Süße Nacht mit einem Fremden

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Becca ist verzweifelt: Sie gibt sich die Schuld an dem tödlichen Unfall ihres Neffen. Zwischen all den Tränen erlaubt sie sich eine zärtliche Ablenkung in den Armen eines attraktiven Fremden. Schließlich wird sie ihn nie wiedersehen! Doch da täuscht sie sich gründlich …


  • Erscheinungstag 08.11.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733738785
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Becca Flannigan ging gern auf Nummer sicher und schätzte deshalb Situationen und Ereignisse, die sie klar einordnen konnte. Eine Spielernatur war sie ganz bestimmt nicht.

Dass ausgerechnet scheinbares Chaos Klarheit in ihr Leben bringen würde, hätte sie sich aus diesem Grund niemals träumen lassen.

Es war genauso, als ob man – weil man sich nicht entscheiden konnte – eine Münze warf: Noch bevor diese fiel, wusste man plötzlich, was man wollte.

Die Fahrt zur Notaufnahme des Celebration Memorial Hospitals stellte Beccas Welt vollständig auf den Kopf.

Während sie eine Hand in das Laken der Notaufnahmeliege krallte und die andere schützend auf ihren Bauch presste, war ihr plötzlich nichts wichtiger, als dass ihr ungeborenes Baby unter gar keinen Umständen Schaden nahm durch die Lebensmittelvergiftung, wegen der sie hier gelandet war.

Das muss bedingungslose Liebe sein, erkannte Becca plötzlich, und ihr bisheriges Gefühlschaos löste sich auf einmal in Klarheit auf.

Ohne jeden Zweifel wusste sie nun, dass dieses kleine Wesen, das da in ihr heranwuchs, ihr mehr bedeutete als ihr eigenes Leben. Doch gerade dafür musste auch sie leben.

Noch vor wenigen Stunden waren die durch die Lebensmittelvergiftung verursachten bohrenden Schmerzen so unerträglich gewesen, dass sie am liebsten gestorben wäre. Doch seit ihr bewusst geworden war, dass dies auch den Tod ihres Babys bedeuten würde, zählte nur noch das Leben ihres Kindes.

Sie war jetzt in der zwölften Woche, ohne Partner und hatte ihre Schwangerschaft bisher eher als Belastung und Dilemma empfunden. Erst jetzt, angesichts der Gefahr, ihr Kind zu verlieren, wurde ihr plötzlich klar, dass sie es bereits von Herzen liebte.

Der Erzeuger ahnte nichts von alledem. Becca hätte nicht einmal gewusst, wo sie ihn suchen sollte. Auch ihren Eltern hatte sie es bislang verschwiegen. Nur Kate Thayer, ihre Chefin und engste Freundin, hatte es gerade eben mitbekommen, als Becca sich in der Notaufnahme dem Arzt hatte anvertrauen müssen.

Auch wenn Becca die sanften Veränderungen, mit denen der Körper sich auf die neunmonatige Reise vorbereitete, schon spürte, sah man ihr die Schwangerschaft noch nicht an. Ihre Rundungen waren vielleicht ein wenig voller geworden, und sie hatte insgesamt etwas zugelegt. Erst letzte Woche hatte ihre Mutter ihr wenig freundlich nahegelegt, weniger Eis zu essen. Wenn die wüsste …

Mit einer Braunüle im Arm und angeschlossen an die summenden Geräte in der nur durch einen Vorhang abgetrennten Kabine, leistete Becca innerlich Abbitte für jeden negativen Gedanken, der ihr bis jetzt über diese Schwangerschaft gekommen war.

Sie war fünfundzwanzig Jahre alt und Single. Sie hatten verhütet. Ein Baby war in dieser Situation weder vorgesehen noch zu erwarten gewesen.

Doch die Gefahr, ihr Kind zu verlieren, hatte auf einmal alles verändert. Das durfte einfach nicht geschehen!

„Wie geht’s dir, Liebes?“

Becca öffnete die Augen. Kate war in ihre Kabine getreten. Kate, die sie in die Klinik gebracht hatte.

