war ganz offensichtlich wütend.

Und er war unbestreitbar sehr attraktiv.

Es kostete Sonja einige Mühe, gelassen zu bleiben. Mit Gelassenheit besänftigte man am ehesten zornige Menschen. Außer Bennett, der nur immer wütender geworden war. Aber der war jetzt nur noch eine düstere Erinnerung.

Dieser Mann blickte sie zwar finster und bedrohlich an, doch waren seine Augen erstaunlich. Meergrün und mit langen Wimpern. Und vor Wut zusammengekniffen.

„Ein Problem? Ich werde Ihnen sagen, was das Problem ist. Als ich vor neun Monaten diese Reise buchte, habe ich eine Reiserücktrittsversicherung abgeschlossen. Jetzt muss ich die Reise stornieren, aber Ihre Mitarbeiterin erzählt mir, das ginge nicht.“

„Wir können sie stornieren, Sir. Nur bekommen Sie Ihr Geld nicht zurück.“ Glynnis sah hilflos zu Sonja. „Er hat das Standardversicherungspaket abgeschlossen.“

„Lass mich mal sehen.“ Sonja nahm den Vertrag. „Das ist die übliche Reiserücktrittsversicherung, die im Todesfall innerhalb der Familie oder bei einem Krankenhausaufenthalt einspringt. Wieso wollen Sie die Reise stornieren, Mr …“

„Carson. Dave Carson.“ Er klang gereizt. „Es sollten Flitterwochen werden, aber die Hochzeit ist geplatzt.“

Das Eheglück war nicht jedem beschieden, das wusste Sonja aus eigener bitterer Erfahrung. „Tut mir leid, das zu hören.“

„Es braucht Ihnen nicht leidzutun“, erwiderte er knapp.

„Tja, also …“ Sie überflog den Versicherungsvertrag, obwohl sie die Bedingungen natürlich auswendig kannte. „Dummerweise deckt diese Versicherung Ihre Gründe für den Reiserücktritt nicht.“

„Wieso verkaufen Sie sie dann?“

Sie musste sich auf das Gespräch konzentrieren, nicht auf sein faszinierendes Gesicht. „Sie deckt die wichtigsten Risiken unserer Kunden ab“, erklärte Sonja automatisch. „Wenn wir wissen, dass die Reisepläne eines Kunden eine umfangreichere Versicherung erfordern, bieten wir die auch an.“

„Es ist nicht so, als hätte ich geplant, meine Hochzeit platzen zu lassen. Mir wurde nicht detailliert erläutert, was die Versicherung deckt. Unter den gegebenen Umständen finde ich, dass ich mein Geld zurückbekommen sollte.“

„Tut mir leid, Mr Carson. Ich kann nichts für Sie tun. Wenn es nur eine Reise von wenigen Tagen wäre, könnten wir vielleicht noch etwas machen. Aber hier geht es um …“, sie schaute in seine Unterlagen, „… drei Wochen. Da ist wirklich nichts zu machen, vor allem da Sie schon in vier Tagen reisen sollen.“

Seine Miene verfinsterte sich wieder. „Glauben Sie vielleicht, ich könnte es mir leisten, so viel Geld zum Fenster rauszuwerfen?“

„Sie könnten die Reise trotzdem antreten. Vielleicht könnte ein Freund von Ihnen mitkommen?“

„Mir ist momentan nicht nach Gesellschaft“, fuhr er sie an, und für einen Moment flackerte noch etwas anderes außer Wut in seinen meergrünen Augen auf. „Hören Sie, ich habe die Versicherung abgeschlossen, die man mir angeboten hat. Was haben Sie mir als Wiedergutmachung anzubieten?“

Allmählich wurde Sonja gereizt. „Wir sollten nicht persönlich werden.“

„Aber es ist persönlich, Miss DeWitt“, meinte er, ihren Namen von ihrem Namensschild ablesend. „Meine Verlobte und ich suchten uns ein Reiseziel aus und eine Versicherung – aufgrund einer Empfehlung Ihrer Agentur. Sie sehen aus wie jemand, der hinter seinem Unternehmen steht.“

Schuldgefühle erwachten in Sonja. Wären die Zeiten besser gewesen, hätte sie ihm wahrscheinlich eine Entschädigung angeboten. Aber die Zeiten waren nicht gut, Champlin lauerte auf ihre Agentur, und auf einen Betrag von achttausend Dollar zu verzichten kam einfach nicht infrage.