Es war ganz plötzlich geschehen. Gerade als Becca die Post in Kates Büro hatte bringen wollen, hatte ein blitzartiger Schmerz im Bauch sie fast ohnmächtig werden lassen. Kate hatte daraufhin darauf bestanden, Becca sofort ins Krankenhaus zu fahren.

„Ich habe dir ein paar Eiswürfel zum Lutschen besorgt“, sagte Kate. „Die Schwester meinte, das sei besser als Wasser. Es ist gerade Schichtwechsel. Der Arzt, der jetzt Dienst hat, wird aber so schnell wie möglich nach dir schauen.“

Mit Mühe brachte Becca ein kleines Lächeln zustande, als sie nach dem Becher griff. Sie fühlte sich vollkommen kraftlos.

„Danke“, sagte sie matt.

„Ich würde sie dir ja gern einzeln geben, aber wer weiß, womit ich hier schon in Berührung gekommen bin, und ich habe meine Hände nicht gewaschen. Außerdem habe ich Angst, dass du mich beißt!“ Aufmunternd lächelte sie Becca an.

„Ich schaff das schon. Ich danke dir!“, entgegnete Becca tapfer.

Das glatte Eis war tatsächlich eine Wohltat auf ihren spröden Lippen und hinterließ beim Schmelzen eine kühle Frische in ihrem Mund. Köstlich!

Kate hatte sich einen Hocker aus der Ecke herangezogen und setzte sich nun.

„Ich bin froh, dass es dir und dem Baby wieder besser geht“, sagte sie ernst.

Becca hatte die unausgesprochene Frage durchaus verstanden. „Bisher weiß noch niemand außer dir von dem Baby“, erklärte sie, „und dem Arzt und den Schwestern hier natürlich.“

„Deiner Familie hast du noch nichts gesagt?“

Becca schüttelte den Kopf. Sie würde es ihren Eltern bald sagen müssen. Bisher hatte sie das aber verdrängt. Doch nun waren die ersten drei kritischen Monate vorüber und ihr Kleines hatte sogar diese Lebensmittelvergiftung überstanden.

Der Gedanke an das Schicksalhafte ihrer Situation streifte sie unwillkürlich.

Ja, sie würde es ihnen erzählen, schon bald …

Ihre Eltern würden dann aber natürlich fragen, wer der Vater sei. Wie sollte sie das beantworten? Dass er Nick hieß, groß war und ein klasse Typ, von dem sie ganz hingerissen gewesen war?

Sie war ihm in genau dieser Klinik begegnet an jenem bewussten Abend vor drei Monaten, an dem ihr Neffe Victor in genau dieser Notaufnahme gelandet war.

Nick. Nick – und weiter? Nick mit den feurigen braunen Augen und den geheimnisvollen Tattoos. Nick, der sie so liebevoll mit Geist und Körper getröstet hatte. An jenem Tag hatte er hier irgendein Vorstellungsgespräch gehabt, aber das hatte wohl nicht geklappt, denn sie hatte später keinerlei Auskunft über ihn in diesem Krankenhaus bekommen. Natürlich hatte Becca bei ihrer Nachfrage nicht angegeben, dass sie von Nick schwanger war. Sie hatte nur ihre Telefonnummer hinterlassen, doch Nick hatte sich nie gemeldet.

Warum sollte er auch? Sie hatten nur eine einzige Nacht miteinander verbracht, wenn auch eine hoch emotionale, zumindest aus Beccas Sicht. Obwohl Nick vom Äußerlichen her gar nicht ihr Typ war … die Tattoos, das Motorrad und dann noch diese dunklen Augen mit dem durchdringenden Blick …

Aber wer genau war eigentlich ihr Typ? Sie hätte es nicht einmal zu sagen vermocht, so lange lag ihr letztes Date schon zurück. Seit sie bei der Macintyre Foundation arbeitete, hatte sie praktisch kein Privatleben mehr.

Doch in jener Nacht mit Nick hatte irgendetwas einen Funken in ihr entfacht, der den Umstand, dass Nick überhaupt nicht ihr Typ war und sie ihn praktisch gar nicht kannte, zur völligen Nebensache degradiert hatte. Nicks Anziehungskraft war so stark gewesen, dass nichts anderes mehr gezählt hatte.

Das alles konnte sie allerdings schlecht ihren Eltern erzählen. Schließlich war sie immer die Brave gewesen, und brave Mädchen tun so etwas nun einmal nicht. Besonders nicht, nachdem ihre Schwester Rosanna bereits in der Highschool schwanger geworden war. Als abschreckendes Beispiel sozusagen, dass man nicht mit Männern schlafen sollte, die einen nicht liebten.

Wäre ich in jener Nacht bei Victor im Krankenhaus geblieben, wäre ich jetzt auch nicht in dieser Lage, dachte Becca.

„Möchtest du vielleicht darüber reden?“, fragte Kate.

„Schon, aber nicht hier.“

„Klar.“ Kate beugte sich nach vorn. „Hier gibt es schließlich keine Privatsphäre, und vielleicht ist jetzt auch nicht der richtige Moment dafür. Aber ich bin für dich da, in Ordnung, Becs?“ Sie drückte aufmunternd Beccas Hand. „Was auch immer ich für dich tun kann.“

„Danke, Kate. Du hast heute schon so viel für mich getan.“

Immerhin hatte Kate den ganzen Nachmittag bei Becca in der Notaufnahme verbracht. Inzwischen war ihre Familie bestimmt schon längst zu Hause. Kates Mann Liam war Leiter der Celebration Memorial Kinderklinik. Becca hat schon überlegt, ob er vielleicht seine Beziehungen spielen lassen könnte, um Nick ausfindig zu machen. Jetzt, wo Kate ohnehin von der Schwangerschaft wusste, war diese Möglichkeit in greifbare Nähe gerückt.

Aber bestimmt durfte Liam Personalinterna nicht einfach so weitergeben. Um zu rechtfertigen, dass sie die Kontaktdaten eines Mannes brauchte, der vor drei Monaten mal in der Klinik ein Vorstellungsgespräch gehabt hatte, müsste sie ihren Stolz überwinden und Liam gegenüber zugeben, dass sie mit einem Mann geschlafen hatte, dessen Nachnamen sie noch nicht einmal kannte. Doch das war es ihr wert, ihn zu finden.

Nick, der heiße Typ aus San Antonio.

Der Vater ihres Babys. Er sollte wenigstens erfahren, dass sie schwanger war.

Doch das konnte sie nicht hier und jetzt mit Kate besprechen. Wer wusste schon, wer hier gerade alles mithörte.

Außerdem fühlte sich Becca noch immer sehr schwach, und ihr Mund war unglaublich trocken. Sie legte sich einen weiteren Eiswürfel auf die Zunge und schloss die Augen.

Wie lange sie so dagelegen hatte, zwischen halb wachem Wahrnehmen der Geräusche und richtigem Schlafen, wusste sie nicht. Sie hatte gerade von der Nacht von Victors Unfall geträumt, in der Rosanna sie halb wahnsinnig vor Angst beschuldigt und sie anschließend angeschrien hatte, sofort zu verschwinden. Dann war Nick plötzlich aufgetaucht …

„Hallo, Ms. Flannigan. Ich bin Dr. Ciotti.“ Er schaute sie gar nicht an, sondern nur auf das Tablet in seinen Händen.

Er war es tatsächlich! In voller Lebensgröße, gut einen Meter fünfundachtzig groß, breite Schultern, ziemlich langes braunes Haar.

Nick Ciotti, das klang italienisch.

Sein Kittel und die grüne OP-Kleidung verbargen jetzt die Tattoos auf seinem Bizeps, irgendein lateinisches Wort und ein kunstvolles keltisches Kreuz.

Der Gedanke an die Tattoos brachte automatisch Beccas Erinnerungen an seinen durchtrainierten Körper und an die überwältigenden Gefühle, in die er sie in jener Nacht gestürzt hatte, zurück.

Nun stand er plötzlich hier vor ihr. Wieso?

Vielleicht war er ja ein gefallener Engel, der die Leute in der Notaufnahme schon einmal auf das Fegefeuer vorbereitete …

Lieber nicht, dachte sie. Dann wurde ihr auf einmal bewusst, dass sie garantiert schrecklich aussah. Vielleicht würde er sie ja gar nicht wiedererkennen?