„Es tut mir leid, Mr Carson. Ich werde mich erkundigen, ob eines der Hotels oder der Reiseveranstalter Ihnen entgegenkommt. Ich muss Sie allerdings warnen, dass das so kurz vor Reiseantritt unwahrscheinlich ist.“

„Unwahrscheinlich ist, dass ich jemals wieder Ihr Reisebüro aufsuche“, entgegnete er aufgebracht.

„Ich kann Sie nur bitten, noch einmal darüber nachzudenken, diese Reise anzutreten. Cozumel ist herrlich um diese Jahreszeit. Ich bin selbst bald geschäftlich dort.“

„Ach ja? Na, ich hoffe, Sie haben bei der Reiseagentur eine bessere Wahl getroffen als ich.“ Mit diesen Worten marschierte er hinaus und ließ einen Schwall feuchter, kalter Luft herein.

Exotische Vögel stießen ihre Schreie aus, als Sonja den mit Steinen gepflasterten Pfad entlangging, der sich durch den dichten mexikanischen Dschungel um das „Iberonova Hotel“ schlängelte. Schließlich gelangte sie zu einem großen Swimmingpool. Palmen und bunte Sonnenschirme spendeten den Urlaubern auf den Liegestühlen Schatten. In der Mitte des Pools sprudelte glitzernd im Sonnenlicht ein Springbrunnen. Der Duft von Kakaobutter lag in der Luft.

Sonja war endlich warm. Keine Mäntel mehr, kein Schneeregen, kein Frösteln. Ein Sarong und ein Bikini, mehr brauchte sie hier nicht. Sie umrundete den Pool und ging zum Strand hinunter, wo sich ihr eine atemberaubende Aussicht bot. Der Ozean erstreckte sich endlos und blau. Ein weißer Katamaran mit türkisfarbenem Segel glitt durch die Wellen. Von hölzernen Trägern gestützte Dächer aus geflochtenen Palmwedeln säumten den feinen hellen Sandstrand und boten den Hotelgästen auf den Liegestühlen Schutz vor der Sonne. Die Brandung rauschte leise.

Sonja musste lächeln. Zwei Wochen lang war sie von Insel zu Insel geflogen und hatte manchmal drei oder vier Anlagen am Tag abgeklappert. Jeden Abend war sie an einem anderen Ort gewesen, nirgendwo lange genug, um auszupacken, geschweige denn, sich zu erholen. Allerdings war Erholung auch nicht das Ziel dieser Reise gewesen. Es war Arbeit, wenn auch solche, die sie gern machte, aber trotzdem Arbeit.

Jetzt aber hatte sie Zeit für sich – sieben kostbare Tage, an denen sie bis mittags schlafen, lesen oder einfach nur am Strand liegen konnte. Tage, an denen sie absolut nichts tun musste, wozu sie keine Lust hatte. Sie nahm ihre Strohtasche und ging über den breiten Strand.

Der Sand fühlte sich heiß an unter ihren Füßen. Die Sonne wärmte ihre Schultern. Sonja war froh, dass sie ihre Sonnenbrille trug. Während sie an den Sonnenanbetern vorbeiging, registrierte sie erleichtert den Sprachenmix aus Französisch, Spanisch und Deutsch. Das einzige Englisch, das sie hörte, war Britisch, Australisch oder Neuseeländisch. Amerikaner waren hier nur selten anzutreffen.

Das war auch gut so, angesichts der Tatsache, dass die meisten europäischen und südamerikanischen Frauen sich am Strand gern oben ohne sonnten. Sonja stellte ihre Strohtasche in den Schatten eines Palmwedeldachs und zog sich einen Liegestuhl heran. Eine schöne Latina mit nackten Brüsten ging an ihr vorbei. Sonja stellte sich das Gesicht des Vizepräsidenten des Rotary Clubs und seiner Frau bei diesem Anblick vor. Wahrscheinlich war es gut, dass sie für die beiden etwas in Fort Lauderdale gebucht hatte.