„Ich bin der diensthabende Arzt nach dem Schichtwechsel und wollte kurz nach Ihnen schauen, bevor ich Ihre Entlassungspapiere unterschreibe. Wie fühlen Sie sich denn momentan?“

Er tippte weiterhin auf seinem Tablet herum und hatte Becca noch immer nicht angeschaut. „Wie ich hier lese, sind Sie schwanger. Fühlen Sie sich denn in der Lage, nach Hause zu gehen?“

Darauf wusste sie keine Antwort, denn seit seinem Auftauchen wusste sie eigentlich gar nichts mehr mit Bestimmtheit.

Schließlich schaute er sie doch an. Als ihre Blicke sich trafen, spiegelte sich das Wiedererkennen sofort in seinen Augen wider. Einen Herzschlag lang schien er erschrocken zu sein, und Becca spürte deutlich, wie er um Fassung rang.

„Oh, hallo“, sagte er. „Das ist … ähm … schön, dich wiederzusehen.“

Sachlich und unverbindlich. Keine Spur mehr von dem Zauber, der sie in jener Nacht in ein anderes Universum katapultiert hatte.

„Ist schon ein Weilchen her, nicht wahr?“ Sie bemühte sich, möglichst locker zu klingen, was hier auf der Liege im Krankenhaushemd mit trockenem Mund und spröden Lippen nicht ganz so einfach war. Wie oft hatte sie sich vorgestellt, ihm im Park oder in einem Restaurant zu begegnen! In ihrer Fantasie war er natürlich immer allein, voller Sehnsucht nach ihr und außer sich vor Freude gewesen, sie wiederzusehen. Die Szene in der Notaufnahme, in der sie wahrscheinlich genau so aussah, wie sie sich jetzt gerade fühlte, hatte aber ganz bestimmt nicht in ihrem Drehbuch gestanden.

Gott, lass mich doch einfach tot umfallen!

Nein, natürlich nicht! Erschrocken legte sie schützend eine Hand auf ihren Bauch.

Das war jetzt bestimmt nicht der richtige Moment für Eitelkeiten. Ganz gleich, wie sie aussah, sie musste unbedingt mit ihm reden.

„Wann war das doch gleich noch gewesen?“, fragte er. Sein Tonfall war wieder ganz professionell, von Arzt zu Patientin, und diese schliefen in der Regel nicht miteinander.

Aber damals war sie nicht seine Patientin gewesen. Er hatte ihr nur einige Fragen zum Zustand ihres Neffen beantwortet; medizinische Fachbegriffe, die sie nicht hatte zuordnen können.

„Vor drei Monaten“, half sie ihm auf die Sprünge. „Vor zwölf Wochen, genauer gesagt.“

Dr. Nick Ciotti schaute erneut auf das Tablet und scrollte hektisch darauf nach unten. „Ja. Also … drei Monate.“

Sie sah, wie er gedanklich anfing zu rechnen.

Er wandte sich nun der Schwester zu, die in diesem Moment hinzugekommen war, und dann zu Kate: „Könnte ich bitte kurz mit Ms. Flannigan allein sprechen?“

Ms. Flannigan? Noch unpersönlicher ging es ja wohl nicht, und das war der tolle Mann, dessen Kind sie gerade erwartete!

Die Schwester warf ihm daraufhin einen fragenden Blick zu.

„Das geht schon in Ordnung, Sally. Becca und ich sind alte Freunde.“

Alte Freunde? Becca vermied es krampfhaft, Kate anzuschauen, denn nur ein verräterischer Blick, und die Schwester wäre vermutlich sofort über alles im Bilde.

Nick schaute Becca erneut an. „Deine Freundin hat doch sicher nichts dagegen, oder?“

Becca fühlte sich plötzlich unsicher. Natürlich, sie musste mit Nick reden, aber …

„Becca?“, fragte Kate. „Ist das in Ordnung für dich?“

Himmel, wieso kommt das jetzt alles so plötzlich? Aber sie konnte ja Kate schlecht bitten hierzubleiben …

Also nickte Becca schicksalsergeben. „Ja, kein Problem.“

Sally schien nicht ganz überzeugt zu sein, bedeutete Kate aber trotzdem, ihr hinauszufolgen.