Sie legte ihren Sarong ab und breitete ihr Handtuch auf der Liege aus. Einen Moment lang betrachtete sie es, dann zog sie die Liege wieder aus dem Schatten in die Sonne. Für eine kleine Weile würde sie sich den Luxus gönnen und in der Hitze schmoren.

Sie streckte sich genüsslich auf der Liege aus und beobachtete ein Pärchen, das sich auf Italienisch unterhielt. Der Mann griff neckend nach einer der Brüste der Frau. Die Frau gab ihm lachend einen Klaps auf die Hand.

Dies hier war etwas völlig anderes als das, was Sonja kannte. Unwillkürlich musste sie an ihren Exmann Bennett denken, der eine heftige Abneigung gegen Frauen hatte, die in sexuellen Dingen Selbstbewusstsein zeigten. Zumindest, was seine eigene Frau betraf.

Sonja verscheuchte diese Gedanken und rieb sich mit Sonnenmilch ein. Die Vergangenheit war vergangen. Sie war nicht mehr die unscheinbare Frau, die von Bennett betrogen und tyrannisiert wurde. Und was machte es schon, dass die Ehe nur eine weitere Sache war, die sie nicht zu Ende gebracht hatte? Sie war so darauf bedacht gewesen, ihren Ruf als jemand, der nie etwas beendete, zu widerlegen, dass sie noch an der Ehe festgehalten hatte, nachdem diese längst gescheitert war. Manche Dinge konnte man eben nicht zu Ende führen. Es war gut, dass sie schließlich ihr eigenes Leben wieder aufgenommen hatte.

Aber stimmte das? Sonja stellte die Sonnenmilch in den Sand. Bis Bennett auftauchte, hatte sie sich gern amüsiert. Bevor sie ihr Studium abgebrochen hatte, um ihn zu heiraten, waren Wildheit und Ausgelassenheit die Qualitäten gewesen, die er an ihr anziehend gefunden hatte. Dann hatte alles plötzlich aufgehört. Seit der Scheidung hatte sie daran gearbeitet, ihr Selbstwertgefühl wieder aufzubauen. Sie hatte sich in die Arbeit gestürzt und beruflichen Erfolg gehabt. Das machte sie einerseits stolz, hatte andererseits jedoch ihre ganze Zeit und Energie in Anspruch genommen, sodass keine Zeit mehr für ihr Privatleben blieb.

Das ist jetzt vorbei, dachte sie. Es wurde Zeit, etwas Unerhörtes zu tun und so zu leben, wie sie es früher getan hatte. Schließlich war sie im Urlaub.

Sie lehnte sich zurück und schloss die Augen. Bennett hätte die Vorstellung von Frauen, die sich oben ohne am Strand sonnten, kaum ertragen – was ihn vom Hinschauen nicht abgehalten hätte. Und bei der Vorstellung, Sonja könnte etwas so Schamloses tun, hätte ihn glatt der Schlag getroffen.

Ein übermütiges Grinsen breitete sich auf ihrem Gesicht aus. Warum eigentlich nicht? Hier kannte sie ja niemand. Sie war Tausende von Kilometern von zu Hause entfernt. Es war überhaupt nicht abwegig, sich hier oben ohne zu sonnen, sondern allgemein akzeptiert. Und wäre es nicht herrlich?

Kurz entschlossen setzte sie sich auf, hakte ihr Bikinioberteil auf und streifte es mutig ab. Sie machte die Augen wieder zu und streckte sich zufrieden und entspannt aus. Eigentlich fehlte nur noch ein Liebhaber. Unwillkürlich stellte sie sich vor, wie eine Männerhand zärtlich Sonnenmilch auf ihrem Körper verrieb. In ihrer Fantasie sah sie sich und diesen Mann nackt und eng umschlungen an einem verlassenen Strand. Seine Hand glitt über ihre Brüste und ihren Bauch, berührte sie auf eine Weise, auf die sie schon seit langer Zeit nicht mehr berührt worden war …

„Passen Sie auf, dass Sie sich keinen Sonnenbrand holen. Ihre Haut sieht noch ziemlich blass aus“, sagte eine männliche Stimme, die Sonja vage bekannt vorkam.