„Wir brauchen auch nicht lange“, meinte Nick und schaute auf das Tablet.

Als Sally und Kate draußen waren, breitete sich eine unbehagliche Stille zwischen Nick und Becca aus.

„Ich freue mich, dich wiederzusehen“, sagte Nick schließlich leise.

„Das war gerade eine ziemliche Überraschung“, erwiderte Becca. „Ich wusste ja nicht, dass du den Job bekommen hast.“

„Sah zuerst auch gar nicht danach aus, aber schließlich sind wir uns dann doch einig geworden. Also – gibt es etwas, worüber wir sprechen sollten?“

„Ja, wir müssen tatsächlich dringend reden“, sagte Becca.

Nick betrachtete sie intensiv und versuchte herauszufinden, worum es ging.

Becca Flannigan sah aus wie das nette Mädchen von nebenan mit ihrem seidigen braunen Haar und den leuchtend blauen, goldgesprenkelten Augen, um deren Iris sich ein dunkelblauer Kranz zog. Diese Augen verleiteten einen unwillkürlich dazu, genauer und ein wenig länger hinzuschauen. Genau das war Nick passiert an jenem Abend, als sie sich zum ersten Mal begegnet waren. Becca hatte sich nur nach dem Zustand ihres Neffen erkundigen wollen, doch ihre Schwester war auf sie losgegangen, hatte Becca die Schuld an dem Unfall gegeben und sie angeschrien zu verschwinden. Dabei hatte der Junge sogar selbst zugegeben, dass er an einem Straßenrennen teilgenommen hatte.

Nick war gerade aus seinem Vorstellungsgespräch gekommen, als er Zeuge der ganzen Szene geworden war. Wahrscheinlich hätte ich einfach sofort in mein Hotel gehen sollen, dachte Nick. Stattdessen hatte er Becca zu sich gerufen und ihre Fragen nach dem Zustand des Jungen beantwortet.

Sie hatte dabei so unfassbar zerbrechlich gewirkt, dass er sie einfach hatte beschützen und trösten müssen, und auch jetzt löste sie wieder diese Gefühle in ihm aus.

Als er anschließend ins Bentleys gegenüber dem Krankenhaus gegangen war, um noch eine Kleinigkeit zu essen, hatte er Becca allein dort sitzen sehen, und das war wie ein Sonnenstrahl am grauen Himmel für ihn gewesen. Diese Wirkung hatte sie auch jetzt wieder auf ihn.

Becca hatte gerade irgendetwas gesagt, was er aber nicht genau mitbekommen hatte, außer den Worten „schwanger“ und „ja“ wir müssen reden‘.

Innerhalb von fünf Minuten stand seine Welt plötzlich Kopf. Er konnte doch nicht Vater werden! Also, theoretisch konnte er das natürlich schon, aber sie hatten doch ein Kondom benutzt. Wie war das möglich?

Er raufte sich das Haar und verbiss sich die wenig freundlichen Worte, die ihm gerade in den Sinn kamen. Vielleicht war das Kind gar nicht von ihm? Vielleicht hatte sie ja auch noch mit jemand anderem geschlafen. Er kannte sie doch kaum. Alles, was er über sie wusste, war, wie sehr sie ihn in jener einsamen Nacht vor drei Monaten verzaubert hatte.

Doch all das sagte er nicht, er entgegnete nur: „Kannst du mir bitte sagen, wie das passiert ist?“

Statt einer Antwort sah Becca ihn so ungläubig an, dass ihm selbst bewusst wurde, wie idiotisch diese Frage war.

„Schon gut“, sagte er und winkte ab. „Ich bin …“

Etwas schepperte plötzlich auf der anderen Seites des Vorhangs, offenbar war etwas heruntergefallen. Ein Kind weinte und rief: „Ich will sofort zu meiner Mama!“ Eine Schwester sprach irgendwo mit einem Patienten, und er konnte jedes Wort verstehen.