Leichtes Unbehagen breitete sich in ihr aus. Der rötliche Schein hinter ihren Augenlidern hatte sich verdunkelt, als wenn jemand einen Schatten auf sie warf. Sie öffnete die Augen.

Und entdeckte Dave Carson, der sie grinsend ansah.

2. KAPITEL

Sonja war so verlegen, dass ihr die Worte fehlten.

„Sie sollten Ihr Gesicht mehr eincremen. Es ist schon ziemlich rot“, sagte Dave Carson und versuchte nicht einmal, seine Amüsiertheit zu verbergen. Oh nein, er genoss diesen Augenblick in vollen Zügen.

Sonja tastete hektisch nach dem Bikinioberteil und ihrem Sarong, um ihre nackten Brüste zu bedecken.

„Suchen Sie das hier?“ Er hielt ihr Bikinioberteil hoch und grinste. „Bei so blasser Haut wie Ihrer sollten Sie in der Sonne aufpassen.“

Sonja weigerte sich, ihm das Bikinioberteil aus der Hand zu reißen, und rollte sich auf den Bauch. Was macht Dave Carson hier? fragte sie sich. Laut den Unterlagen, die sie gesehen hatte, müsste er längst wieder in Baltimore sein. Vielleicht würde er einfach verschwinden, wenn sie so tat, als könnte sie ihn nicht sehen. Dummerweise hatte sie ihren Rücken nicht eingecremt und spürte bereits, wie die Sonne brannte.

Und Dave Carson machte keinerlei Anstalten zu gehen. Stattdessen hockte er sich neben ihre Liege, sodass sie aus nächster Nähe auf seine trainierten Bauchmuskeln blicken konnte. Der Rest, den sie von ihm sehen konnte, war noch besser. Fabelhaft, sie lag halb nackt vor einem Fremden und hatte lüsterne Fantasien über seinen muskulösen Körper. Zumindest ein Teil von ihr. Der andere Teil wünschte sich, der Sand möge sich auftun und sie verschlingen.

„Wie ich sehe, haben Sie meinen Rat beherzigt und den Urlaub angetreten“, bemerkte sie, wobei sie sich um ihren für Kunden vorbehaltenen neutralen Ton bemühte und sich erneut fragte, wieso er noch immer auf der Insel war.

Als könnte er ihre Gedanken lesen, schenkte er ihr ein Lächeln. „Glynnis hat den Reiseveranstalter überredet, mir eine zusätzliche Woche zu gewähren, da ich allein reise, sozusagen als Trost. Ich dachte mir, eine Weile am Strand zu liegen und die …“ Er hielt inne, um Sonja zu betrachten. „… und die Landschaft zu genießen wäre gut für mich.“

„Und? War es so?“

Sein Grinsen wurde breiter. „Fragen Sie mich in nächster Zeit noch mal.“

„Sie sind also allein hier?“

Dave nickte. „Deswegen war ich ja auch so froh, Sie hier zu entdecken.“ Froh war nicht der richtige Ausdruck. Als er sie in ihrem kupferfarbenen Sarong anmutig an den Strand schlendern sah, hatte er seinen Augen nicht getraut. In Baltimore, wo er noch an verletztem Stolz gelitten hatte, hatte ihre kühle Art ihn auf die Palme gebracht. Er war wütend gewesen, dass seine Versicherung praktisch nutzlos war und diese Frau keine Spur von Entgegenkommen zeigte. Trotzdem war ihm nicht entgangen, wie hübsch sie mit ihrem blonden Haar, den großen dunklen Augen und dem sinnlichen Mund aussah. Und seitdem war sie ihm nicht mehr aus dem Kopf gegangen.

Sie hatte eine Geschäftsreise in die Karibik erwähnt, wie er sich jetzt erinnerte. Offenbar hatte sie noch einen Urlaub angehängt. Was ihn selbst anging, war er nur mit einem Ziel in den Süden geflogen – er wollte eine süße Señorita finden, die ihn seine gelöste Verlobung vergessen ließ. Und wenn diese Señorita eine Reisebürobesitzerin war, die ihm sein Geld nicht rückerstatten wollte, wäre es noch besser. Er hatte beobachtet, wie sie ihren Sarong losband, und sich gefragt, wie sie sich wohl für einen Liebhaber ausziehen würde. Er hatte gesehen, wie sie sich auf der Liege ausstreckte, und hatte sich vorgestellt, ihre glatte Haut zu streicheln.

Und dann hatte sie plötzlich ihr Bikinioberteil ausgezogen. Das hatte ihn total verblüfft. Paradoxerweise war er Gentleman genug gewesen, ihr Gesicht zu betrachten, nicht ihre Brüste. Er hatte keine verstohlenen Blicke nötig, da er wusste, dass er schon bald alles ganz in Ruhe betrachten würde, denn er hatte längst beschlossen, sie zu verführen.

Jetzt betrachtete er die flaumigen Härchen auf ihrem Rücken, der sich bereits pink färbte. „Sie werden sich einen Sonnenbrand holen, wenn Sie sich nicht eincremen. Ich helfe Ihnen, wenn Sie wollen.“

Sie warf ihm einen vernichtenden Blick zu. „Nein danke.“

„Sie wollen sich doch nicht gleich am ersten Tag einen Sonnenbrand holen. Vielleicht sollten Sie Ihre Liege in den Schatten schieben.“

„Mr Carson …“, begann sie.

„Dave“, unterbrach er sie.

„Dave, ich bin sicher, Sie haben heute noch andere Dinge zu tun.“

„Ich habe Urlaub“, erwiderte er leichthin. „Ich habe überhaupt keine Pläne.“

„Na fein. Das ist ja schön für Sie. Ich werde jedenfalls jetzt ins Wasser gehen. Würden Sie mir bitte mein Oberteil reichen?“

„Klar.“

Sonja weigerte sich, sich lächerlich zu machen, indem sie krampfhaft versuchte, sich das Bikinioberteil wieder anzuziehen, ohne dass er etwas sah. Sie würde sich nicht verstecken wie ein schüchternes Mädchen. Außerdem hatte er sowieso schon hingesehen. Abrupt setzte sie sich auf.

Doch Dave hatte sich bereits umgedreht, um das Boot zu beobachten, das am Anleger festmachte. Mit diesem Boot wurden Tauchausflüge gemacht. „Wollen Sie tauchen, solange Sie hier sind?“

„Nein“, antwortete Sonja knapp und zog das Bikinioberteil an.

„Die Riffs hier sind mit das Schönste, was ich je gesehen habe“, erklärte er. „Wie Unterwasserpaläste.“

„Meine Vorstellung von Urlaub ist es, am Strand zu liegen und absolut nichts zu tun.“

Mit einem erstaunlichen Timing, das, wie sie begriff, wohl kalkuliert war, drehte Dave sich wieder um, gerade als sie ihr Oberteil zumachte. Es war unmöglich, ihn dafür nicht zu mögen.

„Waren Sie schon mal in dieser Gegend?“, erkundigte er sich.

„Nein, es ist mein erstes Mal.“

„Dann müssen Sie sich unbedingt die Riffs ansehen. Wollen Sie Ihren Kunden nicht darüber berichten können?“

„Ich werde ihnen Fotos zeigen.“ Sonja stand auf. „Machen Sie ruhig Ihre Tauchausflüge in der Morgendämmerung. Ich bleibe lieber im Bett.“

„Sagen Sie Bescheid, wenn Sie dabei Gesellschaft wollen.“

Fast hätte sie gelacht, nahm sich jedoch zusammen. „Nein danke. Wir sehen uns. Ich gehe ins Wasser.“