Irgendwie stürzte gerade alles über ihm zusammen. Sie konnten das auf keinen Fall hier und jetzt klären. Er versuchte, sich erst einmal zu sammeln und starrte dabei auf sein Tablet, als stünde dort die Antwort auf all seine Fragen. Becca hatte Kate Thayer als Kontaktperson angegeben, ihre Freundin. Also kein Ehemann und auch kein fester Partner. Ersatzweise hatte sie noch ihre Eltern genannt. Sicherheitshalber scrollte er die Daten noch einmal nach oben. Familienstand: ledig.

Nick schaute Becca wieder an.

Nie im Leben hatte er damit gerechnet, sie heute hier wiederzusehen.

Dabei hätte er sie ja gern noch einmal getroffen, denn seit jener Nacht war sie ihm einfach nicht mehr aus dem Kopf gegangen. Als er den Job angenommen hatte, war er entschlossen gewesen, sie ausfindig zu machen. Wie viele Beccas könnte es schon in Celebration, Texas, geben? Doch bisher hatte er noch kaum Freizeit gehabt. Der Umzug von San Antonio vor gerade mal fünf Tage her, und der neue Job hatte ihn voll in Anspruch genommen. Seine Umzugskisten standen noch allesamt unausgepackt in seinem Apartment.

Doch nun hatten sie sich wiedergefunden, und sie war im dritten Monat schwanger. Das konnte er auch ohne Taschenrechner nachrechnen.

„Seit wann bist du denn wieder hier?“, fragte sie.

War sie etwa im Krankenhaus, weil sie nach ihm gesucht hatte?

Nein, natürlich nicht. In ihrer Akte stand eindeutig, dass sie eine Lebensmittelvergiftung hatte.

Wann hatte sie es ihm denn sagen wollen? Hatte sie es ihm überhaupt sagen wollen? Hätte er jemals von dieser Schwangerschaft erfahren, wenn er diesen Job nicht angenommen hätte?

„Noch keine ganze Woche.“

„Oh.“ Irgendwie klang das traurig.

Sie wirkte so klein und zerbrechlich auf dieser Liege. Trotz dieser Hiobsbotschaft und des ganzen Drumherums verspürte Nick das dringende Verlangen, Becca einfach in die Arme zu schließen und sie zu beschützen. So hatte es ja auch überhaupt erst angefangen.

Doch im Moment war er im Dienst und in erster Linie ihr Arzt.

„Sally wird gleich wieder reinkommen und dann deine Werte checken. Wenn alles okay ist, kannst du wieder nach Hause. Informiere aber bitte deinen Gynäkologen über die Vergiftung, und falls es dir wieder schlechter geht, ruf sofort einen Arzt oder komm wieder her.“

Sie schwieg, während er in Ruhe seine restlichen Eintragungen vornahm.

Als er fertig war, fragte er: „Wann hast du Zeit?“

Sie hob die Schultern und entgegnete mit gedämpfter Stimme: „Hör zu, ich will dich zu nichts zwingen, was du nicht willst.“

„Das sollten wir nicht hier besprechen. Wann passt es dir?“

„Ich weiß es nicht. Wahrscheinlich, wenn ich mich besser fühle.“

„Wie wär’s mit morgen?“, fragte er.

2. KAPITEL

Eine halbe Stunde später saß Becca in Kates Auto und wurde von ihr heimgefahren. Sie spürte die abendliche Novemberkälte bis auf die Knochen und fühlte sich schwach und verletzlich.

So sehr sie auch nach Nick gesucht hatte, um ihm von der Schwangerschaft zu berichten – so hatte sie sich dieses Wiedersehen ganz bestimmt nicht vorgestellt.

Er hatte zwar von der Schwangerschaft erfahren sollen, doch Becca wollte sich das Heft nicht aus der Hand nehmen lassen. Solange niemand davon gewusst hatte, war sie auch niemandem Rechenschaft schuldig gewesen. Schließlich hatte sie sich gerade erst selbst mit dem Gedanken angefreundet, Mutter zu werden. Nicks Auftauchen schien das alles zu komplizieren.

Becca starrte durch das Fenster in den dunkelvioletten Himmel, gegen den sich die kahlen Baumkronen schwarz abzeichneten.