Dave richtete sich auf und setzte sich auf einen Liegestuhl. „Nur zu.“ Er musterte sie grinsend von oben bis unten. „Ich bleibe hier sitzen und genieße die Aussicht.“

Die Abenddämmerung färbte den Himmel violett, als Sonja den gewundenen Dschungelpfad von ihrem Zimmer zum Restaurant entlangging. Steinlaternen warfen ein sanftes Licht auf den Weg und die exotischen Blüten, die ihn säumten. In der Dunkelheit der Bäume sang leise ein Vogel. Der Saum ihres pinkfarbenen Minikleids streifte Sonjas Schenkel. Mit jedem Schritt spürte sie, wie die Jahre von ihr abfielen und sie unbekümmert und ausgelassen wurde, wie sie es früher einmal gewesen war.

Nachdem sie am Nachmittag aus dem Wasser gestiegen war und Dave Carson nicht mehr bei ihrer Liege vorgefunden hatte, war sie erleichtert gewesen. Die gleichzeitige Enttäuschung hatte sie rasch verdrängt. Es hatte keinen Sinn, Beruf und Vergnügen miteinander zu vermengen. Eine Affäre im Urlaub wäre nicht schlecht. Aber eine Affäre mit Dave Carson wäre das Dümmste, was sie tun konnte.

Er war ohnehin fort, und damit war die Sache vermutlich erledigt. In einer Hotelanlage mit fast tausend Gästen würde es Tage dauern, ehe sie ihm wieder über den Weg lief.

Sicherheitshalber hatte sie trotzdem für den Rest des Nachmittags ihr Bikinioberteil anbehalten.

Der Pfad öffnete sich auf die Terrasse eines Restaurants unter freiem Himmel. In diesem milden Klima waren Wände überflüssig. Notwendig war allerdings ein nach oben spitz zulaufendes Strohdach, wegen der gelegentlichen Wolkenbrüche. Von der einen Seite des Restaurants hatte man einen Blick auf einen Wasserfall, der sich über Felsen ergoss.

Sonja ging zu dem Wirt, der am Eingang stand. „Hola, Señorita“, begrüßte sie der stämmige Mann mit den dunklen Augen freundlich. Auf seinem Namensschild stand „Raoul“. „Möchten Sie zu Abend essen?“

„Sí, gracias“, antwortete Sonja. „Un asiento, por favor.“

„Ah.“ Seine Augen leuchteten. „Habla Español?“

Sonja lachte und hielt Daumen und Zeigefinger ein Stück auseinander. „Un poquito, un poquito“, sagte sie und wedelte bedauernd mit der Hand.

Raoul nahm eine Speisekarte und führte Sonja an die Seite des Restaurants, an der sich der Wasserfall befand. Deckenventilatoren fächerten ihr kühle Luft zu. Auf den Tischen brannten Kerzen, und sanfte lateinamerikanische Gitarrenmusik kam aus den Lautsprechern. Es war wundervoll. Sonja hätte nichts geändert.

Außer vielleicht die Tatsache, dass an dem Tisch, zu dem Raoul sie führte, bereits Dave Carson saß.

Er stand auf und zog einen Stuhl für sie heran. „Gracias, amigo“, sagte er zu Raoul.

„De nada“, murmelte Raoul mit einem Augenzwinkern und verschwand.

Sonja sah Dave an, und er erwiderte ihren Blick. Im Hintergrund plätscherte das Wasser. Das weiße Leinenhemd betonte Daves gebräunte Haut. In seinen Augen glaubte Sonja so etwas wie Vorfreude zu lesen, und das löste ein Kribbeln in ihrem Bauch aus.

„Pink steht Ihnen.“

Sie atmete tief durch. „Mr Carson …“

„Dave“, korrigierte er sie.

„Ja, das sagten Sie. Hören Sie, die Sache im Reisebüro tut mir leid, und Sie haben mein Mitgefühl und Verständnis, falls Sie immer noch wütend sind. Aber ich bin hier im Urlaub. Sie haben mir Ihre Ansichten heute Nachmittag klargemacht. Ich werde mir auch alles andere gern anhören – nächste Woche, in meinem Büro. Solange ich hier bin, habe ich frei. Buenas noches.“ Sie wandte sich ab.

Mit einem Schritt war er an ihrer Seite. „Gehen Sie nicht. Essen Sie mit mir zu Abend.“

Sie stutzte.

„Nur zu Abend essen. Ich werde Ihnen nicht zusetzen, das verspreche ich“, sagte er und hob beschwörend die Hände. „Baltimore ist nie passiert.“ Da sie ihn weiter misstrauisch ansah, ging er zu seinem Platz zurück. „Ich bin seit drei Wochen hier. Ich habe einen Tauchschein gemacht und habe bei einem halben Dutzend Riffs getaucht – bei manchen war ich sogar zwei Mal. Ich habe Drachenfliegen gelernt und die berühmten Ruinen hier besichtigt. Ich bin mit einem Katamaran um die Insel gesegelt und habe mich mit sämtlichen Angestellten angefreundet. Es wäre nett, zur Abwechslung mal mit jemandem zu sprechen, der nicht dafür bezahlt wird, freundlich zu mir zu sein.“

Sonja empfand einen Anflug von Mitleid. Sie setzte sich. „Irgendwie habe ich das Gefühl, dass Sie nur allein essen, wenn Sie es wollen.“

„Ich war nicht in der Stimmung für Gesellschaft, anfangs jedenfalls. Aber im Lauf der letzten Woche hat sich das geändert“, gestand er.

Der Kellner kam an ihren Tisch, um ihre Getränkebestellung aufzunehmen. Dave warf Sonja einen Blick zu, als sie ein Bier bestellte. „Sie sind in Mexiko“, erinnerte er sie. „Was halten Sie von einem Glas Tequila?“

Sie musterte ihn und dachte unwillkürlich an seinen muskulösen Körper. „Warum nicht? Einen Tequila, bitte“, wandte sie sich an den Kellner.

„Herradura, por favor“, fügte Dave hinzu, „y dos cervezas.“

„Was ist Herradura?“, wollte Sonja misstrauisch wissen, nachdem der Kellner verschwunden war.

„Ein erstklassiger Tequila, für den man weder Salz noch Zitrone braucht, um ihn hinunterzubekommen. Man kann ihn schlürfen.“ Er deutete auf die Flasche, die der Kellner brachte.

„Sind Sie ein Kenner?“

Er zuckte mit den Schultern. „In drei Wochen Mexiko lernt man einiges, wenn man zuhört, statt zu reden.“

Der Kellner stellte die Schnapsgläser auf den Tisch, schenkte die bernsteinfarbene Flüssigkeit ein und zog sich zurück.

Dave hob sein Glas. „Auf den Urlaub.“

„Auf den Urlaub“, wiederholte Sonja und nippte an ihrem Glas. Zu ihrer Überraschung schmeckte der Tequila angenehm mild und brannte nur zum Schluss ein kleines bisschen in der Kehle.

„Mögen Sie ihn?“

Sonja nickte und nahm einen weiteren Schluck. „Ich bin erstaunt. Auf dem College haben wir ihn immer mit dieser Salz-und-Zitronen-Zeremonie getrunken. Ich dachte, so muss man ihn trinken.“

„Nur den billigen Tequila. Das Salz und die Zitrone sollen den Spritgeschmack kaschieren. Das gute Zeug soll man langsam trinken.“ Er demonstrierte es ihr.

„Hm. Das kann gefährlich werden. Ein Schlückchen hier, ein Schlückchen da, und ehe man sich’s versieht, ist man betrunken und tanzt auf dem Tisch.“

„Das würde ich gern bei Ihnen miterleben.“

„Von wegen“, meinte sie lachend.

Autor

Kristin Hardy
Kristin Hardy studierte Geologie und Physik und arbeitete nach ihrem Abschluss in Connecticut im Auftrag der NASA an der Entwicklung eines Telekops mit, dass mittlerweile die Erde umkreist. Doch der Drang zu schreiben wuchs.
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