Das passt irgendwie, dachte sie. Komplett preisgegeben. Ohne schützendes Blätterkleid, nackt bis auf die kahlen Äste. Doch diese Bäume hatten die Hauptstraße von Celebration schon seit Jahrhunderten gesäumt, durch viele Winter und Stürme hindurch, und waren immer wieder aufgeblüht.

Jetzt begann eben auch in ihrem Leben eine neue Zeit.

Morgen würde Nick zu ihr kommen, und sie würden über alles reden. Er hatte nicht gerade glücklich gewirkt, aber schließlich musste er diese Neuigkeit ja auch erst einmal verdauen. Becca war nicht wohl bei dem Gedanken, sich jetzt mit Nick darüber auseinandersetzen zu müssen. Doch wenn nicht jetzt, wann dann?

Als sie an einer roten Ampel hielten, spürte Becca Kates Blick auf sich. Die gute Kate! Auch sie hatte es garantiert umgehauen, dass ihre beste Freundin unverhofft schwanger geworden war, und das ganz ohne Partner. Na ja, jetzt nicht mehr so ganz. Auf jeden Fall war bisher nicht eine einzige Frage zu Nick über Kates Lippen gekommen.

„Ich bin also schwanger“, begann Becca deshalb, „und der Arzt von vorhin, Nick Ciotti ist der Vater.“

Kates große Augen wurden daraufhin noch größer, doch sie nickte nur stumm.

„Tut mir leid, dass du es auf diese Weise erfahren hast. Ich hätte es dir eher erzählen sollen, aber ich war einfach noch nicht bereit dazu. Hoffentlich weißt du trotzdem, wie dankbar ich dir für alles bin, was du heute für mich getan hast. Du bist eine wirklich gute Freundin, Kate!“

„Ich bin froh, dass ich dir helfen konnte“, erwiderte Kate. „Du musst mir gar nichts erklären, wenn du noch nicht so weit bist.“

Einen Moment lang teilten sie einfach schweigend ihre Verbundenheit.

Dann sagte Kate: „Er sieht wirklich gut aus, ein sehr attraktiver Typ.“

Becca musste lachen. „Das ist mir nicht entgangen!“

„Liam hat Dr. Ciotti nie erwähnt“, wunderte sich Kate jetzt.

Die Ampel schaltete auf Grün und Kate fuhr weiter.

„Er arbeitet erst seit ein paar Tagen hier“, erklärte ihr Becca. „Da Liam in einer anderen Abteilung ist, sind sie sich vielleicht noch gar nicht begegnet.“

„Wie habt ihr euch denn überhaupt kennengelernt?“, nahm Kate einen neuen Anlauf. „Du musst es mir aber auch nicht erzählen, wenn du nicht möchtest.“

Becca konnte Kates Neugier nur allzu gut verstehen; ihr wäre es im umgekehrten Fall auch nicht anders gegangen. Allerdings führte Kate eine wundervolle Ehe. Liam war verwitwet gewesen, als Kate ihn kennengelernt hatte. Er hatte Zwillingstöchter im Teenageralter und allen Schmerz, den der viel zu frühe Verlust eines geliebten Partners hinterlässt, mit in diese Beziehung gebracht. Doch Liam und Kate waren Seelenverwandte und hatten die Chance auf ein neues Glück sofort gemeinsam ergriffen.

„Nein, schon gut. Erinnerst du dich noch an die Nacht, in der Victor den Unfall beim Straßenrennen hatte?“

„Ja.“

„Damals ist Rosanna im Krankenhaus auf mich losgegangen.“

„Wieso denn auf dich? Du bist doch gar nicht gefahren!“

„Nein, aber ich war diejenige, die Victor gezeigt hatte, wie man mit einem Schaltgetriebe umgeht.“

Kate schüttelte verständnislos den Kopf.

Rosannas Sichtweise war tatsächlich schwer nachvollziehbar, wie so oft.

Autor

Nancy Robards Thompson
<p>Nancy Robards Thompson, die bereits mit vielen Preisen ausgezeichnet wurde, lebt in Florida. Aber ihre Fantasie lässt sie Reisen in alle Welt unternehmen – z. B. nach Frankreich, wo einige ihrer Romane spielen. Bevor sie anfing zu schreiben, hatte sie verschiedene Jobs beim Fernsehen, in der Modebranche und in der...
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